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Das Kleinod des deutschen Ostens

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Textdaten
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Autor: Sanitätsrat Dr. Marschall (†)
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Titel: Das Kleinod des deutschen Ostens
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 17, S. 283–285
Herausgeber: Ernst Ziel
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1881
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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[283]

Das Kleinod des deutschen Ostens.

Ein Ruf zur Wiederherstellung der Marienburg.

Die Marienburg, der ehemalige Sitz des einst im Weichsellande so mächtigen deutschen Ordens, über den die „Gartenlaube“ bereits früher (Jahrgang 1859, Nr. 6) ihren Lesern einen illustrirten Artikel geboten hat, ist nach dem Urtheile aller Sachverständigen ein geradezu einzig in seiner Art dastehender Profanbau der gothischen Baukunst, die Perle des deutschen Nordens und Ostens, wie die Alhambra der Edelstein Spaniens ist. Die Marienburg hat seit ihrer Begründung an der Nogat (1274 bis 1276) so mannigfache wechselvolle Epochen durchlebt, wie sie wohl kein anderer deutscher Kunstbau, mit Ausnahme vielleicht vom Kaiserpalatium in Goslar, zu überstehen gehabt hat. Einst eine uneinnehmbare Feste, der glanzreiche Sitz des von Kaiser und Reich gefürsteten Hochmeisters des deutschen Ordens und zugleich der Ziel- und Sammelpunkt aller deutschen Kreuzfahrer und Colonisten, fiel sie nach dem selbstverschuldeten Sturze des Ordens dem polnischen Aar anheim; sie blieb zwar noch Mittelpunkt des dem deutschen Orden entrissenen Weichsellandes und Sitz der antinationalen Regierung, aber sie war doch nur ein Schatten ihres früheren Glanzes – eine gesunkene Größe. Schwer hatte sie zu leiden unter den militärischen Bewegungen, die im sechszehnten, siebenzehnten und achtzehnten Jahrhundert von Seiten der Polen, Schweden, Sachsen, Russen, Oesterreicher das arme Land durchtobten, und als die Burg endlich wieder in deutsche Hände übergegangen war (1772), fiel sie, damit das Maß ihres Elends voll würde, einem schmählichen Vandalismus zum Raube. Der dort stationirte leitende „Sachverständige“ sah in Unkenntniß der charakteristischen Baukunst des deutschen Ordens in dem kunst- und stilvollen Baue der Marienburg nichts Anderes als eine kostbare Fundgrube von – Baumaterial!

Arme Marienburg! Unbarmherzig wurden deine mit kunstvoller Mosaikarbeit, feingegliedertem Fries und kleinen gotischen Fenstern gezierten Mauern durchlöchert und dir dafür ein widerwärtiges, kattunartig angepinseltes Kleid angezogen. Im Innern wurden die herrlichen gotischen Gewölbe ausgeschlachtet, die geschliffenen Granitsäulen entfernt, die einst den Ordenszwecken dienenden Malereien und Sinnsprüche der Wände aber in roher Weise übertüncht, bis die fünfhundertjährigen Räume für Speicher- und Magazinzwecke genügend hergerichtet worden waren. Nur die Marienkirche mit dem großen Mosaikbilde und der circa sechszig Meter hohe, schlank und zierlich das ganze Zerstörungswerk überragende Thurm der Burg entzogen sich dem niederen Geschmacks-, aber hohen Zerstörungssinn des „Sachverständigen“; beide blieben unversehrt und unzerstört, der Nachwelt ein warnendes und wachendes Ausrufungszeichen.

Dieser abenteuerliche Vandalismus erregte denn auch in Stadt und Land eine allgemeine Entrüstung; die Bewohner der ganzen Gegend fühlten, daß durch die Zerstörung der ehrwürdigen Marienburg ein Stück aus dem Herzen des Landes gerissen wurde. Unser begeisterter Dichter, Max von Schenkendorf, war es, in dem die allgemeine Mißbilligung einen mächtigen Widerhall fand und der noch in letzter Stunde der Zerstörung einen Einhaltbefehl erwirkte, wodurch Einiges gerettet wurde (1804). Damals nahm sich der Minister und Oberpräsident Th. von Schön, ein Kind der Provinz, der Sache an, aber leider lähmten die jetzt eintretenden Kriegsverhältnisse alle Bestrebungen, der unglücklichen Marienburg zu Hülfe zu kommen; erst nach dem Friedensschlüsse konnte Schön für die Sache der Marienburg thatkräftig eintreten. Ihn unterstützten Männer, wie Professor Johannes Voigt-Königsberg, Bau-Inspector Gersdorf-, Pfarrer Haebler- Marienburg und als Mächtigster unter ihnen der Kronprinz von Preußen, der nachherige König Friedrich Wilhelm der Vierte.

