Zum Inhalt springen

Beschreibung des Oberamts Wangen/Kapitel B 15

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
« Kapitel B 12 Beschreibung des Oberamts Wangen Kapitel B 20 »
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Für eine seitenweise Ansicht und den Vergleich mit den zugrundegelegten Scans, klicke bitte auf die entsprechende Seitenzahl (in eckigen Klammern).
|
c) Gem. 15 Kißlegg.
Kißlegg,[1] ein kath. Marktflecken, mit 101 Gebäuden, darunter 86 Haupt- und Wohngebäude, und 444 Einw., liegt unter dem 27° 32′ 38,3″ östlicher Länge und 47° 47′ 15,4″ nördlicher| Breite, den Kirchthurm als Mittelpunkt angenommen, 31/4 Stunden nördlich von Wangen, an dem Straßenknoten von Wurzach, Waldsee, Wolfegg nach Wangen und Isny, und an der Wolfegger Ach, die hier aus dem Zeller See tritt, dessen Niveau 1907 pariser Fuß oder 2162 württembergische Fuß beträgt. Kißlegg liegt ganz frei und eben auf einer rauhen Hochfläche, mit zahlreichen Torfmooren. Es befinden sich hier zwei Schlösser, welche nebst der schönen Kirche dem Ort schon von außen ein stattliches Ansehen geben, während die regelmäßige Anlage der breiten und gepflasterten Hauptstraße auch im Innern einen vortheilhaften Eindruck macht. Die Markung ist nicht vereinödet, und sämmtliche Äcker werden flürlich gebaut, Haber und Flachs, auch Hopfen sind die Hauptprodukte. Doch hat der Hopfenbau neuerdings den Runkelrüben theilweise weichen müssen. Grundherren sind die Fürsten von Waldburg-Wolfegg und Waldburg-Wurzach; die Grundherrschaft ist nach den Familien getheilt, gemeinschaftlich sind nur drei Häuser. Sämmtliche Güter sind Falllehen; Erblehen findet sich nur ein einziges. Die Zehnten sind getheilt zwischen den beiden fürstlichen Häusern, zum Theil aber auch der St. Katharinenkaplanei und dem Heil. Geisthospital zuständig. – Hauptgebäude sind: die Pfarrkirche zum heil. Gallus und heil. Ulrich, ein großes, sehr schönes, im Innern reich dekorirtes Gebäude mit einem hohen und zierlichen Thurm, erbaut in den Jahren 1734–38, mit einem Geldaufwand von 18.538 fl. Diese Kirche ist sehr sehenswürdig; sie besitzt eine kostbare und prunkvolle Kirchengarderobe, und einen reichen Schatz an Paramenten, Gefäßen, Reliquien, Bildern u. dergl., worunter besonders ein Kelch mit sehr feinen Emaille-Malereien Erwähnung verdient. Einer der vorzüglichsten Stifter dieses Kirchenschatzes war ein hiesiger Pfarrer um die Mitte des vorigen Jahrhunderts, Lohr mit Namen, der in Gemeinschaft mit seiner Schwester ein Christusbild, ein Marienbild, die schweren, silbernen, reich verzierten Apostelbilder, und die der vier Kirchenlehrer, Gregorius, Ambrosius, Augustinus und Hieronymus stiftete. Im dreißigjährigen Krieg wurde die Kirche geplündert, indem ein Bürger aus Kißlegg dem Feinde die verborgenen Kirchenschätze verrathen hatte. Das Patronatrecht wechselte hier und in Einthürnenberg zwischen den beiden fürstlichen Häusern; durch Vertrag vom Jahr 1711 aber gehört das zu Kißlegg dem Fürsten von Wolfegg, das zu Einthürnenberg dem Fürsten zu Wurzach. Die Parochie ist sehr ausgedehnt und begreift 1800 Seelen; ihre Filialien s. bei den Gemeinden Emmelhofen, Sommersried und Wiggenreute. Die Pfarrwohnung ist ein ansehnliches, massives, 1818–19 neu hergestelltes Gebäude. Die Baulast an Kirche und Pfarrhaus ruht auf der Kirchenfabrik, | die 6350 fl. Kapital mit jährlichen 41 fl. 30 kr. und 85 Schfl. Haber, 3 Schfl. 3 Vrtl. Dinkel an Zinsen und Gülten, auch Antheil an den Zehnten in Halden, Oberhorgen und Liebenried besitzt, und von der Pfarrei einen Bauschilling von 20 fl. bezieht. Außerdem besteht an der Pfarrkirche die St. Katharinenkaplanei (Patron der Fürst von Waldburg-Wolfegg), gestiftet 1399 von den Brüdern Marquard Tölzer und Merk von Schellenberg, mit welcher 1694 die von Tölzer von Schellenberg 1420 gestiftete Marienpfründe vereinigt wurde. Von der Pfarrei und von der Kaplanei bezieht der Staat Vogtrechte, von jener im Geldbetrag von 80 fl. 55 kr., von dieser 5 Schfl. 7 Sri. 1 Vrl. Haber. Für den ganzen Pfarrsprengel besteht eine Schule mit 3 Lehrern in Kißlegg. Die Leistungen der Industrieschule verdienen alle Anerkennung.

