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Das Thal des Clitumnus bei Spoleto

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XXII. Die grosse Terrasse in Brighton in England Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Erster Band (1833) von Joseph Meyer
XXIII. Das Thal des Clitumnus bei Spoleto
XXIV. Washington; – das Capitol
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CLITUMNUS-TEMPEL,
bey Spoleto in Italien.

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XXIII. Das Thal des Clitumnus bei Spoleto.




Wenige Gegenden des schönen Italiens verläßt der Wanderer mit größerem Bedauern, als das stille, fruchtbare Thal des Clitumnus. Arkadien selbst könnte den Genien des Hirtenlebens keinen reizendern Aufenthalt bieten, möchten sie wiederkehren auf die von ihnen und der Unschuld verlassene Erde. In den Tagen einer schönern Vorzeit, als die Natur es hauptsächlich war, welche die Menschen zu Poesie und Gesang begeisterte, war das Thal des Clitumnus aller Dichter Preis, und Strom und Hain belebte ihre entzückte Phantasie mit Wesen höherer Art. – Diana und ihre Nymphen badeten sich in den krystallenen Wellen, Faunen flöteten auf den Höhen und Satyre schäkerten mit den Dienerinnen des Bacchus in den Rebengeländen der sonnigen Hügel. Selbst die ernste Wissenschaft schien berückt von der Gegend Zauber, und der strenge Plinius erklärt die blendend weiße Farbe der dortigen Rinderheerden aus der Kraft der klaren Fluthen des Clitumnus und der balsamischen Kräuter an seinen Gestaden.

Zwei Jahrtausende liegen zwischen jener Zeit und der Gegenwart. Sie warfen die Weltstadt in Trümmer, und legten die Palläste der Cäsaren in Staub; das Römervolk ist von der Erde verschwunden; die elende Mischlingsraçe von Barbaren und Sklaven, die den Namen noch trägt, macht selbst seinen Namen zum Spott! – Aber im stillen entlegenen Thale des Clitumnus glaubt der Reisende das Rad der Zeit rückwärts geschoben, alles ist noch, wie die Dichter in den Tagen des Maro es beschrieben. Noch immer murmelt der silberhelle Strom so traulich, noch immer grasen schneeweiße Rinder an seinem Saume, noch immer flötet der Hirte zum Tanze der muntern Ziege, noch immer dieselbe Fruchtbarkeit in Weinbergen, Olivenhainen und Gärten, derselbe Frohsinn, dieselbe Einfalt, dieselbe Zufriedenheit unter den glücklichen Hirten und Winzern, seinen Bewohnern. Und um die Täuschung vollkommen zu machen, – ein schöner Tempel, (der Diana, nach Andern dem Bacchus, geheiligt,) derselbe, dem die alten Dichter lobsingen, schaut noch glänzend und freundlich und so wohl erhalten von seinem sonnigen Hügel, als trennten Damals und Jetzt kaum so viel Jahre, als Jahrhunderte. – Der Geist der alten Welt, längst den Städten entflohen, scheint sich in dieses entlegene Thal geflüchtet zu haben, und wie ein unglücklicher, großer, in einen Winkel der Erde gebannter Monarch noch alles in seinem kleinen Kreise mit dem Zauber seiner Größe erfüllt und ihm Wichtigkeit und Interesse verleiht, so scheint sich auch dort, angeweht vom Genius der classischen Vorzeit, alles zu veredeln und zu verschönern. Unwillkürlich neigt sich an dieser Stelle der Gedankenflug des [57] Wanderers tief in den Abgrund der Vergangenheit, über welchen der Sturm der Weltgeschichte wie der Athem des Weltgeistes braust’, näher gerückt fühlt er sich der Gottheit, sein Herz erhoben über die Wünsche und Leidenschaften, welche das tiefe Eintagsleben bewegen – und gestärkt, versöhnt auch mit der Gegenwart, weil er für ihre Stacheln weniger verletzbar geworden, tritt er in die prosaische Welt, in die Wirklichkeit zurück.