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Das Kirchweihfest

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Textdaten
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Autor: Anonym
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Titel: Das Kirchweihfest
Untertitel:
aus: Journal von und für Franken, Band 1, S. 547–561
Herausgeber: Johann Caspar Bundschuh, Johann Christian Siebenkees
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1790
Verlag: Raw
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Erscheinungsort: Nürnberg
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Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: UB Bielefeld, Commons
Kurzbeschreibung:
s. a. Das Kirchweihfest (Journal von und für Franken, 2. Band), Kurze Beleuchtung der Vertheidigung des Kirchweihfestes in Franken
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IV.
Das Kirchweihfest.

Das Kirchweihfest ist eine auf den Dörfern, besonders in Franken, so seltsame Sitte, daß es der Mühe wehrt ist, darüber eine eigene Betrachtung anzustellen, und dieses um so viel mehr, weil es den größten Einfluß auf die Ökonomie und Sitten des Landvolks hat. Da aber nicht jedermann einen anschauenden Begriff hievon hat, so will ich davon eine ausführliche Beschreibung geben.


Vorbereitung zu diesem Feste.
Weil dieses Fest heut zu Tag meistens auf die Herbstzeit verleget ist, so hat der Landmann| auch die schicklichste Gelegenheit, nach seiner Art zu schmausen. Das erste und vornehmste Stück, worauf in Ansehung dieses Festes der Bedacht genommen wird, bestehet darin, daß der Landmann hinlängliches Fleisch ins Haus schaffet. Es werden demnach bey Zeiten Schweine und Rinder zum Mästen eingestellt, je nachdem es die Umstände eines Haushaltens erlauben. Wenn gleich manches Haus zu unvermögend ist, etwas zu mästen, so darf es doch nicht befürchten, in diesen Tagen des Wohllebens zu darben. Es fehlt niemahls an Metzgern und Bauern, welche in der Kirchweihwoche Fleisch zum Verkauf aushauen. Wenn nun zuvörderst für das Fleisch gesorget ist, so wird auch der Bedacht auf das weiße Brod genommen. Der Bauer hat eingeerndet. Die Saat und die übrige Feldarbeit ist meistens verrichtet. Er kann also unbehindert mit einem Wagen voll Getraid in die Mühle fahren. Gerade um diese Zeit bekommt er das schönste und beste Mehl in sein Haus. Die Woche, die vor dem Kirchweihfest hergehet, und die Kirchweih- oder Kirbewoche genennet wird, zeichnet sich nunmehr aus mit Schlachten und Backen. Niemahls ißt der Bauer so feines Brod, als an diesem Feste. Neben dem feinen weißen| Brod, werden auch Kuchen und sogenannte Schneeballen, weil sie wie der gefallene Schnee aussehen, im Überfluß gebacken: alles von Weizen- und Dinkelmehl. Ausserdem wird noch von dem Vorschuß des Kornmehls ein Ofen voll Brod für die Bettelleute gebacken. Zur Vorbereitung dieses Festes gehöret auch, daß ein Ausschuß junger Pursche in das Amt gehen, und um Erlaubniß eines öffentlichen Tanzes bitten muß.


