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Das Brigittenschloß (Zetter)

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Textdaten
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Autor: Georg Zetter
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Titel: Das Brigittenschloß
Untertitel: In drei Romanzen
aus: Badisches Sagen-Buch II, S. 55–61
Herausgeber: August Schnezler
Auflage: 1. Auflage
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1846
Verlag: Creuzbauer und Kasper
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Erscheinungsort: Karlsruhe
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Quelle: Commons und Google
Kurzbeschreibung:
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[55]
Das Brigittenschloß. (Hohinrot.)
(Andere Version.)
In drei Romanzen.
1.

Im Walde steht verborgen
Das kleine Siedlerhaus;
Der Greis tritt früh am Morgen
In Gottes Welt hinaus;

5
Sein Glöcklein, angeschlagen,

Verhallt im blüh’nden Bann,
Da schwingt sich über’n Hagen
Ein kecker Jägersmann.

„Sey mir willkommen, Alter!“

10
– So grüßt der Jäger frisch –

„Leg’ heute Kreuz und Psalter
Und Gürtel auf den Tisch,
Und zeig’ mir, frommer Degen,
Was du vor Zeiten warst,

[56]
15
Du Held, vor dessen Schlagen

Manch stolzer Scheitel barst!

Da ließest du die Mette,
Das Kreuz, des Teufels seyn,
Griffst in manch Ehebette,

20
In manchen Pferch hinein,

Warst tapfer auf der Meute,
Frugst nichts nach Recht und Pflicht; –
Zum Ritter sprech’ ich heute,
Des Mönchleins acht’ ich nicht.

25
Du willst mein Wappen kennen?

Frag’, Alter, ohne Noth!
Man wird mit Schall dir nennen
Den Herrn von Hohinrot,
Den mehr, als Kreuz und Klause,

30
Jagdlust und Minne reizt,

Doch dem sein Weib zu Hause
Die Hölle gut geheizt.

Die Hölle, ja die Hölle,
Die Eh’ ist mir verhaßt!

35
Das, Mönchlein, ist die Quelle,

Die nichts als Jammer faßt.
Ein Weib ist unerträglich
Das kalt für Minnescherz,
Nur von Gebeten kläglich

40
Hat immer voll das Herz.


Drum höre meine Bitte:
Wenn heut am Abend spat
Mein eisig Weib Brigitte
Sich deiner Zelle naht:

45
Sey taub für ihre Klagen,

Wirf ab den Schafpelz gleich,
Und öffn’ ihr ohne Zagen
Das Thor zum Himmelreich.

[57]

Du hast mein Wort begriffen?

50
Dies Schwert, so glatt und fein,

Das ist ein scharf geschliffen
Blank Himmelsschlüsselein;
Das stoß’ ihr in das kalte
Lieblose Herz hinein“ –

55
Voll Grauen ruft der Alte:

„Herr! Herr! das kann nicht seyn!“

„Ha, keine Gegenrede,
Fürcht’ Alter, meinen Zorn!
An meinem Grimm geht jede

60
Bedenklichkeit verlor’n!“ –

Mit diesen Worten wieder
Davonsprengt der Barbar;
Der Greis sinkt betend nieder
Vor seinem Felsaltar.


2.
65
Nach Hohinrot, dem Schlosse,

Ziehn heut von Nah’ und Fern
Mit schmuckem Dienertrosse
Die Grafen und die Herrn.
Der Zwerg späht in die Runde

70
Vom hohen Burgaltan,

Und sagt zu jeder Stunde
Viel neue Gäste an.

Der Mönch, der ist verschwiegen,
Und stumm die Todten sind,

75
Die grünen Zweige wiegen

Sich wortlos in dem Wind;
Der Wald im lust’gen Maien
Spricht nichts von Mord und Tod,
Drum keck die Dirne freien

80
Darf Herr von Hohinrot.


Die Geiger aus den Brettern
Die fiedeln frohe Weis’,

[58]

Die Hörner lustig schmettern,
Die Becher gehn im Kreis;

85
Der Saal, geschmückt mit Kränzen,

Fast kaum die wilden Reih’n,
Und tausend Lichter glänzen
Tief in die Nacht hinein.

Der Herr geht durch die Hallen

90
Reulos, mit frohem Sinn,

Sein Blick ruht mit Gefallen
Auf seiner Buhlerin.
Er grüßet Jung und Alte;
Wo blieb des Festes Preis,

95
Wo blieb der Mann vom Walde,

Der fromme Siedlergreis?

