Das Schloß im See
Der Sänger ziehet ein im Schloß der Grafen; –
Auf alten Brauch sie bei der Tafel halten,
Wo hoher Gäste viel’ zusammentrafen.
Er soll des Mahles Fröhlichkeit entfalten,
Doch finster sieht man sie die Stirne falten,
Als sie in ihrer schönen Schwester Blicken,
Um die sich drängt der reichsten Grafen Menge,
Mehr als des Ohres flüchtiges Entzücken,
Mehr als sie wollen, mehr als Scherz gewahren.
Der Sänger siegt durch Allgewalt der Klänge,
Siegt durch die Wunderkraft der unsichtbaren,
Geahnten Geisterwelt; im Auge waltet,
In seinem Sein ist sichtbarlich gestaltet,
Was Jugendreiz zum Jugendherzen flammet,
Und zur Erscheinung, was er singt, entfaltet,
Wie er, sie ihm. – Doch hohem Ahn entstammet,
Als ihre Streng’ ihn schnell zur Flucht verdammet.
Das Fräulein soll ein Schloß im See verstecken;
Doch nur zu bald bringt der Verrath die Kunde,
Und sie erschauen selber es mit Schrecken,
Der Sänger durch den See auf leichtem Nachen
Vergebens lassen sie das Schloß bewachen,
Der Glückliche doch kehrt allnächtlich wieder. –
Im tiefen See zu löschen ihm der Lieder,
Die Liebe Gluth, – in Nacht ihn zu begraben.
Heut wiederum auf seines Kahns Gefieder
Fuhr er zum Schloß. Die Grafen Nachricht haben,
Gewonnen hat sich einen Fischerknaben
Der kühne Segler, der ihm in der Hütte
Nah an dem Ufer eines Lichtes Flimmer
Anflammt als Leitstern; denn nur wenig Schritte
Licht blinkt vom Schloß’ auch, schwebet er im Kahne
Zielkundig hin und her. Doch dieser Schimmer
Wird bald entdeckt. „Zu dem Verderben bahne
Das Licht den Weg ihm!“ – sinnt der Grafen Tücke;
Und zuzulassen, wie man ihn berücke,
Sieht durch Gewalt der Fischer sich gezwungen.
Der Sänger weilt in seinem Minneglücke
Heut länger auf dem Schloß, vom Traum umschlungen,
Den sie ihm küßt’, den ihr sein Lied gesungen.
Doch endlich schlagen muß die Abschiedsstunde;
Der nahe Morgen würde zum Verräther.
Ihr Lebewohl bebt auf dem Rosenmunde.
Der List Gefahren drohen dem Verspäter;
Nicht länger kann er, länger nicht mehr hausen.
Er reißt sich los vom Himmel, wie zur Hölle:
Ihr Auge folget ihm zur schwanken Welle,
Zum Licht’ am Ufer, wo am hohen Steine
Die Grafen lauern, bei des Lichtes Stelle.
Der Sänger strebt nach dem bekannten Scheine,
In sich getrost, es sei das Licht das seine. –
Doch sie vom Schloß aus sieht die Leuchte wanken,
Seitwärts sie wandern an des Landes Rande
Zum wilden Mahlstrom; – schaurige Gedanken
Nicht zu errufen mehr, des Freundes Leben
Hinfahren – ha! – Des schwachen Weibes Bande
Durchbricht sie kühn; mag wilder sich erheben
Der Wellen Sturm, sie schwinget ohne Säumen
Ihr Angst und Liebe. Deinen finstern Räumen,
Nacht, biet’ ich Trutz! Ihn wollet ihr verderben,
Gebt mir den Tod auch! Mögt ihr, Fluthen, schäumen;
Mit seinen Liedern will ich lieber sterben,
Windsbraut, mit dir um meinen Bräut’gam werben.
Das Ruder rauscht; Gewand und Schleier flogen
Gleich einem Segel. Schnell, wie der Gedanke,
Schnell, wie des Mondes Strahl im Wolkenbogen,
Hochragende Gestalt auf Todesbahnen
Der Nacht, die noch ihr nicht verräth das schwanke
Schiff des Geliebten. Könntest du es ahnen,
Welch ein Delphin, Arion, dich will retten!
Doch Nacht und Sturm hält dich in finstern Ketten;
Das Licht, dein Zielstern, führet spukgestaltsam
Zum Grabe dich, das Tücke dir will betten;
Bald zerrt der Fluthen Wirbel unaufhaltsam
Da rauscht es hinter dir, und reißt gewaltsam
Heraus dich aus den aufgethanen Grüften,
In’s Leben dich zurück. In Liebesarmen
Ruhst du gerettet; Dank und Freude lüften
Läßt Liebe dich zum neugebornen Glücke.
Doch, welch ein Schrei des Schrecks?! Es ruft Erbarmen
Vom Strudel her im gleichen Augenblicke:
Der Grafen Stimme hören sie; verfallen
Das, Sänger, dir sie betteten. Das Wallen
Der wilden Wuth, die sturmbewegte Welle
Trieb sie zum Abgrund, dessen Riesenkrallen
Hinab sie rissen in den Schlund der Hölle.
Fort, rief die Gräfinn; fort in Windesschnelle!
Fern will von hier mit dir ich, Trauter, wohnen!