Beschreibung des Oberamts Waiblingen/Kapitel B 5
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Der Gemeindebezirk liegt am nördlichen Ende des Oberamts, da, wo die Winnender Hochebene aufhört, und grenzt an den Oberamtsbezirk Marbach. Er ist vom Zipfelbach durchschnitten, in der II. Classe der Gemeinden und gehört in das Forstamt Reichenberg. Die Vicinalstraßen sind in mittelmäßigem Zustand, mit Ausnahme jener, welche über Schwaickheim nach Winnenden und über Hohenacker nach Waiblingen führen.
Die Gemeinde zählt 147 Haupt- und 116 Neben-Gebäude. Die Kirche zum heil. Ulrich steht mitten im Ort, zunächst dem Rathhause, rings mit dem längst verlassenen und mit einer Mauer umfangenen Kirchhof umgeben. Ihr Alter ist unbekannt, Bauart und Zustand sind gut; Thurm und Kirche wurden am 17. Mai 1790 vom Blitz getroffen, der beide um 2500 fl. beschädigte. Nun wurde der ansehnliche Thurm mit Blech gedeckt. Die Kirche ist Eigenthum der Stiftungspflege, welche dieselbe auch unter Concurrenz der Gemeinde zu erhalten hat. In derselben sind mehrere Grabmäler der Herwart, Nettelhorst u. s. w. Bemerkenswerth ist namentlich jenes des Hans v. Bernhausen, in einem in Stein gehauenen gerüsteten Ritter bestehend. Das vom Staat zu unterhaltende Pfarrhaus liegt ziemlich entfernt, hoch und von allen Seiten frei. Eine ältere Capelle dient längst zu landwirthschaftlichen Zwecken. Nahe bei der Kirche steht das 1847 von der Gemeinde erbaute, ansehnliche, dreistockige Schulhaus. Das vormalige Schlößchen im Dorf ist seit dem Tode des letzten, 1770 gestorbenen Nettelhorst im Besitze von Bauern. Der außerhalb des Ortes gelegene Begräbnißplatz wurde schon im Jahr 1618 angelegt. In der Stiftungspflege sind die Einkünfte der beiden Heiligen St. Ulrich und Maria Capell (wohl der zuvor erwähnten) vereinigt.
Die Einwohner (1792 – 758) haben ihr ordentliches Auskommen. Erwähnenswerth ist, daß der Vater Friedrichs v. Schiller, Johann Caspar Schiller, dessen Vater hier Gerichtsverwandter und Bäcker war, am 27. October 1723 in Bittenfeld geboren wurde. Bittenfeld zählt die meisten Geburten (s. S. 35).
| Die Markung ist eine der größten des Bezirkes, es fallen etwa 2 Morgen Baufeldes auf einen Einwohner. Der Boden ist meistens lehmig. Die Sand- und Kalk-Steine, welche die Markung liefert, werden zum Hoch- und Straßen-Bau verwendet.Ackerbau und Viehzucht sind die Hauptnahrungsquellen. Der erstere ist mittelmäßig. Der Bracheinbau findet kaum zur Hälfte statt. Der Weinbau ist unbedeutend und im Abnehmen begriffen, da manche nieder gelegene Weingärten für den besser passenden Ackerbau seit 1816 umgearbeitet wurden und der Wein von geringerem Gehalt ist. Die Morgenzahl der Weinberge ist 39, soll aber früher 70 gewesen seyn. Etwas Roggen, dann Dinkel, Gerste, Haber, Ackerbohnen, Erbsen, Wicken und Linsen wird nach Winnenden zum Verkauf gebracht. Wenig Repsbau. Hanf wird weit mehr als Flachs gebaut. Durchschnittlich ist der Preis von 1 Morgen Acker 300 fl., Wiese 200 fl., Weinberg 400 fl. Der Obstbau nimmt seit Beschränkung des Weinbaues zu. Die Eichenwaldungen der Gemeinde sind in gutem Zustande. Der Viehstand ist von Bedeutung und an Ochsen und Schmalvieh der absolut größte des Bezirkes (S. 61). Es wird ziemlich viel damit gehandelt. – Unter den 72 Gewerben sind außer den beiden nachgenannten Mahlmühlen ein Feldmesser, ein Glaser, einige Kübler und 27 Weber zu erwähnen.
Die Gemeindepflege hat zwar 7216 fl. Capitalvermögen, aber auch 9702 fl. Schulden; doch besitzt sie ziemlich Grundeigenthum (292 Morgen Wald) und darf keine Gemeindeumlage machen. Die Stiftungspflege hat nur 1778 fl. Vermögen. Unter den Stiftungen sind solche, welche von Johann Friedrich und Wilhelm Albrecht von Nettelhorst herrühren.
