Das Mädchen und der Sagebaum
Mäßig. | Mündlich, aus Gramzow in der Ukermark. |
gar schön war sie gezieret:
was fand sie da am Wege stehn?
ein Sagebaum sehr grüne.
wovon bist du so grüne?“
‚‚‚Sag an, sag an, du Mägdelein,
wovon bist du so schöne?‘‘‘
das will ich dir wol sagen:
ich esse Semmel und trinke Wein,
davon bin ich so schöne.“
das will ich dir wol sagen:
es fällt der kühle Thau auf mich,
davon bin ich so grüne.
zu Hause muß sie bleiben;
sie muß sich fein ins Bettchen legn
mit ihrem zarten Leibe.
das ist ihr unverwehret;
bei Sonnenschein dann wiedrum heim,
so hat sie Ruhm und Ehre.
ist keine Ehr vorhanden;
es giebt der falschen Knaben viel,
die setzen dich in Schanden.‘‘‘
für deine gute Lehre!
ich will meim Schatz entgegen gehn,
dann werd ich wieder umkehren.“
du bist schon hingewesen;
du hast dein Rautenkränzelein
in seinem Arm gelassen.‘‘‘
ich thu dich nicht anschauen;
ich hab zwei stolze Brüderlein,
die sollen dich abhauen!“
im Sommer grün ich wieder;
ein Mädchen, die ihre Ehr verliert,
die kriegt sie nicht mehr wieder.‘‘‘
1, 2. Sie hatt sich schön geschnüret – sie zog sich an gar schöne. – 1, 4. Sagebaum, Sadelbaum: vgl. S. 20. – 3, 3. ich esse Semmel, trink kühlen Wein, das alle meine Tage. – 4, 3. auf mich so [111] fällt der kühle Thau – allmorgens fällt ein Thau auf mich. – 7, 8. Trau du nur keinem Burschen nicht, sie bringen dich in Schanden. – 8. Schön Dank, schön Dank, Herr Salomon, für seine weise Lehren! ich wollt zu meinem Schatz hingehn, jetzt aber will ich umkehren. – 10. Schweig still, schweig still, du Sagebaum! ich hab zwei freche Brüder, und wenn ichs ihnen erzählen thu, so haun sie dich darnieder.