Zum Inhalt springen

Das Deutsche Volksheer

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
<<< >>>
Autor: Willibald Stavenhagen
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Das Deutsche Volksheer
Untertitel:
aus: Handbuch der Politik Dritter Band: Die Aufgaben der Politik, Achtzehntes Hauptstück: Die politischen Ziele der Mächte in der Gegenwart, 98. Abschnitt, S. 277−299
Herausgeber: Paul Laban, Adolf Wach, Adolf Wagner, Georg Jellinek, Karl Lamprecht, Franz von Liszt, Georg von Schanz, Fritz Berolzheimer
Auflage:
Entstehungsdatum: {{{ENTSTEHUNGSJAHR}}}
Erscheinungsdatum: 1914
Verlag: Dr. Walther Rothschild
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Berlin und Leipzig
Übersetzer: {{{ÜBERSETZER}}}
Originaltitel: {{{ORIGINALTITEL}}}
Originalsubtitel: {{{ORIGINALSUBTITEL}}}
Originalherkunft: {{{ORIGINALHERKUNFT}}}
Quelle: Commons
Kurzbeschreibung:
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
[[Bild:|250px]]
Bearbeitungsstand
korrigiert
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal Korrektur gelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
Indexseite
[277]
98. Abschnitt.


a) Das Deutsche Volksheer.
Von
Willibald Stavenhagen,
Königl. Hauptmann a. D., Berlin.


Literatur:

[Bearbeiten]

I. Allgemeines.

[Bearbeiten]
Verfassung des Deutschen Reichs vom 14./16. IV. 1871. –
Verhandlungen des Deutschen Reichstags (I. bis XIII. Legislaturperiode). –
Reichshaushalts-Etats von 1872–1913/4. –
Reichsgesetzblatt 1871–1913. –
v. Jagemann: Die Deutsche Reichsverfassung 04. –
Ph. Zorn: Die Deutsche Reichsverfassung 08. –
v. Rönne – Dobbeler: Verfassung des Deutschen Reichs. 10. Aufl. 12. –

[278]

J. Bluntschli – E. Löning: Staatswörterbuch. 2. Aufl. 75. –
J. Bachem: Staatslexikon. 3. Aufl. 09. –
Hue de Grais: Das Deutsche Reich 01. –
Derselbe: Handbuch der Verfassung und Verwaltung Preussens und des Deutschen Reichs. 21. Aufl. 12. –
H. Triepel: Quellensammlung zum Deutschen Reichsstaatsrecht 1901. –
P. Laband: Deutsches Reichs- und Staatsrecht. 5. Aufl. 11. –
G. Meyer: Lehrbuch des Deutschen Staatsrechts. 6. Aufl. 05. –
C. Bornhak: Grundriss des Deutschen Staatsrechts. 2. Aufl. 10. –
K. Binding: Deutsche Staatsgrundgesetze 98–12. –
H. Bruhns: Gesetzestafel des Deutschen Reichsrechts. 2. Aufl. 13. –
Fr. Schulze: Der Staatshaushaltsetat des neuen Deutschen Reichs 88. –
Kaiserliches Statistisches Amt: Statistik des Deutschen Reichs. Jährlich. –
Dasselbe: Vierteljahrsberichte zur Statistik des Deutschen Reichs. Jährlich. –
Dasselbe: Statistisches Jahrbuch für das Deutsche Reich. Jährlich. –
A. Wagner: Das Reichsfinanzwesen. 72 u. 74. –
Derselbe: Lehr- und Handbuch der politischen Oekonomie. Versch. Aufl. der einzelnen Teile. Besonders: Grundlagen der Volkswirtschaft und Finanzwissenschaft. 4. Aufl. 12. –
G. Schmoller: Grundriss der allgemeinen Volkswirtschaftslehre. Bd. I 7.–10. Aufl. 08. Bd. II 1.–6. Aufl. 04. –
Fr. Zahn: Die Finanzen der Grossmächte 08. –
Fr. v. Liszt: Das Völkerrecht. 6. Aufl. 10. –
J. Conrad, L. Elster, W. Lexis, E. Löning: Handwörterbuch der Staatswissenschaften. 3. Aufl. 09/11. –
Waitz: Deutsche Verfassungsgeschichte. 3. Aufl. 80. –
H. v. Treitschke: Politik. 2. Aufl. 98–00. –
O. v. Bismarck: Gedanken und Erinnerungen 98. Volks-Ausg. 05. –
Derselbe: Reden und Aussprüche zur Deutschen Reichsverfassung 01. –
G. Planck: Bürgerliches Gesetzbuch. 3. Aufl. 03–09. –
J. Olshausen: Kommentar zum Reichs-Strafgesetzbuch. 9. Aufl. 12. –
Fürst v. Bülow: Deutsche Politik (in „Deutschland unter Kaiser Wilhelm II.“). 14.

II. Militärisches.

[Bearbeiten]
Deutsche Wehrordnung (W. O.) Neuabdruck vom April 04. –
Heerordnung (H.O.). Neuabdruck vom April 04. –
Remontierungsordnung (Rem.O.) v. 18. V. 12. –
Endres: Deutsche Wehrverfassung 08. –
(Beck): Sammlung der auf Heer und Flotte bezüglichen Gesetze und Verordnungen des Deutschen Reichs 06. –
L. Meyer: Grundzüge der Deutschen Militärverwaltung 08. –
J. Weiffenbach: Handbuch der Militärrechtspflege 06. –
Weigel: Zuständigkeitsgrenze zwischen Militär- und Zivilgerichtsbarkeit 02. –
J. Olshausen: Militärstrafgesetzbuch 02. –
G. Rotermund: Kommentar zum Militärstrafgesetzbueh 09. –
Elsner v. Gronow – G. Sohl: Militärstrafrecht für Heer und Marine 06. –
A. Romen – Rissom: Militärstrafgesetzbuch für das Deutsche Reich 12. –
J. Weiffenbach: Einführung in die Militärstrafgerichtsordnung 00. –
A. Romen: Militärstrafgerichtsordnung 10. –
H. Dietz: Disziplinarordnung für das Heer 09. –
M. Schlayer: Militärstrafrecht 04. –
Elsner v. Gronow – G. Sohl: Verordnungen über die Ehrengerichte in Heer und Marine 06. –
P. Daude: Das bürgerliche Rechtsverhältnis der Militärpersonen. 2. Aufl. 87. –
Kompendium über Militärrecht. Neuabdruck 11. –
J. Freiser: Das Militärkirchenrecht in Heer und Marine des Deutschen Reichs 13. –
Endres: Die völkerrechtliche Grundsätze der Kriegführung 09. –
Ph. Zorn: Das Kriegsrecht zu Lande in seiner neuesten Gestaltung 06. –
Friedens-Sanitäts-Ordnung (F. S. O.) v. 16. V. 91. –
Kriegs-Sanitäts-Ordnung (K. S. O.) v. 27. VI. 07. –
Kriegsministerium: Sanitätsberichte. Jährlich. –
v. Schjerning: Sanitätsstatistische Nachrichten über Volk und Heer 10. –
Bischof, Hoffmann, Schwiening: Militär-Hygiene 12. –
A. Koehler: Grundriss einer Geschichte der Kriegschirurgie 01. –
Hildebrandt: Verwundungen durch die modernen Kriegsfeuerwaffen 05–07. –
W. v. Oettingen: Leitfaden der praktischen Kriegschirurgie 12. –
W. Nihues: Die Sanitätsausrüstung des Heeres im Kriege 13. –
Kriegs-Verpflegungs-Vorschrift (K. V. V.) v. 28. VIII. 09. –
Preussischer Generalstab: Heeresverpflegung 13. –
F. Taubert: Verpflegungstaktik 12. –
Bekleidungsordnung (Bkl.O.) v. 12. II. 01. –
Bekleidungsvorschrift für Offiziere. Neuabdruck 11. –
W. v. Hippel: Reichsgesetz über die Naturalleistungen der bewaffneten Macht im Frieden (N. L. G. v. 13. II. 75 bezw. 24. V. 98). 03. –
A. Fernow: Gesetze über den einmaligen ausserordentlichen Wehrbeitrag und über Besitzsteuer v. 3. VII. 13. 13. –
v. Helldorf: Dienstvorschriften für die Preussische Armee. –
E. S. Mittler & Sohn: Armee-Dienstvorschriften. S. V. 5. 12. –
Spohn: Die allgemeinen Dienstverhältnisse der Offiziere des Beurlaubtenstandes für Heer und Marine 09. –
v. Sprösser: Bestimmungen über den Dienst der Einjährigfreiwilligen und Offiziersaspiranten. 2. Aufl. 13. –
A. Romen: Die Militärpensionsgesetze v. 31. V. 06. 07/08. –
A. Arndt: Reichsbeamtengesetz in der Fassung v. 18. V. 07 und seine Ergänzungen 08. –
v. Boguslawski: Die Ehre und das Duell 96. -
Liepmann: Duell und Ehre 04. –
Spohn: Ratgeber in Ehrenfragen aller Art. 4. Aufl. 12. –
v. Clausewitz: Lehre vom Kriege. 6. Aufl. 11. –
P. Creuzinger: Die Probleme des Krieges. 11. –
R. Wagner: Grundlagen der Kriegstheorie 12. –
H. v. Moltke: Gesammelte Schriften und Denkwürdigkeiten 91–92. –
Derselbe: Militärische Werke. 3 Gruppen. 92–06. –
H. Delbrück: Geschichte der Kriegskunst im Rahmen der politischen Geschichte. 2. Aufl. 07–09. –
v. Scherff: Die Lehre vom Kriege 97. –
v. Beseler: Die allgemeine Wehrpflicht 13. –
Frh. v. d. Goltz: Das Volk in Waffen. 4. Aufl. 90. –

[279]

v. Falkenhausen: Ausbildung für den Krieg 02–04. –
Derselbe: Der grosse Krieg der Jetztzeit. 2. Aufl. 11. –
Derselbe: Flankenbewegung und Massenheer 11. –
v.Bernhardi: Vom heutigen Kriege 12. –
v. Verdy: Studien über den Krieg. Besonders III. Teil: Strategie 02–09. –
v. Blume: Strategie. 3. Aufl. 12. –
Derselbe: Militärpolitische Aufsätze 06. –
Derselbe: Die Wehrkraft Deutschlands im Vergleich mit der der anderen Grossmächte 13. –
v. Boguslawski: Der Krieg in seiner wahren Bedeutung für Staat und Volk 92. –
Derselbe: Volksheer, nicht Volkswehr 98. –
A. Bebel: Nicht stehendes Heer, sondern Volkswehr 98. –
J. Jaurès: Die neue Armee. (Deutsche Übersetzung) 13. –
v. Freytag-Loringhoven: Krieg und Politik in der Jetztzeit 11. –
H. v. Beseler: Vom Soldatenberuf 13. –
Graf v. Schlieffen: Gesammelte Schriften, darin besonders: Der Feldherr 13. –
M. Schwarte: Technik des Kriegswesens 13. –
F. Braumann: Der Nutzen des Heerwesens für die Deutsche Volkswirtschaft 13. –
Riesser: Finanzielle Kriegsbereitschaft und Kriegführung. –
B. Hübner: Militärpolitik 10. –
v. Janson: Scharnhorsts militärisches Testament 06. –
Derselbe: Das strategische und faktische Zusammenwirken von Heer und Flotte 01. –
v. Moser: Die Führung des Armeekorps im Feldkriege 10. –
G. Lehmann: Die Mobilmachung von 1870 /71. 05. –
Derselbe: Die Trophäen des Preussischen Heeres 98. –
Derselbe. Die Ritter des Ordens Pour le mérite 13. –
Pr. Kriegsministerium: Geschichte der Preussischen Fahnen und Standarten seit dem Jahre 1807. 89, 91 und 95. –
Deutscher Wehrverein: Verschiedene Schriften und Flugblätter 11–13. –
Einteilung und Standorte des Deutschen Heeres. Jährlich. –
Rang-und Dienstalterslisten, Gothaer Hofkalender, Taschenkalender für das Heer (Fircks-Gall), für Militärbeamte (Siekmann), Handbuch für das Deutsche Reich, Nauticus. Jährlich. –
v. Alten: Handbuch für Heer und Flotte. (Im Erscheinen seit 09). –
S. Steinmetz: Die Philosophie des Krieges 07. –
Del Vecchio: Die Tatsache des Krieges. Deutsche Uebersetzung. 1913. –
J. Kant: Zum ewigen Frieden. –
Zeitschriften: v. Loebells Jahresberichte, Militär-Wochenblatt (mit Beiheften), Stuttgarter Militärische Blätter, Armee-Verordnungsblätter, Deutsche Juristenzeitung, Zeitschrift für Völkerrecht und Bundesstaatenrecht, Archiv für Militärrecht, Entscheidungen des Reichsmilitärgerichts, Jahrbücher für National-Oekonomie und Statistik, Abhandlungen aus dem Staats-, Verwaltungs- und Völkerrecht, Jahrbücher des öffentlichen Rechts. –
Karte der Standorte des Reichsheeres 1 : 900 000.1905.
Mittlers Uniformirungsliste: 4. Aufl. 81.

1. Einleitung.

[Bearbeiten]

Der Krieg, ein Element in Gottes Weltordnung, ist Politik im höchsten Masse. Er bildet nur eine Fortsetzung der Friedenspolitik mit anderen, gewalttätigen Mitteln. Politik und Krieg gehen daher Hand in Hand, und der Zweck des Krieges ist die Erkämpfung des Friedens unter Bedingungen, die der vom Staate verfolgten Politik entsprechen. Obwohl die Strategie im Kriege selbst unabhängig von der Politik wirken soll, kommt dieser doch das entscheidende Wort beim Entschluss zum Kriege und beim Friedensschluss zu, die Strategie hat sich hier unterzuordnen. Dazu bedarf aber der Staatsmann der Kenntnis und Schätzung der eigenen und der feindlichen Wehrkraft und deshalb hat er auch das grösste Interesse an der Stärke des eigenen Heeres. Denn das politisch Erreichbare wird durch den militärischen Erfolg bedingt.

Bei der veränderten Weltlage beschränkt sich der Krieg, der heute nur noch für die Lebensinteressen einer Nation geführt wird und ein grosses und kostspieliges Risiko darstellt, nicht mehr auf zwei Staaten allein, auch nicht bloss auf das europäische Festland, sondern auch die überseeischen Länder und die Kolonien werden in Mitleidenschaft gezogen. Die Seemacht operirt daher gemeinsam mit dem Landheere, und der Einfluss der politischen Lage wird sich verstärkt geltend machen. Die Aufgabe und das Recht der Kriegskunst bleibt aber, zu verhüten, dass die Politik Dinge fordert, die gegen die Natur des Krieges sind. Kenntnis des „Instruments des Krieges“, vor allem unseres Deutschen Volksheeres, ist deshalb für den Staatsmann unbedingt geboten. Eine mangelhafte oder verfehlte Politik kann alle kriegerischen Erfolge zunichte machen, ja schon im Keim ersticken.

2. Wesen und Bestimmung des deutschen Volksheeres.

[Bearbeiten]

Das Deutsche Volksheer ist seiner Idee und Geschichte nach national, innig mit dem Staats- und Volksleben verflochten, dessen gesamte Kräfte es zu seiner Schaffung und Erhaltung beansprucht, und auf der volkstümlichen Grundlage gleicher Pflicht und gleichen Rechts in seiner Wehrverfassung aufgebaut. Es knüpft in seiner Aufbringung, Organisation und Gliederungen die politische Landeseinteilung an, so dass in enger Mischung aristokratischer und volkstümlicher [280] Elemente immer die nächsten Stammesgenossen und Landsleute gemeinsam dienen und ein alle Staatsbürger umfassendes gleichartiges Heer von hoher Kultur entsteht.

Die Armee ist nach Moltkes wahrem Wort die vornehmste aller Institutionen in jedem Lande, denn sie ermöglicht das Bestehen aller bürgerlichen Einrichtungen, alle politische und bürgerliche Freiheit, alle Schöpfungen der Kultur, die Finanzen stehen und fallen mit dem Heer. Dass ferner das Deutsche Reich mächtig im Rate der Völker dasteht und für die Interessen des Deutschtums überall da, wo sie bedroht werden, eintreten kann, ist vor allem seiner starken Armee zu verdanken.

Das Heer ist zugleich die wichtigste Schule für das ganze Deutsche Volk, bildet und erzieht vor allem das höchste Pflichtideal des Menschen, den Charakter, und zwar des grössten und besten Teils der erwachsenen männlichen Jugend. Sie wird dadurch zum tätigen Ausdruck für alle Tugenden, Gemüts- und Verstandeskräfte des Bürgers, den sie mit staatlichem und kriegerischen Geist erfüllt.

Alle bei der heute in allen Grossmachtheeren ziemlich gleichen Ausbildung, Rüstung und inneren Fertigkeit, zumal bei schwieriger offensiver Kriegsführung, den Ausschlag gebenden geistigen und ethischen Kräfte werden entwickelt und dadurch das Volksaufgebot erst zum nationalen Heer befähigt. Der ideale Beruf des vorzugsweise dem Vaterlande dienenden Kriegers ist für jeden Staatsbürger eine Auszeichnung, des „Königs Rock“ sein Ehrenkleid. Jeder Deutsche ist ein geborener Verteidiger seines Landes, der dann in der Heeresschule durch eine die Dienstfreudigkeit mehr als der Drill fördernde Erziehung zur Waffenführung ausgebildet werden soll.

