Das Vaterunser
Do was ein gud Jungfrauwe, die plage sere iniglichen zu beden in eim Winckel in der Kyrchen. Das hatte gemercket ein heilig Bischoff; der sach, das von dem Hymmel qwam ein wyß Tube vnd sast sich off der Jungfrawen Schoiß, vnd drancke alle die Trene, die dy Jungfrauwe weinte in yrem Gebede. Do nam der Bischoff die Jungfrauwe uß, vnd fragete sie, was ir Gebet were. Sie sprach: sie enkunde kein Gebet, dan das Pater noster. Do sprach der Bischoff: Dochter! Ich wil dir geben einen Selter, vnd bevelen dir, das du alle Tage salt uberlesen. Sie nam den Selter, vnd vberlase yn alle Tage. — Nach der Zyt ersach der Bischoff die Tube nit me komen, als er vor gesehene hatte. Do sprach der Bischoff zu der Jungfrauwen: liebe Dochter! (uberlesest du den Selter?) — Sie sprach: lieber Here, ich lesen vnd sprechen vn alle Tage uber, also ir mir bevolen hant. Ane ich entfole nit alsolich Inigkeit, also ich plag zu thun in dem Pater Noster. — Do nam er ir den Selter wider, vnd beval ir das sie sprechen solte das Pater Noster, also sie plag zu thun.
(Nach der Zyt qwam die wys Tube wider, vnd dranck alle die Trene, die dy Jungfrauwe weinte in yrem Gebede). —
(Aus der Seele Troist. H. S. aus dem Anfang des 16.ten Jhdts in meinem Besitz. — F. W. Carove.)