Beschreibung des Oberamts Tübingen/Kapitel B 2
« Kapitel B 1 | Beschreibung des Oberamts Tübingen | Kapitel B 3 » | |||
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
| |||||
Für eine seitenweise Ansicht und den Vergleich mit den zugrundegelegten Scans, klicke bitte auf die entsprechende Seitenzahl (in eckigen Klammern).
|
Gemeinde III. Klasse mit 425 Einwohnern. – Evang. Pfarrei. 21/2 Stunden östlich von Tübingen gelegen.
Ehe das enge von Süden her ziehende Wieslesbachthal in das Neckarthal eintritt, baut sich an seinem hohen steilen westlichen Abhange,| dem gegenüber sich die Schlucht des Madenbaches öffnet, der freundliche Ort malerisch empor, überragt von der ganz auf der Höhe stehenden Kirche. Die mittelgroßen Häuser liegen, dem unebenen Erdreiche folgend, in kleinen hübschen Gruppen beisammen, die von Obst- und Gemüse-Gärtchen umgeben sind. Nur der südlichste Theil des Ortes, der sich als schmaler Streifen am Wieslesbach hinzieht, ist eben, aber die Häuser stehen auch hier unregelmäßig. Die Lage ist gesund, übrigens dem Nordwind etwas ausgesetzt. Die in verschiedenen Windungen und oft steil anlaufenden Straßen sind in mittelmäßigem Zustand und nicht gekandelt. Der Ort ist ringsum von ausgedehnten Obstbaumgärten umgeben, an die sich fruchtbares Ackerland anschließt. Die ganz auf der Höhe, am Nordende des Dorfes stehende kleine Kirche, von deren Thurm man eine weite Aussicht über die Alb, das Neckarthal und den Schönbuch genießt, hat nichts bemerkenswerthes. Sie ward an der Stelle einer dem h. Nikolaus geweihten Kapelle im Jahr 1654 erbaut und bildet ein flachgedecktes Schiff ohne Chor; die Sakristei ist nördlich angebaut; der Thurm, unten steinern, oben von Holz und mit vierseitigem Zeltdache bekrönt, steht im Westen. Das Innere der Kirche ist stark mit Emporen verbaut. Die zwei Glocken auf dem Thurme sind gegossen 1837 von Christian Adam Kurtz und Sohn in Reutlingen. Um die Kirche läuft im Westen eine alte feste Mauer; auch Spuren eines Grabens sind noch sichtbar; hier soll eine Burg gestanden sein, welcher der Ort ohne Zweifel seinen Namen verdankt. Die Baulast der Kirche hat die Gemeinde.Der ummauerte Begräbnißplatz liegt außerhalb, östlich vom Ort, und ward 1844 angelegt; früher wurden die Todten auf dem Friedhofe von Oferdingen beerdigt.
Ein Pfarrhaus ist nicht vorhanden; der jeweilige Pfarrverweser wohnt in einem Privathause.
Das Rathhaus befindet sich in ziemlich gutem Zustande; es wurde 1850 angekauft und für seinen gegenwärtigen Zweck eingerichtet.
An das kleine alte Schulhaus ward 1846 ein neues angebaut; das erstere enthält die Wohnung des Schulmeisters.
Eine Industrieschule besteht.
Außerdem besitzt die Gemeinde noch ein Backhaus und ein Waschhaus.
Hinreichendes und sehr gutes Trinkwasser liefern 3 Pumpbrunnen und 2 starke laufende Brunnen, von denen der sog. Gaßbrunnen der bedeutendste ist. Außerhalb des Ortes befinden sich auf der Markung mehrere frische Quellen und in der Neckarthalebene 3 Altlachen.