Das Fest selbst.
Wenn nun der Tag der Kirchweih angebrochen ist, so scheint es, als wollte man diesen Tag mit der tiefsten Ehrfurcht gegen Gott begehen. Man gibt, wie an andern Festtagen mit allen Glocken das erste Zeichen zum Gottesdienst. Der Schulmeister läßt von der Orgel eine Vocal- und Instrumental-Musik erschallen, sollte sie auch noch so erbärmlich lauten. Der Pfarrer handelt in seiner Predigt meistens von den geistlichen Wohlthaten, die der liebe Gott den Menschen durch die Offenbarung der seligmachenden Religion erwiesen hat, und durch die Erhaltung seines Worts noch erzeiget. Er vermahnet zur Dankbarkeit. Er warnet wider Ausgelassenheit| und sündliche Üppigkeit. Manche eifern sogar wider das, was doch die Leute nach herrschaftlichen Befehl thun müssen, – wider das Tanzen. Während der Prediger um ein heiliges und gottseliges Leben eifert, denken die Zuhörer an nichts, als wie sie diese Tage ihrer Bestimmung gemäß, d. i. im Wohlleben zubringen wollen. Nach dem Gottesdienst findet der Hausvater seine Stube meistens mit benachbarten Freunden und Verwandten angefüllet. Nun setzt man sich, so gut und eng man kann, und speiset – mit der größten Ungemächlichkeit; denn das ganze Dorf ist mit Bettelleuten überschwemmet, welche abzufertigen zwey Personen kaum vermögend sind. Es ist aber dagegen in einigen Ortschaften die Verfügung getroffen, daß die Betteley erst nach dem Nachmittags-Gottesdienst erlaubet wird.
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In den Dörfern katholischer Herrschaft kommt der Beamte mit seinem Gefolge, und beordert den Schulzen nebst den zum Tanz bereiten jungen Leuten in das Wirthshaus. Von dort geht der Zug unter Voraustretung des Schulzens, Schulmeisters als Gerichtsschreibers, Amtknechts, nebst einigen dazu verordneten Ausschüssern, unter dem Gedudel| der Spielleute, auf die Linde zu. Dort wird im Namen der Herrschaft, nachdem die Linde etliche mahl umgangen worden ist, ein so genannter Kirchweihschutz, nach welchem die Leute zu Fried und Einigkeit, unter Bedrohung schärfster Ahndung im Übertretungsfall, vermahnet werden, abgelesen und beym Beschluß das Gewehr losgeschossen.[1] Nunmehr geht der Tanz munter und frisch um die Linde herum. Es werden auch die Umstehenden dazu gezogen, indem mancher Pursch seine Tänzerin einem Zuschauer aus Freundschaft präsentirt, dagegen er von dem gaffenden Weibsvolk sich eine andere wählet, und mit ihr herumtanzet. Nach einigen Stunden geht der Zug wieder in das Wirthshaus zurück, wo mit Tanzen und Singen, (denn die Bauernpursche pflegen immer zur Musik zu singen) die ganze Nacht hindurch geschwärmet wird. Dieser Auftritt wird aber in den Ortschaften lutherischer Herrschaften bis auf den Montag verschoben, daher es an solchen Orten am Sonntag aus Mangel der Musik ganz säuberlich zugehet. Der Montag wird mit Essen und Trinken angefangen| und vollendet. Man frühstücket mit warmen Essen, man speiset zu Mittag, und käme nicht das Tanzen dazwischen, so würde das Mittagsessen mit dem Abendessen verbunden. So wie der öffentliche Tanz in den Dörfern katholischer Herrschaft am Sonntag gefeyert wird, so geschiehet dieses an andern Orten am Montag. Das Sonderbarste ist, daß auch die Pfarrer an dieser Feyer Theil nehmen, oder Theil nehmen müssen, wenn sie sich anders wider den Verdacht des Geizes bewahren wollen. Gegen Mittag wallen die Herren Amtsbrüder aus der Nachbarschaft mit ihren Weibern und Kindern auf das Pfarrhaus zu. Manche kommen in Kutschen angefahren. Wenn eine Pfarrersfrau nicht beschimpfet werden will, so muß sie ihre ganze Kochkunst zeigen; dabey hat man immer auf die Bedienung und Versorgung der Pferde von den Gästen, zu sehen, die man manchmahl nicht unterzubringen weiß: denn bey Erbauung der Stallungen in den Pfarrhöfen hat man keine Rücksicht auf das Kirchweihfest genommen. Bey solcher Gelegenheit vergessen öfters die geistlichen Herren dasjenige zu befolgen, was sie in der Predigt ihren Zuhörern eingeschärfet hatten. Im Pfarrhaus verlieren sich am| Montag gemeiniglich die Gäste wieder nach und nach, obgleich erst in später Nacht. Bey den übrigen Dorfleuten geht es am Dienstag, wie am Montag, nur mit dem Unterschied, daß kein feyerlicher Tanz um die Linde herum gehalten wird. Das Schwärmen im Wirthshause aber dauert bis zum Anbruch des Tages fort. Am Mittwoch fängt der Bauer wieder an, an seine Arbeit zu gehen, und Knechte und Mägde und alles was er hat, folgen ihm ganz betäubt, an Leib und Seel entkräftet, wiewohl an einigen Orten die Lustbarkeit, nämlich das Tanzen in den Wirthshäusern, fortgesetzt wird.