Neben diesen moralischen Potenzen und der Zahlenstärke wird es vor allem eine hervorragende Führung sein, die dem mit allen intellektuellen und materiellen Mitteln des Staats geschaffenen Deutschen Volksheere, dieser gewaltigsten Offenbarung der inneren und äusseren Macht unseres Landes, die Ueberlegenheit über seine Gegner zu geben vermag. Daher ist auch die Heranbildung verantwortungsfreudiger, wagemutiger, urteilsfähiger und selbsttätiger Führer, besonders für die Schlachten schlagende, daher kriegerisch gewandteste Feldarmee, eine Hauptgabe unseres Heeres. Es erzieht sein Offizierkorps selbst, d. h. einen eigenen homogenen Stand dem obersten Kriegsherrn in gegenseitiger Treue ergebener wirklicher Berufssoldaten mit höchsten Pflichten und daher auch besonderen Vorrechten, zugleich so reicher militärischer Erfahrung, dass er von der Neuheit der Erscheinungen des Krieges nicht überrascht werden kann.[1] Diese bleibenden Träger der besten Überlieferung und des Fortschritts mit ihrem esprit de corps, ihrem auf gründliches Wissen aufgebauten militärischen Können, ihrer aus der Kriegsgeschichte wie der eigenen Praxis geschöpften Kriegstechnik im umfassendsten Sinne des Worts bilden das Rückgrat der Armee und den festen Kitt zwischen den natürlichen Kräften der nur kurze Zeit dienenden, im Gegensatz zu den alten Berufsheeren zwar weniger erfahrenen, aber aus Unkenntnis der Kriegsgefahren sich umso tapferer für eine heilige Sache schlagenden Mannschaften des Volksheeres. Das Offizierkorps ist der Kern und Kristallisationspunkt aller kriegerischen Tugenden, in ihm steckt der Geist der Armee, es sichert dem Volksheere die Vorzüge des Berufsheeres ohne dessen Nachteile. Verantwortungsfreudig setzt es in allen Lagen, auch den aussergewöhnlichsten, seine ganze Persönlichkeit ein und wird daher schon im Frieden zu einem Lehrer und dem militärischen Erzieher der ganzen Nation, ein hohen sittlichen Ernst, vollste Hingabe und Liebe zur Sache erfordernder wahrhaft „adliger“ Beruf. Den Vorgesetzten gegenüber kennt es nur schweigenden Gehorsam, und die zersetzende Politik bleibt seinen Reihen fern. Im Kriege aber, wo heute schon jeder Unterführer in den Vordergrund treten kann, ist der Offizier der Führer des Volks in Waffen, dessen kriegerische Erfolge von der Tüchtigkeit und Leistungsfähigkeit des Offizierkorps zunächst abhängen. Besonders hohe Charaktereigenschaften und eine auf der Höhe der Zeit stehende allgemeine [281] und militärische Bildung befähigen und berechtigen allein zu diesem Führerberuf, der auch erhebliche Anforderungen an die Nervenkraft stellt.

Das aktive Offizierkorps ist ferner die Wiege für die wirklichen kriegerischen Genien, die in sich die höchste Harmonie aller militärischen, kulturellen und nationalen Kräfte vereinigen: die schöpferischen Feldherrnnaturen, die eigentlichen Kriegskünstler, die ebenso selten wie die grossen Staatsmänner sind. Sie schaffen als starke Persönlichkeiten die lebendige Tradition eines Heeres, die über das Grab hinausreicht, sie sind die Flamme, an der sich die jungen Generationen erwärmen, das grosse Licht, von dem sich neue Gedanken entzünden, die vor geistloser Nachahmung und dem Schema, das vor dem Feinde versagt, schützen. Ihrer oft im Nebel der Ungewissheit und unter dem Druck schwerster Verantwortung erfolgenden, für das Kriegsergebnis entscheidenden Tätigkeit sind freilich bei den heutigen Massenheeren engere Grenzen gesteckt.[2]

Als Stütze und Gehilfen steht den Offizieren ein zwar länger als die Mannschaften dienendes, aber nicht zu den Berufssoldaten zählendes Unteroffizierkorps von möglichst erweiterter Schulbildung zur Seite. Es hilft die wehrfähige deutsche Jugend zu Treue und Tapferkeit, guter Sitte, Gehorsam und unbedingtem Pflichtgefühl auf Grundlage der Gottesfurcht, des Opfermutes der eigenen Person für das Vaterland erziehen. Nur dann ist eine gute Manneszucht der Truppe möglich, die den Grundpfeiler der Armee und die Vorbedingung für jeden Erfolg bildet.

Das unter den Waffen befindliche aktive Heer mit herabgesetzter Dienstpflicht und hoher Friedenspräsenzstärke ist zugleich die Schule und der Rahmen der die Feldarmee verstärkenden und mit ihr organisch verbundenen Reserve-, Landwehr- und Landsturmtruppen, für welche Ersatzformationen im Kriege immer neue Ergänzung liefern. Die Heranbildung kriegsbrauchbarer Offiziere und Unteroffiziere des Beurlaubtenstandes ist eine der wichtigsten Aufgaben der dafür verantwortlichen aktiven Offiziere. Erst durch diese mit starken aktiven Stämmen durchsetzte eigentliche Volkswehr entsteht das Gesamtheer, die kriegerisch organisierte Volkskraft, das begeisterte und aufopferungsfreudige „Volk in Waffen“, wie es die heute im Zeitalter der Masse und der Maschine erforderlichen Millionenaufgebote nötig machen. Es bildet also eine eigenartige Verbindung zwischen dem stehenden Berufsheer des Friedens und der im Kriege erweiterten Miliz,[3] die aber die Mängel beider vermeidet und ihre Vorzüge vereinigt.

Kein Staat Europas kann ein schlagfertiges Offensivheer, das das Haupt der Kriegsverfassung, die verkörperte Würde und Hoheit des Staats, in Tätigkeit setzt, ihm den einheitlichen Impuls und die Richtung gibt und es im stets schlagfertigen Zustand erhält, weniger entbehren als das Deutsche Reich, das durch sein Heer geschaffen wurde. Bei seiner die Kriegsgefahr verstärkenden, weil leicht einkreisbaren Lage im Herzen des Kontinents, der Gestalt und Zugänglichkeit seiner Land- und Seegrenzen mit dreien der stärksten Militärmächte und vier kleineren Staaten als Nachbarn, sowie einer breiten Küstenfront und fernen Kolonien, die im Mutterlande zu schützen sind, ist, zumal bei dem vorwiegend festländischen Charakter seiner geschichtlichen Entwicklung und seiner monarchischen Staatsform in erster Linie die Armee, das Volksheer, unerlässlich für seine Machtstellung und eine kraftvolle Politik nach aussen und innen. Das Dasein des Reichs bleibt mit ihr unauflöslich verknüpft, und es wird kein europäischer Krieg entbrennen, in den wir Deutsche nicht verwickelt werden, um dann um unser Schicksal ringen zu müssen.

Gewiss entzieht das Heer jährlich an 660 000 arbeitskräftige Männer der Volkswirtschaft, was eine Einbusse von etwa 660 Millionen am Volksvermögen bedeutet und bei der gebotenen Durchdringung von Wehrkraft und Finanzwesen sicher sehr ins Gewicht fällt. Aber diese „Versicherungsprämie“ für den ganzen lebenden und [282] toten Besitz unseres Vaterlandes, die ungefähr 14,94 M. (mit Kriegsflotte 21,86) auf den Kopf ausmacht, diese vorbeugende Organisation unseres Wehrwesens ist nicht zu hoch und wohl angebracht, denn sie erhält nun schon seit über einem Menschenalter in bisher in der Geschichte Europas ungewohnter Weise den Frieden der Welt, der nicht zuletzt auf deutschen Bajonetten ruht. Der Frieden wird dadurch weit mehr gefördert, als der Krieg herbeigeführt, dessen Lasten ohnehin mehr die Volksmassen als die herrschenden Klassen tragen. Ein verlorener Krieg ist teurer als die kostspieligste Vorbereitung dazu, deren Mangel dann auch nicht durch die grössten Anstrengungen im Kriege ausgeglichen werden kann. Aber auch der Sieger wird unbedingt wirtschaftlich mehr verlieren als gewinnen. Jeder siegreiche Krieg kostet einer Grossmacht wohl an 12 bis 13 Milliarden, ist der Feldzug aber unglücklich, wohl das Doppelte, allein an Zinsen mindestens 1 Milliarde, ganz abgesehen von den anschliessenden jahrelangen wirtschaftlichen Schädigungen (sowie etwaigen Gebietsverlust). Und dann würden erst recht und in erhöhtem Masse Rüstungsopfer wieder gebracht werden müssen. Zugleich gewährt das in einem starken Heer liegende mächtige Element der Ordnung die Ruhe und Sicherheit von Thron und Bürger im Innern. Mehr fast als für diesen Schutz, nämlich 1 Milliarde jährlich, zahlt ja der deutsche Bürger freiwillig an blossen privaten Versicherungen gegen Feuer, Hagelschlag, Unfall und Tod.

So sichert und fördert die Armee also Handel und Wandel und alle nationalen Werte. Keine Kulturnation besitzt überdies so grosse Reserven wie die deutsche. Das Volksvermögen beträgt mindestens 300 Milliarden (oder 4500–4700 M. auf den Kopf) und vergrössert sich jährlich selbsttätig um etwa 8 Milliarden. Das jährliche Einkommen erreicht an 40 Milliarden und ist seit 1896 um 80 v. H. gestiegen. Von dem werden 25 Milliarden jährlich für persönliche Zwecke verbraucht, 7 Milliarden für öffentliche Zwecke. Da die sogen. „Blutsteuer“ der unbeschränkten allgemeinen Wehrpflicht nur 1,87 v. H. des Vermögens oder 26,4 v. H. der gesamten Staatsausgaben[4] ausmacht, so ist die Last der Landesverteidigungskosten nicht unerschwinglich und wird reichlich durch ihre Vorteile eingebracht. Noch 55 v. H. aller Verwaltungskosten werden für Kulturzwecke (darunter 530 Millionen. d. h. ⅓ des europäischen Gesamtaufwandes für die Schulen, davon allein 61 557 Volksschulen mit 187 485 Lehrern. 10,31 Millionen Schülern) und innere Verwaltung (allein 1 Milliarde oder täglich 2,5 Millionen für Arbeiterversicherung), 17,5 v. H. für die Finanz-, 5 v. H. für die Justizverwaltung und 2,5 v. H. für die auswärtigen Angelegenheiten verwandt, und die jährlichen Steuerlasten machen nur 48,17 M. (gegen 67 M. je in England und Frankreich) auf den Kopf, 80 M. auf den Erwerbsfähigen aus, mit den Zöllen nur 650 Millionen oder 13 v. H. des Werts.

Und wie sind andererseits Wohlstand und Lebenshaltung, ja sogar der Luxus gestiegen und zwar bei allen Ständen. Die jährlichen Ersparnisse betragen etwa 3 Milliarden oder 450 M. auf den Kopf in den Sparkassen, und für Alkohol und Tabak werden im Jahr etwa 5 Milliarden M. ausgegeben.

Dieser ungeheuere wirtschaftliche Aufschwung, der sich auch in einer jährlichen Ein- und Ausfuhr von 21,73 Milliarden (1912, d. h. gegen 1887 einer Steigerung von 219,7 v. H.) ausspricht (Frankreich hat nur 11,82 Milliarden und England ist bei 27,42 v. H. bald erreicht), steht aber in ursächlichem Zusammenhänge mit den hohen Ausgaben für Heer und Flotte (1912/13: 1476 Millionen = 21,86 M. auf den Kopf[5]), sie sind daher durchaus produktiv.

Für die Grösse des Heeres sind vor allem die gegenwärtige und die künftig mögliche politische Lage sowie die Machtverhältnisse der uns umgebenden fremden Staaten, besonders der wahrscheinlichen Kriegsgegner, weniger die etwaiger Bundesgenossen, ausschlaggebend. Denn nur dann ist im Kriege eine siegreiche Offensive, die den Feind in seinem eigenen Lande niederwirft und ihm unseren politischen Willen aufzwingt, möglich, wenn wir ihm an Güte und an Zahl, die in der Strategie wie in der Taktik das allgemeinste Prinzip des Sieges sind, und von welchen die Zahl sich nur in gewissen Grenzen durch die Tüchtigkeit ausgleichen lässt, überlegen sind. Vor allem auch bezüglich der nicht im letzten Augenblick zu schaffenden, vollkommen ausgebildeten und am schnellsten kriegsbereiten Truppen 1. Linie. „Le nombre des troupes, qu’un Etat entretient, doit être à la proportion des troupes, qu’ont ses ennemis“ (Friedrich der Grosse). Demnächst erst kommen eigene Volkszahl, innere Rechtszustände und finanzielle Gründe in Betracht.

Frankreich unterhält trotz einer um 27 Millionen schwächeren Bevölkerungszahl, zumal nach der Einführung der dreijährigen Dienstzeit, ein zahlenmässig etwa gleich starkes Heer wie unser 67 Millionenvolk, ganz [283] abgesehen von der force noire in Marokko, Algerien usw.[6] Umsomehr hat Deutschland, dessen Boden seit der Völkerschlacht von Leipzig kein feindliches Heer mehr betreten hat und betreten darf, und das die Kultur der weissen Rasse in den Zukunftskämpfen mit zu erhalten hat, die Pflicht, den friedlichen Wettbewerb mit mächtigen Nationen um den Unterhalt seines Volks, wie den Anteil an den grossen Kulturaufgaben und -Gütern der Menschheit sich durch ein starkes Heer und eine wohlgerüstete Flotte zu ermöglichen. Wehr- und Volkskraft fallen zusammen, und ein Reich wie das deutsche, das durch die Armee geschaffen wurde, kann wie alle grossen Dinge – auch nur durch dieselbe Schöpferkraft erhalten bleiben.

Leider gibt es heute viele Momente, die uns vom Begriffe des Volksheeres als einer Erziehungsschule für alle Kreise unserer immer wachsenden Bevölkerung nicht nur entfernen, sondern sogar die Armee schwächen. Nicht nur verhindern volkswirtschaftliche Gründe eine Steigerung der Heeresstärke entsprechend der Volksvermehrung, sondern bei den engen Beziehungen zwischen der politischen und sozialen Entwicklung des Staatslebens zum Heerwesen hat auch der Volks- und Zeitgeist einen grossen Einfluss, und nur, wenn er gesund ist, kann es eine gute Armee geben. Ist die Nation blühend und kernig, zugleich opferfreudig, so wird auch ihr liebstes Kind, das Volksheer, gedeihen. Zumal in Zeiten langen „bewaffneten“ Friedens, wo die Kriegsgewohnheit und Kriegsbegeisterung immer mehr verloren gehen und Kriegsmüdigkeit, Weichlichkeit, Üppigkeit des an Kulturgenüssen überreichen materiellen Lebens, sowie eine Art Feminismus an ihre Stelle treten; dadurch einerseits, dann aber auch durch das Wohnungs- und Fabrikselend den kriegerischen Geist und die körperliche Tüchtigkeit des Volkes herabsetzen und besorgniserregend weite Kreise der Nation erfüllen. Der ungünstige Einfluss des grossstädtischen, besonders des industriellen Lebens – jeder 5. Deutsche ist Grossstädter – wirkt auf die Wehrfähigkeit, so dass z. B. in Berlin, wo die Abnahme am stärksten ist, die Militärtauglichkeit 1908 nur noch 34 v. H. (gegen 59 v. H. der Gesamtheit der Städte über 50 000 Einwohner und 66,7 v. H. im Elsass) der Geborenen betrug. 1912 waren von den endgültig Abgefertigten nur 55,5 v. H. der in der Stadt Geborenen tauglich, sofern sie Land- und Forstwirtschaft trieben, nur 50,75 v. H., wenn sie andere Berufe ausübten. Aber auch die sonst günstigere Bedingungen liefernde Bevölkerung der auf dem Lande Geborenen, selbst der rein landwirtschaftlichen Volksmassen, leidet an Unterernährung, Landflucht, Mangel an Mutter- und Säuglingsschutz und verliert so an Tauglichkeit (heute nur noch 60 v. H. und überhaupt sind tauglich nur 53 v. H. der Abgefertigten). Dazu kommt der Fall der Geburtenziffer aus wirtschaftlichen Gründen, d. h. die absichtliche Beschränkung der Kinderzahl (Neumalthusianismus), nicht etwa die Abnahme der physiologischen Fruchtbarkeit. Von 1906–11 ist sie um 4,6 vom Tausend geringer geworden und auf 29,5 gesunken. Seither ist der Rückgang des Ueberschusses noch grösser geworden, obwohl er noch immer die Zahl der Todesfälle überwiegt und unsere Bevölkerung jährlich noch um 885 000 Köpfe = 1,38 v. H. wächst, so dass das Heer heute noch Menschenmaterial genug hat. Auch das recht zweifelhafte Einjährig-Freiwilligen-Privileg, das hauptsächlich den besitzenden Klassen zugute kommt, ohne doch, wenigstens in der bei uns üblichen Form der Dienstleistung, einen guten Nachwuchs an Reserveoffizieren zu gewährleisten, und das, wie alles sogen. „Berechtigungswesen“, zudem erhebliche pädagogische und soziale Nachteile hat, durchbricht den Charakter des Volksheeres. Die Franzosen haben es längst mit Recht abgeschafft.

