Das Flüchtigste
Das Flüchtigste.
Tadle nicht der Nachtigallen
Bald verhallend süßes Lied;
Sieh wie unter allen, allen
Lebensfreuden, die gefallen,
Siehe wie im Tanz der Horen
Lenz und Morgen schnell entweicht;
Wie die Rose, mit Auroren
Zart im Silberthau gebohren,
Siehe, wie im Chor der Triebe
Bald der Zärteste verklingt;
Holdes Mitleid, Wahn der Liebe,
Ach daß er uns ewig bliebe!
Und die Frische dieser Wangen,
Und der Jugend rege Glut
Und die ahnenden[1] Verlangen,
Die am Wink der Hoffnung hangen;
Selbst die Blüthe unsers Strebens,
Aller Musen schönste Gunst,
Jede höchste Kunst des Lebens,
Freund, du fesselst sie vergebens;
Aus dem Meer der Götterfreuden
Ward ein Tröpfchen uns geschenkt,
Ward gemischt mit manchem Leiden,
Leerer Ahnung, falschen Freuden,
Aber auch im Nebelmeere
Ist der Tropfe Seligkeit;
Einen Augenblick ihn trinken,
Rein ihn trinken und versinken,
- ↑ Vorlage: ahndenden