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Beschreibung des Oberamts Tübingen/Kapitel A 3

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III. Einwohner.

A. Bevölkerungsstatistik.
1. Bewegung der Bevölkerung im allgemeinen.[1]

Auf 31. Dezember 1793 wurden in dem damals herzoglich württembergischen Oberamt Tübingen 24.893 Seelen gezählt. Es gehörten aber in jener Zeit noch zu den Oberämtern Böblingen und Urach die jetzigen Amtsorte Dettenhausen und Pliezhausen mit zusammen 1560 Einwohnern, zur Bebenhäuser Pfleg die Orte Bebenhausen, Hagelloch, Immenhausen, Lustnau und Pfrondorf mit 2668 Einw. wogegen andere Orte, nämlich Mössingen samt Belsen, Bodelshausen, Öschingen und Thalheim mit 4983 Seelen, welche 1810 zum Oberamtsbezirk Rottenburg fielen, sodann Entringen und Breitenholz mit 1476 Einwohnern, welche zum Bezirk Herrenberg kamen, endlich Altenried mit 368 Einwohnern, welches 1842 an den Bezirk Nürtingen fiel, im Jahr 1794 noch dem Bezirk Tübingen einverleibt waren, mit zusammen 6827 Einwohnern. Von den 1794 noch zum Territorialverband der reichsfreien Ritterschaft (Canton Neckar) gehörigen Orten Kilchberg, Rübgarten und Wankheim fehlen Bevölkerungslisten aus älterer Zeit, die Bevölkerungszahl läßt sich aber annähernd auf 250, 350 und 550 schätzen, so daß die Bevölkerungszahl des jetzigen Oberamtsbezirks zur damaligen Zeit sich mit ziemlicher Sicherheit auf 23.444 Seelen berechnet, woraus also hervorgeht, daß der Bezirk durch die veränderte Begrenzung an Volkszahl nicht sehr viel verloren hat.

Die von den Pfarrämtern auf den Grund der Familienregister gefertigten und von den Ober-, Kloster- und Stabsämtern zusammengestellten jährlichen Bevölkerungslisten waren detaillirter als die der gegenwärtigen Zeit, denn die „Seelentabell des herzoglichen Oberamts Tübingen auf den 1. Januar 1794“ berechnet neben dem, was aus dem Zuwachs und Abgang der „seit voriger Eingab“ „Gebohrenen, Hereingezogenen“ und „Gestorbenen, Hinweggezogenen“ als „wirklich der Numerus der Seelen überhaupt“ verbleibt mit 24.893, außerdem noch, daß dieser besteht aus|
Männlichen Geschlechts: Weiblichen Geschlechts:
über 14 Jahr 8326, unter 14 J. 3869, über 14 J. 8678, unter 14 J. 3948,
und zwar
von 14–17 J. 856,
von 17–50 J. 5685,
über 50 Jahr 1785,
12.195, 12.626,
wobei aber „Simple und Krippelhafte“ als „unter Vorstehendem nicht gezählt,“ besonders aufgeführt werden mit einer Anzahl von
72,
zusammen 24.893 ortsangehörige Seelen.
Nach Abzug der Abwesenden
„Auf der Wanderschaft“ mit 1300,
„In Serenissimi Kriegsdiensten“ mit 68,
„In anderer Potentaten Dienst“ mit 110,
zus. 1478.
„Verbleiben überhaupt wirklich Seelen im Ort“ 23,415.

Die Zahl der sich im Bezirk aufhaltenden Ausländer wurde also damals noch gar nicht berücksichtigt, was erst später vom Jahr 1808 an geschah.

Auch in nachstehender Tabelle, welche die Bevölkerungszahlen sämtlicher Gemeinden des jetzigen Oberamtsbezirks von 1793, 1811, 1827, 1834, 1846, 1858 und 1864 enthält, sind daher für 1793 als Ortsanwesende nur die ortsanwesenden Angehörigen aufgeführt, für 1811 aber sind auch die Ausländer hierunter begriffen und von 1834 an ist unter der Columne „Ortsanwesende“ die durch die Zollvereinszählung ermittelte Bevölkerungszahl angegeben, – die alle Fremde oder Nichtortsangehörige in sich begreift, also auch die anderen Gemeinden des Königreichs Angehörigen, welche im Bezirk Tübingen ihren Aufenthalt hatten. Daher erscheint auch in den Jahren 1834 und 1846 eine so große Differenz zwischen Ortsanwesenden und Ortsangehörigen bei der Stadt-Gemeinde Tübingen, in welcher 1846 2147 Fremde gezählt worden sind. Von 1846 bis 1858 aber hat sich die Zahl der Ortsanwesenden in derselben um 1089 vermindert, wie denn in dieser Periode überhaupt ein starker Rückgang der Volkszahl in Württemberg in Folge der damals vor sich gegangenen wirthschaftlichen Krisis eingetreten ist, so daß für die Gemeinde und den Oberamtsbezirk Tübingen der Stand von 1846 durch die nach 1858 eingetretene Zunahme noch nicht wieder erreicht ist. Wo eine Abnahme gegenüber der früheren Zählung stattgefunden hat, ist dieß nun in der folgenden Tabelle durch *, wo die Volkszahl gleich geblieben ist, durch ° angedeutet, in allen übrigen Fällen hat sich solche vermehrt.|
Übersicht über den Stand der Bevölkerung in sämtlichen Amtsorten des Bezirks und zwar auf