Das war ein rühriger Wetteifer! Nach vollständiger Organisation der Staats- und Privatbetheiligung steuerte Hoch und Niedrig zu dem echt vaterländischen Werke bei. Erlöst von dem Banne der letzten Jahrhunderte, erstand allmählich das mittlere Haus, jener Theil der Burg, in dem einst der Hochmeister residirt hatte – darunter die herrlichen Empfangs- und Prachtsäle („Remter“ genannt) – lauter Räume, in denen die gotische Gewölbeentwickelung mit Beihülfe polirter Granitsäulen, gemalter Fenster und Wände etc. wahrhaft Schönes geleistet hat. Nun wurden auch noch andere, viel Mühe, Zeit und Geld erfordernde Arbeiten in der nächsten Umgebung dieses Theiles der mittlern Burg ausgeführt, um wenigstens äußerlich einige Uebereinstimmung zwischen den zerstörten und wiederhergestellten Theilen zu erzielen. Es war ein herrlicher Anfang der Restauration für dessen Durchführung jeder Deutsche jenen Männern, die sich diesem Werke unterzogen haben, nicht genug Achtung und Dankbarkeit zollen kann; denn nirgends, soweit die deutsche Zunge klingt, ist ein solches Bauwerk mehr zu finden.

Die Wiederherstellung der Marienburg forderte mehr als ein Menschenalter, und so starben die Männer, die sich den Neubau der Burg zur Lebensaufgabe gemacht hatten, über dem halbvollendeten Werke dahin. Nachdem die Wiederherstellungsarbeiten am mittleren Hause bereits aufgehört hatten, tauchte eine Hoffnung zu Restauration des „hohen Hauses“ auf, jenes mächtigen Vierflügelkolosses, der den mittleren Theil des Hauses an Bedeutung weit überragt. Dies geschah durch König Friedrich Wilhelm den Vierten, der sich zur Herstellung eines würdigen Aufgangs in die Marienkirche durch Herrn von Quast ein Promemoria zur Wiederaufführung des früheren zweistöckigen Kreuzganges rings um den Hof des „hohen Hauses“ aussarbeiten ließ. Zur Ausführung kam es leider nicht. Dagegen rückte die Kenntniß dieses scheinbar ungelenkigen Kolosses durch die exacten Durchforschungen des Herrn von Quast, und durch die späteren Untersuchungen des jetzigen Bauraths der Stadt Berlin, Blankenstein, ein mächtiges Stück vorwärts. Freilich wurde das äußere Aussehen des Hauses dadurch momentan nicht gehoben, da man zur genaueren Erforschung des früheren Zustandes der Wandungen unter dem jetzigen roth und weiß carrirten Kattunkleide den Wandputz an den verschiedenen Stellen abhacken mußte und nunmehr – ein widerlicher Anblick – Alles bunt durch einander zum Vorschein kam: so z. B. die kleinen wieder freigelegten gotischen Fenster neben den unheimlichen dunklen Magazinluken.

[284] Und diesem wüsten Aeußeren entsprach ein nicht minder wüstes Innere.

In solchem Zustande befand sich das „hohe Haus“, als 1872 das erste Säcularjahr der Wiedervereinigung der Weichsellande mit Preußen herannahte. Ehe noch das große Festcomité in Danzig zusammengetreten war, erschien in der „Nationalzeitung“ ein Artikel „Das Hochmeisterhaus in Marienburg“ von dem Verfasser dieser Zeilen, worin auf die kläglichen Mißstände, die bei dem bevorstehenden Feste um so greller hervortreten würden, aufmerksam gemacht wurde. Gleichzeitig wurde bei dem Comité in Danzig der Antrag gestellt, dasselbe möge die Wiederherstellung der Marienburg anzustreben suchen, und das Comité nahm auch diesen Punkt in sein Programm auf, es scheinen aber keine Verhandlungen mit der Staatsregierung über denselben stattgefunden zu haben.

