Das Cap der guten Hoffnung
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Afrikas Südspitze ist im brittischen Weltstaate, politisch wie kommerziell, einer der wichtigsten Punkte. Ale äußerstes Ende des alten Continents, weit in den südlichen Ocean sich streckend, ist das Cap der guten Hoffnung der Schlüssel zum Anglo-Indischen Reiche und zu den australischen Besitzungen Englands, deren Bedeutung nicht minder groß ist, als ihre Ausdehnung.
Die Entdeckung des Caps muß aus der Wiederauffindung der Canarischen Inseln im 14. Jahrhundert hergeleitet werden. Diese richtete den Unternehmungsgeist jener regen Zeit auf Afrika. Prinz Heinrich von Portugal, welcher, während seiner Feldzüge gegen die Mauren, über die südliche Ausdehnung des afrikanischen Continents Nachrichten gesammelt hatte, gerieth zuerst auf den großen Gedanken, durch die Umschiffung des Welttheils einen neuen Weg nach Indien zu bahnen und seinem Vaterlande einen Theil der unermeßlichen Vortheile zu erwerben, welche Genua und Venedig aus dem Monopol des indischen Handels zogen. Es war kein kleines Vorhaben bei dem damaligen Zustand der Schifffahrt und der Wissenschaft. Noch hatte kein Europäer die Linie passirt. Ein festgewurzelter Wahn umgab die Erde am Aequator mit einem glühenden Lichtgurte, welcher Alles, was sich ihm nahe, in Asche verwandele. Es getraute sich damals kein Schiffer über Cap Bojador hinaus: wer es wage, hieß es, kehre nie zurück. Des Prinzen Ausdauer und Muth hatten, wie sich wohl begreifen läßt, mehr mit diesen Vorurtheilen zu kämpfen, als mit den Elementen: dennoch drang er bis in’s Aethiopische Meer vor und entzauberte den Aequator von seinen Schrecken. Heinrich starb 1473. Was er zur Hälfte vollendet hatte, vollbrachte man unter König Johann dem Zweiten. 1487 erblickte Barthol. Diaz das Vorgebirge, welches die Spitze Afrikas im Süden ausmacht und er nannte es „Cap der guten Hoffnung,“ weil er, obschon durch die Meuterei seines Schiffsvolks zur Umkehr gezwungen, die Ueberzeugung hegte, von da aus, quer durch das Meer schiffend, Indien, das erstrebte Ziel seiner Fahrt, zu erreichen. – Es war keine Täuschung. Zehn Jahre nach [12] ihm umschiffte der gleich kühne, aber glücklichere Vasco di Gama das Cap und landete an der Malabarischen Küste. Venedigs und Genuas Sterne erbleichten.
Die ersten Kolonisationsversuche am Cap wurden von den Portugiesen schon zu Anfang des 16. Jahrhunderts gewagt. Sie scheiterten diesmal und noch öfters in späterer Zeit: theils durch Seuchen, theils durch die Waffen der Neger. Lange blieb hierauf das Cap verlassen. Die Schiffe aus und nach Indien legten in der Tafelbai an, um Wasser einzunehmen und bis in’s 17. Jahrhundert wurde Südafrika als herrenloses Land angesehen, mit gleichem Rechtsanspruch für alle seefahrenden Nationen. Es nahmen zwar, 1620, Engländer förmlichen Besitz von der Tafelbaiküste; aber da es auch jene bei einem schwachen und mißglückten Kolonisationsversuche bewenden ließen, fiel bald Alles wieder in das frühere Verhältniß zurück. Erst dreißig Jahre nachher setzten die Holländer die Ansiedelung durch, indem sie hundert Landstreicher und hundert Mädchen der verworfensten Klasse von Amsterdam herführten, sie verheiratheten, eine Stadt gründeten, ein Fort errichteten und mit Gouverneur und Besatzung versahen. Dieß ist die Gründung der Capstadt.
Durch Beharrlichkeit und Klugheit blühte die Kolonie der Holländer auf und der Widerruf des Edikts von Nantes führte ihr eine Menge gewerbfleißiger und vermögender Einwanderer zu. Die Holländer kolonisirten das Land weit umher und blieben im ruhigen Besitz desselben bis zur Zeit der französischen Revolution. Mit dieser beginnt für Südafrikas Geschichte ein neuer Zeitraum.