Mit der Kirche durch einen bedeckten Gang verbunden ist das Gebäude des ehemaligen Frauenklosters zu Bethlehem, des dritten Franciskanerordens. Schon im 10. Jahrhundert (s. unten) soll sich hier, ohne eine bestimmte Regel anzunehmen, ein geistlicher Frauenverein gebildet haben, der jedoch 1426 die Regel des heil. Franciskus bei sich einführte. Die Frauen, deren Zahl bis auf 24 stieg, lebten theils von ihrer Handarbeit, theils von dem Ertrag einiger Güter und Grundgefälle. Die Klosterkirche wurde nach dem großen Brand 1548 neu gebaut. Im Jahr 1806 wurde das Kloster zwar aufgehoben, doch den Frauen der Aufenthalt im Kloster bis zu ihrem Absterben gestattet. Gegenwärtig (August 1840) befinden sich noch deren zwei am Leben. Die dem Staat gehörigen Klostergebäude mit dem dazu gehörigen Gasthaus und Ökonomiegebäude sind geräumig und solid gebaut; sie werden, wenigstens theilweise, gegen einen mäßigen Kaufpreis der Gemeinde zum Zweck einer Schule überlassen werden.

In Kißlegg befindet sich ein fürstlich Waldburg-Wolfegg’sches Hospital zum Heil. Geist, dessen Stiftung von Hans Ulrich von Schellenberg (1575) und seiner Ehefrau Anna, geb. von Weiler zu der Altenburg, herrührt. Diese erbauten (nach dem Stiftungsbrief vom 12. Septbr. des angeführten Jahrs) das Hospital mit einer Kirche, und dotirten ersteres mit einem Hofgut, einer Mühle (die Krummühle genannt), dem Zehnten zu Zaisenhofen, einigen Hellerzinsen u. s. w., damit arme, alte, preßhafte Leute aus ihren Dienst- und leibeigenen Leuten in Allem verpflegt, und ein im Hospital wohnender Geistlicher (der nachmalige Hospitalkaplan) unterhalten werden könnten. Auch Auswärtige sollten gegen ein Pfründgeld Aufnahme in der Anstalt finden. Die Aufsicht und Gerichtsbarkeit behielt er sich und seinen Erben bevor, die denn auch an die Fürsten von Waldburg-Wolfegg| übergingen.[2] Der Brand von 1704 verzehrte auch den Hospital mit der Kirche; beide ließ Franz Christoph von Schellenberg auf seine Kosten wieder erbauen, wie denn derselbe überhaupt um die Emporbringung dieser wohlthätigen Anstalt sich die größten Verdienste erworben hat. Die Kirche aber ist unscheinbar und ziemlich finster. Durch Nachstiftungen und Vermächtnisse des Schellenbergschen und nachmals des gräflich Waldburg-Wolfeggschen Hauses hat sich das Grundstocksvermögen (das nach der ursprünglichen Dotation 6000 fl. betrug) auf die Summe von 57.000 fl. an Kapitalien, Gebäuden, Gütern, Waldungen, Weihern etc. erhoben, wozu noch 7–8000 fl. an Inventar und Vorräthen kommen. Gegenwärtig genießen 24 Hospitaliten in der Anstalt vollständige Verpflegung. Der fürstl. Wurzachsche Hospital in Bärenweiler, die Gottesackerkirche zu St. Anna und die Lorettokirche werden bei der Gem. Sommersried erwähnt werden. – Noch verdient hier angeführt zu werden die Armenstiftung des Grafen Karl Eberhard, durch Testament vom 17 Okt. 1797 zur Unterstützung von Armen und Kranken aus dem Wolfeggschen Antheil. Das Vermögen derselben besteht in 10.000 fl. Grundstockskapitalien.

