Christliche Symbolik/St. Paulus
der grosse Apostel, der erst nach dem Tode Jesu sich bekehrte, dann aber allen andern Jüngern desselben durch seinen feurigen Geist und grossartiges Wirken voranleuchtete. Er war den Heiden zum Licht gesetzt, Apostelgesch. 13, 47. Er vor Allen war Bekehrer und Erleuchter jenes unermesslichen Völkerkreises gebildeter und mächtiger Heiden, die um das kleine Palästina lagerten. Vor ihm hatte man immer noch geglaubt, das Christenthum sey eigentlich doch nur eine jüdische Nationalangelegenheit; selbst Petrus wollte den Bekehrten aus dem Heidenthum neben der Lehre des Heilands auch noch das Gesetz des alten Testamentes aufdringen. Paulus aber vertrat das Christenthum als Weltreligion, als Erlösungsmittel für alle Völker, unabhängig vom Mosaismus. [201] Diesem letzteren blieb jedoch sein hoher Werth als Vorbereitungsstufe für das Christenthum und als Schutzwehr gegen die Gnosis, die als das andere Extrem des Judaismus von der Heidenseite her die christliche Lehre zu beirren drohte. Darum arbeiteten Paulus und Petrus, wenn auch in verschiedenen Richtungen, dennoch einmüthig und brüderlich an demselben heiligen Werke, und die Kirche hat ihr brüderliches Zusammenstehen zum Hauptsinnbild ihrer eignen Kraft und Einheit gemacht, worin zugleich die Weltstellung der christlichen Kirche zum Judenthum und Heidenthum ausgedrückt wird.
Nach altem, geheiligten Gebrauch der Kirche steht Paulus rechts und Petrus links, sogar auf dem Stuhl und Siegelring des Papstes. Molani, hist. imag. p. 304. Der Vorrang des Paulus wird ex immortalitate hergeleitet. Petrus diente dem noch im Leben wandelnden Christus, Paulus dem schon auferstandenen. Petrus fasste ihn mehr von seiner menschlichen, Paulus von seiner göttlichen Seite. Durandi, rationale VII. 44. 6.
Nach des Nicephorus Kirchengeschichte, Paris 1630, I. 2. 37, war Paulus klein, gebückt und kahl. Diese Schilderung (vielleicht hervorgegangen aus dem Bestreben, den Geist auf Kosten des Leibes zu preisen und den heidnischen Gelüsten nach Anbetung schöner Körper keine Nahrung mehr zu geben) entspricht dem nicht, was uns die Apostelgeschichte von dem ritterlichen Charakter des Apostels (schon als Saulus) meldet. Jedenfalls hat die kirchliche Kunst nur seine apostolischen Eigenschaften ausgedrückt, indem sie ihn gross, gerade und edel darstellte. Raphael in seinem berühmten Bilde stellt ihn dar, wie er zu Athen den Philosophen predigt, auf sich selbst stehend, fest wie eine Säule und strahlend von göttlicher Geisteskraft. Gewöhnlich geben die Künstler diesem Apostel eine dem Heiland nicht ganz ungleiche Kopfbildung, gescheiteltes und rollendes Haar, einen etwas längeren Bart und etwas ältere Züge. Seine Attribute sind ein Buch (das Wort Gottes) und ein Schwert. Das Schwert deutet auf sein Martyrium, sofern er enthauptet wurde, wird [202] aber auch symbolisch bezogen auf die Kraft seines Geistes und seiner Rede. Durandus (rat. I. 3. 16.) sagt: Mucro furor Pauli, liber est conversio Sauli. Zuweilen hat Paulus auch zwei Schwerter, vielleicht um jenen Doppelsinn damit auszudrücken, oder als Pendant zu den beiden Schlüsseln Petri. Wie diese Schlüssel Himmel und Hölle aufschliessen, so entsprechen die beiden Schwerter dem Schutz der Gerechten und dem Schrecken der Verdammten. — Ein weiteres Attribut des Apostels ist das vas electionis. Man findet es auf der bronzenen Thüre der Peterskirche. Abgebildet bei Ciampini, vet. monum. musiva, tab. 19. Paulus trägt das Schwert in der Rechten, ein Buch in der Linken. Zu seinen Füssen rechts aber steht ein durchsichtiges Blumengefäss, in dem man einen kleinen Löwen als Wurzel der Blumen erblickt, die lilienartig hervorwachsen und auf die sich eine Taube von oben (der heilige Geist) herabsenkt. Ciampini bezieht dieses seltsame Sinnbild auf Apostelgesch. 9, 15, wo Gott den Apostel sein auserlesenes Gefäss nennt. Mit Recht; doch dürfte insbesondere der Löwe die Kraft, die Blumen die Schönheit und die Taube die Heiligkeit der paulinischen Beredsamkeit bezeichnen. — Auch Wolf und Lamm kommen als paulinische Attribute vor in den Miniaturen der Herrad von Landsberg zu Strassburg. Sie bedeuten den Saulus vor, den Paulus nach der Bekehrung.
