Colt’s Drehpistolen-Fabrik in Milbank
Eine der neuern Waffen, welche bestimmt ist, eine große Rolle zu spielen und auch schon zum Theil gespielt hat, sind die von dem nordamerikanischen Obersten Colt in Hartfort (Connecticut) erfundenen Revolvers oder Drehpistolen. In dem letzten Kriege der Vereinigten Staaten gegen Mexiko haben sich die Revolvers als so zweckmäßig bewährt, daß sie zur Lieblingswaffe der Yankees geworden sind, zugleich aber auch die Aufmerksamkeit der Militärs aller Länder erregten, und daher schließlich den Erfinder Colt veranlaßten, von Amerika herüber zu kommen und in Milbank bei London eine große Fabrik zu gründen. Hier, wo neben zweihundert Maschinen an vierhundert Arbeiter beschäftigt sind, sowie in Colt’s noch bedeutendern Fabriken jenseits des Oceans, konnten, dem Weltfrieden zum Trotz, schon seit geraumer Zeit die einlaufenden Bestellungen nicht befriedigt werden.
Der Leser begleite uns auf einem Besuche nach Milbank. Eine Tafel setzt uns in Kenntniß, daß der Eintritt nur in Geschäftsangelegenheiten oder auf besondere Erlaubniß gestattet ist. Letztere ertheilt uns der Oberaufseher; wir treten in das Comptoir und finden hier den Oberst Colt selbst. Man fühlt gleich, daß man sich keinem Manne gewöhnlichen Schlags gegenüber befindet, doch vereinigt der Oberst die ausgesuchteste Höflichkeit mit dem liebenswürdigsten Sich-Gehen-Lassen, und bietet sich uns sofort selbst zum Cicerone in seinem weitläufigen Etablissement an, wohin wir ihm voller gespannter Erwartung folgen.
Ehe eine Drehpistole fertig wird, unterliegt sie zweihundert verschiedenen Operationen, welche ungefähr einen Zeitraum von sechs Monaten erfordern. Der Anfertigung vom Beginn bis zum Ende zu folgen, wäre daher eine Aufgabe, für welche in der Gartenlaube der Raum mangelt, und die ohne zahlreiche erläuternde Zeichnungen dem Leser auch nur unverständlich bleiben würde. Wir beschränken uns daher auf die Erzählung des Wesentlichsten, was wir bei unserm Besuche zu sehen bekommen.
Das drei Stock hohe Fabrikgebäude ist ungefähr 300 Füß lang. Die zur Fabrikation der Revolvers nothwendigen Maschinen und Werkzeuge werden im untersten Stocke verfertigt, wo sich eine das Ganze treibende Dampfmaschine von 32 Pferdekraft befindet. Hier auch ist die große Schmiede gelegen, wo zuerst die Pistolenläufe hergestellt werden. Eine Vorrichtung, die in ihrem Baue Aehnlichkeit mit einer Guillotine hat, und wo ein an einer Kette befestigter Hammer mit voller Wucht von Oben herabfällt, giebt hierauf dem Sitze des Schlosses am Laufe mit einem einzigen Schlage die gewünschte Form. Wenn die zu diesem Zwecke glühend gemachten Läufe wieder erkaltet sind, kommen sie in die Bohrmaschine, worauf die Außenseite geglättet wird, während eine andere Maschine in die Innenwand Fugen einschneidet. Hieran schließt sich das schraubenmutterartige Ausbohren der Läufe, wonach eine Justirmaschine den gezogenen Lauf fertig herstellt. Hält man einen Pistolenlauf in diesem Zustande gegen das Licht, so ist man nicht wenig über die prachtvolle Schneckenform des Zugs erstaunt, welche wie bekannt, eine nothwendige Bedingung für die Sicherheit des Schusses ist. Außerdem hat dieses Verfahren den Vortheil, daß, indem es die Oberfläche dem vollen Lichtstrahle aussetzt, der kleinste Fehler im Metalle wahrzunehmen ist.
Der Bau des aus mehreren sich drehenden Abtheilungen [224] (Kammern) bestehenden Schwanzschraubencylinders erregt nunmehr unsere Aufmerksamkeit. Derselbe zeigt sich zuerst als ein starkes Stück ungeformten Stahls, bis ihn die Maschinen nach und nach schneiden, bohren, poliren und graviren; die gravirten Gegenstände stellen meist Schlacht- und Jagdscenen vor, und ist das Graviren auf mechanischem Wege ein uns von den Amerikanern abgewonnener Vorsprung. Ungleich wichtiger als diese Operationen ist jedoch das Ausbohren der Cylinderkammern, welches die äußerste Sorgfalt erfordert, da die Oeffnungen der Kammern genau auf das Loch des Hauptlaufes passen müssen, um das richtige Losgehen zu ermöglichen.