Beide fürstliche Familien besitzen hier Schlösser; das Wolfeggsche mit seinen Nebengebäuden (der Forstverwalterswohnung u. s. w.) steht am südlichen Ende des Orts und ist ein ziemlich unregelmäßiges, alterthümliches, aber eben darum mehr malerisches Gebäude, als das zwar regelmäßige aber einförmige Wurzacher Schloß, welches auf der Nordseite des Orts in den Jahren 1704–29, zum Theil mit Materialien von der alten Feste Trauchburg, erbaut wurde. Beide Schlösser haben Hauskapellen; die im Wurzacher Schloß (zum Jesus Kindlein) ist besonders hübsch gebaut und geziert, sie hat einen eigenen Fonds von 1200 fl. Kapitalien. Messen liest in derselben der St. Katharinenkaplan. Am Wolfegger Schloß befindet sich ein Garten und ein angenehmes Wäldchen längs dem Zellersee. Letzteres ist in einen Gesellschaftsgarten in Form einer englischen Anlage mit Gängen und Sitzen umgeschaffen und zum Wirthschaften verpachtet.

Mit diesen Schlössern sind fürstliche Schloßgüter verbunden, und zwar gehören dem Fürsten von Waldburg-Wolfegg: Gärten 57/8 Morgen, Äcker 545/8 M., Wiesen, einmähdig, 386/8 M., zweimähdige 45/8 M.; dem Fürsten von Waldburg-Wurzach: Gärten 47/8 M., Äcker 667/8 M., einmähdige Wiesen 547/8 M. | Kißlegg ist der Sitz eines fürstl. Waldburg-Wolfeggschen und eines fürstl. Wurzachschen Rentamtes.

Was den Nahrungsstand der Einwohner betrifft, so fehlt es Kißlegg nicht an Erwerbsquellen, die einen im Durchschnitt mittleren Wohlstand begründen; außer dem schon erwähnten Feldbau und der Viehzucht, sind es Gewerbe und ein nicht unbedeutender Marktverkehr, was die Bürger vortheilhaft beschäftigt. Kißlegg hat fast alle städtischen Handwerker für das Bedürfniß des Orts und der Umgegend.[3] Eine Chaisenfabrik, die früher ziemlich lebhaft betrieben wurde, ist gegenwärtig von geringem Belang. Apotheke ist 1, Handlungen sind 2, Bierbrauereien 2, Schildwirthschaften 4 hier. Auch hat ein praktischer Arzt in Kißlegg seinen Wohnsitz. Sehr wichtig sind die regelmäßigen 4 Jahr- und 8 Monatsmärkte, wo viel Viehhandel getrieben wird, indem sie stark von Schweizern besucht werden, um Einkäufe zu machen. Im Jahr 1836 wurden an den

4 Jahrmärkten 1352
an den übrigen 8 Monatsmärkten 295
zusammen 1647 Stück Hornvieh und Pferde verkauft.

Im Jahr 1830 betrug der Verkehr nur in Hornvieh an Geld 40.000 fl., s. oben. – Besondere Erwähnung verdient der Reichthum der umliegenden Seen und Weiher, namentlich des Schlingsees an ungemein großen Edelkrebsen, welche die berühmten schweren Krebse der Altmühl sogar noch übertreffen sollen. Auch finden sich mehrere der edleren Fischgattungen in diesen Gewässern, z. B. der Weller.