Die Parochie besteht aus Bittenfeld und dem im Oberamte Marbach gelegenen, 1/2 Stunde entfernten Weiler Siegelhausen. Das Patronatrecht stand früher dem Stifte Backnang zu, ist nun aber königlich. An der Schule steht ein Schulmeister mit einem Lehrgehilfen. Eine in der Nähe des Ortes entspringende Quelle versorgt denselben mit gutem Trinkwasser.
b) Böllenbodenhof, Hof mit 7 evang. Einwohnern, auf der Grenze gegen das Oberamt Marbach, 1/2 Stunde nördlich von Bittenfeld gelegen. Der Hof theilt die Markungs- und alle andere Verhältnisse mit letzterem. Dasselbe ist der Fall mit den beiden vom Zipfelbach getriebenen Mahlmühlen:
c) der Rientzenhofer Mühle mit 9 evang. Einwohnern, zwischen Hochdorf und Bittenfeld gelegen[1], und
d) der Schnellenmühle, mit 3 evang. Einwohnern, zwischen Bittenfeld und Schwaickheim gelegen[1].
| In der Rienzenhofer (richtiger Remshofer) Mühle hat sich der Name eines längst verschwundenen Weilers, welcher südwestlich von Bittenfeld auf einer Höhe gegen Neckarrems hin lag, erhalten. Dieser Weiler erscheint als „Renshofen“ im Jahr 1245 April 11. unter denjenigen Orten, wo Papst Innocenz IV. dem Stift Backnang Besitzungen bestätigte; seiner Veräußerung von Württemberg an Bernhausen im Jahr 1464 wird alsbald gedacht werden. Aber noch 1568 hat das Stift einen Hof. Auch Kloster Adelberg besaß hier einen Hof, welchen es den 20. April 1439 an die Pfleger der hiesigen l. Frauen-Capell für 510 fl. verkaufte. Capelle und Caplaneihaus standen noch 1540. Der „Weiler“ Remshofen wird noch 1580 genannt, und das Landbuch von 1623 führt ihn als zu Bittenfeld gehörig auf; er scheint also im dreißigjährigen Krieg abgegangen zu seyn.Bittenfeld ist ohne Zweifel mit Waiblingen an Württemberg gekommen und gehört sonach zu den frühesten Besitzungen dieses Hauses. In sehr alter Zeit stand hier eine Burg. Vom hiesigen Ortsadel kommen vor im Jahr 1308 Johann und Wolf von Bittenfeldt. – Erstmals genannt wird der Ort im Jahr 1225; damals fällten der Propst Konrad von Adelberg und der Pfarrherr Walther von Waiblingen einen Schiedsspruch darüber, ob die Kirche von Bittenfeld, worüber sich Heinrich von Neuffen (der damalige Besitzer der Herrschaft Winnenden) den Pfarrsatz angemaßt habe, ein Filial von Siegelhausen sey; (gegenwärtig ist S. Filial von Bittenfeld). Im Jahr 1237 besaß das Stift Backnang bereits den hiesigen Großzehenten, wozu es im Jahr 1282 von Albert Edlem von Ebersberg noch den Kleinzehenten erwarb. Von Backnang gingen dessen hiesige Güter und Rechte durch Kauf an Graf Ulrich von Württemberg über im Jahr 1453 (Sattler Grafen 2, 184); allein ausschließlich der Zehenten des Widumhofes und eines Lehens, die das Stift noch 1568 besaß. In der württembergischen Geschichte des vierzehnten Jahrhunderts wird der Ort dadurch bekannt, daß er dem Grafen Ulrich IV. († 1366, Bruder Graf Eberhards des Greiners) zum Aufenthalte diente (Annal. Stuttgart. bei Mone Anzeiger 1834, 139); in dem Vergleiche, welchen Graf Ulrich ein Jahr vor seinem Tode mit Graf Eberhard schloß, wurde ersterem namentlich auch Burg und Dorf Bittenfeld zugetheilt (Steinhofer 2, 347. Sattler Grafen 1, 196). Bittenfeld war württembergisches Lehen, welches das Schicksal hatte, mehrmals verpfändet, vorübergehend auch verkauft zu werden; im Jahr 1435 verpfändeten die Grafen Ludwig und Ulrich von Württemberg dem Bruder Diepold und Hans von Bernhausen die Burg und das Dorf Bittenfeld, nebst dem Zehenten zu Schwaickheim und | einem Antheil an der Steuer zu Marbach gegen Vorbehalt der Losung und des Öffnungsrechts für 5107 fl. (Steinhofer 2, 794), welche Verpfändung im Jahr 1442 Graf Ulrich V., in dessen nunmehrigem besondern Landestheil Bittenfeld lag, gegen Hans von Bernhausen und seine Hausfrau Margaretha von Rinderbach um 7107 fl. erneute (Steinhofer 2, 847). Im Jahr 1464 schritt derselbe Graf Ulrich zum Verkauf von Dorf Bittenfeld, Weiler Remshofen, nebst den Dörfern Neckarrems und Neckargröningen, was er sämmtlich für 7400 fl. auf Wiederlosung an Hans von Bernhausen veräußerte (Steinhofer 3, 116). Die Wiederlosung muß indeß bald erfolgt seyn. Später erscheinen die Herren von Bernhausen als württembergische Lehensträger zu Bittenfeld; im Jahr 1507 nennt sich Jakob von Bernhausen zu Bittenfeld (Gabelkh.), und noch 1569 reversirt sich Georg von Bernhausen gegen Herzog Ludwig um dieses Lehen. Daneben versetzte im Jahr 1471 obiger Graf Ulrich einen hiesigen Wohnsitz dem Hans von Fronhofen und seiner Hausfrau Barbara Nothaftin von Hohenberg für 900 fl. (Steinhofer 3, 195). Hundert Jahre darauf (1571) wird erwähnt Hans Nothaft zu Bittenfeld (Gabelkh.).
Im Jahr 1573 wurde Albrecht Oborsky und schon im Jahr 1574 die Augsburger Patricierfamilie Herwart, zuerst Matthias Herwart, mit dem Schloß Bittenfeld von Württemberg belehnt; solches wurde zwischen 1593–1598 durch den Baumeister Heinrich Schickard neu erbaut (v. Gemmingen, Schickards Lebensbeschreibung 8), und ist durch sein schönes Steinportal ausgezeichnet (jetzt Bauernhaus). Matthias Herwart von Bittenfeld, im Jahr 1584 Bürgermeister zu Eßlingen, erscheint 1594 unter den württembergischen Vasallen (Reichsst. Arch.-Urk. 1, 362), deßgleichen Lucas Herwart zu Bittenfeld 1608–19, Christ. Herwart von Bittenfeld und seine Brüder 1633. Späterhin kam der Ort an die Familie Pfaut von Kürnberg; von Johann Philipp Pfaut von Kürnberg und seiner Gemahlin Helene, geb. Bidembach, erkaufte ihr hiesiges Schloß nebst Hofgut im Jahr 1664 Herzog Eberhard III. von Württemberg für 5500 fl. (Sattler Herz. 10, 72), vertauschte es aber bereits wieder am 11. October 1669 an Sibylle Felicitas Schertel von Burtenbach, Wittwe, gegen Überlassung von Gaugenwald und Garweiler. Im Anfang des vorigen Jahrhunderts trug der württembergische Oberstwachtmeister von Nettelhorst das Schloß von Württemberg zu Lehen, die hohe und niedere Gerichtsbarkeit hatte aber die Vogtei Waiblingen zu üben. Außerdem besaß die Kellerei Waiblingen 4 Höfe, die hiesige Barbara-Caplanei 2 und der hiesige Heilige 4 Lehen.
Vor der Reformation bestanden neben der Pfarrei eine St. | Barbara- und eine Frauen-Caplanei. Das Patronat hierüber ging mit dem Stift Backnang an Württemberg über. – Zu Gunsten der St. Marien- und Annen-Capelle, weil solche „fast baufällig“ war, stellte Graf Ludwig von Württemberg den 28. October 1433 einen Bettelbrief aus.In den Jahren 1626/35 herrschte die Pest. Im Sommer 1795 raffte eine Seuche 625 Stück Vieh weg und im December 1796 grassirte ein bösartiges Nervenfieber.
- ↑ a b Wikisource: Offenbar hat der Autor die beiden Mühlen vertauscht, denn die Rientzenhofer Mühle/Riezhofer Mühle/… stand zwischen Schwaikheim und Bittenfeld und steht heute am Südrand des angewachsenen Bittenfeld, während die Schnellenmühle zwischen Bittenfeld und Hochdorf steht. Siehe Meßtischblatt 7121 Cannstatt von 1930 in der Deutschen Fotothek und OpenStreetMap
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