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Bock’s Briefkasten

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Textdaten
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Autor: Carl Ernst Bock
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Titel: Bock’s Briefkasten
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 44, S. 744
Herausgeber: Ernst Keil
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1871
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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[744]

Bock’s Briefkasten.

An die Dummen, welche nicht alle werden. 1) Die Dümmsten unter diesen Dummen sind diejenigen, welche sich bei sichtlichen Augen durch Geheimmittel-Schwindler ihr schönes Geld aus der Tasche stehlen lassen. Trotzdem daß immer und immer wieder von reellen Männern der Wissenschaft gepredigt wird, daß alle Geheimmittel nichtsnutziges, wenn nicht gar schädliches Zeug sind und daß es bei allen auf Geldprellerei abgesehen ist, so blüht der Geheimmittelschwindel doch in einer Weise, daß man geradezu am Volksverstande verzweifeln möchte. Soviel sollte doch eigentlich jeder Mensch in der Schule denken lernen, selbst ohne naturwissenschaftlichen und anthropologischen Unterricht genossen zu haben, daß er die Heilung einer Menge ganz verschiedener und schwerer Krankheiten durch ein und dasselbe, von einem unwissenden Laien gebrautes oder gemischtes Zeug für nicht gut möglich halten müßte. Aber nein, je widernatürlicher ein Mittel, je tiefer der Bildungsgrad und je höher die Frechheit des Geheimmittelbrauers ist, desto mehr findet das Mittel Anklang.

Es sind aber doch Kranke und sogar solche, die vom Arzte aufgegeben wurden, dadurch gesund geworden und haben ihre Heilung gerichtlich attestirt? – Wie oft soll man denn aber erklären, daß Kranke auch bei dem unsinnigsten Hokuspokus und dem lächerlichsten Firlefanz gesund werden können und zwar deshalb, weil die allermeisten Krankheiten ohne Arznei mit Hülfe des Naturheilungsprocesses zur Heilung gelangen. Ja, es können durch diesen Proceß sogar Krankheiten heilen, welche vom Arzte für unheilbar erklärt wurden. Dann hatte freilich dieser Arzt die Krankheit nicht richtig erkannt und zu vorschnell geurtheilt. Dies ist aber deshalb recht leicht möglich, weil manches ungefährliche, vorübergehende und heilbare Leiden in seinen Erscheinungen einem unheilbaren tödtlichen ziemlich ähnlich auftritt. So kann z. B. eine tiefe, meist ungefährliche Magengeschwürnarbe im späteren Lebensalter zeitweilig für unheilbarer Magenkrebs, eine Erweiterung der Luftröhrenzweige innerhalb der Lunge für Lungenschwindsucht gehalten werden. Es folgt hieraus, daß man die Zeugnisse Solcher, die während des Gebrauchs eines Geheimmittels gesund wurden, durchaus nicht anzuzweifeln braucht; die Geheilten wurden aber nicht durch, sondern trotz des Mittels mit Hülfe des Naturheilungsprocesses gesund, und litten sie angeblich an einem sonst unheilbaren Leiden, so war dies eben keins. – Der frechste aller Geheimmittelbrauer ist

Hr. Carl Jacobi in Berlin, der Königstrank-Verfertiger, der sich selbst zum wirklichen Gesundheitsrath (Hygiëist) und seinen Trank zur langersehnten, wirklichen Universal-Medicin ernannt hat. Dieser Rath, dessen Schreibart die eines Unzurechnungsfähigen ist, greift in der schamlosesten Weise Männer der Wissenschaft öffentlich mit gemeinen Redensarten so an, daß jeder anständige und vernünftige Mensch sofort in den Stand gesetzt wird, das schmutzige Geschäft des Herrn Jacobi zu erkennen. Dieser saubere Gesundheitsrath hat aber den Muth zu derartigen Angriffen, weil er recht wohl weiß, daß die von ihm angegriffenen wissenschaftlich gebildeten Aerzte seine blödsinnigen Behauptungen zu widerlegen sich nicht die Mühe geben. – Nur Solche, welche die Natur mit demjenigen Maße von Dummheit begabt hat, Alles zu glauben, was ein Schwindler in den Zeitungsinseraten sagt, werden es für möglich halten, daß ein Trank, dessen Hauptbestandtheile bald Aepfelwein und Pflaumenmus, bald Tamarindenabkochung mit Zucker und Weinsteinsäure sind, folgende schwere und unheilbare Krankheiten zu heilen im Stande ist: Hundswuth (durch nur zwei Flaschen), Magen- und alle anderen Krebse, die tödtlichsten Herzkrankheiten, unheilbare Erblindungen, Blasensteine (mitunter schon nach wenig Tagen aufgelöst), Pocken (mit Heilung über Nacht), Hals- und Lungenschwindsucht, Rückenmarksdarre, Milzbrand u. s. f. Die Flasche dieses Wundertrankes, der angeblich aus mehr als hundert Pflanzen bereitet sein soll, kostet einen halben Thaler und ist für einige wenige Pfennige herzustellen. – Daß die Presse, und sogar die liberale, die Jacobi’schen und andere derartige Anzeigen, trotzdem daß sie recht wohl weiß, weß Geistes Kind dieselben sind, in ihre Spalten, nur des erbärmlichen Gewinnes einiger Thaler wegen, aufnimmt und in der Welt verbreiten hilft, dadurch aber die Hand zum Betrügen ihrer armen kranken Mitmenschen bietet, ist eine sehr unmoralische Handlung.