Von Kalamitäten, welche über Kißlegg gekommen sind, erwähnen wir die Feuersbrunst 1548, die den Ort fast ganz verzehrte, Schellenberg, die benachbarten Waldburgschen Herrschaften und der Herr von Ratzenried machten durch milde Beiträge das baldige Wiederaufbauen möglich. Der dreißigjährige Krieg nahm auch Kißlegg hart mit; am ärgsten hausten die Schweden im Frauenkloster, dessen Bewohnerinnen sich geflüchtet hatten; der Konventsaal wurde zum Pferdestall. Im Jahr 1682 wüthete eine pestartige Seuche. Den 23. April 1704 kam durch die Nachläßigkeit eines französischen Kochs, als französische Truppen hier lagen, Feuer aus, das 35 Häuser, also fast den ganzen Ort, einäscherte. Nur die Kirche, das Kloster, das Schloß, und ein Bürgershaus blieben verschont. Diesem Unglück verdankt Kißlegg seine jetzige regelmäßige und gefällige Anlage. Endlich suchte 1756 den 14. Febr. eine bedeutende Feuersbrunst den Ort abermals beim, veranlaßt durch ein Weibsbild,| welches, um der alten Mutter los zu werden, das Haus anzündete. Die Verbrecherin büßte mit Enthauptung. Geschichte der Herrschaft Kißlegg. Schon oben S. 112 war von den Überresten einer Burg und ansehnlicher Befestigungs-Anlagen die Rede, welche neben dem jetzt noch den Namen Burg führenden Hof, eine kleine halbe Stunde nordwestlich von Kißlegg, jedoch schon im Gemeindebezirk Sommersried, sich befinden. Die auffallende Namensähnlichkeit scheint uns zu berechtigen, hier das Cassiliacum der Römer zu vermuthen. Im Mittelalter führte nicht der jetzige Ort, sondern diese Burg den Namen Kißlegg, und war der Sitz eines davon benannten adeligen Geschlechtes, das alte Sagen schon in das neunte Jahrhundert verlegen, und das wir später als Lehenleute und Vasallen des Klosters St. Gallen finden. Wann und von wem diese Burg zerstört wurde, läßt sich nicht angeben; daß es jedoch sehr frühe, vielleicht in den vielen Fehden geschah, in welche das Kloster St. Gallen vom eilften bis dreizehnten Jahrhundert verwickelt war, wird dadurch wahrscheinlich, daß die Herren von Kißlegg im dreizehnten und vierzehnten Jahrhundert in Immenried und im jetzigen Kißlegg wohnten, und von der alten Burg keine Erwähnung mehr geschieht. Der Marktflecken Kißlegg führte laut Urkunden von 1394, 1399, 1419, 1420 noch den Namen Zell bei Kißlegg.[4] Dieser Name soll daher rühren, daß sich im zehnten Jahrhundert an dem See bei Kißlegg, der mit dichten, sumpfigen Wäldern umgeben war, sechs Einsiedler niedergelassen hätten, um in stiller Abgeschiedenheit dem Herrn zu dienen. Selbst in der nächsten Nachbarschaft – so lautet die alte Sage – wußte man nichts von dem Daseyn dieser frommen Männer in dem dichten Walde. Einst aber drang zufällig ein entsprungenes Pferd des nahen Ritters von Kißlegg, verwundet und von Durst gequält, zu der Zelle am See hindurch, wo es bei den Einsiedlern Aufnahme und Pflege fand. Die Diener des Ritters, welche den Spuren des Pferdes gefolgt waren, entdeckten die abgeschiedene Wohnstätte, und bewogen ihren Herrn, den Wald zu lichten und Häuser an das Gestade des Zellersees zu bauen. Dieß störte den Frieden der heiligen Brüder, so daß sie es vorzogen, die Stätte, die sie angebaut, den Eindringlingen zu überlassen, und sich nach Weißenau zu übersiedeln [wovon jedoch die Urkunden und Traditionen dieses Klosters nichts melden]. Ein Frauenverein bezog die verlassene Zelle, aus welchem in der Folge der Franciskaner-Schwestern-Konvent hervorging, s. oben.| Von dem alten Geschlechte der Kißlegg finden wir in den Ephemeriden des Klosters St. Gallen (Goldast. I. p. 91), die gegen das Ende des dreizehnten Jahrhunderts geschrieben sind, die Namen: Guntram de Kisilecke, Burkardus de Chisilecke und Bertoldus de Kisiliegge de Immenrieth ultra lacum. Diese drei lebten zu Anfang des dreizehnten Jahrhunderts, da unter den Helfern des Abts Ulrich von St. Gallen in der Fehde mit Bischof Werner von Konstanz, Guntram, Bertold, Burkard und Walter, die Edelknechte von Kißlegg genannt werden. Der genannte Bertold ist ohne Zweifel derselbe, der 1239 einen Vertrag zwischen dem Stift Kempten und dem Kloster Isny mit unterschrieb als Bertoldus de Kisslegg. (S. württ. Jahrb. 