Ursprung dieses Festes.
Man hält insgemein dafür, daß dieses Fest mit der christlichen Religion und Erbauung der Kirchen entstanden sey, zumahlen da dieses Festes schon in der Bibel gedacht wird. 1 Macc. 4, 59. 2 Macc. 1, 9. Joh. 10, 22. Allein wie wäre es möglich, daß ein zur Ehre Gottes und zum Gedächtniß von der Einführung der christlichen Religion in Teutschland angeordnetes Fest so hätte ausarten können, daß man dabey nicht die geringste Spur seiner Anordnung und seines| Endzwecks mehr erkennen kann? Es ist dieses Fest nach seinem Ursprung vielmehr ein heidnisches Fest. Die alten Bewohner von Teutschland hatten sowohl Feste des Schwelgens und des Wohllebens, als andere Völkerschaften, welche die Römer insgemein Bacchanalia nannten. Sie glaubten dabey ihre Gottheiten zu verehren[.] Als die christliche Religion eingeführet wurde, fanden die damahligen Heidenbekehrer große Hindernisse wegen dieser heidnischen Feste. Solche zu übrwinden hat man den heidnischen Teutschen die Erlaubniß gelassen, diese Feste fortzusetzen, nur mit dem Unterschied, daß, an statt sie ihren bisherigen Gottheiten zu Ehren, in den Wäldern und Hainen fraßen, soffen und tanzten, sie solches in Zukunft der Christen Gott zu Ehren thun möchten. Das ließen sich diese Leute, weil sie auf solche Weise nichts einbüßten, gefallen, und also ist Christus mit Belial verbunden, und das heidnische Fest in die christliche Kirche aufgenommen worden. Das stimmt freylich nicht mit dem Sinn der christlichen Religion überein; allein wer weiß nicht, daß den damahligen christlichen Heidenbekehrern um nichts, als um ein äusserliches Bekänntniß zur christlichen Religion, zu| thun war, wobey sie heidnische Sitten und Gewohnheiten duldeten. Daher kommt es, daß man in allen Dörfern Linden siehet.


Schädlichkeit und üble Folgen dieses Festes.
Wenn man den Aufwand eines Bauern betrachtet, so kostet ihm dieses Fest so viel, vielleicht noch mehr, als ihm sonst in zwey Monaten aufgehet. Denn ausser dem Mehl- und Fleischaufwand kostet auch der Trunk nicht wenig, und überdieß schickt man auch gern abwesenden Freunden von seinem Vorrath. In gleichem Verhältnisse befindet sich auch der Pfarrer. Ich kenne einen solchen Dorfpfarrer, der einstens 32 Gäste diese Tage über zu bewirthen hatte. Dieses ist nicht also zu verstehen, als ob sie alle an einem Tage zusammen gekommen wären: er hatte nur während der Kirchweih, also in dreyen Tagen, nicht auf einen Tag, 32 Personen zu bewirthen. Die Kirchweihen sind auch eine Pflanzschule für Bettelleute. Mancher gehet aus Begierde nach weißem Brod mit dem Bettelhaufen auf eine benachbarte Kirchweih, ohne Absicht den Bettelorden zu vermehren. Gleichwohl flößt| ihm solches den Muth ein, sich dem Betteln zu ergeben.

Das Kirchweihfest ist das Verderben der meisten Dienstknechte. Wo kein erwachsener Sohn im Hause ist, muß der Knecht um die Linde herum tanzen. Nun könnte er sich freylich in der Folge einschränken. Wie ist aber dieses von einem Menschen, den die Macht der Sinnlichkeit beherrscht, zu erwarten? Die Kirchweihlust verschlingt so viel von seinem Liedlohn, daß er am Ende seines Dienstes fast nichts mehr einzunehmen hat[.] Und wenn er auch noch etwas weniges übrig hat, vertanzt er solches, bis er wieder in einen neuen Dienst tritt.