Die Operationen zur Verfertigung der Schlösser und Ladestöcke sind nicht weniger zahlreich, und zeichnen sich durch gleich sorgfältige Arbeit aus, wie denn überhaupt alle einzelnen Theile mit außerordentlich gleichförmiger Genauigkeit gearbeitet werden, so daß ein und derselbe Cylinder auf alle Läufe paßt, jeder Ladestock für alle Kammern, dieselbe Schraube in jedes Loch, die gleiche Warze für alle Zündhütchen. Das Vortheilhafte dieser Einrichtung, wornach ein vielleicht im Kampfe beschädigter Theil der Pistole, sogleich durch einen andern gleichen Reservetheil ersetzt werden kann, liegt auf der Hand.
Obwohl der Revolver nun eigentlich fertig ist, so sind doch noch einige Dutzend Maschinen da, die er jetzt passiren muß; theils wird er dadurch vollends justirt, theils geglättet und polirt, bei welchen feinsten Arbeiten zuletzt die Menschenhand an die Stelle der Maschinen tritt.
Wenn man aus den obern Stockwerken wieder herabsteigt, betritt man die Werkstätten, wo die Pistolenetuis angefertigt werden, und daneben die Packstube, wo eine wiederholte Prüfung der verschiedenen Theile des Revolvers stattfindet. Mit dieser Prüfung ist es übrigens nicht abgethan, und jeder Revolver muß auf Anordnung der Regierung die Feuerprobe bestehen. Außerdem ist Oberst Colt bei der Fabrikation seiner Waffen so gewissenhaft, daß er selbst jedes einzelne Stück viel härtern Schießproben unterwirft.
Die Zahl der täglich fabricirten Pistolen beläuft sich auf cc. hundert, jährlich etwa 30,000, womit natürlich der Nachfrage weitaus nicht genügt wird. Unsere Abbildung zeigt dem Leser den vollständigen Revolver, die beiden kleinern Zeichnungen das Gerippe des vordern und hintern Theils. Die runden halbschwarzen Punkte in dem Schwanzschraubencylinder der größern Zeichnung zeigen die Lage der Kugeln in den beweglichen Kammern, auf welch letzterer Einrichtung im Wesentlichen das Prinzip der Colt’schen Drehpistole beruht. Wenn die Kammern des Cylinders einmal geladen sind, kann in jeder Sekunde ein Schuß abgefeuert werden; rechnet man hierzu, daß ein Revolver 6–800 Fuß weit trägt, so kann man sich von dieser mörderischen Waffe, deren Einführung in der englischen Armee eifrigst betrieben wird, einen hinreichenden Begriff machen.
Bei dem Etablissement in Milbank sei noch erwähnt, daß viele der Arbeiten von Frauen und Kindern verrichtet werden, was um so eher geschehen kann, als sämmtliche Maschinen sehr klein sind, jede immer nur eine Verrichtung zu bewerkstelligen hat und die Leitung und Beaufsichtigung sehr leicht ist. Man könnte sogar fast sagen, daß die vielen verschiedenen kleinen Maschinen, die insgesammt von der großen Dampfmaschine in Bewegung gesetzt werden, als eine Art Automaten arbeiten, deren Funktionen nur von Menschenhänden geregelt werden. Sämmtliche Werkstätten sind luftig und hell, die unter den Arbeitern herrschende Stille ist jedoch das Anzeichen einer strengen Disciplin. Die Arbeitslöhne betragen von zwei bis sieben Schilling täglich; der Oberst hält dabei auf Pünktlichkeit und Fleiß, Mäßigkeit und gute Aufführung. Blauen Montag gibt’s in Milbank nicht, jeder Wochentag gehört der Arbeit, doch sind die Tage nicht lang. Um vier Uhr Nachmittags stehen die Maschinen stille, und die für die Nacht bestimmten Aufseher beginnen ihren Dienst. Diese haben die einzelnen Räume zu überwachen, und sind durch eine mechanische Vorrichtung ihrerseits selbst wieder überwacht, so daß, wenn etwa einer auf seinem Posten einschliefe, seine Nachlässigkeit sofort verrathen werden würde.