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Das Dresdener Hoftheater und sein Erbauer

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Textdaten
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Titel: Das Dresdener Hoftheater und seine Erbauer
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube
Herausgeber: Ernst Keil
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1869
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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[817] Das Dresdener Hoftheater und sein Erbauer. Die Gartenlaube und mit ihr viele andere Blätter haben unmittelbar nach dem Brande des Dresdener Hoftheaters eingehende Berichte über dieses unglückselige Ereigniß gebracht und dabei selbstverständlich auch seines Erbauers, Gottfried Semper’s, in mehr oder minder ausführlicher Weise gedacht. Dabei ist, wie dies bei solchen Vorfällen zu gehen pflegt, über die man rasch berichten will, viel Unvollkommenes, viel Unrichtiges und auch viel absichtlich Gefälschtes mit untergelaufen. Daß die Gartenlaube, wenn die Mittheilungen ihres Correspondenten sich später nicht in jedem Punkte als zutreffend erwiesen, dabei keine absichtliche Verdrehung beabsichtigte, braucht nicht weiter versichert zu werden; aber sie ergreift gern die Gelegenheit, die ihr durch einen ausführlichen Brief Gottfried Semper’s an den Herausgeber geboten wird, dasjenige zu berichtigen, worin sie selbst zu ihrem Bedauern ungenügend unterrichtet war, und diejenigen Anklagen anderer Blätter zu widerlegen, bei deren Erwähnung Semper selber sagt, man müßte über die Geschmacklosigkeit staunen, die sich in der Wahl der Veranlassung zu solchen Herabsetzungen seines Werkes unmittelbar nach dessen Zerstörung zu erkennen gab, wäre man nicht versucht, tendenziöse Absichten darunter zu vermuthen.

„Dies ist auch der Grund,“ fährt Semper in seinem Briefe fort, „warum ich mich veranlaßt sehe, mein Stillschweigen zu brechen und den Werth jener Insinuationen und Mäkeleien zu beleuchten, obschon ein solches Sichverwahren durchaus meiner Neigung widerspricht. Ich habe nicht nur die Entwürfe zu dem jetzt zerstörten Theater gemacht, sondern den Bau desselben bis zu seiner letzten Durchbildung geleitet. Niemals war ein Bau so ganz das eigenhändige Werk des Architekten wie dieser! Jede Detailzeichnung, jede Schablone, die Angaben der Tischlerarbeiten, die decorativen Details und Arabesken, die Möbel, kurz Alles ohne Ausnahme wurde von mir in Größe der Ausführung auf blauem Papier mit rother oder schwarzer Farbe in Umrissen aufgetragen. Dabei standen mir nur einige von meinen Schülern, die aber damals noch wenig Uebung hatten, zur Seite, von denen einer, Herr Krüger, jetzt zweiter sächsischer Hofbaumeister ist und mir die Wahrheit des Gesagten bezeugen wird. Auch stand ich zur Beaufsichtigung der vorschriftsmäßigen Ausführung der Arbeiten in ununterbrochenem persönlichem Verkehr mit den Künstlern und feineren Gewerken (Steinmetzen, Schreinern, Tapezirern etc.), während die Verwaltung des Baues und der Rohbau dem Hofbaumeister oblag, natürlich nach Vorschrift meiner Pläne und Angaben. Die gleichmäßige harmonische Durchführung, die an dem zerstörten Werke hervorgehoben wurde, erklärt sich allein aus dieser Einheit der Angabe und Leitung, aus dieser Gewissenhaftigkeit in der Durchführung. Da war nicht ein einziges Stück vorräthiger Marktwaare angebracht, sondern jedes Einzelne für den Zweck besonders componirt und gemacht, nirgends Wiederholungen. Aber was ich mir bei diesem Bau wohl als Hauptverdienst anrechnen darf (welches Verdienst ich übrigens mit meinem damaligen Chef, dem verewigten Freiherrn von Lüttichau, damaligem Generalintendanten der königl. Theater und Capellen hochverehrten Andenkens theile), ist die dadurch veranlaßte Herbeiziehung ausgezeichneter künstlerischer und kunstgewerblicher Kräfte aus allen Ländern und die gleichzeitige allgemeine Hebung der Künste und Kunstgewerke in Dresden. Namentlich in letzteren, den Kunstgewerken, die mehr als die hohen Künste einer Aufmunterung und Erfrischung bedurften, gab sich in Folge des Baues ein schöner Aufschwung kund, der aber leider nur von kurzer Dauer sein sollte.

So viel von meiner Betheiligung an dem Werke, das durch gewissenloseste Fahrlässigkeit verloren ging.

Ueber den posthumen Tadel, den man ihm in’s Grab nachschleudert, kann ich mich kurz fassen. Vorher möchte ich fragen, welchen Eindruck es wohl gemacht hätte, wenn irgend einem Zeitungscorrespondenten eingefallen wäre, den Hänel’schen Bacchantenfries ober die Rietschel’schen Giebelgruppen bei Gelegenheit der Meldung ihres Untergangs einer tadelnden Kritik zu unterwerfen? Ist der Architekt in dieser Beziehung vogelfrei? Den schlimmsten Vorwurf, der Saal sei unakustisch gewesen, weise ich einfach zurück, mich berufend auf das allgemeine Urtheil aller Künstler und Zuhörer, welche seit der Eröffnung desselben ihn betreten haben. Bis jetzt galt er allgemein für sehr sonor und angemessen. Der Tadel rührt wahrscheinlich von irgend einem Sänger her, der seine Stimme verloren hat und sich nun einbildet, sie sei an dem Plafond des Dresdener Theaters hängen geblieben. Ausgänge und zwar höchst bequeme besaß das Dresdener Theater mehr als irgend ein anderes. Was die inneren Gänge betrifft, so maßen sie zwei Meter Breite, d. h. gerade so viel als die Gänge des Pariser Opernhauses, des Theaters von Bordeaux, des kaiserlichen Hoftheaters in St. Petersburg und der meisten großen Theater im nördlichen Europa, einen guten halben Fuß mehr als die Gänge des Theaters della Scala in Mailand und der Theater in Turin, Genua, Neapel etc., d. h. der größten bestehenden Theater der Welt! Dazu kam noch für das Dresdener Theater die Bequemlichkeit eines achtzehn Fuß breiten eisernen Corridors, der überall mit dem Innern durch breite nach beiden Seiten sich öffnende Thüren in Verbindung stand und unmittelbar zu den beiden Haupttreppen führte.