1834. S. 225.) Diese alte Familie scheint die Burghut von Kißlegg als St. Gallisches Lehen innegehabt zu haben, und Ildef. von Arx. (I. S. 369) führt unter den schwäbischen Besitzungen dieses Klosters Kißlegg noch um das Jahr 1260 auf. Auf Sallmannsweiler Urkunden erscheinen 1269 und 1274 ein Burkard und ein Bertold von Kißlegg. Bertold de Chiseleck unterschreibt als kaiserlicher Landrichter einen Spruchbrief des Grafen Hugo von Werdenberg. Auch einen Bruno von Kißlegg, der sich auch Schenk von Diesenhofen schrieb, findet man 1275, so wie 1284 einen Dietrich und Rupert. Im Jahr 1280 kauften die Brüder Ulrich und Marquard von Schellenberg dem Burkard von Kißlegg Wasserburg am Bodensee um 500 Mark Silber ab. Um diese Zeit scheinen die Kißlegg ihre Herrschaft schon nicht mehr als St. Gallisches Lehen, sondern als freies Eigenthum besessen zu haben. Denn dieser Burkard, der letzte männliche Sprosse des Hauses, verheirathete seine einzige Tochter an den Sohn Marquards von Schellenberg; sie war die Universalerbin der Kißleggschen Güter, als Burkard ums Jahr 1300 starb, und so kam die Herrschaft an das Haus Schellenberg.[5] Diese Familie stammte aus dem alten Geschlecht der Scalamont im Feldkirch’schen, erwarb aber besonders durch den genannten Marquard, der von K. Rudolph sehr begünstigt wurde und in Diensten des kaiserl. Landvogts Grafen Hugo von Werdenberg stand, in der zweiten Hälfte des dreizehnten Jahrhunderts bedeutende Güter in Oberschwaben. Zwar hatte St. Gallen noch einzelne Zehnten und Gefälle in der Herrschaft Kißlegg; so belehnte dasselbe noch 1419 die Herren von Schellenberg mit mehreren Gütern zu und um Zell, und noch im Jahr 1475 hatte der zum Spital gestiftete Hof nach St. Gallen einen Hellerzins zu bezahlen, allein später verloren sich auch | noch diese Rechte. Die Schellenberge, wenn schon reich begütert, wurden doch nur dem rittermäßigen Adel beigezählt und schlossen sich dem St. Georgenbund des Adels, 1488 dem schwäbischen Bunde, und nach dessen Auflösung 1531 dem Ritterkanton des Hegau (Bezirk Allgäu-Bodensee) für Kißlegg an, wohin sie auch steuerten, und erst Hans Christoph von Schellenberg zu Kißlegg wurde 1637 von Kaiser Ferdinand II. in den Reichsfreiherrnstand erhoben. Schon frühe kommen in Kißlegg zwei Linien dieser Familie vor, welche die Herrschaft unter sich getheilt hatten. Die ursprüngliche Theilung ist die vom Jahr 1381 zwischen Märk Schellenberg dem ältern einer-, und den Brüdern Märk dem Jüngern und Tölzer andererseits. Die damals vorgenommene Theilung ist in der Hauptsache dieselbe, wie sie jetzt noch zwischen den fürstlichen Häusern Wolfegg und Wurzach besteht; der jetzige Wolfeggsche Antheil war der des alten Märk. Am nächsten Sonnabend vor Fastnacht 1394 verlieh Kaiser Wenzeslaus dem Marquard Tölzer und Märk von Schellenberg das Marktrecht, Gericht, Stock und Galgen zu Zell im Amte Kißlegg. Im Jahr 1525 verkaufte die Wittwe des Balthasar von Schellenberg mit ihrem Sohne Marquard das Schloß und die ihr zustehende halbe Herrschaft Kißlegg an Friedrich von Freiberg, dessen Enkelin Helena, Gemahlin des Grafen Gabriel von Hohenems, 1588 kinderlos starb, von deren Verwandten (22 Erben) im folgenden Jahr Kaspar von Schönau oder Schynen diesen Antheil auslöste und 1590 an Ernst und Ferdinand von Baumgarten zu Hohenschwangau verkaufte.