Die drei Festtage des September, 12., 13., 14., brachen herein; Marienburg, als der frühere Fürstensitz, als der Mittelpunkt der Ordenslande, war als Ort der Festlichkeiten ausersehen, und es wurde nun vom Comité Alles aufgeboten, was sich überhaupt aufbieten ließ. Der frühere Glanz, wie er in der goldenen Aera des großen Hochmeisters Winrich von Kniprode bei der Anwesenheit fürstlicher Gäste sich zu entwickeln pflegte,

Die Marienburg: Stadtflügel.
Auf Holz gezeichnet von H. Heubner.

schien sich zu wiederholen, als unter den Fanfaren von den Zinnen der Burg der historische Ritterzug aus dem Portal hervor und um den Denkmalsplatz Friedrich’s des Zweiten zog, als Kaiser Wilhelm in dem Speiseremter des Hochmeisters mit den Notabeln der Provinz die Ehrentafel hielt. Ueberall in Burg und Stadt war Freude und Jubel; Illumination und bengalische Beleuchtung fanden hier an den architektonisch schönen Verhältnissen der Burg und der charakteristischen Bauart der Privathäuser der Stadt ein ungemein günstiges Feld für ihre Wirkungen, und namentlich erregte auch der himmelanstrebende Thurm des, „hohen Hauses“ durch sein wechselvolles Farbenspiel und elektrisches Licht allgemeine Bewunderung.

Aber in diesem strahlenden Festglanze machte sich ein dunkler Punkt schmerzlich bemerkbar. Das war das „hohe Haus“ mit seinen unheimlichen Magazinluken, aus denen ab und zu der schrille Ruf von Käuzchen und Eulen erscholl. Hatte es wirklich nicht, wie die übrigen Theile, vermöge seiner ursprünglichen Bestimmung und Ausstattung dasselbe Recht am Feste? Umschloß es nicht gerade alle jene Räumlichkeiten, in denen sich das ganze Leben des Ordens und seiner weltlichen und geistlichen Brüder abspielte? Waren nicht in ihm, dem „hohen oder rechten Hause“, die Räume, in denen der Jungherr seinen schweren Dienst antrat? Empfing hier nicht unter dem unverbrüchlichen Gelübde der Armuth, der Keuschheit, des Gehorsams der Ritter einst den Ritterschlag? Lagen hier nicht die einzelnen Zellen wie die großen gemeinsamen Schlafsäle, der große elffenstrige Conventsremter, die Wohnungen für den Hauscomthur, für den Tresler mit den drei Schatzkammern? Schmückten endlich diesen Theil nicht die Haupträume, die heiligsten Räume der ganzen Burg, des ganzen Landes? Hier war der mit Malereien und Sinnsprüchen geschmückte Capitelsaal; hier war es, wo unter der mit dem Bilde der heiligen Jungfrau geschmückten Marienkirche, in der Begräbnißcapelle der Hochmeister für den todten Bruder das letzte requiescat gesungen wurde. Und wo fanden die Brüder, wenn sie nicht auf einem schweren Winterfeldzuge im Kampf mit den Preußen, Lithauern ober Polen ein rühmliches Ende gefunden hatten, ihre letzte Ruhestätte ? Ebenfalls hier, und zwar die Hochmeister in der unter der Begräbnißcapelle gelegenen Begräbnißgruft und die übrigen Brüder aus dem von der Begräbnißcapelle rings um das „hohe Haus“ sich ziehenden Wallgang, Parcham genannt.