Holland, anfangs der großen europäischen Coalition gegen die junge Republik sich anschließend, wurde zum Abfall und zum Bunde mit Frankreich genöthigt, welcher Brittanien zwar vom Kriege des Festlandes ausschloß, dagegen aber Hollands Schiffe und Colonien seiner Seemacht preis gab. Der brittische Commodore Elphinstone eroberte das Cap (16. September 1795) mit Capitulation, und der holländische Admiral Lukas, der die Wiedereinnahme im nächsten Jahre versuchte, wurde mit seiner ganzen Flotte gefangen. Der Friedensschluß von Amiens stellte die Colonie dem Mutterlande, dem Namen nach, zurück; denn Frankreich war Herr überall, wo Holland zu gebieten hatte. Die bald darauf erfolgte Erneuerung des Kriegs, bei welchem Holland, als willenloses Werkzeug Napoleons, nicht ohne Theilnahme bleiben konnte, gab England die gewünschte Gelegenheit, einen Posten wieder zu erobern, dessen Werth es während eines siebenjährigen Besitzes schätzen lernte. Es erschien eine brittische Flotte im Januar 1806 unter dem Befehl des Sir Baird, setzte 5000 Mann an’s Land, und zwang die Holländer zur Uebergabe der Capstadt. Seitdem hat Südafrika stets einen Bestandtheil des brittischen Weltstaates ausgemacht.
[13] Capstadt liegt dicht unterm Tafelberge, an der weiten Bay, die von jenem seltsam geformten Felsenriesen den Namen entlehnt. Neben der Masse des fast 4000 Fuß hoch und senkrecht aufragenden Tafelbergs verschwindet gleichsam die Stadt, und ihre schönen und großentheils ansehnlichen Gebäude, welche sich amphitheatralisch über einander reihen, sehen, sammt den Citadellen auf den benachbarten Höhen, in größerer Entfernung wie Schwalbennester aus. Erst wenn der Riese dem Auge so nahe ist, daß es ihn nicht mehr ermessen kann, erst in der Stadt findet sich der rechte Maßstab wieder, und der Reisende ist erfreut, einen der schönsten und freundlichsten Orte der Erde zu finden. Die Straßen sind breit, regelmäßig, gerade; die Häuser 2 und 3stöckig, groß und stattlich. An den sehr breiten und hohen Trottoirs stehen schattende Eichen, die jede Straße zu einem vor der südlichen Sonne geschützten angenehmen Spaziergang machen. Die städtische Bevölkerung nahm unter der Herrschaft der Engländer um mehr als das Doppelte zu, und übersteigt 22,000 Personen, die in 1800 Häusern wohnen. Der Abstammung nach ist zwar fast die Hälfte der Bewohner holländisch; aber brittische Sitten und Lebensweise haben ganz das Uebergewicht gewonnen, und wenige Colonialstädte sind mehr englischen Ansehens, als die heutige Capstadt. Die Märkte zieren, wie in London, in der Mitte Gärten; Kaffeehäuser, Gasthöfe, Clubs, Vergnügen, Alles ist wie in Alt-England. Selbst Theater und die Wettrennen fehlen nicht. Das herrliche Klima macht die Capstadt für die englischen Beamten und für die begüterten Privatleute in Ostindien zu ihrem Montpellier, und man trifft deshalb immer eine große Anzahl gebildeter Fremden an, welche der Geselligkeit und der Unterhaltung Lebendigkeit, Geist und Mannichfaltigkeit verleihen. In den gesellschaftlichen Kreisen der Capstadt wird jeder leicht vergessen können, daß er sich auf der fernsten Küste Afrika’s befindet.
England bewacht dieses Hauptthor seines Reichs in Indien und in den Australländern mit 1500 Mann europäischer Kerntruppen, welche es alle 2 Jahre ablöst. Mit großem Aufwande hat es die Erweiterung der Festungswerke gefördert und den Platz unangreifbar gemacht. Ueberdieß ist jeder erwachsene Einwohner, sowohl in der Stadt, als in den sich jährlich mehr bevölkernden und weiter ausdehnenden Niederlassungen vollständig bewaffnet und auf das Gebot des Gouverneurs zum Milizdienst verpflichtet. Diese Einrichtung setzt die Colonie in den Stand, binnen 8 Tagen ein kleines Heer von 8000 Mann aufzustellen, das mehr als hinlänglich ist, um irgend einem Feinde, der sich hier zeigen könnte, die Spitze zu bieten.
Die steilen Anhöhen im Rücken der Stadt hat holländischer und brittischer Fleiß in Gärten verwandelt, und auf einer derselben, dem Constantia-Berge, wächst ein Wein, dessen Vortrefflichkeit Weltberühmtheit erlangte. Auch er ist eine Frucht von dem Widerruf des Nanteser Edikts; die ersten Weinpflanzer waren französische Protestanten.
[14] Der Handel der Capstadt ist groß und in außerordentlicher Zunahme. Das Mutterland sendet jährlich für etwa 6 Millionen Gulden seiner Fabrikate hin, wofür es zur Hälfte baares Geld erhält, das der weit größere Handel mit den brittischen Colonien Mauritius, New-South-Wales, Vandiemensland und mit Bengalen nach dem Cap führt. Der jährliche Gesammtverkehr wird auf mehr als 30 Millionen Gulden geschätzt. Auffallend ist in den letzten Jahren die Ausfuhr von Getreide gestiegen, welches in Mauritius und in den Australländern vortheilhaften Markt findet. –