Die bedeutsamsten Hauptscenen im Leben des Paulus sind oft auf Kirchenbildern und von den grössten Meistern gemalt worden. Vor allen seine Bekehrung, wie aus dem wilden Christenverfolger Saulus der feurigste Apostel des Christenthums Paulus wird. Der Tag dieser Bekehrung wird von der Kirche besonders gefeiert am 25. Januar. Die Darstellung der Scene entsprach vollkommen dem gewaltigen Genie des Michel Angelo, auf dessen Bilde Saulus, von der Erscheinung Christi in den Wolken und nicht von einem gemeinen Blitze geblendet, niederstürzt. Vasari, deutsch von Schorn und Förster V. 353. Nicht minder dem Genie des eben so gewaltigen Rubens, auf dessen Bilde zwar zu viele [203] Figuren vorkommen, eine ganze Caravane, der allgemeine Schrecken aber, das Zusammenstürzen von Mann und Ross vor der Macht Gottes mit ergreifender Wahrheit dargestellt erscheint. Vgl. Waagen, Kunst in England II. 355. Passavant, Reise in England 154. Carus II. 76.
Der Bekehrung folgt die dreitägige Blindheit des Paulus und die von Rubens gezeichnete Scene, wie ihn Teufel schlagen.
Dann die Erhebung zum Apostelamte und dessen wundervolle Ausübung, unterbrochen von Leiden und Gefahren.
Unter den Bildern aus dem Leben des Apostels Paulus sind am berühmtesten die in den Tapeten von Raphael: die Bekehrung, Paulus im Kerker, Blendung des Elymas, Opfer zu Lystra, Predigt zu Athen. Die letztere ist eines seiner Meisterwerke, die Macht des Geistes und Wortes in dem Prediger lässt sich nicht grossartiger und begeisterter auffassen. Vgl. Passavant, England 38. Auf dem Kerkerbilde ist das Erdbeben allegorisch dargestellt durch einen Riesen unter der Erde.
Die Blendung des Elymas ist das Gegenbild zur Blendung des Paulus selbst. Des ungläubigen Saulus vermeintes Besserwissen endet in unschädlicher Blindheit, auf dass sein Auge hell werde, die ganze Wahrheit zu erkennen und fortan im reinsten Lichte zu wandeln. Der vorher mit der Wahrheit bekannte, innerhalb der Kirche heimische, aber durch Sünde das Licht sich selber verdunkelnde Christ, der Verräther am Christenthum wird mit ewiger Blindheit geschlagen. Das ist der Unterschied der äussern Feinde und der innern Verräther der Kirche.