Dieses im Leben aller Ordensbrüder so hochwichtige, bedeutungsvolle Haus erlebte 1876 zugleich mit der Stadt Marienburg das sechshundertste Gründungsjahr, aber abgesehen von einer kurzen Notiz über das für die Provinz wichtige Ereigniß in der „Danziger Zeitung“ trat Niemand als Anwalt für die gesunkene Größe öffentlich auf. Die im nächsten Jahre stattfindende Enthüllungsfeier des Denkmals Friedrich’s des Zweiten unter Anwesenheit des Kronprinzen brachte zwar wiederum eine Menge von hohen und niederen Gästen nach Marienburg, doch für das „hohe Haus“ keine bestimmte Aussicht auf Erweckung aus seinem Schlafe; nur hörte man unter der Hand, daß der Kronprinz ein warmes Interesse für Marienburg gezeigt habe. Um dieses Interesse aber mehr und mehr und in weiteren Kreisen anzuregen, veröffentlichte der Verfasser dieses Artikels kurz vor jenen Festtagen eine Broschüre unter dem Titel. „Das hohe oder rechte Haus“, worin eine geschichtliche Uebersicht der baulichen Verhältnisse der Burg bis in die neueste Zeit gegeben wurde. Die Veröffentlichung einer solchen Schrift schien um so wünschenswerter, als die in dem Häbler’schen Tagebuche enthaltenen Mittheilungen, sowie die hochinteressanten Notizen von Quast’s den Wenigsten zugänglich geworden und diejenigen Blankenstein’s gar nicht unter die Leute gekommen sind.

Es war um die Zeit, als das schönste aller Kirchenbauwerke gothischen Stils im Westen Deutschlands, der Kölner Dom, seiner Vollendung entgegenging. Aller Aufmerksamkeit richtete sich, selbst inmitten politischer und kirchlicher Wirren, auf dieses durch die vereinten Kräfte des deutschen Volkes in Gemeinschaft mit dem Willen des hohen kaiserlichen Protectors möglich gewordene Werk. Die Freunde und Verehrer der Marienburg sahen in der Vollendung jenes westlichen Bauwerkes einen Stern für das Werk im Osten aufgehen und traten daher im Frühjahr 1879 in Marienburg selbst zu einem Comité zur Wiederherstellung des „hohen Hauses“ zusammen; sie kamen zu der Ansicht, daß jetzt der geeignete Zeitpunkt sei, eine Petition an den k. Cultusminister des Inhaltes zu richten: derselbe möge die nunmehr durch die Vollendung des Kölner Domes flüssig werdenden Staatsgelder behufs Wiederherstellung des „hohen Hauses“ der Marienburg auf den nächsten Etat bringen.

Da aber inzwischen der Cultusminister Dr. Falk zurück- und an seine Stelle Herr von Puttkamer getreten war, so wurde die Petition an den Letzteren mit einer etwas veränderten Ansprache abgesandt, und schon nach einigen Wochen ging an den Vorsitzenden des Comités ein günstiges Antwortschreiben des Ministers ein.

Diesem folgte auch sehr bald die That, indem eine Ministerialcommission, bestehend aus den Geheimen Bauräthen Spieker und Adler, Baurath Blankenstein und Regierungsrath Ehrhardt, am 17. October 1879 in Marienburg eintraf, um das „hohe Haus“ einer [285] genauern Untersuchung zu unterwerfen und festzustellen, ob dasselbe der Wiederherstellung würdig sei. Der Beschluß war für den altehrwürdigen Bau trotz seiner äußeren und inneren kläglichen Veränderung günstig, und die Commission hatte nunmehr die Aufgabe, den Restaurationsplan anzufertigen, und zwar zuerst für die Marien-Kirche nebst Capitelsaal und den die beiden schönen Eingangsportale (darunter die sogenannte goldene Pforte) verbindenden zweistöckigen Kreuzgang vor dem nordöstlichen Flügel. Die Arbeiten der betreffenden Mitglieder der Commission rückten indessen nur langsam vor, da dieselben durch ihre laufenden Geschäfte schon hinreichend in Anspruch genommen waren; das Comité wandte sich daher mit einem wiederholten Schreiben an den Cultusminister.

In seinem Antwortschreiben aber erklärte dieser, daß er für die Wiederherstellung des Hochschlosses den günstigen Zeitpunkt noch nicht gekommen glaube, und daß man vorläufig den Abschluß der schwebenden Verhandlungen über die zeitgemäße Restauration der Kirche abwarten müsse.

