Bilder aus der Hygiene-Ausstellung (2)
Bilder aus der Hygiene-Ausstellung.
„Wie komme ich am besten nach der Volksküche?“ fragte ich einen Beamten der Hygiene-Ausstellung, nachdem ich mich einige Zeit im Hauptgebäude aufgehalten und dann einen Spaziergang durch die davor befindlichen Gartenanlagen gemacht hatte. Es war am Tage nach der vorläufigen Eröffnung der Ausstellung, die officielle Einweihung in Gegenwart des Kronprinzen sollte erst am nächsten Tage stattfinden, es war daher nur von einer keineren Anzahl von Besuchern zu erwarten, daß sie sich bereits völlig orientirt hätten, trotzdem mußte in meiner Frage etwas Befremdendes liegen. Bei aller Höflichkeit, mit welcher der Mann sich anschickte, mir Antwort zu geben, malte sich in seinem Gesichte ein Ausdruck, der, in Worte übersetzt, vielleicht gelautet hätte:
„Wie kann man nicht wissen, wo die Volksküche liegt! – Die Volksküche, die den im Schweiße ihres Angesichtes schaffenden und sorgenden Beamten und Arbeitern schon Freundin und Ernährerin geworden ist, ehe noch die Pforten der Ausstellung dem schau- und lernlustigen Publicum aufgethan worden sind!“
Schnell wie der Gedanke ging aber der staunende Blick in einen mitleidigen über. Es war Mittagszeit, vielleicht war auch ich eine Hungrige, die zu den Fleischtöpfen der Volksküche wallfahrten wollte – und ich vermochte den Weg dahin nicht zu finden!
„Gehen Sie durch den Stadtbahnbogen, dann über die Brücke, und – nun, dann werden Sie schon sehen.“
Der letzte Satz des Bescheides war mir zwar nicht ganz klar, indeß ich folgte der Weisung, gelangte in’s „Seegebiet“, eine anmuthige Parkanlage mit einem breiten Wasserspiegel, ging an dem rasengrünen, mit Turngeräth versehenen Spielplatz vorüber und sah die Gebäude der Separat-Ausstellungen vor mir liegen, gleichzeitig verstand ich aber auch, was mit dem: „dann werden Sie schon sehen“, gemeint war. Eines Wegweisers nach meinem Ziele brauchte es nicht. Ich durfte mich nur dem Strome anschließen, welcher ihm zustrebte, und der sich zum größeren Theile nicht nur aus Schau-, sondern aus Eßlustigen zusammensetzte; einer der ersten Stimmführer in der socialen Frage, der Magen, lenkte ihre Schritte. Und diese Frage wird hier gelöst in einer Weise, die ebenso zuträglich für die Gesundheit, wie schonend für das Portemonnaie ist.
Es war, wie bereits erwähnt, Speisezeit, und in der Küche entfaltete sich das regste Leben. Das links am Eingange befindliche Comptoir der Markenverkäuferin war dicht belagert, man beeilte sich, seine fünfzehn Pfennig gegen eine Marke umzutauschen und diese dann wieder an dem die eigentliche Küche vom Publicum trennenden Schalter in einen Napf voll Sauerkohl und Erbsen mit einem Stück Fleisch und Brod dazu, oder in einen eben solchen Napf voll Reis sammt Fleisch und Brod zu verwandeln und sich an einem der rechts und links vom Eingange aufgestellten Tische niederzulassen, um die Portion mit gutem Appetite zu verzehren, der allerdings schon ein recht guter sein muß, wenn er das verabreichte Quantum bewältigen will.
Es war eine bunte und im besten Sinne des Wortes gemischte Gesellschaft, die sich hier zusammengefunden hatte. Dicht neben mir stand ein commandirender General, die Gemahlin am Arme, beide kosteten herzhaft von der ihnen dargereichten Schüssel und erklärten die Speisen für vortrefflich. Hatte die Excellenzen auch nicht der Hunger in die Volksküche geführt; war es dem berühmten Künstler, der sich nach ihnen mit der verdienstvollen
[477][478] Gründerin und Leiterin, Frau Lina Morgenstern, in ein Gespräch einließ, mehr um das buntfarbige Bild als um die Kost zu thun; wollte dieser Arzt und jener Vorstand einer großen Verpflegungsanstalt, welche die unermüdlich und unverdrossen Auskunft gebende Frau mit Fragen bestürmten, mehr ihre Wißbegierde stillen als für ihres Leibes Nothdurft sorgen: so war es doch der überwiegend größte Theil der Anwesenden, die der Wunsch nach Sättigung hergeführt.