Alle diese übeln Folgen wären noch zu verschmerzen, wenn nur die Kirchweihlust keine bösen Folgen oder Einfluß auf das Verderben der Sitten hätte. Das Tanzen gründet sich auf herrschaftlichen Befehl. Die jungen Leute sind demnach nicht davon abzuhalten. Die unschuldigsten Herzen und Gemüther werden dadurch verdorben. Die Bauernpursche singen den Musikanten die schändlichsten Lieder vor. Das Ohr eines unschuldigen Mädchens gewöhnt sich daran. Wenn es beginnt bald Tag zu werden und der Tanz zu Ende gehen will, so begleitet| der Tänzer seine Tänzerin nach Haus. Sie weiß einen heimlichen Weg durch den Stall in ihr Bett. Der Pursch folgt ihr, vom Wein halb berauscht. Sie selbst hat auch alle Schamhaftigkeit im Wirthshaus verloren. Alles schläft im Hause. Kein Wunder, wann diese Umstände zu einem sträflichen Umgang verleiten. Der Pursch merkt sich den Weg, und er betritt solchen nachher öfters und ohne Scheu. Sehet also hier den Anfang und die Gelegenheit zu nächtlichen Zusammenkünften und zum sündlichen Umgang junger Leute. Es ist eine Folge des Kirchweihfestes.