Und horch! da dröhnt die Pforte
In ihren Angeln jach,
Ein Greis tritt ohne Worte

100
Ins festliche Gemach.

Er führt an seiner Rechten
Ein Weib, so stumm und bleich,
In milden Sommernächten
Dem stillen Monde gleich.

105
Es geht ein seltsam Grauen

Dem Pilgerpaar voran,
Und alle Blicke schauen
Zum hohen Greis hinan.
Doch sieh, man kennt ihn balde!

110
Die Mähr’ fliegt durch den Kreis:

„Das ist der Mann vom Walde,
Der fromme Siedlergreis!“

Der reckt sich hoch und höher
Und droht mit finstern Brau’n,

115
Er steht, als wie ein Seher

Der Urwelt anzuschau’n
Sein Blick in tiefster Feier
Durchblitzt die Reihen dicht,

[59]

Drauf lichtet er vom Schleier

120
Der Pilgerin Gesicht.


Da dröhnt aus Saales Mitte
Ein Schrei, entsetzlich fast:
„Brigitte! weh, Brigitte! –
Wer lud den Tod zu Gast?“

125
Des Alten Blick im Reigen

Ins Herz dem Grafen bohrt,
Da bricht sein Mund das Schweigen,
Da schallt sein Donnerwort:

„Heraus, du Mann von Eisen!

130
Die droht ein Mönchlein nur!

Nun wird sich’s keck erweisen,
Wem Unrecht wiederfubr.
Laß deine Zornglut lodern!
Die Todten kommen nicht,

135
Die Lebenden, sie fordern

Dich, Sünder, vor Gericht.

Die du aus deinem Hause
Verbannt, verstoßen hast,
Sie fand in meiner Klause

140
Im fernen Walde Rast;

Der Herr, der Hort der Armen,
Gab ihr ein gut Geleit,
Der Wald hielt voll Erbarmen
Ihr Speis’ und Trank bereit.

145
Nun magst dein Schwert du zücken,

Wenns dich entsünd’gen kann!
Es steht vor deinen Blicken
Ein waffenloser Mann;
Reiß’ ab ihm die Kaputze,

150
Schau’ ihm ins Aug’ hinein,

Sein Haupt ist, dir zum Trutze
Von Mord und Blutschuld rein!“ –

[60]

Schwer traf die Donnermahnung
Des frechen Räubers Ohr,

155
Er steht voll banger Ahnung

Und rafft sich jach empor;
Er stürzet aus dem Saale,
Er eilet ohne Rast
Und birgt in tiefem Thale

160
Des Herzens Schuldenlast.


Er kann nicht Ruh’ mehr finden,
Kein Stern hellt seine Bahn,
Es klammern alle Sünden
Sich seinen Fersen an.

165
Gejagt, gepeinigt tost er,

Durch Kluft und Haideland,
Bis er in fernem Kloster
Ein friedlich Obdach fand.


3.

Auf Hohinrot, dem Schlosse

170
Da ists so still umher,

Da wiehern keine Rosse,
Da blinkt kein Jägerspeer.
Ein Kirchlein von der Halde
Begrüßt die Gau’n im Kreis,

175
Drin dient der Mann vom Walde

Der fromme Siedlergreis.

Es wehet von der Zinne
Kein stolz Panier fortan,
Es schallt kein Lied der Minne

180
Vom hohen Burgaltan.

Ein Kreuz strahlt ob den Thoren
Vergoldet in die Fern,
Das Herz, das viel verloren,
Sucht seinen Schöpfer gern.

185
In frommer Schwestern Mitte

Dient Ihm, der Welt entrafft,

[61]

Die Büßerin Brigitte
In tiefer Klosterhaft.
Des Gatten Schuld zu wenden

190
Beut sie den reichen Schatz,

Das Gold mit vollen Händen
Den Armen zum Ersatz.

Den Wittwen und den Waisen,
Den Kranken in der Rund,

195
Die sie als Mutter preisen,

Thut sich ihr Segen kund;
Die Dörfer kommen alle
Zu knie’n an ihrem Herd,
So ward sie bald mit Schalle

200
Als Heilige verehrt.


Wohl ist das Schloß zerfallen,
Wohl steht der Thurm verwaist,
Doch ob den öden Hallen
Schwebt noch Brigittens Geist.

205
Wohin dein Auge schaue,

Ihr Segen schmückt das Land,
Drum wird die Burg im Gaue
Brigittenschloß genannt.

Friedrich Otte.