Das Rheinthal
Strom der Heimath, mir so lieb! hast Jahrtausende gesehen,
Die nicht auf den Tafeln stehen, welche die Geschichte schrieb.
Doch verzeichnet sind sie dort in den wild gethürmten Schichten;
Was die Berge uns berichten, ist ein unvergänglich Wort.
An den öden Schilfgestaden um des Bruders Tod geweint.
Haben nicht den Dattelwein fromme Völker hier getrunken?
Doch die Palmen sind versunken und ihr Mark gefror zu Stein;
Und des Oelbaums heilig Laub, das des Markwalds Höhen schmückte,
Ja, ein Eden hat geblüht in des Rheines mildem Thale,
In des Himmels erstem Strahle, eh’ der Kaiserstuhl geglüht;
Eh’ noch Jovis Sternenring sich zum festen Kern verdichtet,
Eh’ ein Gott die Welt gerichtet, und die Nacht den Styr umfing.
Und des Nordes Stürme walten auf der Paradieses-Flur.
Das dämonische Geschlecht, dessen Hüften wir entsprungen,
Spie zum Himmel Lästerungen, trotzend auf ein Götterrecht.
„Menschen, unsre Kinder, ihr mögt die Erde von uns erben,
Und sie klimmen keck hinan zu dem hohen Wolkensitze,
Und sie achten nicht der Blitze auf des Kampfes luft’ger Bahn.
Aber plötzlich braußt das Meer, Feuerbäche gießen nieder,
Ueber der Titanen Glieder wälzen sich die Berge her.
Knochenberge aus den Fluthen – Sinnend steht der Mensch davor;
Wohl, die Todten schweigen nicht, reden müssen, die verwesen,
In der Asche kann er lesen, in den Gräbern brennt ein Licht.
Bald auch regen ihm die Hand Kräfte seiner Riesen-Ahnen,
Und zum Kampfe faßt er Muth, zwingt die Erde, ihm zu dienen,
Weiß die Gottheit zu versühnen, muß es seyn, mit eignem Blut.
Und des Rheines öder Grund wandelt sich zum Blumengarten,
Und die Hände, die ihn warten, schlingen sich zum Freiheitsbund;
In die Wolken hoch erheben muß sich Erwins stolzer Dom.
Und in Ton und Farb’ erblüht, was kein ird’scher Sinn vernommen,
Was von Oben nur gekommen in das liebende Gemüth. –
Schönes Thal am blauen Rheine, mit versunknen Heldenmalen!
Deiner Söhne heil’ge Schaar, nimmer wird sie Niedres dulden,
Was die Zeiten auch verschulden, löst sie fromm am Blutaltar.