Ursachen, um welcher willen dieses Fest nicht abgeschaffet wird.
So bald man von Abschaffung dieses schädlichen Festes redet, so erhebt sich eine gegenseitige Stimme, welche behauptet: es sey wider das herrschaftliche Interesse. Das ist wohl wahr. Denn das Ungeld von Wein und Bier, das an diesem Feste ausgetrunken wird, ist beträchtlich, und die Spielleute müssen ihren Verdienst mit der Herrschaft theilen. Über das fallen auch öfters Strafgelder. Trifftige Gründe für unsere heutigen Kameralisten, dieses Greulfest beyzubehalten,| wenn gleich die Religion dadurch geschändet und entehret wird.
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Die Beybehaltung dieses Festes wird aber auch von den Beamten um ihres Vortheils willen begünstiget. Der Schulz und die Wirthe versehen an diesem Fest die Küche des Herrn Amtmanns reichlich mit Fleisch und Gebackenen, wozu nicht selten gemästetes Federvieh kommt. Der Amtknecht geht auch nicht leer aus. Nicht zu gedenken, daß er an diesem Tag auf Kosten der Gemeinde zehret, gehet seine Frau mit einer hiezu gemietheten Weibsperson von Haus zu Haus, und sammlet weisses Brod und Kuchen. Sogar die Pfarrer haben dieses unchristliche Fest vormahls begünstiget, weil sie von den meisten Bauern mit feinem Brod, Kuchen und Metzelsuppen oder Schlachtschüsseln beschenket worden sind. Die Gerichte, womit des Herrn Pastors sein Tisch besetzet wurde, waren von den Geschenken der wohlthätigen Bauern bereitet, und von dem verderblichen Koffetrank wußte man nichts. Heut zu Tag würde aber ein Pfarrer übel ankommen, wenn er sich dahin einschränken wollte. Es gereichet aber Pfarrern und Amtleuten eben so wohl zur Schande, als den Herrschaften, daß, und wenn sie dieses Fest der Schwelgerey begünstigen.| Sie sollten vielmehr, so weit es ihnen möglich ist, alles zur Abstellung desselben beytragen. Im Wirzburgischen, da man so sehr an alten Gebräuchen und Gewohnheiten hänget, hat man zur Steuer des Betteln, und zur Verminderung der Kirchweihgäste dieses Fest an allen Orten auf einen Tag verlegt. Andere Herrschaften haben aber dieses Beyspiel noch nicht befolget. Das sicherste und leichteste Mittel, dieses verderbliche Fest in Abgang zu bringen, wäre dieses, daß die Herrschaften aufhörten die jungen Leute zum Tanzen zu zwingen, und daß man dieser Feyerlichkeit ohne Zuziehung der Amtleute der Willkür der Bauern überließ. Es würde gewiß bald in Abnahm kommen.
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Zum Beweis, daß ich weder aus Vorwitz, noch Eigensinn, meine Gedanken über das Kirchweihfest geäussert habe, will ich die Meinung eines berühmten Rechtsgelehrten, des Canzler Böhmers in Halle, anführen. Dieser sagt in seinem iure ecclesiast. Protestantium[2]: „dieses jährliche Fest artete bald in Bacchanalien und Märkte aus. (Er stand nämlich auch in der Meinung, es komme von Erbauung der Kirchen her.) Diese Jahrmärkte wurden dadurch veranlaßt, daß viele Menschen von allen Orten her zusammentrafen,| um den Tänzen und Schmausereyen beyzuwohnen, mit welchen dieses Fest vornämlich auf dem Land gefeyert wird: denn wo viele Menschen sich einfinden, da fehlt es nicht an Krämern, welche ihre Waaren feil bieten, und an Käufern, welche in der lustigen Laune gerne kaufen.
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Die Verwandlung erzeugte verschiedene Gerechtigkeiten, so wie gewöhnlich neue Übel neue Mittel erfordern. Es wäre überhaupt am besten gewesen, alle Kirchweihen ganz abzuschaffen, da sich doch die dabey vorkommenden großen Mißbräuche nicht ganz ausrotten lassen. so wie man seit dem XII. Jahrhundert nach und nach die Vigilien abzuschaffen suchte, welche anfangs der Andacht wegen waren eingeführt worden. In den Städten sind zwar diese Jahrsfeste meist abgekommen, auf dem Land hingegen beybehalten worden, theils weil die Bauern solche Tage der Schwelgerey sich nicht wollten nehmen lassen, theils weil die adelichen Gerichtsherren von deren Beybehaltung ihren Vortheil hatten, indem sie von den Geldstrafen und der Sauflust Nutzen zogen. Bey Kirchweihen lauft es niemahls ganz ruhig ab; der Rausch bewaffnet die Bauern zu Schlägereyen, ja wohl oft zum Mord und andern Schandthaten. Deßwegen wurde der Kirchweihschutz eingeführt,| welcher bey dem Anfang des Festes feyerlich ausgerufen wird: in der That nichts anders als eine Ausübung der Gerichtbarkeit. – Da dieses Bacchusfest nicht ganz abgeschafft werden konnte, so sind schon in ältern Zeiten auf Concilien demselben manche Gränzen gesetzt worden. Es wurde verordnet, daß in allen Kirchen dieses Fest jährlich an einem Tag sollte gefeyert werden, welches man sonst am Gedächtnißtag der Einweihung einer Kirche beging. Man wollte dadurch verhindern, daß die Landleute bey der Kirchweih einander nicht gegenseitig besuchen könnten, weil jeder bey sich selbst Kirchweih hatte. – Es ist zu wünschen, daß in allen protestantischen Ländern diese Sitte nachgeahmt werde. Die andere Einschränkung war, daß sie wenigstens auf eine solche Zeit verlegt wurden, wo man ohne Nachtheil der Landarbeiten dieselben abwarten könnte. Daher sind sie in Sachsen alle auf die Zeit zwischen dem Martinitag und Nicolaustag verlegt worden. An den meisten Orten bedarf aber diese Sache noch eine Reformation, und man muß sich wundern, daß solche öffentliche notorische Mißbräuche ungestraft geduldet werden, welche durch Abschaffung solcher Feyertage hätten verhütet werden können. Alle andere Verbesserungsmittel sind hier vergeblich.“



  1. Es wird bey dieser Gelegenheit die Gesundheit der Herrschaft, des Amtmanns und Pfarrers, ausgebracht, und beschossen.
  2. T. III. p. 710–712.