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Das Geisterroß

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Textdaten
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Autor: Conrad Ferdinand Meyer
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Titel: Das Geisterroß
Untertitel:
aus: Gedichte, S. 206–209
Herausgeber:
Auflage: 1. Auflage
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1882
Verlag: Verlag von H. Haessel
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Leipzig
Übersetzer:
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Originalherkunft:
Quelle: Google-USA* und Scans auf Commons
Kurzbeschreibung:
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[206]
Das Geisterroß.

Durch den dreigetheilten Bogen,
Des Triumphes prangend Thor,
Durch die lauten Menschenwogen
Dort zum Capitol empor

5
Lenkt den Tanz der weißen Pferde

Cäsar’s lässige Geberde.

Hinter des Triumphes Wagen
Duldend oder grollend gehn
Ueberwundne. Ketten tragen

10
Cäsar’s lebende Trophä’n.

„Dieser!“ höhnt es im Gedränge,
„Dieser Trotz’ge!“ zischt die Menge.

Unberührt vom Hohn der Stunde,
Starren, traumgefüllten Blicks,

15
Geht, ein Singen auf dem Munde,

Ruhig Vercingetorix –
Fremde Weise, fremde Worte,
Mit dem Geist an fremdem Orte:

„Cäsar, blendend weiße Rosse

20
Hat Hispanien dir gebracht!

Ellid, edler Ahnen Sprosse,
Dunkel ist er wie die Nacht –
Deine Schimmel, deine viere,
Tauscht’ ich nicht mit meinem Thiere …

25
[207] Ellid heißt der wackre Jager,

Stark von Wuchs und fest im Bug,
Welcher mich ins Römerlager
Mit gewalt’gen Sprüngen trug …
Der zum Opfer ich gegeben

30
Mich für meines Volkes Leben!


Dreimal flog ich um im Kreise,
In der Faust des Schwertes Blitz,
Noch im Lauf, nach Gallier Weise,
Sprang ich ab vor Cäsar’s Sitz …

35
Ellid schickt’ ich zu den Todten

Mir voran als meinen Boten!

Wie er mir ins Antlitz schnaubte,
Stieß ich, Blick versenkt in Blick,
Hinter seinem mächt’gen Haupte

40
Stracks das Schwert ihm durchs Genick …

Daß mir eines Rosses Ehre
Mangle nicht im Geisterheere.

Ellid sprengt seit langen Jahren
Mitten in der bleichen Jagd,

45
Wann daheim die Todten fahren

Durch die Wälder, bis es tagt …
Sehn sie meinen led’gen Renner,
Wundern sich die stillen Männer …

[208] Lange Jahre lag gebunden

50
Ich in feuchter Kerkergruft –

Kettenschwere, dumpfe Stunden –
Endlich wieder Tag und Luft –
Ellid, schwarzer Ellid, spute
Dich! Du witterst, wo ich blute!

55
Heute endlich! Endlich heute!

Wann der Kahle schwelgt am Mahl,
Würgt er seine Siegesbeute
Mit dem letzten müden Strahl …
Wann die Sonne niedergleitet,

60
Wird mir Block und Beil bereitet.


Henker, nimm das Beil zu Händen!
Nicht das Beil? … So nimm den Strang!
Droßle mich! Nur enden, enden!
Letzte Schmach! Sie währt nicht lang …

65
Ellid’s kurzes Hufgestampfe

Hör’ ich nahn im Todeskampfe!

Sterbend pack’ ich Ellid’s Haare,
Ein Befreiter spring’ ich auf,
Fahre, schwarzer Ellid, fahre!

70
Nach der Heimat nimm den Lauf!

Wogen tosen! Rhodan’s Stimme!
In den Strom, mein Thier, und schwimme!“

[209] Cäsar’s Schimmel blähn die Nüstern.
„Ave Triumphator!“ schallt.

75
Des Gebundnen Lippen flüstern:

„In der Heimath bin ich bald!
Ellid mit gestrecktem Jagen
Wird mich nach der Heimath tragen!“


Anmerkung