Besucher der Ausstellung, den besten Gesellschaftskreisen angehörig, nahmen die Gelegenheit wahr, sich für beispiellos wenig Geld eine reiche schmackhafte Mahlzeit zu verschaffen, Beamte der Ausstellung, Mitglieder des zahlreichen Aufsichtspersonals der einzelnen Aussteller, die im Gebäude und im Garten beschäftigten Arbeiter, wer zählt, wer kennt sie Alle, die während der Zeit von ein bis drei Uhr täglich hier ihr Mittagsmahl nehmen, um alsdann schleunigst für Andere Platz zu machen. Der Raum, der gleichzeitig kaum fünfzig Speisende zu fassen vermag, wird jeden Tag von circa sechs- bis achthundert aufgesucht, die in der musterhaftesten Ordnung kommen und gehen.
Rechnet man die der Neu- oder Wißbegierde halber einmal eine Mahlzeit einnehmenden Besucher der Ausstellung ab, so sind die Gäste der Volksküche auf der Ausstellung im Großen und Ganzen dieselben, welche man in den Volksküchen in der Stadt, jetzt vierzehn an der Zahl, findet. In letzteren überwiegen die Arbeiter allerdings noch mehr als in der Ausstellung, dennoch wäre es unrichtig, zu glauben, daß diesen allein die Einrichtung zugute käme; auch der Stand der kleinen Beamten, der Handel- und Gewerbetreibenden, der Lehrenden etc. sendet in seinen männlichen und weiblichen Vertretern täglich zahlreiche Stammgäste in die Volksküche.
Die Physiognomie der Besucher und vielleicht ein etwas kleinerer Maßstab der Koch- und Speiseräume ist jedoch das Einzige, wodurch sich die Volksküche auf der Ausstellung von denen in der Stadt unterscheidet, sonst ist sie eine völlig getreue Nachbildung derselben. Hier sind die gleichen, als gut und praktisch erprobten Kochherde wie dort, die Kessel und Töpfe, die tiefen, inhaltreichen Näpfe, die hölzernen Stühle, Bänke und Tische, hier sind sogar die Sprüche an den Wänden, mit denen Frau Morgenstern alle jene Räume ausgeziert.
„Arbeit, Mäßigkeit und Ruh
Schließt dem Arzt die Thüre zu,“
liest man in schön verzierter Schrift – ein sehr geeignetes Motto für die Hygiene-Ausstellung.
Wie ihre Ausstattung, so giebt auch die Verwaltung ein getreues Bild des Geistes freier, werkthätiger Menschenliebe, aus welchem die Volksküchen im Jahre 1866 während ernster schwerer Zeit entstanden sind, in welchem sie sich fortentwickelt haben und eine Pflanzstätte ähnlicher Unternehmungen in allen größeren und mittleren Städten Deutschlands, in Oesterreich, Holland, Belgien, Rußland geworden sind.
Von den Damen des Centralvorstandes ist täglich eine zur Ueberwachung und Repräsentation anwesend, die Vorsteherinnen der vierzehn Küchen übernehmen der Reihe nach mit ihrem aus jüngeren Frauen und Mädchen bestehenden Hülfspersonal den freiwilligen Dienst in der Ausstellungsküche, und wahrlich, es heißt, sich hier tüchtig rühren, um die Speisen zu vertheilen, die in der durch eine Barrière vom Speiseraum geschiedenen Küche von dem Küchenpersonal bereitet, von der Wirtschafterin vorgelegt werden.
Neben der Küche befinden sich noch einige Gelasse zur Aufbewahrung von Vorräten und zum Reinigen des Geschirres, sowie ein kleines sehr einfach eingerichtetes Zimmer, in das sich die Vorstandsdamen zur Berathung und zu einer kurzen Rast zurückziehen können; ob ihnen aber für die letztere je schon Zeit geblieben ist oder jemals bleiben wird, möchte ich nach den bei wiederholten Besuchen gemachten Erfahrungen stark bezweifeln.
