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Christliche Symbolik/Ezechiel

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[262]
Ezechiel.

War Jesaias der grosse Prophet des Volkes vor dem Exil, Jeremias der Prophet, der nach Jerusalems Zerstörung im Lande zurückgeblieben, so ist Ezechiel der Prophet des in die babylonische Gefangenschaft fortgeführten, vom gelobten Lande getrennten und zerstreuten Volkes.

Wie Jesaias den Zorn Gottes in Donnerworten verkündet, und Jeremias in tiefen Klagetönen jammert, so breitet Ezechiel eine Menge prachtvoller Bilder aus, wie Fahnen, unter denen [263] das zerstreute Volk sich wieder sammeln und trösten soll, vor allen das Bild des idealen Tempels. Bei Jesaias herrscht die Kraft des Geistes, bei Jeremias die Tiefe des Gemüths, bei Ezechiel die Phantasie vor.

Ezechiel befand sich schon unter den ersten Gefangenen, die mit Jojakim hinweggeführt wurden, als Jerusalem noch stand. Da unter den Gefangenen am Wasser Chobar erschien ihm der Herr und gebot ihm, den Gefangenen Busse und Trost zuzusprechen. Die Erscheinung des Herrn ist im höchsten Grade majestätisch. Im Sturmwind fährt er daher auf Feuerwolken, in Menschengestalt sitzend auf einem Throne von Saphir, der auf einer Grundlage von Kristall ruht und getragen wird von vier Cherubim. Die Cherubim glänzen und fahren daher mit Blitzesschnelle. Unter jeglichem befindet sich ein Rad, gestaltet wie vier Räder ineinander, und voller Augen. Das Kapitel 1, das diese Beschreibung enthält, durch Kapitel 10 noch zu ergänzen. Sehr schön ist in letzterem der Gedanke, dass der Prophet in das feurige Gewölk zwischen die Räder greifen und Feuer auf das Volk streuen soll. In diesem berühmten Bilde also erschien Gott dem Ezechiel und gab ihm einen Brief, den er essen musste, um das göttliche Wort gleichsam in succum et sanguinem aufzunehmen und dann dem Volke zu verkünden.

Dann legte er ihm eine Busse für das Volk auf; 390 Tage sollte er auf der linken Seite liegen für die Missethat Israels, und 40 Tage dann auf der rechten für die Missethat Juda’s.

Wiederum befahl ihm der Herr, sein Haar in drei Theile zu theilen, ein Drittel zu verlieren, eines mit dem Schwerte zu zerhauen, das dritte in den Wind zu streuen und nur ein wenig davon in einen Zipfel seines Mantels zu retten. Das sollte das Schicksal des Volkes vorbedeuten.

Im 8. Kapitel beschreibt der Prophet die Entweihung des salomonischen Tempels. Nach allen Richtungen ist der alte Tempel durchkreuzt mit fremdem Götzendienst, von Aegypten und Phönizien, von Babel und Syrien her. Die Hauptculte in der Runde haben alle Platz genommen im Hause Jehovahs, [264] und das erste Gebot: „Du sollst keine andern Götter haben neben mir,“ ist in sein Gegentheil verkehrt worden. Diese Schilderung motivirt auf’s Glücklichste die Nothwendigkeit der Tempelzerstörung und den Wiederaufbau eines neuen, wenn auch nur im Geiste. Die im Osten oder vom Tempel sich abwendenden Sonnenanbeter unter den Juden selbst sind das Gegenbild zu den Weisen oder heiligen drei Königen, die später umgekehrt als Magier aus dem Orient kommen, um den König von Zion anzubeten.

Im 16. Kapitel begegnet uns wieder ein sehr lebendiges Bild. Das Volk Gottes wird geschildert als ein armes ausgesetztes Kind, hülflos und nackt. Da erbarmt sich seiner Gott, pflegt es, erzieht es, bis es zur Jungfrau herangewachsen ist, und dann schmückt er es zu seiner Braut und würdigt es der höchsten Ehren; aber dadurch stolz und übermüthig geworden, fällt die schöne Braut von Gottes Gehorsam ab, buhlt mit fremden Götzen und schlachtet denselben sogar die eignen Kinder, die sie von Gott empfangen hat.

Aber die schadenfrohen Nachbarn, heisst es in dem folgenden Kapitel, sollen nicht spotten; denn auch Ammon, Edom, Moab, die Philister, das stolze Tyrus und Aegypten werden untergehen, und wenn Aegypten in die Hölle steigen wird, so wird es daselbst Assur mit seinem Volke finden, das von Babel schon hingewürgt ist, und unzählige andere hingewürgte Völker mit ihren Königen.

Wenn aber das Gericht vollstreckt ist, wird Gott sich seines Volkes erbarmen und die noch Uebrigen sammeln, wie ein Hirt die verirrten Schafe. Der Hirt aber wird ein Knecht Davids seyn, spricht der Herr, d. h. der neue König aus Davids Geschlecht.

Nun folgt das wunderschöne Bild der Auferstehung (Kap. 37.). Der Herr führt den Propheten auf ein Feld voll dürrer Gebeine und befiehlt ihm, ihnen zuzurufen, sie sollten das Wort des Herrn hören. Da rauscht es und die Gebeine fügen sich zusammen, und an die Knochen wachsen Fleisch und Adern und überziehen sich mit Haut, und ein Wind [265] weht über sie hin und bläst ihnen Odem ein. So, spricht der Herr, will ich einst eure Gräber aufthun und euch wieder bringen in’s gelobte Land.

Sodann malt der Prophet das Bild des idealen Tempels aus, voll Ahnung des Christenthums; denn im 47. Kapitel heisst es: unter der Schwelle des Tempels gegen Morgen werde ein Strom herausfliessen, der in’s todte Meer sich ergiessend dasselbe wieder gesund und zu süssem Wasser machen, der überall Segen und Fruchtbarkeit hervorrufen werde und in dem unzählige Fische leben würden, an den Ufern aber würden eine Menge Fischer stehen und die Netze ausbreiten. Dies scheint mir nur sinnbildlich verstanden und auf den Segen des Christenthums bezogen werden zu müssen. Fischer waren die Apostel, Christus selbst nannte sich einen Menschenfischer; unter den Fischen versteht die spätere Symbolik durchgängig die im Wasser Getauften oder Christen. – Das Attribut Ezechiels ist ein Thor mit Thürmen, Sinnbild seines idealen Tempels.