Seit Anfang September des vorigen Jahres ist denn auch im Auftrage des Cultusministeriums ein königl. Baumeister in Marienburg anwesend, um weitere Nachforschungen in der Marien-Kirche anzustellen, und haben Ende October Baurath Blankenstein und der neuernannte Conservator der Alterthümer, Geheimrath von Daehn-Rothenfels behufs eigener Information einige Tage dort verweilt. Diese Thätigkeit in einer Sache, in der bisher nichts geschah und für die überhaupt kein Interesse in den leitenden Kreisen vorhanden zu sein schien, ist nicht genug anzuerkennen. Möchten diese leitenden Kreise das nunmehr in Angriff genommene nationale Werk mit Umsicht und Thatkraft durchführen! Möchte aber auch das deutsche Volk, wenn im gegebenen Augenblicke zur Krönung dieses Werkes an seine Opferwilligkeit appellirt werden sollte, der großen Idee eine große Gesinnung entgegen bringen! Die weitesten Kreise mit der Sache der Wiederherstellung der Marienburg rechtzeitig bekannt zu machen und sie für dieselbe zu erwärmen – das vor Allem ist der Zweck dieses Aufsatzes.

Die Marienburg: Capellenflügel.
Auf Holz gezeichnet von H. Heubner.

Wäre die Marienburg nur eine von den unzähligen romantisch gelegenen, poesie- und sagenumwobenen Burgen und Bergfesten Mittel- und Westdeutschlands, nun, dann hätte es ja unter den jetzigen schweren Zeiten nicht so große Eile mit ihrer Restauration, aber hier handelt es sich ja um ganz andere Interessen.

Die Marienburg ist ein Profanbauwerk von großartigstem Umfange und schönster, genialster Durchführung auf dem Gebiete der gothischen Baukunst, wie es kein zweites gegeben hat.

Die Marienburg war als Sitz des gefürsteten Hochmeisters des Ordens der deutschen Brüder derjenige Stützpunkt in dem fernen Preußenlande, durch den die Gewinnung jener östlichen Provinz für das deutsche Vaterland und dadurch die Zurückdrängung des slavischen Elementes von der Ostseeküste möglich geworden ist; sie war durch die Schaffung von „Neudeutschland“ im eigentlichen Sinne des Wortes „die Wacht im Osten“.

Die Marienburg ist die Wiege des preußische Namens; denn von dem Namen der Bewohner des neuen deutschen Landes ging er auf das Herzogthum Preußen, das Königreich Preußen und damit auf jenen großen Theil Deutschlands über, der heute die glorreiche Führung aller deutschen Stämme übernommen hat.

Und diesen Bau haben wir in einer unglückseligen Zeit selbst zur halben Ruine gemacht. Die Wiederherstellung der Marienburg ist eine deutsche Ehrenschuld. Man fange nicht etwa mit der Kirche an und höre mit der Kirche wieder auf! Die wiederhergestellte Burg soll uns ein treuer Spiegel des äußern und innern Lebens ihrer Gründer und Bewohner, ein Spiegel der erhabenen Idee werden, für die der Orden aus allen deutschen Gauen Vertreter an sich zog und durch die er auch so Großes erreichte. Die der Marienburg zu Grunde liegende Idee war edel und würdig; darum möge die Burg in allen ihren Theilen aus ihrem tiefen Fall wieder erstehen zur Ehre ihrer Erbauer, zur Aufforderung für die Zukunft zu gleichen edlen und würdigen Thaten und Werken!
Dr. Marschall.[1]     


  1. Leider der Name eines Todten, dessen letzte Arbeit in dem obigen dankenswerthen Artikel vorliegt! Sanitätsrath Dr. Marschall ist in seiner Westpreußischen Heimath als ein für die Sache der Wiederherstellung der Marienburg warm begeisterter und um dieselbe hochverdienter Mann allgemein geschätzt. Möge dieser der Lieblingsidee seines Lebens gewidmete Ruf zur Wiederaufrichtung der alten Preußenburg jetzt, nach seinem vor einigen Monaten in Leipzig erfolgten Tode, das Werk seiner Sehnsucht vollenden helfen, das seine Augen nicht mehr schauen sollten! D. Red.