Beseitigung vor allem des Wohnungselendes ferner eine gute, staatlich beeinflusste Jugenderziehung in Haus und Schule, die die männliche und weibliche Jugend – auch auf letztere kommt für die Wehrfähigkeit ungemein viel an – sittlich, geistig und körperlich stählt, ihr den Begriff von Pflicht und Autorität, dann Herzensbildung und brüderliche Gesinnung beibringt, dem Kastenhochmut entgegentritt und reinen opferfreudigen und wahrhaft vaterländischen Geist pflegt, der das Ganze, das Volk und den Staat, nicht die Partei und die Klasse vor Augen hat, zugleich durch gesunde Leibesübungen, massvollen Sport und wirkliche Körperkultur der Rassenentartung vorbeugt, sind dringend vonnöten. Namentlich auch der unehelichen Kinder, deren Zahl bedenklich steigt, muss man sich früh annehmen, ihre Verwahrlosung durch amtlich zu berufene freiwillige Vormundschaft verhüten und die hier wie in keinem anderen Staate grosse Sterblichkeit zu verhindern suchen.

Nicht minder wichtig ist eine bessere Fürsorge für die alten Soldaten und deren Hinterbliebene, eine Pietät, an der es uns, besonders bei den Altpensionären und Veteranen, noch sehr fehlt. Wird diese Ehrenpflicht der Nation weiter verabsäumt, so darf man nicht hoffen, dass die waffenfähigen Leute freudig in den Kampf ziehen werden und innere Zufriedenheit im Volke herrscht. Es leidet aber auch der Offizier- und der Unteroffizierersatz, die beide eine Lebensfrage für das Heer sind. Besonders der Offizier, soll er seine geschichtlich gewordene Stellung behaupten, muss sich aus den besten Kreisen der Nation ergänzen und durch gute Bezüge und ausreichende Versorgung, nicht blos durch Pension, sondern später auch in würdigen Zivilstellungen, vor Not geschützt sein. Auch sein militärisches Wirken ist ja in den meisten Fällen, um das Offizierkorps frisch für seine schweren Aufgaben zu erhalten, nur ein Durchgangsberuf. Möglichst früh hat deshalb ein Ausmerzen ungeeigneter Elemente zu geschehen, schon um ihnen auch noch rechtzeitig die Wahl eines passenden Berufs zu ermöglichen. Ferner darf der Offizier nicht zu lange in untergeordneten Stellen, namentlich der aufreibenden des Kompagnie-Chefs weilen und dort seine Kraft vorzeitig verbrauchen, wie andererseits auch nur in der Praxis reich erfahrene Männer in die leitenden Führerstellen gelangen dürfen, so dass nicht aus übertriebener Sorge vor Überalterung fähige Offiziere jüngeren, aber nur mehr oder minder theoretisch, nicht durch die Front praktisch gebildeten Kameraden weichen müssen. Altersgrenzen sind vom Übel, es kann nur individuell verfahren werden. Das [284] bisher stockende Avancement wird durch das neueste Wehrgesetz belebt werden, und hierdurch wie durch bessere Befriedigung des Bildungsdranges werden hoffentlich die grosse Zahl von Lücken im Offizierkorps beseitigt werden. Auch ist zur Verbesserung des Unteroffizierersatzes, der durch die Entwicklung des deutschen Handels und der deutschen Industrie, die tüchtige Männer anzieht, schwierig geworden ist, im neuen Wehrgesetz eine Erhöhung der laufenden Zivilversorgungsentschädigung und der einmaligen Geldabfindung als wirksamer Anreiz für die Kapitulation vorgesehen.

Heute hat im Kriegsfall, der nur bei Bedrohung seiner Lebensfragen und Ehre noch denkbar ist, das ganze Volk bis zur Erschöpfung zu ringen. Bei nicht gealterten Kulturnationen wie dem Deutschen Volke müssen Blute der Kultur und kriegerische Kraft stets zusammengehen. Jede Krankheit der Nation, der grossen Mutter des Heeres, färbt zweifellos auf die Armee ab, eine unter allen Umständen rechtzeitig zu bannende grosse Gefahr.

Ihr vorzubeugen, gehört auch mit zu einer guten Friedensstrategie, d. h. Kriegsvorbereitung, die wieder ein Ausfluss der Politik ist. Sie soll alle für die Landesverteidigung in Betracht kommenden Möglichkeiten und Kriegsfälle berücksichtigen, in durchdachter und vollendeter Weise alles dazu Nötige, auch volkswirtschaftlich, bereitstellen. Hierbei kommen die Vervollkommnung der Finanz- und Volkswirtschaft, der sozialen Fürsorge, der Hygiene, die Fortschritte der Ernährungs- und Verpflegungsweise grosser Massen und die grossartige Entwicklung der gesamten Kriegstechnik, namentlich auch des Verkehrs-, Beobachtungs- und Nachrichtenwesens, und andere Faktoren dem tüchtigen Feldherrn und seinem Generalstab zu Hilfe, um ihre gegen 1870/71 bedeutend schwieriger gewordenen Aufgaben zu lösen. Die heute aufzubietenden fast 6 Millionen Streiter stellen ganz neue Anforderungen an die Führung, schon bei der Mobilmachung und Versammlung der Heere, dann bei der einheitlichen Leitung und Bewegung während der erheblich schwierig und verwickelter gewordenen Operationen und endlich bei der Erhaltung des kriegstüchtigen Zustandes des Volks in Waffen. Fehlt es an systematischer Vorbereitung im Frieden, so kann auch die beste Kriegsstrategie diesen Mangel nicht mehr ausgleichen und den Gegner in der Schlacht vernichten.

3. Rechtsquellen und staatsrechtliche Natur des Heeres.

[Bearbeiten]

Das Kriegswesen war eine der wichtigsten Voraussetzungen und treibenden Kräfte der Errichtung des Reiches, das mit dem Heere steht und fällt. Es unterliegt daher auch naturgemäss der Beaufsichtigung (nicht aber der Verwaltung) des Reiches und seiner Gesetzgebung. Die durch sie geschaffene Reichsverfassung[7] bildet deshalb die Rechtsquelle für die staatsrechtliche Natur des Heeres, besonders die Artikel 4, 8, 41 und dann der Abschnitt XI. „Reichskriegswesen“, (Artikel 57–68).

Artikel 63 trifft im besonderen nähere Bestimmung über die Ausübung der Beaufsichtigung und die staatsrechtliche Natur des Heeres. Danach ist die gesamte Landmacht ein einheitliches Heer. Es steht im Krieg und Frieden unter dem Oberbefehl des Kaisers, der als König von Preussen das Präsidium des zum Schutze des Bundesgebiets und des innerhalb desselben gültigen Rechts, sowie zur Pflege der Wohlfahrt des Deutschen Volks geschlossenen „ewigen Bundes“ ausübt, wie das Deutsche Reich in der durch das Gesetz vom 16. IV. 1871 eingeführten „Verfassungsurkunde“ genannt wird.

Zur Durchführung dieser Aufgaben bedarf das Reich der bewaffneten Macht. Die Natur dieses Bundesheeres ist infolge seiner geschichtlichen Entwickelung staatsrechtlich überaus verwickelt und vielfach umstritten. Indessen dürfte heute die Ansicht überwiegen, dass es sich, obwohl die Reichsverfassung von einem „Deutschen“ und „Reichsheere“ spricht, im Rechtssinn nicht um ein solches, sondern, dem Charakter des Reiches als eines Bundesstaats entsprechend, um ein Kontingentsheer handelt. Nach einer Denkschrift Bismarcks beseitigte die Verfassung [285] die Militärhoheit der Einzelstaaten nicht und belässt ihnen besonders die Verwaltung in Militärangelegenheiten.

Die Preussische Armee und die unter Preussischer Verwaltung in der Mehrzahl (Baden und Braunschweig ausgenommen) schon seit der Begründung des ehemaligen Norddeutschen Bundes stehenden Kontingente (mittlere und kleine Bundesstaaten) sind als ein in sich geschlossener Bestandteil in das Bundesheer übergegangen. Sie wurden mit den drei anderen grossen Staaten der Verfassung: Bayern, Sachsen und Württemberg durch im einzelnen vielfach verschiedene Militärkonventionen militär-technisch zu einem engen Verbande vereinigt, Sachsen sogar schon am 7. II. 1867, die beiden anderen am 23. bezw 21./25. XI. 1870. Elsass-Lothringen steht laut Reichsgesetz vom 9. VI. 1871 in militärtechnischer Beziehung unmittelbar unter dem Kaiser, es gibt also keine reichsländischen Truppen, die dort garnisonierenden Regimenter sind Preussische, Bayerische, Sächsische und Württembergische. Und Helgoland ist dem Preussischen Staat einverleibt worden.

Einzig die ausserhalb des Bundesgebiets stehenden Schutz- und Besatzungstruppen der deutschen Kolonien und Schutz- bezw. Pachtgebiete, ein der ursprünglichen Reichsverfassung fremdes Element, sind dem Kaiser unterstellte Reichsheeresteile bzw. Marinetruppen.[8]

Auf diese Weise ist die frühere Zersplitterung in kleine und kleinste Kontingente – war doch Deutschland einst in 1789 selbständige Teilchen und damit „Kriegsmächte“ zerstückelt –beseitigt, obwohl nach der Reichsverfassung alle Bundesstaaten „eigene Truppen“ besitzen.

Der souveräne Bundesrat bildet aus seiner Mitte einen „Ausschuss für das Landheer und die Festungen“ (7 Mitglieder, darunter 6 vom Kaiser, 1 vom König von Bayern ernannt), der u. a. die für die Preussische Armee giltigen Anordnungen und Verwaltungsvorschriften den Kommandos der übrigen Kontingente zur Nachachtung in geeigneter Weise mitzuteilen hat. Er hat zugleich die Berichterstattung in allen Militär- und Festungsangelegenheiten an den Bundesrat und betätigt durch die Kontrolle des Rechnungshofes die Aufsicht. Der Preussische Kriegsminister ist Vorsitzender und ausführendes Organ.[9]

Obwohl nun diese vier grossen Kontingente, namentlich Bayern mit seinen Reservatrechten, besondere und in sich abgeschlossene, dabei von den Staatsoberhäuptern verwaltete Armeen und Armeekorps mit eigenen Fahnen und Ehrenzeichen sowie manchen kleinen Verschiedenheiten bilden, handelt es sich doch um ein einheitliches Bundesheer, namentlich im Kriegsfalle, das unter dem Befehl des Kaisers steht. (Art. 63.)

Denn auch in Sachsen und Württemberg, deren Könige mit der aus Artikel 63 sich ergebenden Beschränkung ihre Kontingente persönlich verwalten, übt der Kaiser schon im Frieden als Bundesfeldherr einen Teil der Militärhoheit aus, und seit 1893 hat Württemberg auch noch eine innige Personalverbindung in Heeressachen mit Preussen. Ja sogar das Bayerische Heer, das in sich geschlossen ist und unter der vollen Militärhoheit seines Königs – der im Frieden in seiner Person die Befugnisse vereinigt, die im übrigen Reichsgebiet zwischen dem Kaiser und den Kontingentsherren geteilt sind – selbständig verwaltet und ausgebildet wird, wenn auch in voller Übereinstimmung mit den übrigen Bundesheeren, auf das also die Artikel 61–68 der Verfassung nicht Anwendung finden, tritt im Kriege und zwar mit Beginn der auf Veranlassung des Kaisers durch den König befohlenen Mobilmachung unter Kaiserlichen Oberbefehl. Freilich selbst dann unter [286] Einschränkung der sonst geltenden Befugnisse des Bundesfeldherrn (Artikel 5, Ziffer III des Versailler Bundesvertrages vom 23. XI. 70). Daher ist die Verpflichtung zum unbedingten Gehorsam gegen den Kaiser im Kriege für die bayerischen Soldaten in den sonst nur ihrem Könige geschworenen Fahneneid aufgenommen worden. Auch hat der Kaiser schon im Frieden im Einvernehmen mit dem König das Besichtigungsrecht auszuüben, ebenso im Wege besonderer Vereinbarung mit Bayern über die Anlage neuer Festungen zu bestimmen, nachdem bereits Ulm auf beiden Donauufern einen einheitlichen Waffenplatz unter Kommando und Verwaltung der Reichsorgane bildet. Mit der Einrichtung des Reichsmilitärgerichts endlich ist eine neue Einschränkung der Bayerischen Militärfreiheit eingetreten.

Alle Vereinbarungen mit Bayern und Württemberg sind Bestandteile der Reichsverfassung (Abschnitt XI), und ihre Abänderung oder Aufhebung ist nur mit Zustimmung aller Beteiligten möglich (Artikel 78). Nur bei den übrigen Militärkonventionen ist die rechtliche Bedeutung zweifelhaft. Besonders die der Württembergischen ähnliche Konvention mit Sachsen vom 7. II. 67 hat keine besondere Anerkennung durch die Reichsverfassung erhalten, und die übrigen Konventionen sind lediglich Staatsverträge, durch die die Ausübung der ihnen im Rahmen der Reichsverfassung und ferneren Reichsgesetzgebung verbleibenden Militärhoheit auf den Preussischen Kontingentsherrn mehr oder minder übertragen wird. Hierfür haben sie eine Zusicherung der Selbstbeschränkung des Kaisers in Ausübung seiner verfassungsmässigen Befugnisse, besonders hinsichtlich des Besatzungs-(Dislokations-)rechts erhalten.

Aber ausschlaggebend ist, dass die Einheitlichkeit des Reichsrechts und der Militärgesetzgebung, die Gleichheitlichkeit aller militärischen Einrichtungen, besonders die übereinstimmende Organisation, Gliederung, Kommando, Ausrüstung und Bewaffnung sowie Ausbildung der einzelnen Armeen, die gleichartigen Gebührnisse und Pensionen, weiter die Gemeinschaftlichkeit der Feststellung der für den Schutz des Reiches wie die Belastung des Volks so wichtigen Friedenspräsenzstärke und der Militäretats, der Kosten und Lasten für alle Bundesstaaten – wenn auch wieder Bayern innerhalb der in einer Summe im Reichsetat ausgeworfenen Quote seine Spezialetats selbst aufstellt und ihre Verausgabung der Genehmigung des Bayerischen Kontingentsherrn unterliegt –, ferner der tiefgehende Einfluss des Reichs auf die Handhabung der Militärverwaltung und endlich die ziemlich weitgehenden Befugnisse des Kaiserlichen Bundesfeldherrn, der im Frieden die militärische Befehlsgewalt mit den Kontingentsherren teilt, auch das Ernennungsrecht der Höchstkommandierenden jedes Kontingents sowie der Festungskommandanten und das Besichtigungsrecht hat, im Kriege aber den gesamten Oberbefehl, den besten Beweis und die Gewähr für die Einheitlichkeit des Deutschen Heerwesens trotz seiner Eigenschaft als Kontingentsheer liefern. Ein vorzugsweise die Land- und Seegrenzen sicherndes, im übrigen verschiedenen strategischen Zwecken dienendes System fester Plätze ist, mit Ausnahme der bayerischen Festungen, Eigentum des Reichs und steht unter der Aufsicht des Kaisers.[10]

Das Eisenbahnwesen, ebenso die Herstellung von Land- und Wasserstrassen im Interesse der Landesverteidigung, unterstehen nach Art. 4 der Verfassung der Beaufsichtigung des Reichs und seiner Gesetzgebung (in Bayern – abgesehen von den Rücksichten der Landesverteidigung – jedoch vorbehaltlich des Art. 46). Das in der Mehrheit der Linien verstaatlichte, vielfach mehrgleisige Eisenbahnnetz (etwa 62 000 km mit einem Anlagekapital von 18 Milliarden Mark oder 292 753 M. für den km bei den vollspurigen Bahnen) ist einheitlich und einer der wichtigsten Faktoren der Deutschen Wehrkraft, indem ohne, seine von der Obersten Heeresleitung beanspruchte Hilfe eine Kriegführung mit Massenheeren undenkbar ist. Elsass-Lothringen hat vom Reichseisenbahnamt beaufsichtigte Reichseisenbahnen. Ferner sind das übrige Land- und das Wasserverkehrssystem sowie der Post- und Telegraphenverkehr (letzterer vorbehaltlich der Bestimmungen des Art. 52 für Bayern und Württemberg) vom Reiche beanspruchte wichtige Kriegsmittel. Alle deutschen Truppen tragen seit der A. K. O. v. 22. VIII. 97 neben der Landes- die Kokarde des Deutschen Reichs als gemeinsames Abzeichen. Sie werden, ausser der Bayerischen, sowie der Preussischen Garde, innerhalb der Waffen fortlaufend nummeriert. Deutsch ist auch die Sprache des Heeres, das nur 3 v. H. fremdsprachige Rekruten enthält. [287] Dagegen gibt es keine Kaiserlichen Offiziere im Bundesheere (nur bei den Schutztruppen) und kein Reichskriegsministerium. Der Reichskanzler ist für die Durchführung des Militäretats aber verantwortlich.

