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Das Judas-Verbrennen in Portugal

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Textdaten
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Autor: Franz Bach
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Titel: Das Judas-Verbrennen in Portugal
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 12, S. 199–200
Herausgeber: Ernst Ziel
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Erscheinungsdatum: 1883
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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[199] Das Judas-Verbrennen in Portugal. Was man auch immer gegen die Portugiesen sagen möge, heiter und liebenswürdig, frisch und kindlich ist das Volk.

Die letztere Eigenschaft spiegelt sich in vielen Sitten und Gebräuchen wieder, die auf ein protestantisch-nordisches Gemüth einen schon mehr kindischen Eindruck machen. Obenan steht unter diesen das Judas-Verbrennen am Osterabend, das besonders in Oporto, der Stadt der Camelien und des Feuerweines, mit Leidenschaft betrieben wird.

Tiefe Trauer hat während der Charwoche über der ganzen Bevölkerung gelegen. Die Hunderte von Glockenthürmen haben ihre eherne [200] Zunge stillhalten müssen, die Militärmusik und alle das Piano folternden Hände (empfehlenswerth für Berlin und Leipzig!) sind in den Bann gethan. In schwarze Mantillas gehüllt, schleichen die dunkellockigen Schönen von einer Kirche zur andern – und am Charfreitag scheint die ganze Stadt in einen einzigen langen Sühnegottesdienst versunken. In Sack und Asche legt man sich möglichst früh zu Bett, um am anderen Tage bei Zeiten an die Arbeit oder auf die Wanderschaft gehen zu können. Mit Sonnenaufgang wird es draußen rege, ein geheimnißvolles Schaffen beginnt auf Straßen und Plätzen, und der portugiesische Gamin opfert seine letzten zehn Reis, um zu den allgemeinen Vergnügungen beizusteuern. „Judas!“ heißt die Parole des Tages, und in tausend und aber tausend Variationen sieht man den Verräther erscheinen. Da ist kaum ein Haus, vor dem nicht auf einem Scheiterhaufen eine grotesk ausgeputzte Figur in Lebensgröße mit scheußlichem Gesicht und langem Barte ausgestellt ist. Und nicht allein an Häusern und Gärten finden wir sie, sogar hoch in der Luft an quer über die Straßen gezogenen Stricken hängen die phantastischesten Nachbildungen und Carricaturen des Verlorenen. Hier und da hat eine mitleidige Seele ihm sogar ein Weib zugesellt, damit er nicht allein sei in der Schreckensstunde, die ihm bevorsteht.

Die Menge drängt sich in den Straßen; Hoch und Niedrig, Alt und Jung ist auf den Beinen, Niemand will das Fest versäumen. Ungeduldig harrt Alles dem großen Moment entgegen. Da endlich kündet die Glocke der Sé, der schönen, stolzen Kathedrale, des Osterfestes Nahen, und nun entsteht ein beispielloser Lärm, ein Jauchzen, Jubeln, Lachen und eine Kanonade, die der von Metz und Sedan spottet. Die Bäuche der unglücklichen Opfer sind mit Pulver und Stroh gefüllt, sie explodiren mit furchtbarem Getöse, und gleich darauf wird der ganze Judas von den Flammen verzehrt.

In wenigen Minuten ist natürlich die ganze Stadt in den dicksten Qualm gehüllt, und die Geruchsnervenbesitzenden fliehen schleunigst nach Hause oder womöglich bis hinaus an’s blaue Meer, um wieder reine, schöne Luft zu athmen. Ist der Spaß vorbei, dann sieht es scheußlich aus auf den Straßen, und es ist ein gar schwierig Werk, während der wenigen Nachmittagsstunden der Stadt wieder einen festlichen Anstrich zu geben.

Das ist ein Ostersonnabend in Oporto. So Wunderliches er uns aber auch erleben läßt, wir finden doch wieder Schiller’s Wort bestätigt: „Hoher Sinn liegt oft im kind’schen Spiel.“ Franz Bach.