Bruchstück aus Tasso
Von einer Uebersetzung von Torquato Tassos befreytem Jerusalem durch A. L. Follenius ist (Frankf. am M. bey Eichenberg) der neunte Gesang erschienen; und es ist zu wünschen, daß jemand, der vertraut wäre mit der in seltnem Bunde stehenden Schlichtheit und Zierlichkeit, mit den von weichen Sirenenklängen bis zu starken, strengen Tönen so mannichfaltig spielenden Weisen, mit der herrlichen Begeisterung in beflügelten Worten und Bildern verbunden mit aller Sicherheit der Kunst, kurz mit Geist und Sprache dieses großen Dichters, die Probe einer Uebersetzung, die unserer Litteratur zur Ehre gereichen wird, einer genauen Prüfung unterziehn möchte. Nicht als ob ein ausgezeichneter Werth derselhen sich nicht entschieden ausspräche, auch scheint der Vf. seine Aufgabe bis auf den Grund erwogen, und die
[144] dichterische Anschauung, das Musikalische und den Witz in der Behandlung der Sprache, wie sie dafür erforderlich sind, so vielseitig geübt zu haben, daß es ihm nicht schwer werden muß, zumal nach der Vollendung des Ganzen, sich selbst in einigem Einzelnen noch zu verbessern, gleichsam zu läutern. (Es bedarf dazu nur einer strengen Entäusserung von jeder Art fremder und untergeordneter Rücksichten, ein durchgängig gleiches unbefangnes Abmessen an der Regel der reinen wahren Kunst, wie sie im Ganzen sichtbarlich ihm klar geworden ist). Doch würden ihm, wie jedem mitten im Streben nach höherer Vollkommenheit Begiffenen die Bemerkungen von Sachkennern gewiß so erwünscht als dienlich seyn. Er hat mit einer bisher nicht erreichten Treue, bis auf sehr wenige Ausnahmen, jeden Zug der Darstellung nachgebildet, ohne aufzutragen oder beyzumischen, noch einzuschnüren oder schwinden zu lassen. Die Anordnung der Rede ist von Tasso selbst mit einiger durch die Versart bestimmten Freyheit behandelt, und die Wortstellung durfte nicht einmal streng nachgeahmt werden. In den Begriffen und Merkmalen nach ihren Abstufungen, in den Bildern nach ihren Farbentönen ist Tasso durchdrungen und wohl wiedergegeben. Ein andres Hauptbemühn scheint auf Annäherung an die ältere, natürlichere Redeart gerichtet zu seyn, wovon die Benutzung einzelner sehr alter Ausdrücke noch getrennt werden kann. Es versteht sich, daß von diesen jeder willkommen ist, der besser als jeder andre bezeichnet, es sey die Sache selbst, oder ihren alterthümlichen Gebrauch. (Ein Wort wie Ger, das veraltet und ohne alle Eigenthümlichkeit ist, scheint kein Gewinn; zehn andre könnten eben so wohl in ein Schlachtgemälde aufgenommen werden). Was den ächtdeutschen Ausdruck betrifft, so sind Zusammensetzungen, wie Goldbeschwebung, Sternengold, (wenigstens an der Stelle, St. 65) mislich; Flügelheer (60) ist schielend, und uneben auch die Loose (il fato 71.) und dem wilden Hinsturz Zügel geben. (già St 1 ist erst, nicht schon) Ein Mißgriff mag es genannt werden, wenn der Vf. selbst die heidnischen Figuren, die der Dichter in sein unvergänglich Werk nun einmal eingeführt hat, und welche in mancher Hinsicht auch seines Jahrhunderts und seines Volkes Bildung angehn, verdeutschen will, Alekto in eine Hexe übersetzend, Aurora in eine Fee des Morgens (74, 1, wo der Ausdruck auch übrigens leidet). Es wachsen manche Dichtungen und Bilder aus einem Jahrtausend in das andre, wie Pflanzen sich von Zone zu Zone verbreiten. Wer will sie abwehren gegen der Natur mächtigen Willen, die zugleich Sonderung und Ausschließung bezielt, und Verstößung und Gemeinschaft? Nichts zeigt mehr die Gewandheit des Uebersetzers als die Kunst, womit