4. Wehrsystem, Organisation und Gliederung des Heeres.

[Bearbeiten]

Die aufs innigste mit der Staatsverfassung zusammenhängende Deutsche Wehrverfassung beruht auf dem in den einfachsten Formen schon bei den alten Germanen üblichen, zuerst durch das Gesetz betreffend die Verpflichtung zum Kriegsdienst vom 3. IX. 1814 in Preussen[11] dank vor allem Scharnhorst und Boyen wieder aufgenommenen, 1867 in wenig veränderter Form auf den Norddeutschen Bund ausgedehnten und für ganz Europa vorbildlich ausgebildeten System der allgemeinen Wehrpflicht (Artikel 59 der Reichsverfassung), das auf ethische Mächte gegründet ist. Leider ist diese bewährteste Unterlage für Deutschlands Stärke jahrelang nicht voll durchgeführt worden, nicht wir, die Franzosen waren ein Volk in Waffen geworden, obwohl unsere männliche Bevölkerung bis zum 45. Jahre fast doppelt so stark als die unseres westlichen Nachbars an Zahl ist. Deshalb ist der leitende Gedanke des neu bewilligten Heeresgesetzes vom 3. VII. 13 der Ausbau der allgemeinen Wehrpflicht nach dem Stande der Bevölkerung (1910: 64 925 993, heute etwa 67 Millionen). Es sollen künftig rund 63 000 Rekruten jährlich mehr eingezogen werden. Dadurch bleibt die Armee jung, und wir sind nicht genötigt, im Kriegsfalle ältere Jahrgänge, Männer mit Frau und Kind, sofort und in vorderster Linie an den Feind zu führen, während junge, diensttaugliche Mannschaft zurückbleibt und beim Eintritt der Gefahr erst ausgebildet wird. So war es bisher, wo aus finanziellen Gründen nur 70 v. H. der Tauglichen eingestellt wurden, nämlich rund 280 000 Rekruten jährlich, wodurch wir, abgesehen vom politisch Bedenklichen und auch Ungerechten immer mehr vom Begriff eines alle Kreise unseres immer wachsenden Volks umfassenden Volksheers uns entfernten. Während in Frankreich die allgemeine Wehrpflicht in grossem Stile ausgebaut worden war und bis an die äussersten Grenzen heute durchgeführt ist, von der Deutschland, trotz des neuen Heergesetzes, noch weit entfernt ist.

Die allgemeine Wehrpflicht ist für jeden wehrfähigen Deutschen im Frieden in der Dauer vom vollendeten 17. bis zum vollendeten 45. Lebensjahr festgelegt und besteht aus der Dienst- (aktive oder bei der Fahne, Reserve- und Landwehr-), Ersatzreserve- und Landsturmpflicht. Im Kriegsfall gelten die Bestimmungen über die Dauer der Dienstpflicht nicht. Aber auch im Frieden gibt es für besondere Kategorien sowohl eine abgekürzte aktive, wie eine besondere (verlängerte) Dienstverpflichtung, und in gewissen Fällen ist eine Entlassung vor beendeter Dienstpflicht zulässig.

Die aktive Dienstpflicht beträgt seit 1893 für die Mannschaften der Kavallerie und reitenden Feldartillerie 3 Jahre, für alle übrigen Mannschaften 2 Jahre. Leute, die nach Gesundheit, Grösse und Kraft allen Anforderungen des Kriegsdienstes gewachsen sind, dienen dabei mit der Waffe, die übrigen ohne Waffe (als Krankenwärter, Oekonomiehandwerker, bei den Ersatzreserven), für welchen Dienst keine Körpergrösse vorgeschrieben ist. Auch Kleriker, die die höheren Weihen erhalten haben, dienen fortan ohne Waffe.

Für die Schutzgebiete ist das Wehrgesetz vom 22. VII. 13 massgebend. Alle Wehrpflichtigen werden in den alphabetischen und Restantenlisten geführt, wobei sich z. B. 1912 im ganzen 1 271 384 Mann ergaben. Davon wurden als unwürdig (Zuchthäusler) ausgeschlossen 826, als (dauernd) untauglich (wegen körperlicher oder geistiger Gebrechen) ausgemustert 135 500. Dem Landsturm I. Aufgebots wurden zugewiesen 548 Taugliche (Überzählige nach dem 3. Konkurrenzjahr), 141 759 minder (bedingt) [288] Taugliche, der Ersatzreserve 7009 Taugliche und 2456 künftig Taugliche.[12] Ausgehoben für das Heer wurden 207 741 für den Dienst mit,[13] 2712 für ihn ohne Waffe, zusammen 210 453[14]. Freiwillig traten ins Heer als Einjährige 13 582, als Volksschullehrer 1141, sonstige (2, 3 und 4-Jährige) 48 591, zusammen 63 314.[15] Im ganzen also gelangten an Tauglichen im Heer zur Einstellung: 273 767. Von je Hundert der endgültig Abgefertigten (565 520) waren tauglich im Reich 53,4, künftig tauglich 15,1, minder tauglich 25,9, untauglich 6,0, unwürdig 0,1 (1911). Die meisten Tauglichen hat das XV. Korps (Elsass) mit 66,9, die wenigsten das III. (Brandenburg, wo sich der Einfluss Berlins geltend macht) 42,3 v. H. Auf das Armeekorps entfallen etwa 12–13 000 Ausgehobene, doch schwanken die Zahlen zwischen 1500 und 26 000 Köpfen. Bei den Gemeinden über 100 000 Einwohnern bleibt die Zahl der Eingestellten um 35 v. H. hinter der erwartungsmässigen zurück, während sie auf dem Lande um 6,39 bis 8,9 v. H. überschritten wird. Die 1/5 der Bevölkerung liefernden 48 Grossstädte stellen nur 1/17 zum Heere, und diesen Ausfall tragen die Orte unter 5000 Einwohner, d. h. die Bauern. Hervorzuheben ist, dass mehr als 1 Million Turner 1910 allein 35 222 Taugliche zum Waffendienst stellten.[16]

Ohne jede Schulbildung, d. h. solche, die in keiner Sprache lesen oder ihren Vor- und Zunamen nicht leserlich schreiben konnten, gab es 1912 von den in Deutschland Geborenen nur 34 = 0,01 v. H., von den im Auslande Gebürtigen 2,22 v. H.

An Remonten wurden 1912 im ganzen Reich 15 103 Pferde angekauft, dabei von 23 605 in Preussen vorgestellten 11 244, d. h. 48 v. H., in Sachsen von 1735 gar 1328, d. h. 76 v. H.

Den organisatorischen Rahmen des Heeres geben die Gesetze vom 9. XI. 67 (Wehrgesetz), 9. XII. 71, 2. V. 74, 15. II. 75 (Kontrollgesetz), 6. V. 80, 31. III. 85, 11. VIII. 87, 15. VII. 90, 3. VIII. 93, 28. VI. 96, 25. III. 99, 22. II. 04, 15. IV. 05, 27. III. 11, 14. VI. 12. und das neueste und finanziell folgenschwerste v. 3. VII. 13. Sie bestimmen (in Verbindung mit Artikel 60 der Verf.) die Friedenspräsenzstärke und die Friedensformationen für eine Reihe von Jahren, ursprünglich 7, seit 1899 aber 5. Es wird also jetzt für jedes Jahrfünft (Quinquennat) ein Organisations- und Vermehrungsplan dem Reichstag vorgelegt und von ihm grundsätzlich bewilligt. Der Friedensstand selbst aber wird jährlich durch den Etat festgelegt. In ihm sind seit 1874 die Einjährig-Freiwilligen und seit 1893 auch die Unteroffiziere nicht miteinbezogen.

Die Friedensstärke wird nicht mehr als Maximalstärke, sondern als Jahresdurchschnittsstärke vorgesehen, so dass die wirkliche (Effektiv-) Stärke zeitweilig über die festgelegte Präsenz hinausgehen kann. Dadurch kann die Militärverwaltung den im Laufe des Jahres nötig werdenden Mehrersatz (G v. H.) im Interesse der Ausbildung gleichzeitig mit den Rekruten einziehen und im Kriegsfälle zeitweise unbemerkt Verstärkungen.

Die Friedenspräsenzstärke war ursprünglich, nach Art. 60 der Verf., bis zum 31. XII. 1871 auf 1 v. H. der Bevölkerung von 1867 festgesetzt, wobei eine gleichmässige Verteilung der Gestellung pro rata der Einwohner auf die einzelnen Bundesstaaten bestimmt wurde. Sie betrug 1871 (damals einschl. Unteroffiziere) 405 099 Köpfe. Seitdem ist sie mit der stetig wachsenden Bevölkerung auch ständig gestiegen, und im neuesten Wehrgesetz von 1913 ist die Kopfzahl auf 661 176 Gemeine, Gefreite und Obergefreite, d. h. wieder auf 1,018 v. H. der Bevölkerung von 1910 erhöht worden (also um 116 965 gegen 544 211 = 0,838 v. H. des Gesetzes v. 14. VI. 12 oder um 255 000 Mann, 100 000 Unteroffiziere = rund 355 000 Köpfe gegen 1871, während sich die Bevölkerung seitdem um etwa 55 v. H. vermehrt hat). In dieser Höhe bleibt die Stärke bis zum 31. III. 16. Das Verhältnis des Anteils der vier Kontingente ist im wesentlichen unverändert gelassen worden. Die Zahl der Offiziere und Unteroffiziere unterliegt besonderer Festsetzung, sie werden durch das neue Gesetz um rd. 4000 Offiziere (die besonders die älteren Dienstgrade, Stabsoffiziere und Hauptleute, der Reserveformationen im Mobilmachungsfalle besetzen werden) und 15 000 Unteroffiziere vermehrt. Hierzu tritt eine Steigerung des Beamtenpersonals für Verwaltung, Rechtspflege und Seelsorge, sowie eine Erhöhung des Bestandes der Dienstpferde um 27 000. Die Einjährig-Freiwilligen – etwa 15 000 – kommen auf die Friedensstärke nicht in Anrechnung, ebenso geht von ihr die Zahl der Ökonomie-Handwerker ab, für die Ersatz durch Zivilhandwerker geschaffen wird.

[289] Es handelt sich also um eine beträchtliche Gesamtvermehrung des aktiven Dienststandes in der Stärke einer Kopfzahl von etwa 4 Armeekorps, was gleichzeitig eine Verjüngung der Reserveformationen bedeutet und die Mobilmachung erleichtert. Man darf künftig (1915) mit einer Friedensetatsstärke von etwa 31 500 Offizieren, 2500 Sanitätsoffizieren, 6000 höheren und niederen Beamten und Veterinären, 107 000 Unteroffizieren und (einschl. der Freiwilligen) 675 000 Mannschaften, zusammen mit einer Kopfstärke der Armee im Frieden von ungefähr 820 000 Köpfen – 1,22 v. H. der Bevölkerung und 157 000 Dienstpferden rechnen.[17]

Die vermehrte Rekruteneinstellung soll vor allem dazu dienen, den Friedensstand der vorhandenen Truppenteile zu erhöhen (besonders erhalten die Grenztruppen hohe Etats) unter wesentlicher Vereinfachung der Etats. Durch die so verbesserte, der kriegerischen Verwendung mehr entsprechende Zusammensetzung der Truppenteile erfährt das Heer einen Zuwachs an schneller bereiter Kampfkraft, wird ihm, da die Kaders des mobilzumachenden Feldheeres nun in grosser Stärke schon im Frieden vorhanden sind, der Übergang in den Kriegszustand erleichtert, werden die im Mobilmachungsfall einzureihenden Jahrgänge des Beurlaubtenstandes verjüngt und verstärkt. Im wesentlichen tragen also die jungen, tatkräftigen und sorgloseren Linientruppen die Lasten des Kampfes, sie fesseln meist noch nicht Familie und festgegründete Wirtschaft. Im übrigen werden nur einzelne Neuformationen (darunter auch eine Reihe höherer Kommandobehörden), aber keine neuen grossen Truppenverbände aufgestellt. So bei den Jägern Radfahrerkompagnien, dann die Inspektion des Maschinengewehrwesens, 15 Festungsmaschinengewehr- und 15 Festungsfernsprechabteilungen, die Fabrikabteilung des Kriegsministeriums. Auch wird die reitende Artillerie zweckmässiger gegliedert unter Beibehalt der Gesamtgeschützzahl. (Kleine Batterien zu je 4 Geschützen, aber mit derselben Zahl von Munitionswagen). Ferner wird die Trennung von Feld- und Festungspionieren weiter durchgeführt und Festungs-Regimenter zu 2 Bat. gebildet. Zur Erhöhung der Schlagfertigkeit, Zuverlässigkeit der Mobilmachung und des inneren Werts des Heeres, besonders der Reserveformationen, werden das Offizier- und Unteroffizierkorps wesentlich verstärkt und dadurch die bisher ungünstigen Altersverhältnisse besonders der Offiziere verbessert. Auch die Sanitätseinrichtungen, die Übungs- und Schiessplätze werden erweitert (46 Mill. M.), ebenso der Rahmen der grossen Truppenübungen, sowie die Vermehrung der Übungen des Beurlaubtenstandes geplant, die Beschaffung von Kriegsmaterial aller Art wird beschleunigt. Auch ist ein rascherer und vermehrter Ausbau der Festungen vorgesehen (210 Millionen), besonders an der Ostgrenze (Graudenz vor allem), neue Mittel werden für die Luftflotte gefordert (79 Mill.) und eine bessere Verpflegung der Mannschaften – der Magen ist das „Fundament der Armeen“ – durch Bereitstellung von besonderen Mitteln angestrebt.

Die Durchführung sämtlicher Massnahmen ist bei den drei Hauptwaffen in anbetracht ihrer Dringlichkeit, soweit möglich, für den Oktober 1913 geplant. Nur bei den Spezialwaffen zwingen Rücksichten organisatorischer Art zu einer Verteilung der Durchführung auf einige Jahre. Dagegen werden die in den Gesetzen vom 27 III. 11/14. VI. 12 angeordneten organisatorischen Massnahmen schon im Herbst 1913 (statt 1914 und 1915) durchgeführt.

Hiernach gibt es also heute (abgesehen von den Schutz- und Besatzungstruppen der Kolonien) mit dem Preussischen Gardekorps 25 deutsche Armeekorps[18] (gewöhnlich zu je 2 Infanterie-Divisionen, die aus Infanterie, Kavallerie und Feldartillerie zusammengesetzt sind) und den dem Generalkommando unmittelbar unterstellten Truppen (Fussartillerie, Pioniere, Train usw.). Nur das Gardekorps hat noch 1 besondere Kavallerie-Division, das I. und XIV. A.-K. je 3 Infanterie-Divisionen.

Diese unter 8 Armee-Inspektionen stehenden Korps werden sich bis 1915 endgültig gliedern in 50 Divisionen, 1 Kavallerie-Division [106 Infanterie-Brigaden in 217 Regimentern und 55 Kavallerie-Brigaden mit 110 Regimentern, 18 Jägerbataillone mit 18 Radfahrkompagnien, [290] 2 Schiessschulen, 50 Feldartillerie-Brigaden (100 Regimenter und 1 Schiessschule), 27 Fussartillerie-Regimenter und 1 F. A.-Bataillon (mit 1 Schiessschule, 37 Bespannungsabteilungen, Versuchsbatterie der Art.-Prüfungskommission, Artillerieoffiziere vom Platz, Vorstände von Artillerie-Depots), 44 Pionier-Bataillone (mit 35 Scheinwerferabteilungen, 1 Pionier-Versuchskompagnie), 31 Bataillone Verkehrstruppen, 26 Trainbataillone, 235 Maschinengewehrkompagnien.]

Hierzu kommen die besonderen Formationen (Schlossgardekompagnie, reitendes Feldjägerkorps, Intendanturen, Bekleidungsämter, Militär-, Erziehungs- und Bildungsanstalten, Aufsichtspersonal der Festungsgefängnisse usw).

Endlich die nichtregimentierten Offiziere usw. (4 Kriegsministerien, höhere Truppenbefehlshaber, Gouverneure, Kommandanten und Platzmajore, Adjutanturoffiziere und Offiziere in besonderen Stellungen, höhere Adjutanten, 4 Generalstäbe, sowie das Vermessungswesen, Ingenieuroffiziere, Pferdemusterungskommissare usw.). Dann das Reichsmilitärgericht und 317 Bezirkskommandos.

Die Zahl der Formationen wird 1915, nach Waffengattungen geordnet, betragen:

An Infanterie: 669 (statt 651), davon 18 Jäger-Bataillone (+ 18), 235 Maschinengewehr-, 18 Radfahrerkompagnien (+ 19 bzw. + 18), erstere zu je 6 Gewehren = 1410 Gewehre, 317 Bezirkskommandos.

Bei der Kavallerie: 550 (516) Eskadrons, dazu 2 Offizier-Reitschulen, 3 Militärreitinstitute (+ 34), 27 Maschinengewehrabteilungen zu je 6 Gewehren = 162 Gewehre.

An Feldartillerie: 633 Batterien (davon 600 fahrende, nämlich 525 Kanonen-, 75 Haubitzbatterien zu je 6 Geschützen, 33 reitende Batterien zu je 4 Geschützen für die 11 reitenden Abteilungen zu 3 Batterien bei 11 Regimentern der im Kriege zu bildenden 11 Kavallerie-Divisionen) mit im ganzen 3732 Geschützen.