[6] Dieser letztere starb 1618 kinderlos und hinterließ sein Eigenthum seinen beiden Schwestern Maria Gräfin von Hohenems und Eleonora. Diese stifteten den Hospital zu Bärenweiler (s. unten Gem. Sommersried) 1619. Maria war kinderlos und Eleonora unvermählt, daher Schellenberg sich Hoffnung machte, die ganze Herrschaft wieder in seinem Besitz zu vereinigen. Allein Maria und Eleonora trugen diese Hälfte Österreich zu Lehen auf (1627) mit der Bedingung, daß dieselbe der Adoptiv-Tochter der ersteren, Susanna, Freyin von Kuen-Belassi, und deren Gemahl, Truchseß Friedrich von Trauchburg, als Kunkellehen überlassen werde. Die Ansprüche Christophs von Schellenberg wurden diesem um 9000 fl. abgekauft. Später (1653) wurde die Lehenbarkeit von Österreich wieder nachgelassen und auf die Hälfte an der Herrschaft Konzenberg übergetragen. Nach dem Tod Friedrichs von Trauchburg (1636) trat Susanna in die zweite Ehe mit August, Vizthum von Eggstädt, Gouverneur von Landau. In ihrem Testament 1664 und Nachtrag 1666 setzte sie ihre Söhne Christoph und Johann Ernst | Truchsessen und Grafen zu Friedberg und Trauchburg, und deren Descendenz zu Erben ihrer Besitzungen und besonders ihres Antheils an Kißlegg ein, worauf sie 1669 starb und in der Pfarrkirche in Kißlegg begraben wurde. Sie ist die Stifterin der Loretto-Kapelle. Nach dem 1772 erfolgten Aussterben der Waldburg-Trauchburgschen Linie nahm Graf Fr. Anton Besitz von diesem Antheil an Kißlegg (12. Juli 1772), wogegen die Agnaten nicht nur protestirten, sondern auch ihrerseits mit bewaffneter Hand sich in Besitz setzten (18. Juli). Der hierüber bei dem Reichshofrath geführte Prozeß wurde durch Vergleich im Jahr 1779 beigelegt, nach welchem diese halbe Herrschaft dem Grafen von Waldburg-Wurzach zuerkannt, Zeil aber wegen seiner Ansprüche mit 60.000 fl. entschädigt wurde. Auch die andere Hälfte der Herrschaft kam von Schellenberg an das Waldburgsche Haus. Der letzte Schellenberg war Freiherr Franz Christoph, dessen Tochter Maria Anna sich 1702 mit Ferdinand Ludwig Grafen zu Waldburg-Wolfegg vermählte.[7] So kam nach dem Tod des Freiherrn Fr. Christoph den 6. Mai 1708 der Schellenbergsche Antheil an Wolfegg, und als 1791 die männliche Wolfeggsche Linie ausstarb, an Waldburg-Wolfegg-Waldsee. Im Jahr 1806 aber kamen beide Theile der Herrschaft Kißlegg mit den beiden fürstlichen Häusern Waldburg-Wolfegg-Waldsee und Waldburg-Wurzach unter k. württemb. Oberhoheit, nachdem zuvor Bayern| vom 3. Jan. bis den 13. (30.) Okt. 1806 deren Besitz behauptet hatte. Die Herrschaft war bis auf diese Zeit zur Ritterschaft (Kanton Hegäu-Allgäu-Bodensee) kollektabel, und stand in letzter Instanz unter den höchsten Reichsgerichten. Blutbann aber und das Marktrecht in Kißlegg waren Reichslehen, und zwischen beiden Häusern gemeinschaftlich. Hinsichtlich der gemischten Gemeinden und Parzellen ist 1831 für den Zweck der Ausübung der Gerichtsbarkeit und Polizeigewalt oder deren Surrogate zwischen Wolfegg und Wurzach eine Purifikation zu Stande gekommen, wonach Wolfegg auf diese Befugnisse in seinem Antheil an den Gemeinden Sommersried und Wiggenreute, Wurzach dagegen in Emmelhofen und Kißlegg verzichtet,[8] so daß Gerichtsbarkeit und Polizeigewalt in Emmelhofen, Immenried und Kißlegg dem fürstl. Hause Wolfegg, in Sommersried und Wiggenreute dem fürstl. Hause Wurzach zusteht. (S. Deklaration Regierungsbl. 1831. Nr. 14.) Sonach ist, nach Verzichtleistung auf die Rechtspflege, für die Polizeiverwaltung der ehemaligen Herrschaft Kißlegg (jetzt mit Inbegriff der Herrschaften Praßberg und Leupolz, die Vogtei Kißlegg genannt) das im Jahr 1838 gebildete k. fürstl. Waldburg-Wolfegg-Waldseesche Amt Wolfegg bestellt, welches in Angelegenheiten der Gem. Sommersried und Wiggenreute den Namen k. württemb. fürstl. Waldburg-Wolfegg-Waldseesches und Waldburg-Wurzachsches Amt führt, aber von Wolfegg-Waldsee allein besetzt wird. (Regierungsbl. 1838. Nr. 12.)


