Beschreibung des Oberamts Tübingen/Kapitel B 27
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Gemeinde III. Klasse mit 474 Einwohnern, worunter 3 Kath. Dorf, Filial von Degerschlacht; die Kath. sind nach Tübingen eingepfarrt. 21/2 St. östl. von Tübingen gelegen.
Der kleine Ort liegt frei und angenehm auf sanft gegen den westlichen Rand des Wieslesbachthälchens geneigter Hochfläche. Die stattlichen, oft mit schön geschnitztem Balkenwerk verzierten Häuser liegen zerstreut und unregelmäßig an den wohlgekandelten Straßen. Fast vor allen Häusern liegen zierliche Blumengärtchen, an vielen ranken Reben hinauf und die schönen Obstbaumwiesen, die rings den Ort umgeben, treten mit schattigen Baumgruppen bis an die Häuser heran. Um das freundliche ansprechende Bild des Dorfes noch zu vollenden, erscheint im Hintergrund der herrliche Zug des Albgebirges. Die kleine, mitten im Ort gelegene Kirche besteht aus einer früheren halbachteckig geschlossenen gothigen Kapelle, die jetzt den Chor bildet, und einem westlichen, durch Rundbogenfenster erhellten Anbau mit der Jahreszahl 1676. Das Innere hat durchaus eine flache Decke und ist mit Emporen stark verbaut. Unter der weißen Tünche sind noch Spuren von Fresken. Die Orgel steht im Chore; an der Südwand des Schiffes ist ein hübsches Tafelbild angebracht, Christus, Maria und Johannes, gestiftet von Schäffer, Burger allhier 1684. Der Thurm sitzt als großer hölzerner, mit vierseitigem Zeltdache bekrönter Dachreiter auf dem Westgiebel. Von den zwei Glocken ist die eine 1813 von Kurtz in Reutlingen, die andere 1814 von Neubert in Ludwigsburg gegossen. Die Baulast der Kirche ruht auf der Gemeinde.
Der Begräbnißplatz liegt auf der Nordseite außerhalb des Ortes und ist 1668 angelegt worden.
Schul- und Rathhaus sind vereinigt in einem 1839 neuerbauten dreistockigen Gebäude, dessen oberster Stock für den Gemeinderath eingerichtet ist; der mittlere Stock enthält zwei Schulzimmer, im Erdgeschoß wohnt der Schulmeister. Dahinter befindet sich ein Gemeindebackhaus.
Gutes Trinkwasser liefern reichlich ein starker laufender Brunnen, der am nordöstlichen Ende des Dorfes gelegene Gassenbrunnen, 7 Pump- und 12 Schöpfbrunnen; sonst hat die Markung wenig Quellen. Eine Wette ist im Ort angelegt.
Die Vicinalstraße von Tübingen nach Metzingen führt hier durch.
Die Einwohner sind gesund und kräftig und erreichen mitunter ein hohes Alter (vier sind gegenwärtig 80 Jahre und darüber alt), sie| zeichnen sich aus durch Fleiß, Sparsamkeit, Ordnungsliebe und religiösen Sinn. Die Volkstracht, welche früher der auf den Härdten ähnlich war, beginnt leider zu weichen, namentlich bei dem weiblichen Geschlecht, bei dem auch das runde Häubchen dem deutschen Platz gemacht hat.Die Erwerbsquellen sind Feldbau und Viehzucht; Gewerbe werden nur für die nöthigen Bedürfnisse getrieben; zwei Schildwirthschaften und zwei Kramläden bestehen.
Die Vermögensverhältnisse sind befriedigend; der Mittelstand herrscht vor, eigentliche Reiche gibt es keine; der begütertste Bürger besitzt 25 Morgen, der Mittelmann 10–12 Morgen Grundeigenthum, die ärmere Klasse ist auf ihre 61/2 Viertel Allmandtheile angewiesen. Gemeindeunterstützung erhalten gegenwärtig zwei Personen.