durchgängig die weiblichen Reime beybehalten sind, was man für unausführbar gehalten zu haben scheint. Auch so wird von dieser Seite unsre Nachbildung den Italiänischen Reimen nicht ganz ähnlich, die ausser der Weichheit im Allgemeinen, in dem Spiel der vollen Doppelklänge, die bey uns nur Ausnahme seyn können, etwas sehr besondres und mannichfaltiges von großer Schönheit in sich tragen. Das aber die Stanzen mit abwechselnd männlichen Reimen etwas allzufremdartiges, und dazu einförmiges annehmen, wodurch der Bau der Strophe zu ihrem Nachtheil geregelt wird, scheint keinem Zweifel unterworfen. Der Vf. hat die ehrenwerthesten Vorgänger gehabt, in ihrer Art Erfinder, er hat mit jugendlicher Kraft begonnen gleichsam wo sie aufhörten, möge er das mit eben so viel Anlage als Fleiß Begonnene bald zu Ende führen; und jedes Lobs, jedes Vorzugs vor vielen die auf gleichem Felde sich am glücklichsten versuchten, wenn ihm solche, wie zu erwarten ist, zu Theil werden, sich erfreuen in der willigsten Anerkenntniß des Antheils, den in der Kette der Kunstentwicklungen jeder tüchtige Vorgänger an jedem zuletzt gelungenen Werk, je weniger in den Augen des oberflächlich würdigenden Haufens, um so mehr in denen des innerlich und geschichtlich abwägenden Beurtheilers billig in Anspruch nimmt. Das nachfolgende Bruchstück beginnt mit St. 37, wo Latin, nachdem Soliman ihm seine fünf Söhne niedergestreckt hat, diesen anredet.
„Ist denn der Arm - schreyt er dem Feind entgegen -
So gar verächtlich und so sehr geringe,
Daß, gegen mich dein stolzes Blut zu regen,
Trotz aller Kraftanstrengung, ihm mißlinge?“
Durch Stahl und Panzeringe schlägt die Klinge
Und trifft des Sultans Hüfte, daß die lauen
Bluttropfen ihm aus großer Wunde thauen.
Auf den Latin jetzt wandte Zorn und Schneide
Den Halsberg auseinander schlägt der Heide,
Zusammt dem harten Siebenlederschilde,
Und jagt dem Feind den Stahl in die Geweide;
Der Arme stürzt, und röchelt am Gefilde
Und jetzt der Wunde, jetzt dem Mund entschiesset.
Wie im Gebürg ein Baum, der Hohn gesprochen
Im wildsten Kampf, vom Ost, vom Nord umkreiset,
Wann endlich ihn ein Wirbelwind gebrochen,
So stürzt er, wüthig, hin, nicht ungerochen,
Da noch im Sturz er Viele mit sich reisset!
Traun, für den kühnen Mann ein würdig Sterben:
Denn noch sein Umsturz bringt dem Feind Verderben.
Den langen Hunger sättigend durch Morden:
Hausen, entflammt von ihrem Oberhaubte,
Im Christenvolk gleich gräßlich seine Horden.
Dem Heinrich, Holofern dem Bayern raubte
Gilbert und Filipp, Arjaden! durch deine
Schwerdklinge; Beyd’ erzeugt im Land bey Reine.
Den Ernst erschlägt Albazar mit der Keule;
Algazels Pallasch mordet Engerlanden.
Wer sagt, wieviel geringre Männer schwanden?
Gottfried ist wach beym ersten Schlachtgeheule;
Säumt nicht ein Nu; schon ganz in Stahlgewanden;
Schon hat er mächt’ge Waffen sich getürmet,
Er, als er nach dem Schrepen das Gelärme,
Das gräul’cher stets zu dröhnen scheint, vernommen,
Denkt gleich, daß dort Arabia’s Räuberschwärme
Mit jähem Ueberfall den Wall erklommen.
Das war dem Feldherrn längst zu Ohren kommen;
Doch freylich solch Gesindel, feig und flüchtig,
Schien ihm zu dieser Keckheit nimmer tüchtig.
Hin zog er jetzt; da horch! ein andres Dröhnen,
Und Schlachtgeheul der Heiden macht erstöhnen
Urplötzlich, gräßlich, rings des Himmels Weite.
Das ist Klorinde! mit den Heidensöhnen
Von Sion jagt sie, mit Argant, zum Streite. -
Sein Amt vertritt, sich Gottfried mit den Worten:
„Hört Ihr, wie von der Stadt, vom Hügel droben
Die Feind’ uns neuen Waffenlärm begannen?