  1. Das Schriftchen: Die Geschichte von Kißlegg mit Einschluß ihrer (sic) Umgebung, Isny 1822,8., enthält nicht, was man nach dem Titel vermuthen sollte, eine beglaubigte Geschichtserzählung, sondern eine Reihe zum Theil possirlicher Knittelverse, die bestimmt waren, am Maienfeste 1822 von der Schuljugend vorgetragen zu werden. Gleichwohl sind die Hauptmomente der Sage und Geschichte Kißleggs und seine Merkwürdigkeiten ziemlich vollständig aufgeführt.
  2. Die k. württ. Regierung gab im Jahr 1820 die von ihr an sich gezogene Administration dem fürstlichen Hause wieder zurück. Die k. Kreisregierung bestätigt den von dem Fürsten ernannten Administrator.
  3. Ein geschickter Schlossermeister, Müller, erhielt 1828 die Anerkennung der Centralstelle d. l. V., s. Korresp. Bl. 1828. II. S. 208.
  4. In der Stiftungsurkunde der Marien-Meßpfründe von 1420 heißt es: „in der Pfarrkirche ze Zell im Ampt“ und in dem Konsensbriefe des Pfarrers: Ego Joannes Lochar Rector Ecclesiae Paroch. in Zell prope Kisslegg.
  5. K. Karl V. verlieh 1545 den Herrn von Schellenberg das Wappen der ausgestorbenen Kißlegge, ein schwarzes Panterthier mit Ochsenhörnern in einem goldenen Schild; sie vereinigten es mit ihrem eigenen Wappen, einem Schild mit vier abwechselnden schwarzen und goldenen Querstreifen.
  6. Hienach ist die Angabe in den württ. Jahrb. 1834 S. 226 zu berichtigen.
  7. Die Gräfin Maria Anna, eine wegen ihrer Mildthätigkeit sehr verehrte Frau, starb den 13. Aug. 1754 und mit ihr erlosch das Schellenbergsche Geschlecht. Es liegt nicht in der der Bestimmung dieser Schrift, die Geschichte des Geschlechtes der Schellenberge weiter zu verfolgen; doch darf hier nicht unterlassen werden, das Andenken eines zu seiner Zeit berühmten Kriegshelden zu erneuern, des Ritters Ulrich von Schellenberg, der, geboren und gestorben zu Kißlegg (1487 und 1558), ganz unserem Bezirk angehört, so entfernt auch der Schauplatz seines glänzenden Wirkens war. Hans Ulrich von Schellenberg studirte in Pavia und Bologna die Rechte und erwarb sich den Grad eines Juris utriusque Doctor. Bald jedoch mehr von dem ritterlichen Waffenhandwerk angezogen, wohnte er allen Feldzügen des Kaisers Maximilian I. in Italien bei und wurde von diesem zum Obristen ernannt, auch unter seine Hof- und Kriegsräthe aufgenommen. Mehr als einmal war er der Führer der tapfern Eidgenossischen Schaaren, welche für den Kaiser um das Herzogthum Mailand kämpften, und hatte wesentlichen Antheil an den ehrenvollen Waffenthaten derselben gegen die französischen Heerführer Trivulzi und Latremouille (1512–1515), so daß der K. Maximilian, der ihn gleich beim Beginn seiner kriegerischen Laufbahn zum Ritter geschlagen hatte, ihm durch seinen Feldherrn Raimond von Cardona diese Ehre zum zweitenmal widerfahren ließ. Noch unter Kaiser Karl V. führte er die Schweizer nach Italien und trug zur Wiedereroberung von Mailand (1529) das Seinige redlich bei. Schellenberg wurde von seinen Zeitgenossen als ein Mann von imposanter Persönlichkeit, als ein biederer und jovialer Ritter gerühmt. Vgl. Schrenck von Notzingen Descriptt. Imperatt. etc. Innsbruck 1601.
  8. Von Seiten Wurzachs jedoch unter Vorbehalt des als Surrogat der Polizeiverwaltung zugesagten niedern Strafrechts im fürstl. Schlosse zu Kißlegg und dessen Umkreis (Deklar. vom 14. Jan. 1834. Reg. Blatt Nr. 8).