Es ist eine überaus anstrengende Thätigkeit, die diesen Damen zugemuthet wird, denn wenn auch die größte Lebhaftigkeit sich innerhalb der Speisestunden entfaltet, so nehmen die Vorbereitungen für das Mahl, so nimmt das Ordnen nach demselben eine ungleich größere Zeit in Anspruch; noch ehe die Ausstellung geöffnet wird, beginnt die Arbeit, und wenn Abends um sechs Uhr Besucher und Aufsichtspersonal in die Anlagen strömen, dann muß hinter den geschlossenen Schaltern der Volksküche noch überlegt, gesorgt, gerechnet werden für den nächsten Tag.
Und doch, was ist dieses Ueberlegen, Sorgen, Rechnen gegen die Mühen und Sorgen, unter welchen das segensreiche Unternehmen groß gezogen ward! Die Volksküche auf der Ausstellung giebt wohl ein treues Bild der Anstalten, wie sie jetzt sind, wie sie sich zum Segen für das Allgemeine, getragen von der Gunst der Wohldenkenden aller Parteien, als fester Bestand in unseren socialen Verhältnissen eingebürgert haben; aber wie sie geworden sind, das kann man nur an der Hand einer eingehenden Geschichte ihrer Entstehung, Bedeutung und Organisation erfahren, wie sie denn in der That auch von der Begründerin geschrieben worden ist.[1]
Hier sei nur darauf hingewiesen, daß die Volksküchen, wie bereits erwähnt, im Jahre 1866 zunächst als ein Ergebniß der durch den ausbrechenden Krieg verursachten Noth in’s Leben traten und Gefahr liefen, mit dem Frieden, als für Friedenszeiten ungeeignet, wieder beseitigt zu werden. Der Energie und rastlosen Thätigkeit der Schöpferin dieses Institutes und eines Kreises von Frauen und Männern, die gleich ihr die eminente wirtschaftliche Bedeutung des Unternehmens erkannten, gelang es, diese Gefahr davon abzuwenden und es durch noch andere gefährliche Klippen und Brandungen zu steuern, bis es glücklich alle Kinderkrankheiten überwunden hatte und nicht allein selbsterhaltend dastand, sondern ein Vermögen erwarb und erwirbt, das es ermöglicht, immer neue Küchen zu eröffnen und es zu ertragen, wenn eine dieser Anlagen sich nicht als prosperirend erweisen sollte.
In den Jahren 1870 und 1871 entfaltete der „Verein der Berliner Volksküchen von 1866“, wie er sich nennt, eine großartige Wirksamkeit für die Verpflegung der Truppen auf dem Niederschlesischen Bahnhof, sein eigentlicher Schwerpunkt ruht aber doch in dem, was täglich durch seine Anstalten geschieht. In den Jahren 1866 und 1867 wurden in 4 Küchen 192,735 ganze und 351,404 halbe Portionen verabreicht, im Jahre 1882 lieferten 14 Küchen in Berlin 102,359 ganze und 1,252,629 halbe Portionen, wobei zu bemerken ist, daß davon noch eine größere Anzahl von Personen gespeist haben, da wohl selten Jemand im Stande sein dürfte, eine ganze Portion (à 30 Pfennig) zu vertilgen. Diese ganzen Portionen werden denn auch zumeist abgeholt und von den Betreffenden in ihrem Hause mit der Familie verzehrt, wogegen die halben Portionen zum allergrößten Theile in der Volksküche selbst verspeist werden.
Erst von der Einrichtung der dafür nothwendigen Räume, die getrennt für Frauen und Männer vorhanden sind, datirt der eigentliche Aufschwung der Volksküchen, denn erst damit war dem Bedürfnisse der arbeitenden Bevölkerung Rechnung getragen. Als ein weiterer Beweis für die Richtigkeit und Nothwendigkeit dieser Maßregel ist es ferner anzusehen, daß Volksküchen nicht in den sogenannten Arbeitervierteln den größten Zuspruch haben, sondern in denjenigen Stadttheilen, nach denen die Leute sich zur Arbeit zu begeben pflegen, und wo sie alsdann auch gern Mittag halten.
Während eines sechszehnjährigen Bestehens haben die Berliner Volksküchen 28,520,399 Portionen geliefert. Welch eine Summe von freiwilliger Thätigkeit im Dienste der Humanität ist in diesen Zahlen enthalten, welch eine Summe von Gesundheit, Kraft und Wohlbehagen ist den ärmeren Schichten der Gesellschaft dadurch zugeführt worden, nicht als Almosen, sondern wohlerworben und bezahlt durch den Ertrag der eigenen Arbeit!