Dort muß sich Eure Kraft und Kunst erproben,
Wolan! so eilet; steuert da dem Toben;
Nehmt mit Euch einen Theil von meinen Mannen:
Indeß ich drüben mir dem andern Theile
Den Feindesanfall aufzunehmen eile.“
Verschiednen Pfads entgegen den Gefahren;
Zum Hügel, Welf; Gottfried nach jenem Tosen
Der Araber, die unbekämpft schon waren.
Doch mehrt im Gehn er stets die Macht; es stoßen
Hin kömmt er, schon gewaltig angeschwollen,
Wo durch des Türken Wuth die Ströme quollen.
So füllt der Donaustrom, dem Quell entsprungen,
Das enge Bett nicht aus mit schwachen Wogen.
Schwillt Kraft und Stolz. Schon mächtig, schon verwogen
Hat er sein Hörnerhaubt hochauf geschwungen,
Dammbrechend, siegreich kömmt er angezogen,
Stößt auf das Meer mit mächtigem Geschwader
Hin jagt der Feldherr, wo das wild verworrne
Kriegsvolk er fliehen sah in Angst und Zagen.
„Wohin? was jagt euch? ruft er jetzt im Zorne.
So schaut doch, wer sie sind, die hier euch jagen!
Die Wunden kann empfangen oder schlagen;
Das, wenn ihr nur die Brust entgegen hebet,
Schon vor den Schwerdtern eures Blicks erbebet!“
Er sprachs, den Zelter spornend. Schon erkennt er
Mitten durch Blut und Staubgewölke rennt er,
Durch Eisen, Graun und Mord dahergeschossen,
Mit Haun und Rennen öffnet er und trennt er
Die Weg’ und Glieder, eng und fest geschlossen;
Gewehre mit Bewehrten, Roß und Reuter.
Aus Leichenhügeln, über tiefes Grauen,
Von Sprung zu Sprung, folgt Gottfried seinen Wegen.
Den Sultan kann’s, sieht er gleich nah’n den rauhen
Nein, ihm entgegen wirft er sich, zum Hauen
Drängt er hinan mit hochgeschwungnem Degen.
O, welch ein Ritterpaar will, von den Enden
Der Welt, das Schicksal hier zum Kampfe senden!
Um Asiens großes Reich im engsten Ringe.
Wer singt, wie gräßlich ward die Schlacht geschlagen?
Wie rasch, wie schwer geschwungen ward die Klinge?
Nichts von den gräul’chen Dingen will ich sagen;
Kriegsthaten, welche würdig sind, in Wahrheit,
Vor aller Welt zu stehn in Sonnenklarheit.
Und Jesu Volk, von solchem Schlachtgeleiter
Geführt, drängt wieder vor mit kühnem Muthe.
Rings um den Sultan, der im Mord nicht ruhte.
Mehr Christen nicht, denn Heiden, sanken weiter;
Das Lager ward gefärbt mit gleichem Blute;
Und beyde Theile, siegend, überwunden,
So sieht man Nord und Süd zum Kampfe streichen,
Mit gleicher Kraft und Kühnheit angeflogen;
Nicht der noch der, nicht Meer, nicht Himmel, weichen,
Nur Wolk’ an Wolke, Wogen wider Wogen:
So hart, so bitter ward der Schlacht gepflogen.
Gleich gräßlich auseinander mit Geprassel
Prallt Schild an Schild, an Helm Helm, Schwerdgerassel.
Indessen schlug man drüben auch nicht milder;
Dick wölkt der Himmel sich, voll Schreckensbilder
Vom Höllenpfuhl gepfropft. Die aber machten
Der Heiden Kraft gewaltiger und wilder.
Daß noch die Völker nicht an Rückzug dachten.
Der in der eignen Flammenbrunst schon brannte.
Er, der die Wach’ auch gleich in Flucht versetzte,
Kömmt über Wall mit einem Satz geschwungen,
Füllt rings die Lagergräben durch Zersetzte,
Daß Blut die ersten Zelte dort benetzte,
Nachdem sein Volk, ihm nach, hineingedrungen.
Wenn mit ihm nicht, kam nach ihm gleich Klorinde,
Unwillig, daß den zweiten Platz sie finde.