| Die Vicinalstraße von Kirchentellinsfurth nach Oferdingen geht durch den Ort; überdieß eine von hier nach Sickenhausen. Über den Wieslesbach führen 3 steinerne Brücken, welche die Gemeinde zu unterhalten hat.Die Einwohner sind von kräftigem Körperbau, geordnet, sehr fleißig und sparsam und haben viel religiösen Sinn. Von Volksbelustigungen hat sich nur der Tanz bei den Hochzeiten erhalten; Zechhochzeiten sind auch noch gebräuchlich. Die Volkstracht ist beinahe abgegangen. Die Haupterwerbsquellen sind Feldbau und Viehzucht; zwei Stubensandsteinbrüche liefern vortreffliche Bau- und Werksteine, die weit hin in der Umgegend und bis nach Ulm zum Münsterbau gesucht sind. Kies (Gerölle) wird im Neckarthal gewonnen. Die Gewerbe werden nur für die örtlichen Bedürfnisse getrieben; 2 Schildwirthschaften und 2 Kramläden bestehen.
Die Vermögensverhältnisse sind im allgemeinen mittelmäßig; der begütertste Bürger besitzt 28 Morgen, der sog. Mittelmann 14 Morgen, die wenig bemittelte Klasse 1/2 Morgen; einzelne haben gar kein Grundeigenthum. Gemeindeunterstützung erhalten gegenwärtig 2 Personen.
Die kleine Markung bildet mit Ausnahme des jähen rechten Neckarthalgehänges, das meist mit Buschwerk bewachsen ist, ein ziemlich ebenes, obst- und getreidereiches Land, dessen Boden auf der Anhöhe aus einem ziemlich tiefgründigen, fruchtbaren Lehm, der vom weißen Stubensandstein unterlagert wird, besteht; an den Gehängen treten die Zersetzungen des Stubensandsteins und des Keupermergels auf und im Neckarthal haben sich mit Kies und Sand gemengte Alluvionen abgelagert, die den Wiesenbau begünstigen und nur in der Nähe der Altlachen saures Futter erzeugen.
Die Gegend wird nicht selten von Frühlingsfrösten und Reifen, welche der Obstblüthe schaden, heimgesucht: dagegen gehört Hagelschlag zu den Seltenheiten.
Die Landwirthschaft wird unter Anwendung von verbesserten Ackergeräthen und künstlichen Düngungsmitteln gut und fleißig betrieben; von den Getreidearten baut man vorzugsweise Dinkel und Gerste, weniger Haber, und etwas Roggen. Außer den gewöhnlichen Brachgewächsen kommt viel Hanf, der theilweise nach außen abgesetzt wird, ziemlich viel Flachs und Reps zum Anbau; von letzterem werden etwa 15 Scheffel jährlich erzeugt. Von den Getreideerzeugnissen können 150 Scheff. Dinkel und 80 Scheff. Gerste jährlich auswärts verkauft werden.
| Der Wiesenbau ist nicht ausgedehnt, liefert aber mit wenig Ausnahmen ein gutes nahrhaftes Futter.In den sog. Weinbergen (Steineberg) wurde noch im vorigen Jahrhundert Weinbau getrieben.
Die nicht sehr ausgedehnte Obstzucht beschäftigt sich hauptsächlich mit Mostsorten und läßt nur in ganz günstigen Jahren einen Verkauf nach außen zu.
Etwa 170 Morgen Gemeindewaldungen, worunter 80 Morgen für Schönbuchsgerechtigkeit erhaltene, sind vorhanden; von ihrem jährlichen in 20 Klaftern und 3500 St. Wellen bestehenden Ertrag erhält jeder Bürger 1/4 Klafter und 29 St. Wellen. Ein kleiner Theil wird verkauft, was der Gemeindekasse eine jährliche Rente von etwa 400 fl. sichert. Auch die an einen Schäfer verpachtete Brach- und Stoppelweide trägt der Gemeinde jährlich 100 fl. und die Pferchnutzung 125 fl. ein.
Überdieß sind 30 Morgen Allmanden vorhanden, die gegen einen unbedeutenden Abtrag (im Ganzen etwa 20 fl.) an die Gemeinde, den Bürgern zur Benützung überlassen werden; von 8 Morgen theilweise verpachteten Gemeindegütern fließen jährlich etwa 200 fl. in die Gemeindekasse.