G e m e i n d e. 31. Dez. 1793. 1. Nov. 1811. 1. Nov.
1827.
3. Dez. 1834. 3. Dez. 1846. 3. Dez. 1858. 3. Dez. 1864.
Ortsan-
gehörige.
Ortsan-
wesende.
Ortsan-
gehörige.
Ortsan-
wesende.
Ortsan-
gehörige.
(Ortsanwes.
unbekannt.)
Ortsan-
gehörige.
Ortsan-
wesende.
Ortsan-
gehörige
nach der
12jähr.
Zählung.
Ortsan-
wesende.
Ortsan-
gehörige
nach der
12jähr.
Zählung.
Ortsan-
wesende.
Ortsan-
gehörige.
Ortsan-
wesende.
1) Tübingen 6583  6274  6488* 6194* 7155  7268  8610  7977  9382  7766* 8293* 8181  8734 
2) Altenburg 266  244  310  307  353  350* 337  404  397  457  422  483  425 
3) Bebenhausen 226  216  167* 165* 132* 132° 197  208  210  253  237  236* 238 
4) Degerschlacht 202  185  264  264  325  348  308  399  354  403  355  446  382 
5) Derendingen 497  439  560  541  651  623* 617  726  714  736  638* 736° 657 
6) Dettenhausen 694  621  851  830  916  939  946  1065  1005  1085  933* 1124  973 
7) Dörnach 199  185  226  222  261  239* 212* 255  243  263  230* 264  211*
8) Dußlingen 1426  1371  1750  1720  2066  2186  1978  2397  2211  2403  1978* 2523  2076 
9) Gniebel 354  342  448  448  519  555  503  581  519  592  495* 595  507 
10) Gönningen 1654  1547  1936  1897  2248  2316  2238  2588  2526  2661  2504* 2784  2562 
11) Häßlach 334  317  442  442  512  510* 493  543  520  520* 460* 529  456*
12) Hagelloch 470  422  531  517  579  574* 537  633  592  678  608  701  579*
13) Jettenburg 190  182  228  226  242  254  254  323  327  352  348  396  374 
14) Immenhausen 295  282  283* 273* 343  355  361  371  363  410  382  417  381*
15) Kilchberg (250) (225) 290  278  330  332  324  343  347  371  340* 386  365 
16) Kirchentellinsfurth 996  938  1087  1078  1320  1392  1294  1571  1462  1504* 1325* 1525  1332 
17) Kusterdingen 759  732  888  883  1031  1073  1020  1266  1175  1304  1155* 1311  1132*
18) Lustnau 1156  1051  1273  1258  1404  1424  1317  1592  1561  1578* 1414* 1610  1363*
19) Mähringen 393  376  482  475  580  600  565  665  653  684  653° 708  647*
20) Nehren 968  878  1127  1119  1318  1363  1213  1445  1291  1396* 1142* 1443  1163 
21) Oferdingen 337  319  411  402  408* 430  413  467  480  466* 471* 487* 464*
22) Pfrondorf 521  467  613  609  708  765  656  812  745  882  747  905  751 
23) Pliezhausen 866  789  1048  1033  1198  1278  1206  1445  1323  1447  1260* 1504  1259*
24) Rommelsbach 357  325  408  397  453  484  453  629  605  660  652  709  675 
25) Rübgarten (350) (315) 390  383  438  462  433  527  489  562  484* 567  470*
26) Schlaitdorf 654  597  765  749  771  777  722* 912  835  901* 751* 931  747*
27) Sickenhausen 292  248  331  323  399  426  388  490  448  497  439* 537  474 
28) Walddorf 1148  1072  1216  1201  1397  1418  1301  1476  1269* 1408* 1193* 1383* 1170*
29) Wankheim (550) (510) 602  594  716  737  742  794  754  720* 630* 712* 605*
30) Weilheim 457  431  462  451  511  502* 491  519  503  456* 459* 475  473 
O b e r a m t   23.444  21.900  25.877  25.279  29.284  30.112  30.129  33.423  33.303  33.415  30.998  34.608  31.645 
| | Es ist also daraus ersichtlich, daß eine Verminderung der
ortsangehörigen ortsanwesenden
Volkszahl sich ergab
im Jahr 1811 gegenüber von 1794 in 3 3 Gemeinden,
im Jahr 1827 gegenüber von 1811 in 2 (unbekannt),
im Jahr 1834 gegenüber von 1827 (bezw. 1811) in 6 2
im Jahr 1846 gegenüber von 1834 in 0 1
im Jahr 1858 gegenüber von 1846 in 10 21
im Jahr 1864 gegenüber von 1858 in 4 13;

auch geht daraus hervor, daß die Orte, in denen die ortsanwesende Bevölkerung von 1846 an die größte Abnahme erlitt, folgende sind:

