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Das Jubiläum des Berliner Hoftheaters

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Titel: Das Jubiläum des Berliner Hoftheaters
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 49, S. 868
Herausgeber: Adolf Kröner
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Erscheinungsdatum: 1886
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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[868] Das Jubiläum des Berliner Hoftheaters. Es sind jetzt hundert Jahre, seitdem das Berliner Theater aus den Händen der Principalschaft befreit, unter die Oberleitung des Hofes kam. Friedrich der Große war am 17. August 1786 gestorben; sein Nachfolger, König Friedrich Wilhelm II., hatte schon bei Lebzeiten seines Oheims dem Theater rege Theilnahme zugewendet, aber auch die Mißstände wohl bemerkt, welche mit der Direktion Döbbelin eng verknüpft waren. Am 1. Oktober 1786 erklärte der König das bisherige Döbbelin’sche Theater in der Behrenstraße für ein deutsches Nationaltheater, sicherte ihm eine Unterstützung von 6000 Thalern zu, ließ von Verona Dekorationen malen und erlaubte, daß die Statistenkleider der großen italienischen Oper beim deutschen Theater gebraucht werden durften. Am 3. December wurde zum letzten Male in dem alten Theater der Behrenstraße gespielt und am 5. December das Nationaltheater in dem für französische Aufführungen bestimmten Schauspielhause eröffnet, welches der König jetzt dem deutschen Schauspiel überließ. Dieses Theater stand in der Mitte des Gendarmenmarktes zwischen den beiden Thürmen, ungefähr da, wo gegenwärtig die Freitreppe des neuen Schauspielhauses anfängt, bis zu dem Droschkenhalteplatze; es war im Jahre 1774 erbaut worden, faßte 1200 Personen, hatte 50 Fuß Theatertiefe, ein Parterre, zwei Ränge Logen und eine Galerie. Merkwürdigerweise waren die Garderoben der Schauspieler nicht hinter der Bühne, sondern hinter dem Zuschauerraume angebracht, so daß die angekleideten Schauspieler durch den Parterregang und beim Büffett vorbei mußten, um auf die Bühne zu kommen.

Eröffnet wurde die neue Aera des Schauspielhauses mit einem Prologe, einem allegorischen Ballett und einem Lustspiele von Jünger: „Verstand und Leichtsinn“; doch nicht bloß in Bezug auf die neue Verwaltung wurde eine neue Epoche eingeleitet; auch die Führung der Bühne sollte in einem neuen kunstverständigen Sinne stattfinden. Döbbelin war ein alter Theaterpraktiker im Stil unserer heutigen Bühnenpächter; er war Keiner von den Schlechtesten, und obwohl er die Grundlagen seines Geschäfts, das Singspiel und überhaupt das leichte Genre, das beim Publikum Zug hatte, keineswegs vernachlässigte, verschloß er seine Bühne durchaus nicht den Schöpfungen der jüngeren bahnbrechenden Talente. Im Jahre 1784 hatte er Schiller’s „Fiesko“ zur Darstellung gebracht, allerdings in bedauerlicher Verballhornung, aber doch durch das Spiel von Fleck mit glänzendem Erfolg: ja er hatte sich sogar an „Nathan den Weisen“ gewagt und das Stück an drei Abenden hinter einander gegeben, am 14., 15. und 16. April 1783; doch war die Aufnahme kalt und das Theater leer.

Trotz derartiger rühmenswerther Versuche, seinem Theater eine höhere geistige Bedeutung zu geben, war Döbbelin nicht der Mann, der ein neues Zeitalter der Reform hätte würdig vorbereiten können. Er wurde vom König Friedrich Wilhelm II. bald bei Seite geschoben: an seine Stelle traten die Professoren Engel und Ramler, der erstere Theaterdichter und durch seine „Ideen zu einer Mimik“ eine Autorität für die darstellende Kunst, welche durch ihn die förderlichsten Anregungen empfing. Damals schon hatte man das richtige Princip erkannt, daß die Leitung der Bühnen dramatischen Dichtern und Dramaturgen von Ruf und Beruf in erster Linie übergeben werden müsse. Engel, welcher den späteren Liebling des Berliner Publikums, Kotzebue, 1789 zuerst mit „Menschenhaß und Reue“ auf der Nationalbühne einführte und außerdem 1788 Schiller’s „Don Carlos“ in der Prosabearbeitung gab, welche der Dichter für die kursächsische Gesellschaft gemacht hatte, gestaltete das Theater durch seinen feinen Geschmack stilvoller, als es bis dahin der Fäll gewesen war. Seit 1783 besaß das Berliner Nationaltheater einen Schauspieler ersten Ranges, Fleck, einen der genialen, ihrer Inspiration folgenden Künstler mit großen Mitteln, der aber so launenhaft war, daß er dieselben Rollen sehr ungleich spielte, so daß man, wie es hieß, bald den großen, bald den kleinen Fleck zu sehen bekomme. Er war jedenfalls ein berufener Träger größerer Dichtwerke. Nachdem Engel zurückgetreten, übernahm Ramler, der sich, seiner Richtung und seinem Talent entsprechend, meistens auf die Feile des dichterischen Stils der zur Aufführung angenommenen Dramen beschränkte, die Oberleitung, bis an seine Stelle im November 1796 Jffland trat, ein Künstler ersten Ranges, dessen Direktion eine der bedeutendsten Epochen in der Berliner Theatergeschichte bezeichnet: ein Freund Schiller’s von Mannheim her, hatte er das Glück, die unsterblichen Meisterwerke des großen Dichters dem Berliner Publikum zuerst vorführen zu können.

Daß im Laufe dieses Jahrhunderts die General-Intendanz zu einer Hofcharge erhoben wurde, daß in der Bühnenleitung die Grafen Brühl und Redern und Herr von Küstner, der einzige Fachmann, der sich in Leipzig und Darmstadt als kunstverständiger Theaterdirektor einen Namen gemacht hatte, einander folgten, ist wohl noch in der Erinnerung der Zeitgenossen lebendig. Das Berliner Hoftheater beginnt sein zweites Jahrhundert unter einer neuen Leitung: hoffen wir auf einen freudigen Aufschwung der dramatischen Kunst an der am meisten begünstigten Stätte in der Hauptstadt des deutschen Reichs. †