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Das Gesetz der großen Zahlen

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Textdaten
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Autor:
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Titel: Das Gesetz der großen Zahlen
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 45, S. 751-752
Herausgeber: Ernst Ziel
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Erscheinungsdatum: 1878
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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[751] Das Gesetz der großen Zahlen. Unser gesammtes Versicherungswesen gründet die Möglichkeit seines Bestehens und Wirkens auf die Erfahrungslehre, daß Nichts in der Welt dem regellosen Zufall überlassen ist, sondern daß namentlich Alles, was in die Bewegung der Natur- und der Menschenkräfte hemmend, störend oder vernichtend eingreift, bestimmten Gesetzen folgt. Diese Lehre ist neu und ihre Begründung war eine der vielen segensreichen Arbeiten der Statistik. Denn nur dadurch, daß man dieselben Erscheinungen und Ereignisse, wie Land- oder Seestürme, Feuersbrünste, Ueberschwemmungen, Hagelschläge etc. von einer langen Reihe von Jahren zusammenstellte, erkannte man, daß die Zerstörungsstärke und Wiederkehr derselben für bestimmte Zeiträume und Länderstrecken auch eine bestimmte Ordnung aufweise. Ebenso tritt uns auch aus dem Leben und Treiben der Nationen und Völker wie der Familie und des Einzelnen dasselbe entgegen, ob wir die Zahl der Ehen und Geburten, der Blinden oder Tauben, der Unfälle in Bergwerken oder auf Seeschiffen oder Eisenbahnen, die Zahl verloren gegangener Briefe oder Menschenopfer bei Epidemien in Betracht ziehen: immer leitet eine bestimmte Menge von Fällen zu einem Gesetz hin, und das nennt man „das Gesetz der großen Zahlen“.

Der wichtigste Gegenstand der Statistik wie alles Wissens ist natürlich der Mensch. Die Schwierigkeiten, auch hier aus einer langen Reihe der anscheinenden Zufälligkeiten das Gesetz herauszufinden, sind nicht leicht zu überwinden gewesen, und wer es weiß, wie viele der ersten Lebensversicherungs- und Krankencassen-Gesellschaften an der mangelhaften Berechnung der mittleren Lebensdauer und der Durchschnittszahl der Erkrankungen und Todesfälle zu Grunde gegangen sind – zum bittersten Schaden und zum Verlust für Tausende – dem wird es klar werden, daß auf einem solchen Gebiet nur die beharrlichste Arbeit zum Ziele führen kann. Um so dankbarer ist hier jede neue Errungenschaft zu begrüßen, welche die bahnbrechenden Arbeiten der Engländer weiter führt. Als solche nennen wir die Schrift: „Anzahl und Dauer der Krankheiten in gemischter Bevölkerung“ (Leipzig, 1878).

Der Verfasser, der Leipziger Professor Karl Heym, für die Fachmänner im Versicherungswesen eine Autorität, hat in dieser Schrift „zwanzig Jahre Erfahrungen“ den Acten der Leipziger Kranken-, Invaliden- und Lebensversicherungs-Gesellschaft „Gegenseitigkeit“ entnommen und veröffentlicht. Der besondere Werth dieser Beobachtungen über die Zahl der Erkrankungsfälle besteht einestheils darin, daß hier zum ersten Male in Deutschland auch das Lebensalter und das Geschlecht der Erkrankten berücksichtigt worden, und anderntheils darin, daß es hauptsächlich gewerbliche Arbeiter sind, welche der hier maßgebenden Krankenversicherungs-Gesellschaft angehören. Wir lernen viel Merkenswerthes [752] aus dieser Schrift. So z. B. hinsichtlich der Einwirkung der klimatischen Natur der einzelnen Jahreszeiten auf die Krankheitsfrequenz. Von 10,000 Personen erkranken im Winter 47, im Frühling 41, im Sommer und Herbst je 40; Kranke sind vorhanden im Winter 221, im Frühling 215, im Sommer 182 und im Herbst 115. - Ferner ergab sich, daß bei den Männern die Krankheiten kurzer Dauer fast doppelt so zahlreich sind, wie bei den Frauen, daß dagegen das Umgekehrte für die Krankheiten von längerer und längster Dauer stattfindet. Höchst beachtenswert muß uns der Unterschied sein, wie sich die Krankheits-Anmeldungen über die einzelnen Wochentage vertheilen. Von 10,000 Anmeldungen fallen auf Sonntag 803, Montag 1835, Dienstag 1919, Mittwoch 1706, Donnerstag 1356, Freitag 1145 und Sonnabend 1236. Man sieht, daß bei der großen Mehrzahl der Menschen unter allen Umständen die Sonntagsvergnügungen erst noch mitgemacht werden, ehe man zur Krankmeldung schreitet; ja, daß die stärkste Zahl auf den Dienstag trifft, beweist, wie stark noch allenthalben „der blaue Montag“ gefeiert wird, über den wir nächstens ein besonderes Wort sprechen wollen. Von der Heym’schen Schrift rühmen die Fachmänner es noch ganz vorzüglich, daß dieselbe nicht nur für Versicherungstechniker und Statistiker, sondern auch für Behörden und insbesondere für Personen, denen die Leitung und Neubegründung von Krankencassen obliegt, von großer Wichtigkeit und dringend zu empfehlen sei.