Die Jury der Hygiene-Ausstellung hat in Anerkennung der außerordentlichen Verdienste der Volksküchen um die gesunde Ernährung der Massen ihnen die goldene Medaille zuerkannt; Kaiserin Augusta, die eifrige Beschützerin aller Bestrebungen auf diesem Gebiete, wendet den Volksküchen ihre ganz besondere Theilnahme zu, besucht sie häufig, bescheidet die Vorsitzende und Begründerin zu sich und zeichnete sie beim Besuch der Ausstellung kürzlich noch aus.
Auch ist die goldene Medaille nicht der erste Preis, den die Volksküchen davon getragen; wo sie auf einer Ausstellung erschienen, ward auch ihr Werth anerkannt, und nicht lange wird es dauern, so wird die Einrichtung, je nach Erforderniß etwas verändert, aber in ihrer Grundform doch gleichbleibend, durch alle civilisirten Länder verbreitet sein. Ein schönes, erhebendes Zeugniß dessen, was geleistet werden kann, wenn sich Menschen, [479] getragen von einer Idee, ohne Unterschied des Geschlechtes, des Glaubens und des Standes, zu einem guten Werke die Hände reichen.
Doch die Begeisterung hat mich durch Zeiten und Länder getragen, und ich vergaß, daß ich an Ort und Stelle noch Pflichten zu erfüllen habe – vergaß – nicht oft mag das im Leben geschehen – über der Großmutter die keineswegs mehr in den Windeln liegende, sondern auch schon recht stattlich herangewachsene Enkelin. Sie hat in geringer Entfernung von der Volksküche, nur getrennt durch den Pavillon von carne pura, ihr Zelt aufgeschlagen und nennt sich „Kochschule des Hausfrauenvereins“.
Die Enkelin der Volksküchen habe ich die Kochschule genannt, denn sie ist eine Tochter des Berliner Hausfrauenvereins, und dieser wiederum ward in’s Leben gerufen in einer Generalversammlung des Vereins der Berliner Volksküchen am 20. November 1873 durch einen Vortrag der Frau Lina Morgenstern: „Was vermögen die vereinigten Hausfrauen gegen die Vertheuerung der Lebensmittel?“
Der Hausfrauenverein hat während seines jetzt bald zehnjährigen Bestehens mancherlei Anfechtungen erfahren, es ist ihm aber gelungen, eine ganze Reihe von Anstalten zu begründen, die vereint und einzeln recht wichtige Factoren auf dem Felde socialer Wirksamkeit, wie der Bestrebungen für die Verbesserung der weiblichen Erziehung geworden sind. Es gehören dahin die Verkaufsstellen von Lebensmitteln zu Engrospreisen im Einzelnen für die Mitglieder, die Unterstützungscasse für Notleidende, die Casse für Prämiirung und Altersunterstützung treuer Dienstboten der Mitglieder, die von Frau Lina Morgenstern redigirte „Hausfrauenzeitung“, die unentgeltliche Stellenvermittelung, und endlich die Kochschule, mit welcher wir es hier vorzugsweise zu thun haben.
Die Anstalt hat den Zweck, junge Mädchen aus den gebildeten Ständen für ihren künftigen Beruf, sei es als Leiterin eines Hausstandes, sei es als Gehülfin in einem solchen, auszubilden und sie in Küche und Speisekammer nicht in empirischer Weise, sondern an der Hand der Wissenschaft, mit Berücksichtigung der Chemie und Gesundheitslehre einzuweihen. Es werden zu diesem Behufe Vorträge gehalten, an vorhandenen Wachsapparaten wird der Bau des menschlichen Körpers erklärt, die Lebensmittel werden auf ihren Nährgehalt, auf ihre Einwirkung auf den menschlichen Organismus, auf ihren Werth und ihre Verfälschung geprüft.
Indeß „grau, theurer Freund, ist alle Theorie, und grün ist nur des Lebens goldner Baum“. Was nützte es, wären die Köpfe mit all diesem Wissen angefüllt und die Hände verstünden doch die der Gesundheit zuträgliche Speise nicht schmackhaft zu bereiten? Daß die Kochschule dieser Aufgabe gerecht wird, davon können sich sämmtliche Sinne Derjenigen überzeugen, welche das von der Lehranstalt auf der Ausstellung bezogene kleine Haus besuchen.