Die gerade nicht ausgedehnte Rindviehzucht beschäftigt sich mit einem tauglichen Neckarschlag, der durch einen Zuchtstier unterhalten wird. Der Handel mit Vieh ist von keinem Belang. Im Spätjahr findet noch Viehaustrieb auf die Wiesen statt.
Was die Schafzucht betrifft, so halten einige Bürger Bastardschafe, welche sie den Sommer über auf der Alb laufen lassen. Auf der Herbstweide hält der Pachtschäfer 200–300 St. Bastarde.
Die Schweinezucht ist ziemlich gut (8 Mutterschweine); es werden viele Ferkel nach außen abgesetzt, dagegen auch zugekauft und meist für den Verkauf aufgemästet. Die halbenglische Race herrscht vor.
Mit selbstgezogenem Geflügel wird einiger Handel getrieben.
Auf der nur 1/8 Stunde westlich vom Ort gelegenen Madenburg stand eine ziemlich ausgedehnte römische Niederlassung; daselbst stößt man unter der Oberfläche noch auf Mauerreste, römische Ziegel, Heizröhren, Bruchstücke von römischen Gefässen, worunter einzelne von Siegelerde etc. Nahe (südlich) dieser Stelle führte eine Römerstraße vorüber, die von Kirchentellinsfurth über Altenburg nach Oferdingen ihren Zug hatte. Überdieß geht von der Madenburg aus| ein alter Heerweg nach Gniebel und Walddorf. Eine östlich an Altenburg grenzende Flur hat die Benennung „Heeräcker“.A. (viculus ex vetustate urbis antiquitus ibi constructae Altinburc vocitatus bezeichnet es der Zwiefalter Mönch Ortlieb) gehörte den Grafen von Achalm-Urach und bildete mit Degerschlacht, Rommelsbach und Sickenhausen, welche Orte zugleich Filiale seiner Kirche waren, einen eigenen Gerichtsbezirk. Die Grafen Kuno und Liutold, Gebrüder, hatten gegen 1089 im Sinne, hier ein Kloster zu gründen, weil der Ort „wegen der Anmuth seiner Lage, der guten Viehweiden und der Fischenz im Neckar sehr angenehm und wohnlich“ erschien. Es erhoben sich aber Bedenklichkeiten gegen diese Wahl, namentlich wegen der bergigen Lage und des Mangels an Quellwasser, weßwegen die Grafen 1089 das Kloster in Zwiefalten gründeten, zu dessen Aussteuer insbesondere Graf Liutold den hiesigen Ort samt der St. Nikolauskapelle, welche ein weiterer Bruder, Bischof Werner von Straßburg († 1077), geweiht hatte, und einer Mühle schenkte. (Ortliebi Zwifalt. Chronicon bei Pertz Script. 10, 72. 98, vergl. auch Necrol. Zwif. bei Hess. Mon. Guelf. 246). Wenn gleich im Laufe der Zeit der hiesige Hauptbesitz von dem Kloster Zwiefalten abkam, so hatte es doch noch Besitzungen im Orte bis zum Jahr 1730, in welchem solche durch Vertrag an Württemberg übergingen.
In den Hauptbesitz war schon im Anfang des 15. Jahrhunderts die Reutlinger Familie Teufel eingetreten. Hans Teufel verkaufte am 22. Jan. 1444 Altenburg, Sickenhausen, Rommelsbach und Degerschlacht mit Vogtei, Gericht, Leuten, Gütern und Gefällen, wie er dieß alles von seinem Vater ererbt hatte, für 2800 fl. an den Grafen Ludwig von Württemberg.
Gefälle besaß allhier die Johanniterkommende Dätzingen und Rohrdorf, welche 1809 von Württemberg inkamerirt wurden.
Nach der Reformation wurde Altenburg Filial von Oferdingen und erhielt erst 1844 einen eigenen Pfarrverweser.
« Kapitel B 1 | Beschreibung des Oberamts Tübingen | Kapitel B 3 » | |||
Für eine seitenweise Ansicht und den Vergleich mit den zugrundegelegten Scans, klicke bitte auf die entsprechende Seitenzahl (in eckigen Klammern).
|