Es wäre für die Verfasser der gegen mich gerichteten Anklagen eine Leichtigkeit gewesen, sich Einsicht in das Kupferwerk über den besprochenen Bau zu verschaffen, was ihre Pflicht war, bevor sie ihre weittragenden [818] Artikel in die Welt schickten. Dieses Werk wurde unmittelbar nach der Eröffnung des Theaters nach meinen Originalplänen gemacht, und giebt über dessen ehemaligen Bestand bessere Auskunft als das Geschwätz eines Spritzeninspectors, auf das jene Ausstellungen sich gründen wollen.

Die Ankleidezimmer, welche jedes nur für eine Person dienten, waren für diesen Zweck genügend groß (wenn schon freilich im Vergleiche mit den mächtigen Räumen des Saales und der Bühne verschwindend klein) und in genügender Anzahl vorhanden. Es fehlte von allem Anfange weder an Aufenthaltsräumen für Choristen und Statisten, noch an Garderoben jeder Abtheilung. Wenn später diese Räume nicht genügten, so war dies der Fehler derjenigen, die unvorsichtiger Weise den Requisitenvorrath, für den ein besonderes Depôt außerhalb des Hauses gehörte, im inneren desselben sich immer mehr anhäufen ließen, was den Verlust aller dieser Schätze zur Folge hatte.

Aus meinen Plänen hätte man auch entnehmen können, daß es an ‚den gewissen höchst nothwendigen Localitäten‘ überall nicht gefehlt hat, wie man mir vorwarf, auch nicht in den obersten Galerien, wo sich an jeder Seite eine befand. Wenn sie später verschlossen worden sind, um sich die Kosten der Beaufsichtigung und des Reinhaltens zu ersparen, so ist dies nicht die Schuld der Anlage.

Diese ‚höchst nothwendigen Localitäten‘ bilden überhaupt in einem Theater stets große Uebelstände, wenn man sie zu sehr vervielfältigt und in die höheren Räume versetzt, weil der Luftzug der Ventilation und des Kronleuchters den Geruch derselben fast unvermeidlich macht. Man soll eigentlich öffentliche Abtritte nur im untersten Theile des Hauses gestatten, was zwar unbequem, aber der allgemeinen Salubrität angemessen ist. Wer übrigens für zwei bis drei Stunden einen Kunsttempel betreten will, soll sich in jeder Beziehung dazu vorbereiten. Wer denkt an Abtritte in den Kirchen?

Ebensowenig hat die Anlage es verschuldet, daß die Löschapparate in Unordnung waren, da, wie auf den Durchschnittsplänen des Kupferwerkes deutlich wahrzunehmen ist, zwei Kolosse von Wasserbehältern über dem Bogen des Prosceniums genügende Wassermassen spenden konnten, wenn man sie anfüllte und ihre Röhren in Ordnung hielt. Doch genug von diesen Misèren.

Ich erwähne noch, daß der Plafond nicht von Desplechin, sondern in seinen decorativen Theilen nach meiner Zeichnung von Jules Dieterle herrührte. Die Vignetten und Bilder waren von Gosse. Von Dieterle’s eigner Meisterhand waren auch die Chimären und Masken mit Arabeskenumgebung, welche die Füllungen der beiden ersten Rangbrüstungen schmückten, en camayeu, blau auf Perlfarbe, mit Silberschraffirung. Diese wurden aber schon bei der großen Restauration, die vor einigen Jahren stattfand, beseitigt und durch Steinpappe-Rosetten ersetzt.

Auch die Theaterdecorationen rührten keineswegs alle von Desplechin her, sondern damals arbeiteten vier Künstler von fast gleichen Talenten in Gemeinschaft Séchau, Desplechin, Feuchère und Dieterle, die sich erst später, nach der Vollendung ihrer Dresdener Arbeiten, von einander trennten.“

Soweit Semper über das alte, nun zu Grunde gegangene Theater. Was das neue, das zu erbauende, betrifft, so ist bereits von anderer Seite nachdrücklich darauf hingewiesen worden, daß die Berufung Semper’s vor Allen und in erster Linie geboten sei. Die von dem Dresdener Comité beabsichtigte Concurrenz wird nicht verfangen, und wie Semper persönlich darüber denkt, beweisen noch folgende Zeilen aus einem späteren Briefe desselben an den Herausgeber der Gartenlaube:

„Das Manöver, mich bei einer Ausschreibung ‚in erster Linie in Betracht ziehen zu wollen‘, ist sehr pfiffig erfunden, um die öffentliche Meinung zu beschwichtigen und meiner sich mit bester Manier zu entledigen; denn man weiß sehr wohl, daß ich mich auf keine Concurrenz einlassen kann.“