Fussartillerie: 55 (48) Bataillone mit 37 Bespannungsabteilungen und etwa 1400 Geschützen (+ 7); Pionieren: 44 (33) Bataillone und 1 Versuchskompagnie mit 35 Scheinwerferabteilungen (+ 11); Verkehrstruppen: 31 (18) Bataillone (und zwar 4 Eisenbahnregimenter mit 8 Bat., 1 selbständiges bayerisches Eisenbahn-Bat., 8 Telegraphenbat., 5 Luftschiffer-Bat., 1 bayerisches Luft- und Kraftfahr-Bat., 5 Flieger-Bat., 1 Kraftfahrbat., 15 Fernsprech-Komp.) (+13); Train: 26 (25) Bataillone (+ 1 und 20 Kompagnien), leider ohne Schule und an Zahl zu schwach, besonders für die Reservetruppen. Hierzu kommen die Lehrtruppen der verschiedenen Waffen (LehrInf.-Bat. mit 1 Maschinengewehr-Kompagnie, je 1 Lehrregiment der Feld- und Fussartillerie), ferner 15 Festungs-Maschinengewehr-Kompagnien, Festungsfernsprechabteilungen, die verschiedenen Militärbildungsanstalten (2 neue Kriegsschulen, Vergrösserung des Kadettenkorps), Schiessplätze (2), Truppenübungsplätze (27). Die Infanterie-Bataillone haben, ebenso wie die fahrenden und Fuss-Batterien hohen oder niedrigen Etat, die Jäger und die Kavallerie sowie die reitenden Batterien Einheitsetat.

Die Organisation der Landwehr ist nur in ihren Grundsätzen gesetzlich geregelt, die des nur im Notfall im eigenen Lande aufzubietenden Landsturmes bestimmt der Kaiser.

Die Etatsstärke der Armee am 1. Oktober 1913 beträgt: 790 778 Köpfe und 157 816 Dienstpferde. Davon sind 30 253 Offiziere, 2483 Sanitätsoffiziere, 865 Veterinäre, 104 377 Unteroffiziere, 647 811 Gemeine. Die Infanterie ist 515 216 Köpfe, 6512 Pferde, die Kavallerie 85 593 Köpfe, 80 248 Pferde, die Feldartillerie 126 042 Mann, 60 736 Pferde, die Pioniere 24 010 Köpfe, 650 Pferde, die Verkehrstruppen 18 949 Köpfe, 2469 Pferde, der Train 11 592 Mann, 7561 Pferde stark. Oktober 1914 sollen 763 578 Unteroffiziere und Mannschaften etatsmässig sein.

Das Deutsche Bundesheer gliedert sich in:

I. Die Königlich Preussische Armee[19] unter dem König von Preussen als Chef mit den unter ihrer Verwaltung stehenden Kontingenten (von denen Baden ein A.-K., Hessen [291] eine Division, beide Mecklenburg, Braunschweig, Anhalt und die Thüringischen Staaten besondere Regimenter und Bataillone sowie Batterien bilden, die nach den Bundesstaaten, aus denen sie stammen, benannt werden und die Abzeichen (Kokarden und Wappen) ihres Landes tragen, sowie den Heeresteilen im Reichsland (Elsass und Lothringen). Die Truppen von Schwarzburg-Sondershausen, Waldeck, den beiden Lippe und den drei Hansestädten sind ohne besondere Formationen in an bestimmten Orten ihres Gebiets stehende Preussische Regimenter eingestellt, tragen aber ihre Landeskokarde.

Diese Armee hat 19 Königlich Preussische Armeekorps (Garde-, die keinen besonderen Armeekorps-Ergänzungsbezirk hat, sondern aus dem ganzen Staatsgebiet sich rekrutiert, I.–XI., XIV.–XVIII., XX. und XXI[20] und ist mit 513 068 Köpfen (ausser den Einjährig-Freiwilligen) oder 1,010086 v. H. der Deutschen Bevölkerung an der Friedenspräsenzstärke beteiligt. (Bisher 420 938 Mann = 0,828710 v. H.) Sie wird durch die 1913 und 1914 eintretenden Neuformationen und Etatsverstärkungen bereits um 75 275 Gemeine und 20 644 Dienstpferde vermehrt.

II. Die Königlich Bayerische Armee mit 3 Armeekorps (I., II. und III. K. B. A.-K.) soll 73 168 Köpfe = 1,062363 v. H. des Deutschen Volks Friedenspräsenz künftig haben (statt 60 351 = 0,876266 v. H.). Sie wird 1913 und 1914 bereits um 9818 Mann und 1793 Pferde verstärkt. Chef ist der König.

III. Die Königlich Sächsische Armee mit 2 Armeekorps (XII. oder 1. und XIX. oder 2. K. S. A.-K.) unter dem König als Chef ist mit 49 472 Köpfen = 1,029238 v. H. an der Friedensstärke beteiligt (bisher 41 625 = 0,865986 v. H.). Ihre Vermehrung beträgt bereits 1913 und 1914: 7483 Mann und 1865 Pferde.

IV. Das XIII. (Königlich Württembergische) Armeekorps mit dem König als Chef wird 25 468 Köpfe = 1,044809 v. H. zur Friedenspräsenz beitragen (statt bisher 21 296 = 0,873656 v. H.) und schon 1913 und 1914 um 3198 Mann und 440 Pferde verstärkt werden.[21]

Aus je 3–5 Armeekorps sind 8 Armee-Inspektionen unter den im Kriege wahrscheinlichen Armeeführern gebildet worden. Für die Marken besteht ein Oberkommando.

Ausserdem gibt es für verschiedene Waffen besondere selbständige Generalinspektionen, so der Kavallerie, Fussartillerie, des Ingenieur- und Pionierkorps, des Militärverkehrswesens, des Militär-Erziehungs- und Bildungswesens, und Inspektionen wie die der Feldartillerie, der Jäger und Schützen, des Bayerischen Ingenieurkorps und der Bayerischen Militärbildungsanstalten, sowie des Maschinengewehrwesens und des Trains. Die Festungen stehen unter Gouverneuren und Kommandanten, letztere gibt es auch in einigen offenen Orten. Der Generalstab der Armee, dem auch das Landesvermessungswesen obliegt, bildet kein geschlossenes Offizierkorps, sondern steht in ständigem Austausch mit der Truppe. Ihm untersteht auch die Kriegsakademie. Die Feldzeugmeisterei hat die technischen Institute der Infanterie und Artillerie unter sich, ebenso die Artilleriedepot- und Traindirektionen.

5. Ergänzung des Heeres.

[Bearbeiten]

a) Mannschaften und Unteroffiziere.

[Bearbeiten]

Das Reichsgebiet (540 827 qkm ohne die Küstengewässer und den deutschen Anteil vom Bodensee) ist militärisch für den Heeresersatz und die Angelegenheiten des Beurlaubtenstandes in 24 Armeekorpsbezirke unter den kommandierenden Generalen als Militärbefehlshabern (unbeschadet der Souveränitätsrechte der einzelnen Bundesstaaten) eingeteilt. Diese Bezirke gliedern sich wieder in Divisionen und diesen unterstellte Brigaden, bzw. diesen gleichgeordnete Landwehr-Inspektionen (Oberersatzbezirke), [292] die aus (317) Landwehrbezirkskommandos als Ersatzbezirken bestehen. Letztere haben die Listenführung für Aushebung und Ersatz sowie Mobilmachung und die Kontrolle des Beurlaubtenstandes, sowie die Angelegenheiten der inaktiven Offiziere. Sie werden in die verschiedenen Kontrollbezirke (Kompagnie- Bezirke, Hauptmelde- und Meldeämter sowie Aushebungsbezirke) geteilt. Das Grossherzogtum Hessen bildet einen Bezirk zu 2 Brigaden für sich. Um die Truppe zu entlasten und für den Kriegsfall einen Vorrat geeigneter Führer zu schaffen, besteht das Bestreben, die die Dienstobliegenheiten der Brigaden erfüllenden Landwehrinspektionen (heute) zu vermehren (im neuen Gesetz um 14).[22]

Das Ersatzgeschäft setzt sich im Frieden aus der Vorbereitung, Musterung und Aushebung zusammen, wobei der Sanitätsoffizier eine wichtige Rolle spielt. Das jährliche Rekrutenkontingent, etwa 0,[WS 1] v. H. der Bevölkerung, bestimmt der Kaiser. Die Ergänzung geschieht territorial, abgesehen von den Gardemannschaften und Polen. Das Reichsland (XV., XVI. und XXI. A.-K.) bezieht erst seit dem 1. V. 04 seinen Ersatz aus Elsass-Lothringen. Bürgerliche Verhältnisse werden tunlichst berücksichtigt. Nachersatz wird den Truppenteilen nur gestellt, wenn die überetatsmässige Rekrutenquote vor dem 1. Februar aufgebraucht ist, abgesehen von aus dem Auslande zurückkehrenden tauglichen Pflichtigen, deren Einstellung jeder Zeit erfolgen darf. Im Preuss. Kriegsministerium wird 1914 eine (9.) Abteilung für Ersatzwesen gebildet.

Während der 7jährigen Dienstpflicht im stehenden Heer (Fahne und Reserve) dienen die Mannschaften der Kavallerie, reitenden Artillerie (und als Kraftwagenführer kommandierte sowie als Trainsoldaten ausgehobene Arbeitssoldaten) die ersten 3, alle übrigen Mannschaften die ersten 2 Jahre ununterbrochen bei der Fahne (aktive Dienstpflicht), den Rest bei der Reserve. Die daran schliessende Landwehrpflicht dauert beim I. Aufgebot 5 Jahre, beim II. bis 31. III. des Kalenderjahres, in dem das 39. Lebensjahr vollendet wird. Reserve und Landwehr bilden den Beurlaubtenstand, in den jeder Soldat seiner Waffe entlassen wird und wo er, bei der Landwehr nur im I. Aufgebot, zu Übungen verpflichtet ist. Wegen hoher Losnummer (Überzählige) oder geringer körperlicher Fehler (zeitlich Untaugliche) usw. nicht im stehenden Heere Eingestellte leisten vom 20. Lebensjahr ab eine 12 jährige Ersatzreservepflicht (3 Übungen ohne Waffe zu 10, 6 und 4 Wochen), nach deren Ablauf sie in die Landwehr II. Aufgebots auf 6 Jahre übertreten, die übrigen – nicht geübte – Ersatzreservisten gehen gleich in den Landsturm I. Aufgebots über. Die Ersatzreserve hat bei Mobilmachungen das Heer zu ergänzen und Ersatztruppenteile zu bilden. Augenblicklich wird sie nicht zu Übungen eingezogen, obwohl sich das schon aus Gerechtigkeitsgründen empfähle. Aber dieser Notbehelf liefert dann auch wenigstens vorgebildete Rekruten für den Kriegsfall. Es sind jährlich immerhin an 90 000 Mann. Aus der Landwehr II. Aufgebots erfolgt für alle Dienstpflichtigen von selbst der Übertritt in den Landsturm II. Aufgebots. Zum Landsturm I. Aufgebots gehören alle Pflichtigen des Landsturms bis zum 31. III. des Kalenderjahres, in dem sie ihr 39. Lebensjahr vollenden, darauf bilden sie das II. Aufgebot. Der Landsturm (I. und II. A.) besteht demnach aus allen Wehrpflichtigen vom vollendeten 17. bis zum vollendeten 45. Lebensjahre (28 Jahre), die weder dem Heer noch der Marine angehören. Er wird durch Kaiserliche Verordnung oder bei unmittelbarer Kriegsgefahr durch die Kommandierenden Generale, Gouverneure und Kommandanten von Festungen aufgerufen.

Jeder Militärpflichtige muss sich bei der Musterung freiwillig zur Aushebung (für 2, 3 oder 4 jährigen Dienst) melden. Die mit Meldeschein versehenen Freiwilligen können sich den Truppenteil wählen. An Freiwillige (abgesehen von Unteroffizierschulen) dürfen die zulässig geringsten körperlichen Anforderungen gestellt werden. Im übrigen sind für die verschiedenen Waffengattungen für den Dienst mit der Waffe kleinste und zuweilen auch grösste Körpermasse angeschrieben. Von den Garderekruten (ausgenommen leichte Kavallerie und Fussartillerie einschl. Bespannungsabteilungen sowie Telegraphentruppen) muss wenigstens die Hälfte 1,75 m und darüber gross sein, auch werden nur die körperlich und geistig Begabtesten von untadelhafter Führung angenommen. Für den Dienst ohne Waffe ist keine Grösse vorgeschrieben. Ausländer bedürfen zum Eintritt in das Heer der Genehmigung des Kontingentsherrn.

Die Ersatzverteilung der (bisher etwa 275 000) Einzustellenden bestimmt die Wehrordnung. Die künftige Mannschaftsstärke (einschl. Einjährige) wird etwa 675 000 Köpfe betragen. Die Löhnung ist seit dem 1. X. 12 auf jährlich 126 (Berittene) bzw. 108 M. erhöht worden. Das neue Wehrgesetz sieht eine bessere Verpflegung und freie Urlaubsreisen in die Heimat vor. Für Kranke und Erholungsbedürftige gibt es Genesungsheime und Militärkurhäuser (neben den Garnisonlazaretten).

Die Unteroffiziere – 1912 waren 90 416 etatsmässig, künftig etwa 107 000 – ergänzen sich aus den Unteroffizierschülern (jährlich etwa 1800 aus den 9 Schulen)[23] oder meist aus der Truppe durch Kapitulation auf 1 oder 2 Jahre (1912 waren dies 8930) von feld- und garnisondienstfähigen Mannschaften, durch die ein wesentlicher Nutzen für den Dienst zu erwarten ist, und die nicht 12 Jahre oder länger gedient haben (ohne Doppelrechnung der Kriegsjahre). Der Unteroffizierersatz wird in erster Linie durch Sicherstellung seiner Zukunft nach dem Ausscheiden, Besserstellung der Unteroffiziere und Kapitulanten hinsichtlich der Verpflegung und Gewährung von einzelnen besonderen Zuschüssen gewonnen. Auch sonst wird eine gehobene Stellung des Unteroffizierkorps angestrebt, dessen staatsrechtliche Grundlage das Beamtenrecht bildet. Einzelne Kategorien erhalten Gehalt, die Mehrheit der Unteroffiziere Löhnung nach der Fr. Bes. V. v. 26. X. 11.

Die Sanitätsunteroffiziere gehören zum Sanitätskorps, im übrigen gelten für sie dieselben Grundsätze.

[293]

b) Offizierersatz (einschl. Beamte).

[Bearbeiten]

Die Offiziere des Friedensstandes (4 Hauptklassen), deren Zahl jedes Jahr durch den Etat festgesetzt wird (1912 waren es 27 267, künftig werden es etwa 31 500 sein) gehen aus den bei einem Truppenteil mit Aussicht auf Beförderung zum Offizier von den für die Ergänzung verantwortlichen Regiments- oder selbständigen Bataillonskommandeuren angenommenen Fahnenjunkern aus Kadetten und endlich aus Offizieren des Beurlaubtenstandes hervor. Ausländer bedürfen besonderer A. Genehmigung. 1912 wurden 1608 Offiziere (einschl. der in aktiven Stellen verwendeten Offiziere z. D.) angestellt, 1196 verabschiedet.

Das Offizierkorps wird nicht – ebensowenig wie die Unteroffiziere und Mannschaften – auf die Verfassung vereidigt (abgesehen vom Kriegsminister). Auch ruht für alle Personen des Soldatenstandes unter den Fahnen die Wahlberechtigung, sie haben nur ein passives Wahlrecht. Den Offizieren steht die Befehlsgewalt als Ausfluss des Kaiserlichen Oberbefehls zu.

Auf Grund des Reifezeugnisses für die Universitäten oder durch die Fähnrichsprüfung wird der wissenschaftliche Bildungsgrad nachgewiesen. Durchschnittlich sind 65 v. H. Abiturienten, 5 v. H. Oberprimaner, 14 v. H. Kadetten und 16 v. H. durch eine sogen. „Presse“ herangebildete als Aspiranten zu verzeichnen. Nach Erwerbung eines Führungs- und Dienstausbildungszeugnisses bei der Truppe auf Grund einer mindestens 6 monatigen Dienstzeit erteilt die Ober-Militär-Prüfungskommission das Reifezeugnis, auf das hin der Vorschlag zum Fähnrich geschieht. Hieran schliesst sich der Besuch einer Kriegsschule (bisher 11, werden in Preussen jetzt um eine vermehrt) und die Ablegung der Offizierprüfung. Nach souveräner Wahl des Offizierkorps erfolgt der Vorschlag zur Beförderung bei den Bundesfürsten bezw. Senaten (den Kontingentsherrn), die (mit der Einschränkung des Artikels 64 der Verfassung) die Offiziere ernennen. Für Kadetten (11 Kadettenanstalten, die in Preussen und Sachsen jetzt vergrössert werden) bestehen besondere Vorschriften. Auszeichnung vor dem Feinde befreit von der Fähnrichsprüfung und fortgesetzt ausgezeichnetes Benehmen im Kriege auch von der des Offiziers. „Die Fahnenjunker müssen aus Kreisen genommen werden, in denen der Adel der Gesinnung zu Hause ist, der das Offizierkorps zu allen Zeiten beseelt hat. Neben den Sprossen der adligen Geschlechter, neben den Söhnen Meiner braven Offiziere und Beamten erblicke Ich die Träger der Zukunft Meines Heeres auch in den Söhnen solcher ehrenwerter bürgerlicher Häuser, in denen die Liebe zu König und Vaterland, ein warmes Herz für den Soldatenstand und christliche Gesinnung gepflegt werden.“ (A. K. O.)

