Das Schwind-Denkmal in München
[516] Das Schwind-Denkmal in München. (Mit Abbildung.) Seitab von dem Großstadtverkehr und doch ganz nahe der schönen Maximiliansstraße, auf der zum Park umgeschaffenen kleinen Isarinsel, ist am 4. Juli d. J. das Denkmal Moritz von Schwinds enthüllt und dadurch eine alte Ehrenschuld getilgt worden. Unmittelbar nach seinem Tode im Jahre 1871 traten Freunde und Genossen zur Gründung des Monumentes zusammen, aber offenbar war damals die Zeit hoher politischer Erregung dem Unternehmen nicht förderlich. Es kam ein kleines Kapital zusammen, das aber zur Herstellung nicht ausreichte, also hieß es zuwarten. Heute nun, nach mehr als zwanzig Jahren, sieht München die Züge des Mannes auferstehen dessen kurze gedrungene Figur mit dem mächtigen Kopfe fast täglich hier durch die Maximiliansstraße wandelte, rechts und links grüßend, hier ein freundliches und dort ein sarkastisches Wort austheilend: eine der Haupt-Charakterfiguren des alten München.
Und die am Enthüllungstag in erster Reihe der Festversammlung standen und mit Rührung zu dem Denkmal hinaufsahen, sie gehörten auch zum Theil der „alten Münchener Garde“ an. Freunde und Genossen Schwinds, Männer mit weißen Haaren und gealterte Frauengesichter, sie scharten sich um seine Familie, die überlebenden Kinder und Enkel, alle freudig gehoben durch die gemeinsame Huldigung für den unvergeßlichen Künstler. Wie eine feierliche Genugthuung für sein Andenken klangen ihnen die Worte des Präsidenten der Künstlergenossenschaft Eugen Stieler, der, nach der offiziellen Uebergabe an die Stadt und der Dankrede des Bürgermeisters, in warmen Worten hervorhob, wie auch heute in der Zeit scharfen Haders und erbitterter Gegensätze die Augen vieler sich auf Schwinds schönheitsfreudige und tief poetische Werke richten, um Erbauung daraus zu schöpfen und die Erkenntniß, „daß die Kunst mit der Alltäglichkeit nichts gemein hat“.
Das Denkmal selbst, von Hähnel modelliert, in der Erzgießerei von Miller hergestellt, wirkt sehr gut auf dem Hintergrunde der lichtdurchflossenen Baumzweige. Die Büste zeigt die wohlbekannten energischen Züge im jugendlichen Mannesalter – allegorische Figuren umgeben den Sockel. Man hat den Eindruck, als ob es dem Malerpoeten wohl sein müßte in dieser grünen Einsamkeit, wo das Brausen der wildströmenden Isar sich mit den Vogelstimmen in Baum und Busch vermischt. Der Lebende würde hier gern gerastet haben, also ist die Stelle für sein Denkmal wohl glücklich gewählt und München ist durch dasselbe um eine Zierde reicher geworden.
Gleichzeitig veröffentlichen wir auf S. 513 die Nachbildung eines Aquarells von Schwind, welches seinerzeit auf der Grillparzer-Ausstellung im neuen Wiener Rathhause berechtigtes Aufsehen erregte. Es stellt das Mittelbild dar aus einem dreitheiligen Cyklus, welcher dem verstorbenen Lustspieldichter Eduard v. Bauernfeld aus Anlaß seines siebzigsten Geburtstages von Damen der Wiener Gesellschaft als Huldigungsgabe gewidmet wurde und der sich heute im Besitze des Fräulein v. Wertheimstein, einer Tochter von Bauernfelds edler Freundin Josephine v. Wertheimstein, befindet. Schwind führt uns in das Poetenstübchen des Jugendfreundes: porträttreu und doch mit echter Künstlerlaune vergeistigt erscheint Bauernfeld, in Schlafrock und Pantoffeln, wie er Schwind, dem Urbild der Behaglichkeit, eine neue Komödie vorliest; seitwärts schaut uns die Büste des dritten und vielleicht größten Musensohnes in diesem Freundesbunde, das gemüthliche Gesicht Franz Schuberts entgegen; im Hintergrund sucht der wackere Bayer, der stille, gelehrte Vertraute der beiden, nach einem Schmöker in Bauernfelds Bücherei. Und gar heimelig nimmt sich in diesem Kreise die Phantasiegestalt der „Jugend“ aus Raimunds „Bauer als Millionär“ aus, recht eigentlich der Genius loci dieser einzigen Herzensbrüderschaft. Der Güte der gegenwärtigen Besitzer der schönen Blätter, der Familie v. Wertheimstein, danken wir die freundliche Erlaubniß, dieses Blatt vervielfältigen zu dürfen.