Christliche Symbolik/Johannes der Evangelist
von den Griechen immer Theologos genannt, der jüngste unter den Aposteln und Bruder des ältesten, Jakobi, also dass beide Brüder die Apostelreihe dem Alter nach beginnen und schliessen. Johannes war Jesu Liebling und ruhte an seiner Brust, in welcher Beziehung der sanfte Benjamin als jüngster der zwölf Söhne Jakobs sein Vorbild ist. Im Abendland wird er immer jung dargestellt, in der griechischen Kirche aber als Greis, Didron, man. p. 299. Das letztere, weil er ein sehr hohes Alter erreichte, ja nach Joh. 21, 22. gar nicht sterben soll. Man bezog das auf den fabelhaften Priester Johannes, der in der Mitte Asiens als Priesterkönig ein grosses christliches Reich beherrschen soll, zu welcher Fabel der Dalai-Lama von Tibet Veranlassung gab, von dessen Reich dunkle Gerüchte nach Europa drangen. Orientalische Christen glauben noch jetzt, Johannes lebe noch und werde einst im tausendjährigen Reiche der gesammten Menschheit vorstehen, wie Petrus den Judenchristen, Paulus den Heidenchristen. Sepp, Heidenth. III. 189. Nach der Legende wurde der Evangelist Johannes vergebens in einem Oelkessel gesotten (der daher sein Attribut ist), und dann nach der Insel Patmos [450] verbannt, kehrte aber später nach Ephesus zurück und starb hier in ruhigem Alter, indem er sich in die zuvor gegrabene Grube selbst hineinlegte und nicht mehr erwachte. Die nach seinem letzten Willen zugedeckte Grube wurde nach einigen Tagen wieder geöffnet und die Leiche nicht mehr gefunden. Daher die Sage, er lebe noch. Auf einem altdeutschen Holzbilde in der Abel’schen Sammlung zu Stuttgart sieht man das leere Grab unmittelbar unter dem Altar, das Grab aber ist mit runden Scheiben gefüllt, die wohl Geld oder Brodt bedeuten und sich auf die an dem Grabe geschehenen Wunder beziehen mögen.
Des Evangelisten Johannes Attribut ist vor Allem der Adler (vgl. die Artikel Adler, Cherubim und Evangelisten). Unter allen Evangelisten schwang sich Johannes in der That am höchsten auf. – Sein zweites Attribut ist der Kelch, über dem sich eine Schlange windet. Das bezieht sich auf die Legende, nach welcher er einmal einen Becher voll Gift ohne Schaden trank; die Schlange ist ein Sinnbild des Gifts. Man hat es aber auch aus der alten Symbolik des Heilgottes Aesculap herleiten wollen, denn die Schlange galt als Sinnbild der geheimen Lebenskraft unter der Erde oder auch als Sinnbild der sich schlängelnden Sonnenbahn, der unzerstörlichen, auf der die Sonne immer neues Leben schafft. Die Heilsschlange wurde auch von den Aegyptern verehrt. Sie war hier also ein nur aus dem ältern Heidenthum entlehntes Sinnbild für das Heil des Evangeliums. Doch darf nicht ausser Acht gelassen werden, dass der Tag des Evangelisten Johannes, der 27. Dezember, genau drei Tage nach der Wintersonnwende, wie der Tag des Täufers (24. Juni) drei Tage nach der Sommersonnwende festgestellt ist. In dem erstern erneuert sich das Jahr, nachdem das alte abgestorben ist. — Man bezieht den Kelch auch auf das Mundschenkenamt des Evangelisten Johannes, sofern er das letzte Abendmahl für den Heiland besorgt habe. Der Kelch in des Evangelisten Hand erklärt auch die mittelalterliche Sitte des St. Johannistrunkes oder der St. Johannisminne. Man trank nämlich [451] am 27. Dezember, als am Tage des Apostels, und zu seiner Ehre einen Trunk, welcher, der Bedeutung seines Heilkelchs entsprechend, ein Segenstrank seyn und allen Männern Stärke, allen Frauen Schönheit verleihen sollte. Frank, Weltbuch 130. Hormayr, Taschenbuch 1835, S. 254. Spiess, archival. Nebenarbeiten II. 88. Schmeller, bayr. Wörterbuch II. 593. Grimm, deutsche Myth. 53. Der Letztere erklärt es als einen altheidnischen, nur in’s Christenthum herübergenommenen Gebrauch.
Der Ursprung des Johannestrunkes und Segens ist ziemlich willkührlich in Paulli, Schimpf und Ernst Nr. 496. von einer Legende hergeleitet. Ein böser Mann ergab sich dem Teufel, der ihm zwölf Jahre diente. Am Schluss des zwölften Jahres aber sollte ihn der Teufel holen dürfen. Da nun der Zeitpunkt gekommen wer, nahm der böse Mann von seiner frommen Tochter Abschied. Sie aber bat ihn, erst einen Trunk zu Ehren Johannes des Evangelisten mit ihr zu trinken, den sie zum Patron ihrer Keuschheit gewählt habe. Er that es und siehe, der Teufel vermochte ihn nun nicht mehr zu holen, sondern konnte ihn nur eine Zeitlang aus Zorn in den Dornen umherschleifen. Das sey der Johannessegen gewesen, und zum Andenken und zur eignen Nutzanwendung trinke nun jeder fromme Christ am Jahresschluss den Johannestrunk. Vielleicht liegt in der Legende der Sinn versteckt, dass, wer auch das ganze Jahr gesündigt, und er braucht die Heilmittel der Kirche nur noch am Schluss, doch nicht verderben könne. — Auf ältern Kirchenbildern ist die Schlange im Kelch immer als Giftschlange und teuflisches Wesen gedacht. Auf einem englischen Miniaturbild bei Didron, annales IV. 198. als kleiner geflügelter Drache. Auf dem berühmten Genfer Altar als Schlange mit vier Köpfen.
Eine Beziehung auf die beiden, hier dem Täufer, dort dem Evangelisten zufallenden Sonnwenden dürfte in den beiden Sonnenblumen zu finden seyn, die in einem Glasbild aus dem 12ten Jahrhundert zu St. Remi auf dem Nimbus [452] des Evangelisten Johannes, von einander abgewendet, wie ein Paar Federbüsche stehen. Didron, annales I. 7.