Sorge macht aber lange schon und auch jetzt wieder, wo 4000 neue Offizierstellen auf Grund der Heeresverstärkung nötig werden, der Offizierersatz aus geeigneten Kreisen. Schon 1910 gab es im Vergleich zu den etatsmässigen sehr viele Fehlstellen, so in Preussen 3,04 v. H. (darunter 604 Leutnants), Bayern 3,08 v. H. (63 Leutnants), Sachsen 8,97 (60 Leutnantsstellen). Schuld daran trägt vor allem die fortbestehende schlechte und ungerechte Versorgung der inaktiven Offiziere durch Arbeit und neue Berufsstellen, bezüglich der Altpensionäre aber namentlich auch durch unzureichende Pension, die sie und ihre Angehörigen und Hinterbliebenen drückendster Not aussetzt und gegen ihre jüngeren Kameraden benachteiligt. Aber auch die Beförderung des Aktiven liess zu wünschen übrig, und es lag die Gefahr vor, dass sie, besonders bei der Hauptwaffe, der Infanterie, in den Hauptmanns- und Stabsoffizierstellen, denen der wichtigste und anstrengendste Teil der Ausbildung obliegt, in einer die Kriegstüchtigkeit beeinträchtigenden Weise überaltern. Erst nach 16jähriger Leutnantszeit, mit 36–38 Jahren, wurde der zweite Stern und die Kompagnie- oder Schwadronchefstellung, mit 48 Jahren etwa der Major erreicht, statt des Regimentskommandeurs (bei den „Frontoffizieren“, die „Springer“ kamen natürlich früher in die höhere Stellung). Nur die Generalität war jung (51–57, Kommandierende Generale also von 57 Jahren). Hierin dürfte das neue Wehrgesetz Wandel schaffen und verjüngend wirken. Der Leutnant dürfte etwa 2½ Jahre bis zum Hauptmann ersparen.

Das schon 1813 als „Freiwillige Jäger“ Scharnhorsts entstandene, besonders 1866 und 70/71 bewährte Offizierkorps des Beurlaubtenstandes (Reserve- und Landwehroffiziere), mit dem Preussen allen Staaten als Vorbild gedient hat, ist bei einem Volksheer besonders wichtig. Und sehr, vielleicht in noch höherem Grade, namentlich im Kriegsfall, das an gutem Geist und Friedenserfahrung dem aktiven ebenbürtige, an eigener Kriegserfahrung ihm heute im langen Frieden weit überlegene inaktive Offizierkorps. Es ist zugleich der Hauptträger unserer wissenschaftlichen Militärliteratur und hat Koryphäen von Weltruf in seinen Reihen.

Neben dem eigentlichen Offizierkorps besteht noch ein Sanitätsoffizierkorps (2367 Köpfe) mit dem Generalstabsarzt der Armee[24] als Chef an der Spitze, dem Sanitäts-Inspektionen, deren jede einen mehrere Armeekorps umfassenden Geschäftsbereich hat, unterstellt sind. Es ist grossenteils auf der Kaiser Wilhelms-Akademie herangebildet, und aus ihm sind viele der hervorragendsten Kapazitäten des Deutschen Aerztestandes hervorgegangen. Der gute Gesundheitszustand unserer Armee ist der beste Beweis für die grosse Tüchtigkeit dieses sehr bedenkliche Lücken aufweisenden verdienten Offizierkorps.[25] Infolge der Doppelnatur als Arzt und [294] Offizier erwachsen ihm vielfach Standesschwierigkeiten, die unter allen Umständen energisch zu beheben sind, denn niemals können die Aerzte des Beurlaubtenstandes im Kriege ein vollgiltiger Ersatz sein.

Ferner gibt es ein Veterinär-Offizierkorps (810 Köpfe), das hauptsächlich für die berittenen Waffen und die Verkehrstruppen gebildet ist. Es steht unter der vom A. K. D. ressortierenden Militär-Veterinär-Inspektion und wird auf der Militär-Veterinär-Akademie (unter einem General-Veterinär als Direktor) herangebildet.

Für rein technische Zwecke sind aus dem Unteroffizierkorps hervorgehende Zeug- und Feuerwerksoffiziere (bei der Artillerie und ihren Anstalten) und Festungsbauoffiziere (beim Ingenieurkorps bzw. den Fortifikationen) vorhanden. Die sich teilweise aus dem aktiven Offizierkorps ergänzende ungemein wichtige Intendantur ist reformbedürftig. Sie ressortiert vom Kriegsministerium wie von den Truppenbefehlshabern und den militärischen Instituten.[26]

Das Militärkirchenwesen (mit der dem Kriegsministerium unterstellten evangelischen und katholischen Feldpropstei an der Spitze) bedarf der einheitlichen Regelung, es herrscht jetzt Zersplitterung.

Das Reichsmilitärgericht (Budget 1912: 534 819 M.), mit einem General, der zugleich Bevollmächtigter zum Bundesrat ist, als Präsidenten, besteht aus 3 Senaten (davon ein bayerischer) und ausseretatsmässigen militärischen Mitgliedern sowie der Militär-Anwaltschaft.[27] Das Militärstrafgesetzbuch entspricht nicht mehr den Zeitverhältnissen, sondern noch den Anschauungen aus der Mitte des 19. Jahrhunderts und muss nach Inhalt und Ausdruck vereinfacht werden, besonders aber ist der Abschnitt „Strafen“ gründlich zu ändern. Die Justiz- und Gerichtsorganisation hat sich dagegen im allgemeinen bewährt (Kriegsgerichtsräte als rechtsgelehrte Richter). Die militärischen Strafanstalten stehen unter einer Inspektion.

Für das Bekleidungswesen befinden sich bei den Armeekorps militärische Bekleidungsämter, das Rechnungswesen bei den Truppen besorgen Ober-, Zahl- und Unterzahlmeister (1593).

Die Landgendarmerie steht unter einem General als Chef und ihr Offizierkorps ergänzt sich aus der Armee. Es haben nur pensionierte halbinvalide Offiziere Aussicht auf Anstellung als Brigadiers oder Distrikts-Offiziere, bzw. Adjutanten.

e) Pferdebeschaffung (Remontewesen).

[Bearbeiten]

Sie liegt in den Händen der von der Remonte-Inspektion des Kr.-Min. abhängenden Remontekommissionen und Pferdevormusterungskommissare und erfolgt mittels Ankaufs beim Züchter und Händler. Es werden jährlich dafür etwa 20 Millionen M. ausgegeben und 60 Millionen für Hafer, Heu und Stroh. 1912 wurden z. B. in Preussen von 23 605 vorgestellten Pferden 11 244, d. h. 48 v. H., in Sachsen von 1735 gar 1328 (76 v. H.), für das ganze Reich 15 103 zum Durchschnittspreis von 1065 M. für die Remonte (Dienst-, Chargen- und Krümperpferde) eingestellt. Für die minderjährigen Pferde gibt es 26 Remontedepots unter Administration.

Die Landespferdezucht steht auf der Höhe, besonders die Edelzucht des warmblütigen Kavalleriepferdes, das mit geringer Ausnahme Ostpreussen und Hannover liefert. Aber auch die (übrigens empfindliche) Kaltblutzucht (für Zugpferde, besonders der schweren Artillerie des Feldheeres) dringt vor, namentlich in den Rheinlanden, Schleswig und Oldenburg. 4 350 000 Pferde, Esel und Maultiere decken reichlich den Kriegsbedarf an Reit-, Zug- und Tragtieren, der Friedensetat beläuft sich auf etwa 157 000 Dienstpferde.

d) Ergänzung und Beschaffung von Kriegsmaterial.[28]

[Bearbeiten]

Sie erfolgt teils von staatlichen Betrieben (Artillerie-Werkstätten, Geschützgiesserei, Geschossfabriken, Feuerwerkslaboratorien, Pulverfabriken usw.), teils und sehr wesentlich durch die Privatindustrie (Krupp, Ehrhardt, A. E. G., Siemens-Schuckert, die grossen Automobilfirmen, Luftfahrzeugfabriken usw.). Eine grosse Rolle spielt schon heute – mit wachsender Tendenz – das Kraftfahrzeug im Heeresdienst. Der Kriegsbedarf von etwa 1000 Armeelastzügen zum Fortschaffen der Verpflegung, der Munition usw. für etwa 30 Armeekorps ist durch ein vorbildliches „Subventionssystem“, das die Einbürgerung von kriegsbrauchbaren und stets auf der Höhe der Zeit stehenden Kraftfahrzeugen, besonders von Lastwagen, im bürgerlichen Leben der Armee sichert, ohne sie zur Beschaffung zu zwingen und so der Gefahr des Veraltens der Wagen auszusetzen, reichlich gedeckt.[29] Ebenso gibt es leistungsfähige Luftfahrzeugwerften: die Armee besitzt heute [295] 4 starre Z (2–5) (Ersatz L 1 wird in diesem Jahr noch fertig). 3 unstarre P (2–4) und 3 halbstarre M (1, 3 und 4) ausserdem noch ein Siemens-Schuckert- und ein Schütte-Lanzschiff (beide starr). Im Kriegsfall würden dazu noch die Schiffe der Privatgesellschaften, besonders die 3 Passagierluftschiffe der Delag treten. Ein System Unger ist zukunftsreich. Zahlreicher als diese Luftschiffsysteme, mit denen Deutschland führend ist, sind die im militärischen Gebrauch befindlichen Flugzeugtypen (etwa 15 verschiedene Muster in Ein- und Doppeldeckern), und auch hier haben wir bald Frankreich, das uns so lange und heute noch überlegen ist, bald erreicht. Von irgend einer „Beherrschung“, gar „Eroberung“ des Luftmeeres ist aber keine Rede. Alles steckt noch in den Kinderschuhen.

6. Ausbildung.

[Bearbeiten]

„Die Ansprüche, die der Krieg an die Truppe stellt, sind massgebend für ihre Ausbildung im Frieden. Neben der körperlichen und militärischen Ausbildung bedingt die sittliche und geistige Kraft des Soldaten seinen kriegerischen Wert. Sie zu heben, ist das Ziel der Erziehung.“ Dieser leitende Grundsatz, den unsere F.O. an die Spitze stellt, durchzieht die ganze deutsche Heerestätigkeit. In keiner Armee wird mehr gearbeitet und zwar wird, namentlich beim Offizier, auf selbsttätige Arbeit gesehen und das praktische Können. Der heutige Kampf stellt auch die unteren Führer vor selbständige Entschlüsse, sie müssen durch die Ausbildung eine auch unter den zersetzenden Einflüssen des Schlachtfeldes nicht versagende Dienstpraxis und Schulung des Charakters erfahren. Ihre persönliche Haltung, ihre Kaltblütigkeit und Entschlossenheit vor der Front, sind von bestimmendem Einfluss auf die Truppe. Ihr Beispiel stählt das Vertrauen, die feste Stütze der Manneszucht in Gefahr und Not, und reisst die Untergebenen zu opfermutigen Taten fort. Umsomehr, wenn sie durch rastlose Fürsorge und die Art des Dienstbetriebes die Dienstfreudigkeit der Truppe zu erhalten wussten. Roseggers „Wissen ist wenig, Können ist König“ durchzieht die ganze deutsche Militärausbildung.

Für die Ausbildung der Offiziere des Beurlaubtenstandes zu vollwertigen (Zug- und Kompagnie- usw.) Führern ihrer Truppe ist der Regimentskommandeur verantwortlich, und es entscheidet dabei das Kriegsmässige. Sie ist reformbedürftig.

Die Ausbildung der Unteroffiziere geschieht sinngemäss wie die der Offiziere und soll den Anforderungen des Krieges entsprechen. Ganz besonders gilt dies auch für das Unteroffizierkorps des Beurlaubtenstandes, für das geeignete Mannschaften frühzeitig ausgewählt werden müssen.

Der Dienst der Mannschaften beginnt mit der gründlichsten Einzelausbildung, wobei Turn- und Schwimmübungen unterstützend zur Erhöhung der körperlichen Kraft und Gewandtheit sowie entschlossenen Handelns – des ersten Erfordernisses im Kriege – wirken. Geschickter Gebrauch aller Waffen sowie völlige Beherrschung des Pferdes sind Vorbereitung für erfolgreichen Kampf und steigern das Selbstgefühl, während ein stets dem Bildungsgrade der Mannschaft angepasster anregender und anschaulicher Dienstunterricht den Geist der Truppe pflegt, auf Charakter und Gesinnung des einzelnen Mannes einwirkt und in ihm Vertrauen zum Vorgesetzten erweckt, also mindestens gleichwertig mit der taktischen Ausbildung ist. Die Grundlage für alle Leistungen der Leute bildet dann die weitere Ausbildung in der Kompagnie, Eskadron und Batterie, die endlich stufenweise und planmässig gesteigert wird zu den Übungen grösserer Truppenkörper (Regiment, Brigade) und gemischter Waffen, besonders auch in kriegsstarken Verbänden. Hierbei werden Willenskraft und Selbstvertrauen durch Anstrengungen und Entbehrungen schon im Frieden gestählt und besonderer Wert auf grosse Marschleistungen, Schiessen und Felddienst in allen Jahreszeiten und auch bei Nacht, sowie geschickte Ausführung technischer Arbeiten gelegt. Selbständiges Denken und Handeln, Einsetzen der ganzen geistigen und körperlichen Kraft aus eigenem Antrieb, auch wenn das Auge des Führers nicht über ihm wacht, werden vom Soldaten gefordert und ihm anerzogen.[30]

Den Prüfstein der strategischen, taktischen und technischen Ausbildung für Mann und Führer bilden dann die jährlichen grossen Heeresübungen (Manöver und Kaisermanöver, letztere besonders auch für die höheren Führer bis zum Armeeoberbefehlshaber hinauf, sowohl zwischen zwei Parteien wie gegen einen markierten Feind), sowie die besonderen Übungen unter Beteiligung der schweren Artillerie (Angriffsübungen) und im Festungskriege, die grösseren Pionier- sowie die Nachrichtenübungen der Telegraphentruppen, die Übungen der Eisenbahnbrigaden usw. 1914 werden 6 Armeekorps mit starker Heereskavallerie im Kaisermanöver fechten, und ebenso wird den Übungen des Beurlaubtenstandes immer höhere Bedeutung beigelegt. So waren 1912 etwa 465 000 Mann desselben eingezogen, der Masse nach Infanterie (364 445, dazu 12 743 Jäger), doch werden jetzt auch in grösserem Masse die Feld- und Fussartillerie berücksichtigt (46 320 bzw. 21 750) ebenso die Pioniere (15 931) und Verkehrstruppen der Reserve usw. 1914 werden 750 000 üben.

Zur praktischen Leistungsfähigkeit unseres Volksheeres darf volles Vertrauen gehegt werden.[31]

[296] Zur Erhöhung der geistigen und körperlichen Leistungsfähigkeit gewinnt neben einer zweckmässigen Lebensführung die Pflege einer rationellen Körperkultur immer höhere Bedeutung. Neben Turnen, Fechten, Schiessen, Reiten (besonders auch im Gelände und bei Nacht in unbekannter Gegend, um das Zurechtfinden zu lernen). Schwimmen als besonderen Übungszweigen wird heute auch einem massvollen Sport, der Jagd und körperlichen Spielen besondere Aufmerksamkeit geschenkt, zumal ja auch die Charakterbildung unter dem Einfluss körperlicher Ertüchtigung steht.

