Christliche Symbolik/Thür
Christus spricht: „Ich bin die Thür, so Jemand durch mich eingeht, der wird selig werden.“ Johannes 10, 9. Die [487] Pforte, die zur Verdammniss führt, ist weit, die zum Leben schmal. Matth. 7, 13. Ueber Dante’s Hölle steht geschrieben: „Wer durch mich eingeht, lasse jede Hoffnung hinter sich.“
Insbesondere wurde die Thür ein Sinnbild der Gnadenmutter und Gottesgebärerin, durch welche alles Heil in die Welt gekommen. So in unzähligen Hymnen: Tu regis alta janua (in dem Hymnus: O gloriosa virginum), porta, ex qua mundi lux est orta (in dem Hymnus: Ave regina coelorum), felix coeli porta (im Hymnus: Ave maris stella), porta orientalis (im Hymnus: Salve virgo puerpera). Am häufigsten aber wird von der heiligen Jungfrau Maria der Ausdruck gebraucht: porta clausa, mit Beziehung auf Ezechiel 44, 2, wo Gott durch die verschlossene Pforte geht, ohne dass sie sich zu öffnen braucht. So wurde Maria durch Gott Vater Mutter des Sohnes und blieb doch Jungfrau. Vgl. Conrad von Würzburg, goldne Schmiede, Vers 1786 f. Wackernagel, Kirchenlied Nr. 94. Auch auf Bildern kommt die verschlossene Pforte Ezechiels sehr oft als Attribut der Maria vor, Didron, man. p. 147; dessen annales I. 214. Bezug darauf nimmt auch die „goldne Pforte“ in der Peterskirche zu Rom, die der Papst nur einmal nach seiner Wahl und sonst nur je an einem Jubeljahr mit einem goldnen Hammer anschlagen und öffnen darf.
Die christliche Kirchenbaukunst nahm bei Anlage der Kirchenthüren immer Rücksicht auf Symbolik. Der byzantinische und romanische Rundbogen entsprach der Form des Regenbogens und Thierkreises und bildete gleichsam ein Thor des Himmels. Auch insbesondere die „goldne Pforte“ wurde an Kirchthüren wiederholt mit Bezug auf die heilige Jungfrau. Gerade über dem Bogen oder dem Mittelpfeiler zwischen den beiden Thürflügeln stand die göttliche Mutter mit dem Kinde. In dem Rande des Bogens wurden überaus oft die zwölf Apostel, Propheten, Patriarchen statuarisch angebracht, gleichsam als die Sternbilder im christlichen Zodiacus. Die Hauptthür der Kirchen ist immer auf der Westseite, denn man geht dem Licht nach Osten entgegen. — Der gothische Spitzbogenstyl verliess die Symbolik des Himmelsbogens, [488] nahm aber in ihren reichen Ornamenten die Symbolik des Weinstocks auf. Das Stabwerk der gothischen Portale rankte sich zur Weintraube empor. Christus wurde hier zugleich als die Thür, durch die man eingeht, und als der Weinstock betrachtet.
Dursch in seiner Aesthetik der christlichen bildenden Kunst sagt vom Freiburger Dom S. 349: „Betrachten wir die christliche Kirche als die Vermittlerin des Heils, welches der Sohn Mariens der Welt bereitet hat, so wird uns auch die Bedeutung der bildlichen Darstellung leicht einleuchten. Beim Eintritt in die Halle erscheint uns Maria mit dem Christkinde, als Ziel der Verheissung und als Morgenstern des Heils. Im Bogenfelde erblicken wir die Geschichte Christi als die Ursache unseres Heils dargestellt, womit zugleich angezeigt ist, wo wir unser Heil suchen sollen. Als Mittelpunkt der heilsamen Wirksamkeit Christi erscheint uns hier Christus am Kreuze in grösserer Dimension, wie er nämlich für die Sünden der Welt seinem himmlischen Vater gehorsam war bis zum Tode am Kreuze. Der Glaube an den welterlösenden Kreuzestod Christi bildet von nun an eine Scheidung in der Welt, welche einerseits durch die Seligen, andererseits durch die Verdammten um das Kreuz dargestellt ist. Die subjective Scheidung der Geister, welche hier der Glaube bildet, wird durch den Richterspruch am jüngsten Tage eine objective und ewig dauernde. Die östliche Wand dieser Eingangshalle stellt uns daher die Wirkungen des Christenthums oder der christlichen Kirche in der Zukunft dar, während die plastischen Werke der rechten und linken Wand das Verhältniss der alten Welt, das Heiden- und Judenthum zu der Erlösung versinnbilden. Die Einen erwarteten in dem Messias den Erlöser der Welt und fanden in ihm ihr Heil, während die Andern sich von ihm abwenden und in Eitelm ihr Heil suchen. Diese bildliche Darstellung versinnbildet recht deutlich die Universalität des Christenthums und die hohe Bedeutung der christlichen Kirche, Vermittlerin zwischen Gott und den Menschen zu seyn.“ [489] Die zwei Pfeiler oder Thürme, zwischen denen das Thor sich vertieft, werden auf die beiden Säulen am Tempel zu Jerusalem bezogen. Vgl. den Artikel Säule. — Die beiden Thürflügel entsprechen den beiden Testamenten. Auf den grossen Bronzethüren zu Florenz (von Ghiberti), zu Nowogrod etc. ist wirklich die ganze biblische Geschichte illustrirt. die des alten Testamentes zur Linken, die des neuen zur Rechten. Vgl. Kunstblatt 1831. Nr. 13. Die beiden Seiten werden auch im Gegensatz von Judenthum und Christenthum aufgefasst, und auf die eine Seite die allegorische Figur der Synagoge (s. diesen Artikel), auf die andere die der Kirche gestellt. Oft auch findet man rechts die fünf klugen, links die fünf thörichten Jungfrauen dargestellt (s. diesen Artikel).
In der späteren Gothik kam die Dreizahl der Thüren auf, besonders in Frankreich, so dass nicht selten die ganze Westseite einer Kirche von den drei vertieften und auf’s Prachtvollste ornamentirten Thüren eingenommen erscheint. Der Dreizahl liegt hier keine andere Bedeutung als die der Dreieinigkeit zu Grunde.
Ueber den Kirchenthüren wurden zum Theil die Statuen der Kirchenpatrone angebracht, zum Theil allgemeine Symbole. Unter diesen ist der Löwe besonders merkwürdig. Simson bricht den Rachen des Löwen auf. Vgl. d. Artikel Simson. Ein Löwe (Christus) hütet die Pforte. Zwölf Löwen (die Apostel) reihen sich um die Thüre wie vor dem Thron Salomo’s als Wächter der Kirche. Ein Löwenkopf war beliebt als Thürklopfer mit dem beweglichen Ringe. Vgl. d. Artikel Löwe.