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Autor: Carl Ernst Bock
Titel: Bock’s Briefkasten
aus: Die Gartenlaube 1871, Heft 45, S. 760
Teil 2

[760] Gewissensbisse und die Einbildung, daß ihr Körper in Folge früherer geschlechtlicher Unarten durch und durch ruinirt sei, macht eine Menge junger Männer zu Gemüthskranken und treibt sie in die Arme gewissenloser Geldsauger. Diese Unholde wissen nämlich zuvörderst durch elende Schriften, mit haarsträubenden Beschreibungen der Folgen jener Unarten und mit schaudererregenden Krankengeschichten ihre Opfer in Angst und Schrecken wegen ihrer Zukunft zu setzen. Dann rathen sie natürlich den armen, in der Regel körperlich ganz gesunden Melancholikern, doch ja so bald wie möglich sichere Hülfe bei ihnen zu suchen und sofort drei Thaler für die erste Consultation einzuschicken. Ist nun der dumme Abergläubige in seiner Verzweiflung in die Falle gegangen, dann wird ihm durch Recepte und geheime Arzneien so lange Geld abgetrieben, bis er endlich klug, aber natürlich nicht gesund geworden ist, und zu einem ordentlichen Arzte geht, der ihn über seine Dummheit aufklärt und ihm eine vernünftige Diät anräth. Zu oberst in der Reihe der „Retter vor Gefahr und Schande“ stehen zwei Leipziger Schundbuch-Verleger, Bierey, Pönicke’s Nachfolger (Schulbuchhandlung) mit Retau’s Selbstbewahrung und Laurentius mit dem persönlichen Schutze. Der Erstere verlangt, daß jeder Patient seinem Briefe ein Honorar von drei Thalern für die Hauptconsultation baar hinzufüge; besser wäre es aber, meint er, wenn Patient für die etwa nöthig werdenden Medicamente lieber gleich noch weitere drei Thaler beilegte. In den allerschwersten Fällen, versichert er, sollen übrigens die Curkosten noch nicht ganz fünfzig Thaler erreichen. Von dieser edeln Schulbuchhandlung, welche in einem ärztlichen Bureau mit angeblich zwei renommirten Aerzten in Sachen der Selbstbewahrung brieflich arbeitet, wurden, wie sie selbst sagt, seit dem Jahre 1864 über fünfzehntausend Kranke behandelt. Sonach flossen, wenn jeder Patient nur drei Thaler einschickte, fünfundvierzigtausend Thaler und, wenn er lieber gleich sechs Thaler sendete, neunzigtausend Thaler aus der Tasche meist armer dummer Teufel in die Casse dieses moralischen Instituts. Herrn L. M. in N. ist auf wiederholtes Schreiben und Einsenden von sechs Thalern an die Schulbuchhandlung gleich gar nicht geantwortet worden. Es diene übrigens hiermit dem Herrn L. M. zur Nachricht, daß es, wie gesagt, alle derartige Schriften auf Geldprellerei abgesehen haben.

Laurentius wünscht auch dem ersten Briefe des Patienten drei Thaler beigelegt zu sehen und läßt dann durch einen gewissenlosen Arzt, den er, um wegen Medicinpfuscherei nicht wieder bestraft zu werden, stets an seiner Seite haben muß, dem Patienten ein tonisches Heilverfahren mit Hülfe seiner Kräftigungstinctur als ganz unerläßlich zur Heilung anrathen. Für diese Tinctur, welche hauptsächlich aus Chinin und Eisen besteht und höchstens zwanzig Groschen reellen Werth hat, müssen vierzig Thaler gezahlt werden. Wenn nun dem Patienten, nachdem er für vierzig Thaler Tinctur getrunken hat, die Augen über dieses stärkende Heilverfahren noch nicht aufgegangen sind, so läßt er sich noch eine Halbe für zwanzig oder lieber gleich noch eine Ganze für vierzig Thaler kommen und so kann ihm dann für seine sechszig bis achtzig Thaler ein wohlverdienter moralischer Katzenjammer nicht entgehen. Und dessen genösse er billig.