Die durch vielfache Mittel erzielte taktische Ausbildung, die vor allem einfache Formen[32] gegenüber der heutigen mörderischen Feuerwirkung anstrebt, ruht zunächst beim Regimentskommandeur. Im praktischen Dienst wird der Offizier vor bestimmte Aufgaben gestellt, die sein taktisches Verständnis schärfen, ihm Anlass zu selbständigen Entschlüssen und Handlungen geben und ihn in der Beherrschung der Truppe schulen. Eine weitere Vertiefung dieser Ausbildung und die Förderung der geistigen Entwicklung überhaupt geschieht durch Kriegsspiele, theoretische taktische Aufgaben, Winterarbeiten, Vorträge im Offizierkorps und in militärischen Gesellschaften, Übungsritte, Übungsreisen unter Heranziehung von Offizieren aller Waffen, Generalstabs- und Festungsgeneralstabsreisen, ebenso durch Selbststudium der Kriegsgeschichte, unserer vornehmsten militärischen Lehrmeisterin, besonders zur Bildung des Urteils und Unterscheidung des Kriegsgemässen von dem nur im Frieden Möglichen, sowie zum Erkennen der Macht der Persönlichkeit. Hierzu kommen Erwerbung der Fertigkeit in fremden Sprachen, Gewandtheit in Anfertigung von Skizzen und die zahlreichen Kommandos zu anderen Waffen, Behörden, Lehr- und anderen militärischen Anstalten. Ausser der Militärtechnischen Akademie für die Spezialwaffen sei hier besonders die Kriegsakademie hervorgehoben, die Offizieren aller Waffen eine militärische Hochschulbildung erteilen und besonders auch die künftigen Generalstabsoffiziere heranbilden soll. Leider reichen die beiden Akademien, die preussische (1912 wurden von 754 geprüften Offizieren 160 einberufen) und die bayerische (wo 19 Offiziere einberufen wurden) lange nicht mehr aus, um das Bildungsbedürfnis zu stillen, und in Anbetracht der grossen Erhöhung der Zahl der Offiziere bedarf es einer Vermehrung dieser Institute und gleichzeitiger Verteilung auf andere Provinzen. Ob die heutige militärwissenschaftliche (wie allgemeine) Bildung unseres Offizierkorps bei den gesteigerten Anforderungen der Zeit und der Erhöhung des allgemeinen Bildungsniveaus noch ausreicht, zumal die vielseitige praktische Tätigkeit die Zeit zu kriegswissenschaftlicher Arbeit immer mehr einschränkt, darüber bestehen vielfach Zweifel in der Armee und bei ihren Freunden. Es gibt leider eine Richtung im Heere, die das Studium der Theorie des Krieges, das zur Heranbildung nicht nur höherer Führer, sondern auch des im gesamten Offizierkorps nötigen Verständnisses für die höhere Führung, die „Imperatorik“ und „Strategie“, unerlässlich ist, für überflüssig hält. Ebenso wie die Erweiterung des Gesichtskreises auf anderen, nicht rein militärischen, aber zur Erziehung und Fürsorge der Truppe erforderlichen Gebieten. Sie vergisst Willisens Wort, dass vom Wissen zum Können der Schritt kleiner ist als vom Nichtwissen, und übersieht auch, dass zur Behauptung der sozialen Stellung des Offiziers seine Fühlung mit dem Wissen und den Interessen der Nation unerlässlich ist. Zuzugeben ist, dass, da die Truppenführung eine Kunst ist, sie nur bis zu einem gewissen Grade erlernt werden kann, im übrigen angeborene Talente erfordert. Aber nur auf der Grundlage der Theorie kann sich die Tat lebendig ergehen, die Wissenschaft ist keine Gefahr, auch wenn sie die vielfach gefürchtete „Kritik“ schärft!

Militärisch wichtig ist auch die grossartige Organisation der Vereine vom Roten Kreuz (850 000 Mitglieder). Ihr gehörten 1912 allein 1941 Sanitätskolonnen mit 44 508 Köpfen an. Hierzu kommt eine freiwillige weibliche Krankenpflege.

Krankenpflegerinnen (in Mutter- und Töchterhäusern, in denen 4000 Rote Kreuz-Schwestern und 1800 Hilfsschwestern tätig sind, während der Krieg etwa 15 000 Schwestern erfordern dürfte). Ferner seien die zahlreichen Kriegs- und Veteranenvereine (besonders der deutsche Kriegerbund und der Kyffhäuserverband), der deutsche Turnverein (über 1 Million Mitglieder), der Jungdeutschlandbund für die Jugendpflege und der sehr rührige Deutsche Wehrverein in diesem Zusammenhang erwähnt. Angeregt ist die allgemeine Dienstpflicht der Frau zu der Ausbildung in der Krankenpflege und wichtiger häuslicher Tätigkeit.

7. Entlassung und Versorgung.

[Bearbeiten]

Das Entlassungswesen regelt die Heerordnung. Dispositionsbeurlaubungen vor beendeter Dienstpflicht (bei der Kavallerie und reitenden Artillerie) sind nur ganz ausnahmsweise zulässig. Jeder Soldat tritt zum Beurlaubtenstand seiner Waffe zurück, während Einjährigfreiwillige auch zu anderen Waffen nach der Verfügung der Generalkommandos und obersten Waffenbehörden überführt werden können. Alle aus dem aktiven Dienst zu entlassenden Leute werden ärztlich untersucht, ebenso auf die Wahrung des Dienstgeheimnisses hingewiesen. Die Offiziere treten entweder zum Beurlaubtenstande über oder in die Gendarmerie, die Invalidenhäuser oder werden (mit und ohne Uniform und Pension) verabschiedet, freiwillig oder unfreiwillig, zuweilen mit Charaktererhöhung. Es gibt Offiziere a. D. (mit vollen Staatsbürgerrechten, nur, sofern sie Uniform tragen, den Ehrengerichten unterstellt) und solche z. D. (sie unterstehen den Militär- und den Ehrengerichten und werden auch bisweilen in inaktiven Heeresstellen verwendet). Die Aussicht auf Wiederanstellung im Heere wird grundsätzlich nicht erteilt. Ausgemusterte Soldatenpferde werden durch Verkaufskommissionen veräussert.

Die Versorgung der Offiziere, Militärbeamten und Mannschaften geschieht durch Pension (Gesetze vom 31. V. 06 sowie Pensionsvorschrift vom 16. III. 12) und durch Anstellung im Zivildienst, in der Gendarmerie, [297] Schutzmannschaft und in der Heeresverwaltung, sowie durch Aufnahme in Invalidenhäusern. Um den Anreiz zur Kapitulation im Heere zu erhöhen, dabei zugleich eine Verminderung der im Zivildienst zu versorgenden Militäranwärter herbeizuführen und eine merkliche Entlastung der Zivilversorgung im Reichs-, Staats- und Kommunaldienst zu erzielen, hat das Versorgungsgesetz für die Unterklassen des Reichsheeres usw. zweckdienliche Änderungen gelegentlich des neuen Wehrgesetzes erfahren (Erhöhung der laufenden Zivilversorgungsentschädigung und der einmaligen Geldabfindung). Nur die Verhältnisse bei der Versorgung der inaktiven Offiziere sind die alten ungünstigen geblieben, besonders für die Altpensionäre fehlt die „rückwirkende Kraft“ des neuen Pensionsgesetzes.

Für jeden Krieg wird zu der wirklichen Dauer der Dienstzeit ein Kriegsjahr hinzugerechnet. Für die Schutztruppen kommen noch einige Sonderbestimmungen dazu. Die allgemeine und die Kriegsversorgung der Witwen und Waisen regelt das Hinterbliebenengesetz v. 17. V. 07.

Der Pensionsfonds beträgt 131 989 000 M. Er ist seit 1888/9 für Offiziere um 143,3 v. H., für Mannschaften um 453,9 v. H. gewachsen.

8. Heereskosten und finanzielle Kriegsbereitschaft.

[Bearbeiten]

Die Kosten des Heereswesens haben alle Bundesstaaten gleichmässig zu tragen. Ein spezialisierter Militäretat wird im Haushaltgesetz unter gleichmässiger Mitwirkung von Bundesrat und Reichstag festgesetzt. Die so bestimmten Ausgaben werden durch die Kontingentsverwaltungen für Rechnung des Reichs geleistet: es gibt nur einen Reichsmilitärfiskus. Für die Aufbringung der Kosten gilt heute der volkswirtschaftlich wichtige Grundsatz: Keine Ausgabe ohne Deckung. Ersparnisse dürfen lt. Art. 67 der Verfassung unter keinen Umständen den einzelnen Regierungen zufallen, sondern nur der Reichskasse.

Von 1872 bis 1910 wurden über 25 Milliarden M. für die Armee ausgegeben, davon 1910 allein an dauernden Ausgaben 706 805 600 M., an einmaligen 776 636 000 M., an ausserordentlichen 22 499 100 M., für Pensionen 118 352 000 M., zusammen 1 624 292 700 M.[33] 1912 betrugen (bei einem Gesamtetat des Reichs an Einnahmen und Ausgaben von 2 819 363 530 M. und 66,6 Millionen an Bevölkerung) die reinen Heeresausgaben 947 825 000 M. oder 14,23 M.[34] auf den Kopf. 1913 sind die dauernden Ausgaben bereits auf 883 364 400 M. gestiegen, die einmaligen mit 580 599 900 M. dagegen zurückgegangen, während die ausserordentlichen 12 700 000 M., der Pensionsfonds 131 989 000 M. betrug, im ganzen also 1 608 653 300 M. entstanden. Der Etatsentwurf für 1914 sieht 871 805 789 M. fortdauernde, 344 823 048 M. einmalige Ausgaben im ordentlichen Etat vor. Als Wehrbeitrags-Einnahme verzeichnet er 393 820 871 M. Der Pensionsetat für die Armee beträgt 97 317 248 M. Alle Ausgaben für die Landesverteidigung erscheinen fortan im Etat der allgemeinen Finanzverwaltung.

Die Gesamtkosten der durch Gesetz vom 27. III. 11 bewilligten Heeresvorlage werden bis 1917 ungefähr 1414 Mill. M. erfordern. Die Höhe der Ausgaben für die Verstärkung durch das Gesetz vom 14. VI. 1912 beläuft sich auf 440 500 000 M. bis 1917 (etwa doppelt soviel wie für die Marine), wobei in den Jahren 1916 und 1917, wo ein Beharrungszustand der Belastung eintritt, die Jahresbeträge noch je 62 Mill. M. erreichen werden. Sie sollten nach Beschluss des Reichstages durch Beseitigung der sogen. Liebesgabe (Vermehrung der Einnahmen aus der Branntweinsteuer) und Annahme einer nicht näher bezeichneten Besitzsteuer gedeckt werden. Sie haben aber nunmehr in den gegenwärtig erschlossenen Einnahmen des Reichs, insbesondere in Mehreinnahmen aus Zöllen und Steuern, aus Post und Eisenbahnen unter Heranziehung eines Teils des auf 249 131 174 M. sich beziffernden Überschusses des Jahres 1911 Deckung gefunden, wobei noch 4 738 457 M. aus diesem Überschuss zur Verfügung blieben.

Das neue Wehrgesetz vom 3. VII. 13 erfordert gar 1291 Millionen M.[35] für die Jahre 1913–15, in welch’ letzterem die fortlaufenden Ausgaben ihren Beharrungszustand erreichen. Zu der Deckung dieser grössten [298] Heeresforderung, die je an den Reichstag herangetreten ist und ohne ernstliche Kämpfe von allen staatsfreundlichen Parteien im vollen Umfange bewilligt worden ist, soll – ein neuer Gedanke – nach dem Gesetz einmal die Erhebung eines einmaligen ausserordentlichen Wehrbeitrages vom Vermögen und bei gewissen im § 10 genannten Personen auch vom Einkommen erhoben werden (die kleinen Vermögen und Einkommen bis zu 5000 M. sind steuerfrei, die übrigen fortschreitend gestaffelt) und zwar in 2 Jahresraten. Wie diese Verminderung des Volksvermögens volkswirtschaftlich wirken wird, darüber ist noch keine Übersicht vorhanden, man veranschlagt den Gesamtertrag auf 975 bis 1000 Millionen M., veranlagt nach dem Vermögensstande vom 31. XII. 13. Er wird zur Deckung der einmaligen Ausgaben von 990 Mill. M. dienen und ist für 1913 bereits mit einer Rate von 373,9 Mill. M. eingesetzt.

Ferner wird zur Deckung der erheblichen fortlaufenden Ausgaben zum ersten Male für das Reich von dem Zuwachs des Grund-, Betriebs- und Kapitalvermögens eine direkte Besitzsteuer eingeführt, wobei der jeweilige Vermögenszuwachs am Ende einer 3jährigen Steuerperiode, wenn der Betrag 10 000 M. übersteigt, berechnet wird. Darin ist auch die Besteuerung des Kindeserbes mit enthalten. Allem Anschein nach ist dies der Anfang zur Reichsvermögenssteuer, die viel bekämpft und von vielen Seiten lieber durch eine Erbschaftssteuer als Spezialsteuer ersetzt gewünscht wird, während die direkte Besteuerung den Einzelstaaten und Gemeinden überlassen bleiben soll.

Hinzu treten zu den einmaligen Ausgaben noch die Beschaffung eines ausserordentlichen Silber- und Goldbestandes von je 120 Millionen M. unter entsprechender Vermehrung der Reichskassenscheine zu 5 und 10 M., wozu noch 15 Mill. M. aufzubringen sind.

Dieser Bestand soll im Verein mit dem seit Ende des deutsch-französischen Krieges im Juliusturm zu Spandau unverzinslich lagernden Goldvorrat von 120 Millionen M. einen Kriegsschatz für die ersten Kriegstage bilden, von denen jeder, nur 6,0 M.[36] für Mann und Tag gerechnet, täglich bei einer Heeresstärke von bloss 3 Millionen Köpfen 18 Millionen M. (jährlich also 6,5 Milliarden) erfordern dürfte, also der Vorbereitung der finanziellen Kriegsbereitschaft dienen, die nicht minder wichtig als die operative ist. Von diesen niedrigst gerechneten Sätzen werden ⅛ gleich zu Beginn für Mobilmachung, Armierung der Festungen, Aufmarsch und Füllung der Magazine zu rechnen sein. Ferner etwa 1000 Millionen zur Deckung des ausserordentlich gesteigerten Bedarfs bei Handel, Industrie und Landwirtschaft, 280 zur Überwindung der erfahrungsmässigen Panik (Sturm auf die Sparkassen usw.) des Publikums. So bleiben noch 2,50 Milliarden von dem Jahresbedarf für die Operationen der ersten Zeit. Ein Betrag, der angesichts eines Volksvermögens von 350 Milliarden mit jährlichem Einkommen von mindestens 40 Milliarden und automatischen Vermögenszuwachses von 8 Milliarden, ferner 16 Milliarden im deutschen Besitz befindlicher Auslandsrente, die eine Schuld fremder Staaten an uns darstellt und zum Teil flüssig ist und zur Deckung der Zinsen einer Kriegsanleihe benutzt werden kann, sowie nur einer – zur Hälfte in produktiven Unternehmungen angelegten Reichsschuld von 5,2 Milliarden, unschwer aufzubringen ist. Hierzu dienen die vorhandenen Reichskriegsschätze, dann die Barmittel der Staatskassen und besonders der Goldbestand der Reichsbank, die Einrichtung von schon 1848, 1866 und 1870/71 bewährten Darlehns- (Lombard-) Kassen, die Aufnahme von Kriegsanleihen, Ausschreibung von Kriegssteuern, Erhöhung aller sonstigen Steuern und Zölle, Ausgabe von Papiergeld (Schatzscheinen) mit Zwangskurs und Einschränkung aller grösseren staatlichen Ausgaben, z. B. für Bauten, Luxus- und sonstige entbehrliche Anlagen.

Es sind also sehr vielseitige und schwierige Erwägungen nötig, die nur in engstem Einvernehmen zwischen Heeres- und Finanzleitung des Staats und den grossen Finanzbanken und Industrie-Unternehmungen zu lösen sind, wobei sowohl die militärische wie die Finanzlage eingehend zu berücksichtigen bleiben. Eine aus Vertretern aller dieser Ressorts zu bildende ständige Finanzkommission schon im Frieden ist geplant. Die Reichsbank erhöht ständig ihren Goldbestand.

Nicht mindere Aufmerksamkeit erfordert die Vorbereitung der gesicherten Verproviantierung der heimischen Bevölkerung im Kriegsfall, zumal Deutschland schon jetzt etwa ⅓ seiner Nahrung aus dem Auslande beziehen muss, nachdem es immer mehr Industriestaat geworden ist. Ebenso bedarf es der Versorgung der Industrie mit Rohstoffen und der deutschen Kolonien. Eine wichtige Zufuhrstrasse, die auch im Kriege offen zu halten ist, wird von Konstantinopel durch die Balkanstaaten und Oesterreich-Ungarn führen.

9. Das deutsche Volksheer im Kriege.

[Bearbeiten]

Der Kaiser hat die völkerrechtliche Vertretung des Reichs, daher auch in seinem Namen den Krieg zu erklären, Frieden zu schliessen und Bündnisse einzugehen mit fremden Staaten. [299] Nur zur Erklärung des Krieges im Namen des Reichs ist er an die Zustimmung des Bundesrats gebunden, es sei denn, dass ein Angriff auf das Bundesgebiet erfolgt. Auch kann er, wenn die öffentliche Sicherheit bedroht ist, einen Teil des Bundesgebiets (Bayern ausgeschlossen) in Kriegs- (Belagerungs-) zustand erklären.

Die eigentliche Kriegführung ist in allen Fällen ausschliesslich Aufgabe des Kaisers und seiner Befehlsgewalt als Bundesfeldherr. Dagegen braucht er zur Bestreitung der dafür nötigen Ausgaben der Zustimmung des Bundesrats und des Reichstages, die also eine Mitverantwortung für den Krieg übernehmen.

Der Krieg – „ein Element in der von Gott eingesetzten Ordnung“ nach Moltkes Wort, die „Eisenkur der Menschheit“, wie ihn Jean Paul treffend genannt, denn ohne ihn würde die Welt in Fäulnis geraten und sich im Materialismus verlieren –wird heute nur noch für die höchsten idealen Güter, wo es sich um die Ehre und die Existenz des Staats handelt, von Deutschland geführt werden. Obwohl organisierte Gewalt, ist er doch ein Zivilisator und untrennbar mit der Kultur, die weitgehendsten Einfluss auf ihn ausübt, verbunden, ja für Völker, die noch im Anfang der Zivilisation stehen, sogar das Hauptmittel des Fortschritts und ein Vermittler der Kultur. Nur wenn er vom Volkswillen und der allgemeinen Begeisterung getragen wird, kann er Erfolg haben und einen völlig befriedigenden Friedensschluss erzielen. Sein wichtigstes Werkzeug, das Deutsche Volksheer, ist und bleibt das stärkste, ganz Deutschland umschliessende nationale Band. Möge es einst in den Tagen des Sturms von einem vom Glück begünstigten kriegerischen Genius angriffsweise geführt werden! Und seine Siege von einem wirklichen Staatsmann mit höchster politischer Kunst vorbereitet und ausgenutzt werden.

