Christliche Symbolik/Aehre
und Weintraube sind Sinnbilder des Leibes und Blutes im heiligen Abendmahle, und kommen daher oft als Dekorationen auf Bildern, Altären, Gefässen etc. vor, die sich auf das Sakrament beziehen. In Calderons Auto: „Der Waldesdemuth [36] Krone” streiten die Bäume, Sträuche und Kräuter, wem unter ihnen die Krone gebühre, zuletzt aber wird sie den „Demüthigsten“ zuerkannt, der Aehre und dem Weinstocke.
Aehren und ein Lamm sind Attribute, die erstern des Adam, das andere der Eva. Auf einem altchristlichen Sarkophage bei Aringhi I. 227. Bottari I. tav. 15. hat Adam neben sich ein Aehrenbündel, Eva ein Lamm. Das erstere bedeutet den Ackerbau, das letztere die Viehzucht; das erstere deutet auf die Arbeit der Männer, das letztere auf das Wollespinnen der Weiber; das erstere kann aber auch auf die Menschheit und das letztere auf das Lamm Gottes bezogen werden. Vgl. Bunsen, Beschr. Roms II. 365. Nach einer schönen muhamedanischen Legende fiel das Getreide mit Adam aus dem Paradiese herab, war in diesem einst sehr gross gewesen, wurde aber im Falle so klein, wie es noch jetzt ist, damit der Mensch Mühe habe, es zu bauen.
Aehren sind auch Sinnbilder der Aerndte. So in Pharao’s Traum, wo sieben Aehren, wie sieben Kühe die Jahrgänge und ihre Fruchtbarkeit oder Unfruchtbarkeit bedeuten.
Im Sternbild der Jungfrau heisst ein Stern erster Grösse spica, die Aehre. Man denkt sich, die Jungfrau trage die Aehre in der Hand, weil die Aerndte beginnt, wenn die Sonne in’s Zeichen der Jungfrau tritt. Aber die Aehre am Himmel scheint noch mehr zu bedeuten, nämlich das von der Erde verschwundene goldene Zeitalter, in dem gleichsam ewig geärndtet wurde, ohne dass man zu säen die Mühe hatte. Die Jungfrau führt den Namen Dike (Nacht) oder Asträa (die Sternenjungfrau), die im ehernen Zeitalter der Erde entfloh und zum Himmel zurückkehrte. Hygin, astron. II. 25 Eratosthenes 9. Auch nach der mosaischen Ueberlieferung war der Ertrag des mühsamen Ackerbaues nur ein schwacher Ersatz für die Früchte, die der erste Mensch einst im Paradiese umsonst genossen hatte. Die Aehre am Himmel in der Hand der jungfräulichen Gerechtigkeit ist daher eine ewige Erinnerung oder Mahnung an das verlorne Paradies und an den Fluch der Arbeit. [37] In Frankreich wird eine Notre dame de trois épis verehrt. Wie die heilige Jungfrau mit drei Aehren in der Hand einem Landmanne erscheint, zeigt ein Bild (Huber, Kupferst. VII. 79.). Die Legende ist mir nicht bekannt. In Deutschland hat St. Walburgis neben einem Oelfläschchen drei Aehren zum Attribut, offenbar als Patronin der Feldfrucht, wobei nicht zu vergessen ist, dass an ihrem Tage (1. Mai) die Saaten und die Vegetation überhaupt ihr höchstes Wachsthum beginnen.