NB. Die Aerzte, welche im Dienste der Schulbuchhandlung und des persönlichen Schützers stehen und diesen in ihren sauberen Geschäften Hülfe leisten, sollten eigentlich mit ihren Namen an den Pranger gestellt werden. Vorläufig mögen sie sich mit meiner Verachtung begnügen.

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Autor: Carl Ernst Bock
Titel: Bock’s Briefkasten
aus: Die Gartenlaube 1871, Heft 46, S. 776
Teil 3

[776] 3) Dr. von Farini’s ärztlicher Rathgeber, welcher bis jetzt in einer Stärke von vierundzwanzigtausend Exemplaren erschienen sein soll, wird von einem in Leipzig wohnenden Industriellen kleineren Maßstabs gegen Einsendung von nur siebenzehn Groschen zum Wohle der Menschheit ausgeliefert. Man erhält ein gedrucktes Blättchen Papier mit den gewichtigen Worten: „Man esse weiche Eier, trinke mäßig Bier und Wein, nehme jeden Tag früh und Abends ein Bad, vermeide aber jede Medicin, die nur schaden kann, dann wird die gewünschte Wirkung sich einstellen.“ Und es stellt sich auch wirklich die Wirkung, aber nicht die gewünschte, insofern ein, als man für siebenzehn Groschen eine ganz nette Leimung am Einsender bewirkt sieht.

4) Wenn Aerzte, ohne den Kranken genau untersucht zu haben, diesem unter Garantie durch briefliche Behandlung gründliche Heilung, natürlich gegen Einschickung von einigen Harten, versprechen, so sind diese Heilkünstler ganz gewissenlose Geldmacher, denen die Gesundheit ihrer Mitmenschen nichts gilt. Schmach und Schande über diese, den ärztlichen Stand schändenden Quacksalber!

5) Wem alle Hoffnung auf Genesung und Kräftigung geschwunden ist, der esse Revalescière und trinke Hoff’sches Malzextract-Gesundheitsbier dazu. Die erstere (die verschollene Revalenta arabica und nichts als Bohnen- und Linsenmehl) macht nicht nur gesund, sondern verjüngt auch, läßt alle Beschwerlichkeiten des Alters nicht mehr fühlen, erfrischt das Gedächtniß und klärt den Verstand auf. Der Papst lebt nur von Revalescière. Das Malzextract-Gesundheitsbier von Hoff ist die Krone aller Heilnahrungsmittel und wird deshalb auch von gekrönten Häuptern gepriesen. „Wenn das Mark und Bein durchschütternde Typhusfieber die kräftigen Gestalten unserer braven Krieger darniederbeugt, so richtet das Extractum Malthi Hoff sie wieder auf“ etc. Schaden kann das eine wie das andere dieser erbärmlichen Nahrungsmittel allerdings nicht, höchstens dem Geldbeutel, aber in Milch und Ei steckt doch ganz anderer Nahrungsstoff, als in obigem Mehl und Braunbier.

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Autor: Carl Ernst Bock
Titel: Bock’s Briefkasten
aus: Die Gartenlaube 1871, Heft 52, S. 878
Teil 4, Fortsetzung in Bock’s Briefkasten (Die Gartenlaube 1873)

[878] An die Eltern schwachsinniger Kinder. Solche Kinder müssen sobald als nur möglich Anstalten übergeben werden, wo sie fortwährend, bei Tag und ebenso auch bei Nacht, unter der Aufsicht sachverständiger Lehrer stehen und einer passenden pädagogischen Erziehung unterworfen sind. Im elterlichen Hause und in der Schule können solche Kinder niemals, auch bei dem besten Unterrichte nicht, für’s praktische Leben richtig erzogen werden. – In Leipzig, wo eine nicht unbedeutende Anzahl schwachsinniger Kinder den Lehrern mancher Schulen das Lehren sehr erschwert und ihren Mitschülern im Lernen sehr hinderlich ist, existirt eine Anstalt für derartige Kinder nicht, da die Herren Stadtverordneten, trotz zweimaliger Aufforderung von Seiten des Stadtrathes, die Gründung einer solchen Humanitäts-Anstalt für ganz überflüssig, wohl aber die Gründung einer höheren Bürgerschule für die Kinder gebildeter Bürger für sehr nothwendig erklärten. – Mit bestem Gewissen kann der Unterzeichnete eine Anstalt kleineren Umfanges empfehlen, die von einem erfahrenen, sachverständigen Lehrer unter Beihülfe zweier tüchtiger Frauen geleitet wird und dem Unterzeichneten durch Augenschein bekannt ist. Sie befindet sich in der Nähe von Leipzig, in Dahlen, an der Leipzig-Dresdener Eisenbahn, und der Director heißt Epstein.