Abgeschlossen im November 1913.





  1. Darf man den Grossen Kurfürsten als den Begründer des stehenden Heeres bei uns bezeichnen, so ist König Friedrich Wilhelm I. der Gründer des Preussischen Offizierkorps, das er auf die Grundlage des peinlichsten Ehrbegriffs stellte, und das zum Vorbild für die Offizierkorps Europas allmählich geworden ist. „Den deutschen Offizier macht uns niemand nach“ (Bismarck).
  2. Feldherren werden zwar geboren, sie müssen aber auch erzogen werden. Die grössten Aussichten für eine vorzügliche Heeresführung sind da vorhanden, wo ein absoluter Herrscher zugleich sein eigener und zwar ein geborener Feldherr ist, wie dies bei Friedrich dem Grossen und Napoleon I. der Fall war. Sie verfügten unumschränkt über die gesamten Mittel des Staats. Im monarchischen Deutschland, wo der Kaiser zugleich Oberster Kriegsherr ist, liegen die Verhältnisse auch heute günstiger für den Oberbefehl als in bürgerlichen Republiken.
  3. Milizartige Heere eignen sich wohl für Staaten wie die Schweiz, Norwegen usw., nicht aber für Grossmächte, da sind sie ein Trugbild voller Gefahren! Und nehmen zudem die Wehrpflichtigen stärker in Anspruch.
  4. Sowohl des Reiches wie der Bundesstaaten, wobei alle Betriebsverwaltungskosten, sowie die aus dem Verhältnis zwischen Reich und Bundesstaaten entstehenden Rechnungsposten wie Überweisungen und gedeckte Matrikular-Umlagen ausser Betracht geblieben sind. In England sind es dagegen 43 v. H., in Frankreich, wo allerdings viele Ausgaben von den Gemeinden bestritten werden, 36,6 v. H.
  5. Frankreich kostete 1913 die Landesverteidigung 1178 Millionen oder 29,67 M., England 1520 Millionen oder 33,05 M. auf den Kopf, Russland 1752 Millionen oder 11,10 M. für den Einzelnen. Keiner dieser Staaten hat aber ein so hohes aktives werbendes Staatsvermögen an Eisenbahnen, Bergwerken, Domänen, Salinen und Forsten wie Deutschland, das dort die staatlichen Schulden um mehrere Milliarden übersteigt, nämlich 16,25 oder 2,13 M. auf den Kopf mehr als die Schuldenzinsen betragen. Und alte Kriegsschulden, wie in England und Frankreich (je weit über 10 Millionen), haben wir nicht.
  6. Schon Friedrich der Grosse hat bei nur 2½ Millionen Einwohnern des damaligen Preussens eine wesentlich stärkere Armee verhältnismässig unterhalten, als das heutige Deutsche Reich. Ebenso waren die Aufgebote des halb ohnmächtigen Preussen 1813 weit zahlreicher und ermöglichten, einen Napoleon niederzuringen
  7. Sie trat nach § 1 des Publikationsgesetzes an die Stelle der zwischen dem Norddeutschen Bunde und den Grossherzogtümern Baden und Hessen vereinbarten Verfassung des Deutschen Bundes von 1870, sowie den mit den Königreichen Bayern und Württemberg über den Beitritt zu dieser Verfassung geschlossenen Verträgen vom 23. und 25. XI. 1870.
  8. Das Kommando der Kaiserlichen Schutztruppen (319 Offiziere, 6855 Mann, davon 4767 Farbige) für Ost- und Südwestafrika und Kamerun, sowie der Polizeitruppen (5938 Mann, darunter 5259 Farbige) für die genannten Kolonien, Togo und die Südseegebiete ist dem Reichskolonialamt in Berlin angegliedert, dem die Deutschen Schutzgebiete (2 907 372 qkm mit fast 12 Millionen Einwohnern) anvertraut sind. Das Pachtgebiet Kiautschou (552 qkm mit 165 000 Einwohnern) steht samt seiner Marinebesatzung (120 Offiziere, 3005 Mann Infanterie und Artillerie) und den Polizeitruppen (110 Mann, davon 80 Farbige) unter dem Reichsmarineamt in Berlin. Polizeitruppen gehören nicht zu den Soldaten (Heer oder Flotte).
  9. Das Preussische Kriegsministerium vermittelt auch den Verkehr mit den drei anderen selbständigen Kriegsministerien Bayerns, Sachsens und Württembergs. Im Ausschuss müssen ausser dem Präsidium mindestens 4 Bundesstaaten mit je einer Stimme vertreten sein, Bayern hat eine ständige Stimme.
  10. Näheres über das Deutsche Landesverteidigungssystem in W. Stavenhagen: „Grundriss der Befestigungslehre und des Militärverkehrswesen.“ 4. Aufl. 10. E. S. Mittler & Sohn.
  11. Nachdem vorher im sogen. „Krümpersystem“ die allgemeine Wehrpflicht nur unvollkommen durchgeführt werden konnte; denn dies unter dem Druck Napoleonscher Fremdherrschaft entstandene Wehrsystem gab nur eine Ausbildung ähnlich der der heutigen Ersatzreservisten. Aber auch 1870/1, wo wir eine Friedensstärke von 1,3 v. H. der Bevölkerung gehabt und das deutsche Feldheer dem auf dem Konskriptionssystem beruhenden französischen um ⅓ an Kopfzahl überlegen war, blieb die Armee an Zahl erheblich hinter der Stärke zurück, die sie bei wirklicher Durchführung der allgemeinen Wehrpflicht in ganz Deutschland hätte besitzen müssen. Nur in den alten Preussischen Provinzen, wo von je 100 Einwohnern 3,22 Reservisten und Landwehrleute zu den Fahnen gerufen wurden, war das der Fall, in den neuen Provinzen waren es nur 1,5, in Hannover gar nur 1,1.
  12. Der Marine-Ersatzreserve 70 Taugliche, 4 künftig Taugliche, zusammen 74.
  13. Davon als Trainsoldaten mit einjähriger Dienstzeit 1415, bei Truppen mit 2jähriger Dienstzeit 193 622, mit 3jähriger 12 704.
  14. Für die Marine aus der Landbevölkerung 9422, aus der seemännischen 4050, im Ganzen 13 472.
  15. Die Marine erhielt 875 Einjährige, 4041 sonstige, im ganzen 4916 Freiwillige.
  16. Die Zahl der unbedingt Tauglichen bewegt sich in stets sinkender Richtung. Die geringste Zahl Tauglicher stellen die Provinzen mit vorwiegend industrieller Landbevölkerung.
  17. Hiervon beträgt in den Jahren 1913 und 1914 die Vermehrung 95 774 Mann und 24 772 Pferde und zwar bei der Infanterie 63 364 Mann, 762 Pferde, der Kavallerie 7645 Mann, 8435 Pferde, Feldartillerie 11 511 Mann, 11 996 Pferde, Fussartillerie 5220 Mann und 42 Pferde, Pionieren 2139 Mann und 25 Pferde, Verkehrsgruppen 4375 Mann und 1132 Pferde, und Train 1520 Mann und 1350 Pferde.
  18. Frankreich hat einschl. der in Nordafrika stehenden Truppen und des Kolonialkorps bisher 21 Armeekorps mit 659 Bat. Inf., 445 Eskadrons, 16 reitende, 634 fahrende Batterien, 20 Pionierbataillone, 6 Bat. Verkehrstruppen in 46 Infanterie-, 10 Kavallerie-Divisionen. Am 1. April 1914 wird ein neues (XXI.) Armeekorps gebildet. Zu diesem nach Durchführung der 3jährigen Dienstzeit etwa 840 000 Köpfe im Frieden starken Feldheer I. Linie treten im Kriege noch 13 Reserve-Divisionen, so dass dann die Feldarmee 2,96 Mill. Köpfe = 7,4 v. H. der Bevölkerung zählen wird (gegen 3 Mill. = nur 4,5 v. H. in Deutschland). Der grösste Teil – 20 Armeekorps, 10 Kav. Div. – soll gegen Deutschland verwendet und auf 12 zwei- und mehrgleisigen Bahnen nach dem Aufmarschgebiet geschafft werden, wo im Frieden im Raum Belfort–Verdun schon 3 Korps und 3 Kav. Div. davon stehen. Die letzte Linie bildet dann das Besatzungsheer (Reserven und Territorialtruppen).
  19. Die Preussische Armee verdankt ihre Begründung dem Grossen Kurfürsten, ihren Ausbau Friedrich Wilhelm I. und König Wilhelm I. durch die berühmte Armee-Reorganisation von 1859/60, die ein starkes Linienheer schuf.
  20. 5 Armeekorps stehen an der West-, 4 an der Ostgrenze. Letztere müsste durch Neubildung von 2 Korps noch verstärkt werden.
  21. Es ergibt sich also eine geringe Mehrbelastung der Bevölkerungen Bayerns, Sachsens und Württembergs im Vergleich zu Preussen, die aber kaum fühlbar ist und stets ihren Ausgleich in der naturgemäss stärkeren Heranziehung der Bevölkerung des unter preussischer Verwaltung stehenden Kontingentsbereichs zum Dienste in der Marine finden wird.
    Berücksichtigt man das, so hat Preussen bei 60 v. H. der Einwohner (50 794 467) und 65 v. H. der Flächengrösse des Reichs (348 756 qkm) etwa 0,91, Bayern bei 11 v. H. der Bevölkerung (6 887 291) und 14 v. H. der Fläche (75 870) 0,90, Sachsen mit 4 806 661 Einwohnern und 14 993 qkm 0,96, Württemberg bei 2 437 574 Einwohnern und 19 512 qkm 0,94 v. H. zu tragen, also es sind ebenfalls annähernd gleiche Lasten geblieben.
  22. In Württemberg gibt es einen vom Kriegsministerium ressortierenden Ober-Rekrutierungsrat als Ersatzbehörde III. Instanz.
  23. Ausserdem gibt es 9 Unteroffiziervorschulen, zu denen noch zwei neue jetzt in Preussen geschaffen werden, während die bestehenden preussischen und sächsischen Unteroffizier- und Vorschulen verstärkt werden. Nur die militärischen Hochschulen, vor allem die Kriegsakademie, haben leider keine Vermehrung oder Vergrößerung erfahren.
  24. Er ist zugleich Chef der Medizinalabteilung des Kriegsministeriums und Direktor der Kaiser-Wilhelms-Akademie für das militärärztliche Bildungswesen. Ihm sind auch das Sanitätsamt der militärischen Institute und die Genesungsheime für deutsche Offiziere und Sanitätsoffiziere in Arco und Falkenstein unterstellt.
  25. Von 317 626 insgesamt 1909/10 behandelten Mannschaften des Deutschen Heeres sind 290 464 in militärärztlicher Behandlung gewesen und wieder dienstfähig geworden und nur 598 = 1,9 v. T. der Behandelten bzw. 1,1 v. T. der Kopfstärke des Deutschen Heeres gestorben. Von venerisch Erkrankten wurden rund 87 v. H. wiederhergestellt. Bei den unter Chefärzten stehenden Garnisonlazaretten und Sanitätsdepots sind Stabsapotheker angestellt.
  26. Ihr sind die Vorstände der Proviantämter und Armee-Konservenfabriken, der Militär-Bauämter und Garnison-Verwaltungen unterstellt.
  27. 1910 wurden im Militärgerichtsverfahren 14 822 Mann angeklagt, 12 917 verurteilt, 1735 freigesprochen, bei 170 das Verfahren eingestellt. Die Zahl der Soldatenmisshandlungen ist in steter Abnahme begriffen. Die rechtliche Stellung der Militärpersonen zu den bürgerlichen Gerichten ist geregelt.
  28. Hierbei wäre unserer Heeresverwaltung mehr kaufmännischer Geist zu wünschen, der erhebliche Ersparnisse zu machen gestattet und jedes geschäftlich unkluge Monopol vermeidet, die eigenen Staatsbetriebe vermehrt und verstärkt. Eine auf Veranlassung des Reichstages zusammengetretene Rüstungskommission soll entsprechende Vorschläge machen, und dürfte schliesslich eine besondere wirtschaftliche Gesetzgebung bezüglich des Heereslieferungs- und Ausrüstungswesens das Endergebnis werden. Auch muss jedem Monopol in der Herstellung der Druckwerke (Vorschriften, Reglements und sonstigen Militärliteratur amtlichen Charakters) entgegengetreten werden.
  29. Am 1. I. 13 gab es in Deutschland 77 789 Kraftfahrzeuge, davon 70 085 oder 91 v. H. Personen- und 7704 oder 9,0 v. H. Lastkraftwagen, und in etwa 60 Fabriken wurden 16 000 Fahrzeuge im Wert von 115 Mill. M. hergestellt. Den Löwenanteil am Gebrauch des Kraftzuges haben Sport und Privatpersonen (über die Hälfte), demnächst das Handelsgewerbe. Nur 1/10 der Autos stehen im Dienst öffentlicher Behörden (wie Heer, Marine, Post usw.).
  30. Erwähnt sei hier auch poch der landwirtschaftliche Unterricht, für den bei jedem Korps einer Kommission aus einem Stabsoffizier und einem Zivilbeamten, in jeder Garnison eine örtliche Kommission aus Offizieren und Agrikulturlehrern besteht, in der jedes Regiment vertreten ist.
  31. Die allgemeinen Dienstobliegenheiten, den inneren und äusseren Dienst, die Rang- und Dienstverhältnisse, Gebührnisse, das Bekleidungs-, Ausrüstungs-, Verpflegungswesen usw. regeln durchdachte Gesetze und Vorschriften. Der „Katechismus“ des Soldaten, die taktischen Reglements, stehen auf der Höhe.
  32. Über die Bewegungs- und Gefechtsformen, sowie die Grundsätze der Kriegsgliederung muss der Offizier, in erhöhtem Masse der Kavallerie-Offizier, auch bei den Nachbararmeen unterrichtet sein. Die Taktik muss noch mehr psychologisch gehandhabt werden, als es heute der Fall ist.
  33. England und Frankreich haben für Heer und Flotte in den 3 Dezennien von 1881–1910 mehr als das Doppelte ausgegeben als wir, nämlich 52,7 Milliarden (gegen 25,2 bei uns) oder 67,6 gegen 32,4 v. H. Für Heereskosten allein hat Deutschland in dieser Zeit 20,6 Milliarden gegen 32,2 von England und Frankreich bezahlt, was einem Anteilsverhältnis von 39:61 entspricht, das aber den Bevölkerungszuwachs noch immer nicht erreicht. Im Vergleich zu unserer Gebietsgrösse, Bevölkerungsziffer und wirtschaftlichen Machtstellung traten unsere Rüstungskosten, absolut gerechnet, noch mehr hinter die jener beiden Länder zurück. Wir haben für die Zeit von 1881–1910 um 44 v. H., jene Staaten nur um 15 v. H. an Bevölkerung zugenommen (abgesehen von der Schaffung einer Kolonialmacht in der 4fachen Grösse Deutschlands). Der Dreibund hat in dem Zeitraum nur 47 Milliarden oder 38,5 v. H., der Dreiverband dagegen 75,1 Milliarden oder 61,5 v. H. oder 28 Milliarden mehr ausgegeben.
  34. Frankreich gab 1912 auf den Kopf 18,55 M., England 12,46, Russland 7,32 M., Österreich-Ungarn 8,72, Italien 9,69 M. aus.
  35. Sie verteilen sich nach fortdauernden und einmaligen Ausgaben wie folgt:
    1913: 1914: 1915: Zusammen
    Fortdauernde Ausgaben: 54 153 186 893
    Einmalige Ausgaben 435 285 178 898

    Insgesamt: 489 438 364 1291 M. 
  36. Wahrscheinlich werden die Kosten im Anfang sogar 10 M. betragen und besser eine Kriegsstärke von 4 Millionen anzunehmen sein, was also 14,6 Milliarden jährlich erfordern dürfte. Denn schon 1870/71 beliefen sich – mit den zunächst unvergütet gebliebenen und gestundeten Naturalleistungen Deutschlands und Frankreichs für die deutschen Heere, sowie der Unterstützung der Familien des Beurlaubtenstandes der zu den Fahnen Einberufenen, aber einschl. der Kosten für die Wiedereinrichtung des Heeres nach dem Kriege – die Kriegskosten vom 1. Mobilmachungstage am 16. Juli bis zur Demobilmachung Ende Juni, also für 350 Tage bei einer durchschnittlichen Kriegsstärke von 1 180 000 Mann täglich auf 6,3 Millionen oder für den Mann auf 5,34 M. mindestens, im ganzen auf 2191 Millionen. Hierin sind die bei Ausbruch des Krieges auf Grund des Friedensetats von 1870 vorhandenen Mittel, nicht aber die Invaliden-, Witwen- und Waisenkosten und die Entschädigung für den Verlust an Privateigentum enthalten.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Zahl fehlt in Digitalisat wie in vorliegendem Exemplar des Einstellers A. W.