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Das Rote Kreuz spricht zu unserer Jugend

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
Autor: Emma Vely
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Titel: Das Rote Kreuz spricht zu unserer Jugend
Untertitel:
aus: Das Kränzchen. Illustrierte Mädchen-Zeitung, 27. Folge, Seite 36–37
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Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1914
Verlag: Union Deutsche Verlagsgesellschaft
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Erscheinungsort: Stuttgart, Berlin, Leipzig, Wien
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Quelle: Commons
Kurzbeschreibung:
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Das Rote Kreuz spricht zu unserer Jugend. Von E. Vely.

Flatternde Fahnen! Hellschmetternde Melodien! Buntes Leuchten in der Sonne! Überall die Landesfarben und das gemeinsame Schwarzweißrot, das Band, das sämtliche Gaue des Vaterlandes umschlingt und alle Hände! Und dazwischen ein Banner: ein weißes breites Feld und darin das freudig schimmernde Rote Kreuz! Wir sehen es in diesen schweren, großen und begeisterten Tagen recht oft. Sanitätsabteilungen ziehen unter dem Zeichen aus. An sausenden Automobilen kündet es: „Weithin geht die Fahrt!“ Ernste Männer und Frauen tragen es am Arme.

Unter dem Roten Kreuz scharen sich die Helfer und Pfleger. Sie greifen auf dem Schlachtfelde ein, nachdem es geheißen hat: „Tambour muß den Wirbel schlagen, wenn Kartätsch’ und Bombe kracht –“ und Feindeskugeln sich ein Ziel gesucht und gefunden haben. Der unerschrockene Militärarzt reitet und schreitet unter dieser Flagge; sein ganzer Stab von getreuen Helfern folgt. Sanft und leise müht man sich um die wund Daliegenden, trägt sie zu geschützten Plätzen, und dann tritt die Pflege in den Lazaretten ein, wo die Frauen vom Roten Kreuz wirken.

Wie es entstand? Da muß die Jugend sich über das Geschichtsbuch beugen und sich von der köstlichen Tat der Menschenliebe erzählen lassen. Denn am 15. März dieses Jahres wurde schon der fünfzigste Geburtstag des Roten Kreuzes gefeiert.

In der Seele eines Arztes, des Genfers Henry Dunant, entstand nach der Schlacht von Solferino am 24. Juni 1859 zwischen den Österreichern, Sardiniern und Franzosen der Schöpfungsgedanke. Die furchtbaren Greuel des Schlachtfeldes, das Elend der Verwundeten hatten ihn tief erschüttert. Die Männer am Boden, die ihr Blut vergossen und nun hilflos dalagen, mußten geschützt werden, ebenso die Helfer. Er sah die Möglichkeit eines Zusammenschlusses und erhob seine rufende Stimme. Auf dem Schlachtfelde mußte es eine Friedensoase geben; die Opfer sollten unter irgendeinem Zeichen hervorgeholt werden. Freund und Feind hatte es zu achten. So bildete sich die „Genfer Konvention“, kamen Satzungen zum Ausdruck, die für alle Völker Geltung haben. Und das rote Kreuz auf weißem Grunde ist das Wahrzeichen. Keine Kugel darf dahin gerichtet werden, wo es sich emporhebt. So ist die Genfer Übereinkunft das schönste Werk der Nächstenliebe, das das neunzehnte Jahrhundert hervorgebracht hat. Es schließt alle Völker und Glaubensfragen zu friedlicher Gemeinsamkeit zusammen; es zwingt die Herzen und hebt die Blicke empor. „Der Wunde, der Bedürftige ist mein Nächster. Wie helfe ich ihm?“ Aus vielen Kämpfen ist unser Vaterland groß und geachtet hervorgegangen. Aber mich mancher Held ist auf dem Schlachtfeld ungeschützt liegen geblieben, [37] seiner Verwundung erlegen, weil nicht schnell genug die ärztliche Hilfe einsetzen konnte. Vielleicht hätten unser großer Freiheitssänger Theodor Körner, der tapfere Schill, der edle Herzog von Braunschweig gerettet werden können, wäre damals schon ein Rotes Kreuz neben ihnen geflattert, hätte schnelle ärztliche Fürsorge so zu walten vermocht wie heute. Die ärztliche Kunst, die Gesundheitsfürsorge haben seit der Entstehung des Roten Kreuzen große, herrliche Fortschritte gemacht, die dem menschenfreundlichen Gedanken die weiteste Ausdehnung geben.

Wenn wir heute unsere Tapferen hinausziehen sehen zum Siege, wissen wir, daß ihnen auch Wunden geschlagen werden, aber zugleich auch: „Das Rote Kreuz wacht!“ Es ist ein Hoffnungszeichen. Es breitet weiße Engelschwingen, hat die Worte „Heilung – Genesung“ wie leise Himmelströstung um sich klingen.

Wenn unsere Jugend ihm nachblickt und den tapferen Männern, die unter ihm die Hilfsgemeinde bilden, kann man wohl eines Kriegsliedes vom Jahre 1820 gedenken, mit dem Hans Friedrich Maßmann die deutschen Jünglinge begeisterte: „Ach Gott, tu erheben mein jung Herzensblut zu frischem, freudigen Leben, zu freiem, frommen Mut.“ Und dazu wird ein Gelübde ihre Seele durchziehen: Würdig zu werden dieser Väter und Brüder, die mit Waffen und mit Hilfefreudigkeit dahinmarschieren! Die Mädchen aber sollen sich vor den Frauen neigen, die eine Armee sind unter dem Roten Kreuz, und mit Klopstock sprechen, was er einer Mitschwester im Jahre 1771 in den Mund legte: „Ich bin ein deutsches Mädchen, erköre mir kein anderes Land zum Vaterland, wär’ mir auch frei die große Wahl!“ Und es soll, sowie es Zeit, auch Helferin werden.