Dasselbe ist ein überaus behaglicher Raum, der eine vollkommene bürgerliche Kücheneinrichtung enthält. Unter der Aufsicht einer Vorstandsdame und der Leitung der Kochlehrerin sind eine Anzahl junger Damen in einfacher Kleidung, angethan mit blendend weißen Schürzen, emsig mit Zubereitung der Speisen beschäftigt. Da wird gerührt, abgeschäumt, Schnee geschlagen, da wird Gemüse geputzt, der Braten begossen und umgewendet, da kreischt in der Pfanne die Butter, da schmort und brodelt es vielverheißend in Töpfen und Tiegeln. Liebliche Düfte steigen gleich Opferduft zum Aether hinauf, und mit glühenden Wangen walten die Priesterinnen ihres Amtes, mit dem sie es so ernst nehmen, daß sie sogar die beschwerliche Arbeit des Herzens der Kochmaschine eigenhändig verrichten.
Das Werk – oder vielmehr die Werke loben dann aber auch Meister und Schülerinnen. Kunstvolle Aspics, leckere Braten und Fische, kräftige Suppen, süße Speisen, eingesottene Früchte, verführerisch duftendes Backwerk, kurz – Herz, was begehrst du – gehen aus den Händen der jungen Kochkünstlerinnen hervor. In einem angrenzenden Speisezelt, das mit einem äußerst sauberen, praktischen Fußboden und Glasfliesen ausgestattet ist, stehen Tische bereit, an welchen die Auserwählten sich niederlassen und ein Diner von sechs Gängen einnehmen dürfen.
Die Auserwählten, sage ich, nicht sowohl deshalb, weil der Preis eines solchen Diners 2,50 Mark beträgt, was sich immerhin nur eine Minderheit leisten kann, sondern weil das Monopol des Herrn Bauer es nöthig macht, unter dieser Minderheit noch eine Auswahl zu treffen. Nur fünfundzwanzig Couverts dürfen täglich verabreicht werden, und diese Zahl ist im Nu erreicht. Wer zu spät kommt, muß sich mit dem Anblick begnügen, wenn ihm nicht eine milde Hand einen Leckerbissen spendet, den er, wie es sich gerade schicken will, stehend oder sitzend verzehrt und für den er sich durch eine der Unterstützungscasse dargereichte Gabe erkenntlich zeigt.
In der Kochschule befindet sich ferner noch eine Collectivausstellung von Nahrungs- und Genußmitteln, von Kücheneinrichtungen und Haushaltungsgegenständen, die sich theils, wie das schöne Geschirr aus Gußeisen von Ravené in Berlin, der gesammten Ausstattung einfügen, theils, wie der Pumpernickel, das Brod, die Conserven etc., mit servirt werden, theils mit ausführlichen Gebrauchsanweisungen zur Ansicht ausgestellt sind. Endlich ist auch noch eine reiche Literatur aus dem Bereiche der Kochkunst und der Ernährungsfrage vorhanden, an welcher die Leiterin und Begründerin der Kochschule, Frau Lina Morgenstern, in hervorragender Weise betheiligt ist.
Die Volksküche und die Kochschule auf der Hygiene-Ausstellung bilden ein organisches Ganzes, nicht blos weil ihr Ursprung auf dieselbe Quelle zurückzuführen ist, nicht nur, weil sie in Personal-Union von einem Kopfe regiert werden, sondern auch, weil sie beide dazu bestimmt sind, eine nachhaltige und segensreiche Einwirkung auf die Ernährung und Gesundheitspflege breiter Schichten der Bevölkerung zu üben, und weil sie die Frau für ihre hochwichtige Stellung in der Gesellschaft als Verwalterin der Güter, als Haushälterin, als Pflegerin der Gesunden und Kranken, der Armen und Schwachen, der Greise und Kinder, ausbilden und sie an den ihr in dieser Beziehung gebührenden Platz stellen. Von einer Frau für Frauen und mit Frauen gegründet, nehmen sie eine hoch beachtenswerte Stelle ein im Haushalte der Nation.
- ↑ Die Volksküchen von Lina Morgenstern. Berlin, Stuhr’sche Buchhandlung, 1883.