Christliche Symbolik/Drache
die geflügelte Riesenschlange, ein Fabelthier fast aller alten Völker. In der Offenb. Johannis 12, 3 erscheint der Teufel als grimmigster Feind Gottes in Gestalt eines rothen Drachen mit sieben Köpfen und zehn Hörnern, ähnlich dem schon bei Daniel 7. vorkommenden Thiere. Er zieht mit seinem aufgehobenen Schweife den dritten Theil aller Sterne vom Himmel herunter und verfolgt das mit der Sonne bekleidete Weib, die den Mond unter den Füssen hat und den Knaben gebiert, welchen Gott errettet; der Drache aber wird vom heiligen Erzengel Michael besiegt. Das ist der Sieg Gottes über den Teufel und zugleich der Sieg des in seinem Ursprung gefährdeten Christenthums über das mächtige Heidenthum. Das rothe Thier mit sieben Köpfen und zehn Hörnern kommt in der Offenb. Joh. 17. nochmals vor und trägt hier die babylonische Hure mit dem Taumelbecher der Sünde. Auf einem Bilde der griechischen Kirche frisst der Drache vier Könige und zwei Mönche. Didron, man. p. 275. Dante in seiner Hölle 19, 109. nahm an, die sieben Köpfe hätten ursprünglich die sieben Sakramente und die zehn Hörner die zehn Gebote bezeichnet, und die heilige Kirche selbst sey es gewesen, die durch innere Verdorbenheit sich in den Drachen verwandelt habe. Statt des heiligen Michael erscheint in christlicher Symbolik auch die heilige Jungfrau als Ueberwinderin des Drachen (weil sie der Schlange den Kopf zertreten soll). So steht sie in einem Bilde zu Verdun auf dem Drachen. Gumppenberg, marian. Atlas Nr. 528. Christus selbst steht auf dem Drachen im Portale des Mainzer Domes. Auf Drachen und Löwen zugleich nach Psalm 91, 13[WS 1]. steht er auf vielen alten Bildwerken, auf den Neowogroder Thüren, zu Chartres, Amiens etc. Auch auf Grabsteinen als Ueberwinder der das Leben beunruhigenden Dämonen. Vgl. Heider, Thiersymbolik S. 30. Schon als Kind soll er auf der Flucht nach Aegypten in der Wüste von Drachen angebetet worden seyn. Hofmann, Apokr. 141.
[211] Daniel tödtete den Drachen, indem er ihm eine vergiftete Speise vorwarf, an der er zerbarst. Vom Drachen zu Babel 22.
In vielen Legenden werden Drachen durch Heilige besiegt, wobei jedoch zuweilen eine ältere heidnische Vorstellung nur auf das Christenthum übergetragen und in dessen höherem und geläutertem Sinne aufgefasst worden zu seyn scheint. Wie Perseus die Andromeda vom Meerungeheuer, so befreite der heilige Georg eine christliche Prinzessin vom Drachen. Perseus bedeutet die Sommersonne, welche die gefesselte Vegetation vom starren Winter befreit, und Georg (Erdwirker) bedeutet wörtlich den Ackerbauer, aber es ist der Acker der Seelen gemeint und unter dem Drachen das Böse. In Poitiers soll ein Drache von einem Ritter überwunden worden seyn, aber das Volk verehrt den Drachen (la bonne sainte vermine) eigentlich mehr als den Ritter (Mémoire de l’academie Celtique V. 51.). Hier ist offenbar alter Naturcultus nur christlich umgedeutet worden. Dagegen ist in den meisten Legenden der Drache nur Stellvertreter des Teufels. So die zwei gegen den Apostel Matthäus, abgeschickten Drachen, die, von seiner Heiligkeit bezwungen, zu seinen Füssen einschliefen. Abdias Apostelgeschichte VII. 4. So der Drache, der die heilige Margaretha verschlang, aber durch das Kreuz, das sie ihm entgegenhielt, bezwungen, voneinander berstend, sie wieder freilassen musste. So der Drache, den die heilige Martha durch Weihwasser tödtete; den der heilige Cyriacus und der heilige Johannes von Rheims fesselte; der fünfköpfige Drache, den der heilige Arnold, der siebenköpfige, den der heilige Germanus besiegte; die Drachen, welche der heilige Ammon, Beatus, Erasmus, Domitianus, Donatus, Hilarion, Leon, Maurus, Mercurialis, Marcellus, Ruphillus, Severin, Parascius, Theodor, Timotheus etc., verjagten oder tödteten etc. Vgl. Les dragons au moyen age par St. Genois. Gand. 1840.
Nur in seltenen Fällen erscheint der Drache unschuldig oder gar himmlischen Mächten dienstbar. So der blinde, [212] den der heilige Simeon Stylites heilte; so der, welcher die heilige Eudoxia schützte und ihre Verfolger tödtete.
Anmerkungen (Wikisource)
- ↑ Vorlage: Psalm 90, 113