Unter den Predigtscenen ist die vornehmste die Predigt zu Athen in dem schon erwähnten bewunderungswürdigen Bilde von Raphael. Das ist das Gegenbild zu der Predigt des Knaben Jesu unter den Pharisäern und Schriftgelehrten im Tempel zu Jerusalem. Denn es ist der Areopagus, es ist eine Versammlung der erfahrensten und geistreichsten Hellenen, es ist die Blüthe der antiken heidnischen Weisen, vor denen der Apostel zum erstenmal das neue Heil verkündet. [204] Im Tempel zu Jerusalem waren es die Weisen des alten Gesetzes, hier sind es die der classischen Vorwelt. Wie aber die Juden schon im alten Testament die Messiasidee, so hatten jene gelehrten Heiden in Athen wenigstens „den Altar des unbekannten Gottes“, in dessen Errichtung eine dunkle Ahnung eines erst künftig zu verkündenden Gottes lag, vor dem alle andern verschwinden sollten. Dieses Altars gedenkt auch Pausanias, Attika I. 1. Philostratos im Leben des Apollonius VI. 2. Lukian, Philopatris 13. — Der Maler Lesueur malte die zweite unter den berühmten Predigten des Paulus, die zu Ephesus, die so gewaltig war, dass die Philosophen selber die Bücher ihrer falschen Weisheit herbeischleppten und verbrannten.
Das Gegenbild dazu ist die Predigt des Paulus und Barnabas zu Lystra und das Opfer, welches ihnen die Heiden daselbst bringen wollten, indem sie Götter in ihnen sahen und sie als Götter anbeteten. Hier ist der Unterschied des Christengottes von den Heidengöttern am schärfsten ausgedrückt. Diese Scene aber ist wieder ein Abbild der Versuchung Christi durch den Teufel in der Wüste. Der Teufel zeigt dem Heiland die Herrlichkeit der Welt, damit er durch sie geblendet werde, von Gott abzufallen, wie Lucifer. Die Heiden thun unbewusst und in gutem Willen, nur in ihrer alten Täuschung befangen, etwas Aehnliches, indem sie heidnische Ehren auf christliche Apostel häufen.
Unter den Leidensscenen, die der Apostel erlebte, steht oben an die Befreiung aus dem Kerker durch das Erdbeben, eines der erhabensten Wunder in der Apostelgeschichte. Die Tiefe der Erde selbst sträubt sich gleichsam, den Mann Gottes in ihre unterirdischen Kerker, in ihr finsteres Gestein aufzunehmen, ihn, der dem hohen Himmel angehört. Das Gegenbild dazu ist daher die Entzückung des Paulus bis in den dritten Himmel. Poussin hat diese Erhebung in den Himmel sehr schön und wundervoll in einem Gemälde dargestellt. Drei grosse Engel tragen den Heiligen wie im Sturm empor. Landon, annales II. 72.
[205] Die Begebenheit auf der Insel Malta gehört ebenfalls zu den am häufigsten gemalten Kirchenbildern aus dem Leben des Paulus. Eine Schlange hing sich an ihn. Man sah das als einen Beweis an, dass er ein Mörder seyn müsse, den die Rache der Götter verfolge, weil er, kaum dem Schiffbruch entronnen, von einem giftigen Thiere angefallen werde. Aber er schleuderte die Schlange in’s Feuer und blieb unversehrt. Siegreich schreitet der Heilige aus der Umdrohung von Tod und Teufel her. Weder die Tiefe des Meeres, noch die Schlangen der Tiefe können ihm, dessen Heimath die obere Welt des Lichtes ist, wehe thun, und die Thorheit und Verleumdung der blinden Menge wird beschämt. Ein Sinnbild zum Trost aller Gerechten in grossen und kleinen Gefahren und unter den Vorurtheilen des Haufens. — Man zeigt noch die Höhle auf der Insel Malta, wo Paulus das Wunder vollbrachte, und kleine Steine, die hier gefunden werden und von denen das Volk glaubt, sie helfen gegen Schlangenbiss.
Ein apokryphisches Buch von den Thaten des Paulus hat schon Eusebius als falsch verworfen. Eben so hat man ihm fälschlich einen Briefwechsel mit dem römischen Philosophen Seneca angedichtet (Rösler, Bibliothek d. Kirchenväter IV. 372.). Endlich auch eine Offenbarung (wie die des Johannes) und eine Vision, die aus jener entlehnt scheint und im 11ten Jahrhundert im südlichen Frankreich verfasst wurde. Paulus macht hier, wie Dante, eine Reise durch Himmel und Hölle. Es zeugt, besonders in den Höllenscenen, von sehr lebendiger Phantasie, weshalb es Ozanam in s. Dante S. 317 hat abdrucken lassen.