Das Maria-Theresia-Denkmal in Wien
[483] Das Maria-Theresia-Denkmal in Wien. (Mit Illustration S. 473.) Der Monat Mai dieses Jahres brachte der österreichischen Kaiserstadt erhebende Festtage aus Anlass der Enthüllung des Maria-Theresia-Denkmales. Diese Enthüllung reihte sich als Glied in die Kette von Feierlichkeiten, welche das vierzigjährige Regierungsjubiläum Franz Joseph I. bezeichnen; aber in dieser Kette darf sie wohl das glänzendste Glied genannt werden. Mehr als sechzig Mitglieder der kaiserlichen Familie und alle Spitzen der Armee hatten sich zusammengefunden, um den Manen der großen Herrscherin eine Huldigung darzubringen; die ganze Bevölkerung Wiens, verstärkt durch tausend Gäste aus den Provinzen, nahm enthusiastisch theil an den verschiedenen Festakten. Die moderne bildende Kunst hat in dem Maria-Theresia-Denkmale einen ihrer besten Siege errungen. Der Schöpfer des Werkes, Kaspar v. Zumbusch, mag mit freudiger Genugthuung auf die Frucht fünfzehnjähriger Arbeit blicken; er hat einen vollen Erfolg eingeheimst. Aus der diesen Zeilen beigegebenen Abbildung des Maria-Theresia-Denkmals können die Leser sich einen Begriff von der Gesammtwirkung des herrlichen Werkes machen. Zumbusch, der in seinem vor dem Akademischen Gymnasium aufgestellte Beethoven nur sein Talent für die zielbewußte Durchbildung einer einzelnen Figur erwiesen hatte, legte nunmehr unzweideutig dar, daß seine Begabung viel weiter und viel höher reicht. Er verstand es, ein plastisches Zeit- und Geschichtsbild in großem Stil zu liefern, und wenn er auch gewiß manche Anregung von dem Berliner Denkmale Friedrichs des Großen empfangen hat, so bekundete er doch eine bedeutende Selbständigkeit der Auffassung und Ausführung. Das neue Monument in seiner Ganzheit bringt einen ebenso schönen wie starken Effekt hervor, obwohl erhebliche Schwierigkeiten zu überwinden waren, denn Zumbusch hatte sich gerade in wichtigsten Zügen an gegebene Vorschriften zu halten. So sollte auf die Anbringung hervorragender historischer Persönlichkeiten an dem Monumente ein besonderes Gewicht gelegt werden. Aber noch andere wichtige Momente waren für ihn gründlich zu erwägen. Dem Denkmale war sein Platz angewiesen zwischen den mächtigen, langgestreckten Bauten des naturhistorischen und des Kunstmuseums, gegenüber der im Entstehen begriffenen Hofburg. Von dieser grandiosen Umgebung und Nachbarschaft nicht erdrückt zu werden, galt als eine nicht geringe Aufgabe für den Bildner. Er hat sie in bewundernswerther Weise gelöst; heute klingt das Denkmal mit den Hafenauerschen Prachtgebäuden harmonisch zu einem herrlichen Accord zusammen.
Die Schönheit des Werkes läßt den Gedanken an dessen riesige Dimensionen kaum aufkommen. Letztere mögen damit angedeutet sein, daß die Porträtstandbilder 3,63 Meter, die Reiterstandbilder 4,50 Meter hoch find, aber an Höhe noch gewaltig überragt werden von der Kolossalfigur der Kaiserin, welche in erhabener Majestät den obersten Platz einnimmt.
Ein Postament aus Mauthausener Granit trägt einen Aufbau aus grauem, rothgesprenkeltem Pilsener Syenit und von diesem baut sich der Kern des Monumentes aus, der aus jeder seiner vier Seiten eine Art von Triumphbogen – gestützt von Säulen aus grünem Tiroler Syenit – enthält. Auf vier vorspringenden Sockelflügeln erscheinen die Heerführer Daun, Laudon, Traun und Khevenhüller zu Pferde, ebenso wie alle übrigen Figuren in Bronze ausgeführt. Die Wände des Hauptsockels sind mit Nischen versehen; in letzteren sieht man Hautreliefs, vor ihnen aber freistehende Figuren Rathgeber und Zeitgenossen der Kaiserin. Die beistehenden Figuren sind: Fürst Kaunitz, Fürst Wenzel Liechtenstein, Van Swieten, der treffliche Leibarzt Maria Theresiens, und Haugwitz, einer der tapfersten Generale der Monarchin. In den Reliefgruppen finden sich: der berühmte Staatsmann Bartenstein, die Feldmarschälle und Generale Starhemberg, Mercy, Lacy, Hadik und Radasdy; die bedeutenden Numismatiker Eckhel und Pray, die Musiker Gluck, Haydn und Mozart (als Kind); Grassalkovich, ungarischer Magnat, Bruckenthal, siebenbürgischer Landesgouverneur, Riegger, Rechtsgelehrter, Martini, Feldzeugmeister, und Sonnenfels, der Mann ohne Vorurtheil. [484] Eine mächtige Leistung ist die Figur der Kaiserin. Dem Künstler war die Richtschnur gegeben, sie „zwischen dem 30. und 35. Lebensjahre“ zu zeigen, „das Antlitz der Burg zugewendet“. Es mochte nicht leicht sein, eine sitzende Frau – Zumbusch hatte sich freiwillig entschieden, sie thronend anzubringen – mit imposanter Feierlichkeit und doch mit weiblicher Grazie auszustatten. Ein eigener Sockel dient dem Throne zur Grundlage, er ist mit den Inschriften geschmückt. „Maria Theresia“ und „Errichtet von Franz Joseph I. 1888“. Die Kaiserin streckt die Rechte aus wie zur Begrüßung, die Linke hält das Scepter; auf dem Schoße liegt eine Rolle, die pragmatische Sanktion, das berühmte Dokument, mit welchem Kaiser Karl VI. die Erbfolge zu Gunsten seiner Tochter umgestaltete und regelte. Macht und Liebreiz zugleich umstrahlen die Stirn der hohen Frau. Ihr Name erweckt Erinnerung an ihre Tugenden, an ihre edlen Eigenschaften, um diese aber doppelt sicher in das Gedächtnis der Nachwelt zurückzurufen, hat Zumbusch zu Füßen der Kaiserin, an den vier Ecken des Hauptaufbaues entsprechende Allegorien einen Platz finden lassen: Milde, Gerechtigkeit, Weisheit und Kraft.
Die angeführten Persönlichkeiten sind mit Porträttreue wiedergegeben; aber eine solche lag nicht in dem eigentlichen Zwecke des Denkmals, das namentlich auf einige Entfernung zu wirken hat und dieser Bestimmung in tadelloser Weise entspricht.