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Clumm in Tyrol

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
XXIX. Constantinopel Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Erster Band (1833) von Joseph Meyer
XXX. Clumm in Tyrol
XXXI. Como
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VESTE KLUMM IM INNTHALE,
in Tyrol.

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XXX. Clumm in Tyrol.




Der Rheingau hat wohl seine Sänger in allen Zungen gefunden. Gelehrte Reisende aller Nationen hatten es gemächlich genug, auf ihrem Fahrzeug die herrliche Landschaft abzureißen, sie an ihrem Pulte, mit Hülfe der tausend Beschreibungen ihrer Vorgänger, auf eigene Weise vollends auszumalen und dann einzustimmen in den universellen Chorus zum Ruhm und Preis des Feenlandes am Rheinstrom. So ist es denn gekommen, daß der gebildete Russe wie der Nordamerikaner, der edle Ungar wie der Engländer, die Topographie unsers Rheinthals von Mainz bis Koblenz oft besser kennt, als die der Umgebungen seiner Vaterstadt; aber um so Wenigere wissen, daß andere Gegenden Deutschlands noch manche unbekannte Welt von Schönheiten verbergen, die den in jenem allberühmten Thale nicht nachstehen. Alles was am Rhein entzückt, findet man fast eben so schön an der böhmisch-sächsischen Elbe und an der österreichischen Donau; schöner in einigen Thälern Tyrols, Krains und Steyermark’s; unerreicht in dem Thale des Inn, oberhalb und unterhalb Innsbruck. Die großartigste Berg- und die lieblichste Thalnatur in immerwährender wechselnder Mannichfaltigkeit der Formen, von einem den Rhein an Größe zwar nicht erreichenden, aber doch immer majestätischen Strom belebt, Klöster und Ritterburgen, heitere Fernsichten, urplötzlich auf das Dunkel der Schluchten folgend, nichts auf der Rheinreise Erfreuendes fehlt, und Manches findet man hier, was man auf jener vergeblich suchen [75] würde, – z. B. schimmernde Schneegipfel aus Wolkenhöhen und leuchtende Gletscher. Wäre es nicht eine alte Krankheit des Menschen, immer auf derselben Stelle wiederzusuchen, wo vor ihm Andere gefunden, dann könnte man nicht begreifen, warum die Schwärme der Reisenden aller Länder Jahr aus Jahr ein immer und immer nur den Rheingau zum Ziel ihrer Fahrten wählen; und ausschließlich dorthin pilgern zum Kauf des Genusses einer großen und schönen Natur, während die gleich herrlichen Gegenden in andern Theilen unseres Vaterlandes von ihnen unbesucht bleiben.

Aus dem herrlichen Panorama des Innthals gibt das nebige Bild eine der schönsten Parthien.

Die halbverfallene Bergfeste Clumm liegt dicht an der Heerstraße, welche aus Tyrol nach Baden und der Schweiz führt, ungefähr 8 Stunden westlich von Innsbruck, malerisch auf einem rundum senkrecht abgeschnittenen Felsen, nur durch eine kühne, die trennende Kluft überspannende hölzerne Brücke zugänglich. Von ihrem Thurme genießt man eine der reizendsten Aussichten, wie sie die Schweiz selbst nicht schöner bietet. Vor sich zu seinen Füßen hat der Wanderer das romantische, fruchtbare Innthal, vom breiten Strome durchschlängelt, besäumt mit dunkeln bis 1000 Fuß hohen, schroffen Felsenmauern. Ueber diese richten sich, amphitheatralisch, die höheren Bergmassen der Alpen auf, und hoch über diese hängen die ungeheuern Eisfelder des Hochvogels, dessen ewig beschneite Hörner in einer Höhe von 10,000 Fuß mit den Wolken kosen. Rechts und links in größerer Ferne schimmern die weißen Scheitel der Salzburger Alpen, des Fenner, und noch weiter der des Oerteler, dem Montblanc an Höhe fast gleich. Am herrlichsten ist die Gebirgsansicht bei untergehender Sonne, wenn in ihrem Golde die Gletscher als eben so viel Feenschlösser glänzen.