Die im Verhältniß zur Einwohnerzahl mittelgroße Markung bildet ein ziemlich ebenes, obst-, getreide- und namentlich wiesenreiches Land, dessen Boden meist aus einem tiefgründigen fruchtbaren Lehm besteht und mehr zu den naßkalten als hitzigen Bodenarten gerechnet werden darf. Das Klima ist wie in dem nahen Degerschlacht.
Die Landwirthschaft wird mit Anwendung verbesserter Ackergeräthe (flandrische Pflüge, eiserne Egge, Repssämaschine, Walze) recht gut betrieben und beschäftigt sich vorherrschend mit dem Anbau von Dinkel und Gerste, weniger Haber, Roggen, Futterkräuter (vorherrschend dreiblättriger Klee), Kartoffeln, Kraut, Angersen, Wicken, Reps, Hopfen, Flachs und Hanf. Von den Felderzeugnissen kommen zum Verkauf 300 Scheffel Dinkel, 120 Scheffel Gerste, der ganze Hopfen- und Repsertrag, von Flachs und Hanf ungefähr 3/4 des Ertrags. Der Flachs ist wegen seiner Güte sehr gesucht.
Der Wiesenbau liefert reichlich gutes Futter.
Die Obstzucht ist ziemlich ausgedehnt und ermöglicht in günstigen Jahren einen Verkauf von etwa 1000 Simri; sie beschäftigt sich mit Luiken, Reinetten, Knausbirnen, Palmischbirnen, grünen Mostbirnen, deutschen Bratbirnen, Zwetschgen und Pflaumen. Für die Gemeindebäume ist der gegenwärtige Schulmeister als Aufseher bestellt.
Die vorhandenen 49 Morgen Gemeindewaldungen ertragen jährlich 16 Klafter und 1200 Stück Wellen; sie werden als Holzgaben an die Bürger ausgetheilt, so daß jeder Bürger 1/8 Klafter und 12 Stück Wellen erhält.
Die Brach- und Stoppelweide trägt der Gemeinde eine Pachtsumme von 2–300 fl. und die Pferchnutzung von 175 fl. ein.
| Die Allmanden sind den Ortsbürgern zur unentgeltlichen Benützung überlassen.In ziemlich gutem Zustande befindet sich die Rindviehzucht; man hält einen tüchtigen Neckarschlag, der durch einen Simmenthaler Farren veredelt wird. Der Handel mit Vieh ist nicht bedeutend.
Auf der Markung lassen einige Bürger und ein fremder Schäfer 250–300 Stück Bastardschafe laufen.
Von Belang ist die mit halbenglischer Race sich beschäftigende Schweinezucht; die gezogenen Ferkel werden meist nach außen verkauft und nur ein kleiner Theil zum Verkauf aufgemästet.
Geflügel wird in ziemlicher Ausdehnung meist für den Handel gezogen.
Die mit Glück betriebene Bienenzucht ist im Zunehmen; Wachs und Honig kommt meist nach außen zum Verkauf.
Zu wohlthätigen Zwecken sind verschiedene Stiftungen im Betrag von 200 fl. vorhanden, deren Zinse seit etlichen Jahren, da ihre Austheilung an Arme nicht dringend nothwendig ist, zum Kapital geschlagen werden.
Im Sickenhauser und Altenburger Gemeindewald liegen 6 altgermanische Grabhügel.
In den sog. Spittelgärten werden zuweilen Ziegel und Backsteine ausgepflügt; hier soll ein Spital (Siechenhaus) gestanden sein.
S. ursprünglich gräflich Achalmisch, hatte die gleichen Schicksale wie Altenburg (s. A.) und kam dem Haupttheile nach 1444 an Württemberg.
Graf Liutold von Achalm († 1098) beschenkte das Kloster Zwiefalten mit zwei Höfen und zwei Baumgütern (ad Sigginhusin. Pertz Script. 10, 75). Sonst erhielt das Kloster Pfullingen gegen Ende des 13. Jahrhunderts hiesige Güter.
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