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Chemisch-physikalische Ueberraschungen

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Titel: Chemisch-physikalische Ueberraschungen
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 8, S. 140
Herausgeber: Ernst Keil
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Erscheinungsdatum: 1877
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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[140] Chemisch-physikalische Ueberraschungen. Auf dem letzten Weihnachts- und Neujahrsmarkt tauchten unter andern Neuigkeiten auch sogenannte thermographische Zauberbilder und Neujahrswünsche auf, weiße Blättchen Papier, aus denen sich erst beim Erwärmen Märchenbilder, Scherzfiguren, humoristische Neujahrswünsche etc. farbig entwickeln um mit der Abkühlung - das heißt wenn man die Erhitzung nicht zu weit getrieben hat - ebenso spurlos wieder zu verschwinden und beliebig oft neu hervorgerufen werden zu können. Es ist eine hübsche, wenn auch im Grunde ziemlich alte Ueberraschung, die darauf beruht, das verschiedene, im gewöhnliche Zustande farblose Metallverbindungen beim Austrocknen lebhafte Farben annehmen welche letzteren mit der freiwilligen Feuchtigkeitsaufnahme wieder verschwinden. Daher lassen sich die hervorgerufenen Bilder am schnellsten mit dem Munde „wegblasen“, indem der Hauch die zum Verschwinden nötige Feuchtigkeit hergiebt. Die Bilder, welche Referent gesehen hat, waren mit Chlorkobalt gedruckt, und erschienen deshalb in einem angenehmen Himmelblau, da uns aber andre Kobalt-, Kupfer- und Platin-Verbindungen zu Gebote stehen, die vorübergehend alle möglichen Farben in der Wärme annehmen, so könnten derartige Wärmebilder auch in vielfarbigem Druck hergestellt werden, die einen ungleich schöneren Anblick gewähren würden, z. B. Winterlandschaften, die sich in grüne Sommerlandschaften mit bunten Blumen und lachend blauem Himmel verwandelten. Der Chemiker G. Reisenbichler in Kiel hat kürzlich die Ausbeutung derselben Idee der Papiertechnik empfohlen, z. B. zur Anfertigung von Ofenvorschirmen, die sich erst beim Heizen mit bunten Farben schmücken, von Lampenschirmen u. dergl. Eine sehr sinnreiche Anwendung dieser Kobaltauslösungen läßt bekanntlich Jean Paul im „Siebenkäs“ in Form eines Mene Tekel machen, das einem alten Schurken an die Wand hinter dem eine Themis vorstellenden Ofen geschrieben wird. Noch verführerischer erscheint ein Vorschlag des obengenannten Chemikers zur Herstellung „lichtregulirender Zimmertapeten“, die bei hellem Sonnenschein dunkel und lichtdämpfend, bei trübem Wetter hell und lichtreich erscheinen, mithin das Ideal einer Tapete darstellen würden. Dies ließe sich durch eine mit oxalsaurem Kupferoxid grundirte Tapete mit kleineren hellen Mustern erreichen, denn diese Verbindung färbt sich bei hellem Lichte dunkelbraun und wird im dunklen wieder hell. Nicht übel ist auch ein Vorschlag Reisenbichler’s, freudige Familienanzeigen, Festeinladungen u. dergl. mit einer Druckerschwärze zu drucken, die erst, wenn der Brief an’s Licht gezogen wird, allmählich diesen Namen zu verdienen anfängt, nämlich mit einer Abreibung von Silberchlorid, Pfeifenthon und Leinölfirniß, die sich erst am Lichte schwärzt. Die betreffenden Drucksachen müßten freilich bei Lampenlicht angefertigt und in farbige Couverts gesteckt werden, um dem Empfänger die volle Ueberraschung zu sichern.