Abnahme
von 1846/58 von 1846/64
1) Wankheim 16 Procent, 20 Procent,
2) Lustnau 9 Procent, 13 Procent,
3) Dörnach 5 Procent, 13 Procent,
4) Häßlach 12 Procent, 12 Procent,
5) Schlaitdorf 10 Procent, 11 Procent,
6) Nehren 12 Procent, 10 Procent,
7) Walddorf 7 Procent, 8 Procent,
8) Derendingen 11 Procent, 8 Procent,
9) Dußlingen 11 Procent, 6 Procent,
10) Weilheim 9 Procent, 6 Procent.

Diese Orte hatten 1846 eine ortsanwesende Bevölkerung von 9901 Personen, repräsentirten also 29,7 Proc. der Bevölkerung des ganzen Bezirks, und es ist diese Abnahme der Volkszahl ein Beweis, daß die Anfangs der 50er Jahre über Württemberg hereingebrochene wirthschaftliche Krisis den O.A.-Bezirk Tübingen sehr empfindlich berührt hat, wie denn auch in den Jahren 1850–53 in demselben durchschnittlich jedes Jahr 104 Gante vorkamen, so daß deren je einer auf 70 Familien und 315 ortsanwesende Personen traf, womit der Bezirk Tübingen in der Reihe sämtlicher 64 Oberamtsbezirke nach der Höhe der Gantenzahl die 22te Stelle einnahm.

Wenn die im Jahr 1842 vor sich gegangene Veränderung in der Begrenzung der Oberamtsbezirke berücksichtigt wird, wornach die bis dahin den Oberämtern Herrenberg und Urach zugetheilt gewesenen Gemeinden Hagelloch und Pliezhausen an das Oberamt Tübingen kamen, wogegen solches die Gemeinde Altenrieth an das Oberamt Nürtingen abgeben mußte, so ergibt sich folgende Übersicht der Bevölkerung des ganzen Bezirks.|
Übersicht über die Bevölkerung des Oberamts-Bezirks im Ganzen und zwar


in den Jahren I. der ortsangehörigen II. der ortsanwesenden nach der Zollvereinszahlung.
a) Personen über 14 Jahren b) Personen unter 14 Jahren. c) im Ganzen.
männl. weibl. zus. männl. weibl. zus. männl. weibl. zus. männl. weibl. zus.
1812. 1. November 12.953 13.335 26.288
1822. 1. November 13.155 13.384 26.539
1828. 1. November 14.637 14.915 29.552
1831. 1. November 15.022 15.259 30.281
1832. a) nach der jährl. 15.082 15.305 30.387
1832. b) nach d. 12jähr. Zählg. 14.668 15.280 29.948
1834. 15. December 14.759 15.353 30.112 10.340 10.650 20.990 4401 4738 9139 14.741 15.388 30.129
1837. 15. December 15.195 15.738 30.933 10.575 10.906 21.481 4634 4797 9431 15.209 15.703 30.912
1840. 15. December 10.696 11.113 21.809 4813 4846 9659 15.509 15.959 31.468
1842. 15. December 16.051 16.460 32.511
1843. 15. December 16.223 16.592 32.815 10.971 11.452 22.423 5171 5141 10.312 16.142 16.593 32.735
1846. 3. December
a) nach der jährlichen 16.516 17.007 33.523 11.165 11.533 22.698 5297 5308 10.605 16.462 16.841 33.303
b) nach d. 14jährig. Zählg. 16.511 16.912 33.423
1849. 3. December 16.770 17.091 33.861 11.014 11.592 22.606 5495 5466 10.961 16.509 17.058 33.567
1852. 3. December 16.955 17.335 34.290 10.775 11.366 22.141 5280 5363 10.643 16.055 16.729 32.784
1855. 3. December 16.728 17.101 33.829 10.251 11.208 21.459 4844 4918 9762 15.095 16.126 31.221
1858. a) nach der jahrl. 16.655 17.081 33.736 10.573 11.473 22.046 4434 4518 8952 15.007 15.991 30.998
b) nach der 12jähr. Zählg. 16.473 16.942 33.415
1861. 3. December 16.846 17.329 34.175 11.052 11.842 22.894 4403 4508 8911 15.455 16.350 31.805
1862. 3. December 17.013 17.352 34.365
1864. 3. December 17.217 17.391 34.608 10.948 11.892 22.840 4436 4369 8805 15.384 16.261 31.645
1865. 3. December 17.330 17.509 34.839
| Dieser Tabelle zufolge nun hat die ortsangehörige Bevölkerung des ganzen Bezirks in der 40jährigen Periode von 1812 bis 1852 fortwährend zugenommen, nur von 1831 auf 1834 hat sich – übrigens blos in Folge der Berichtigung des Resultats der jährlichen Aufnahmen durch die mit der 10jährigen Zählung verbundene Revision der Familienregister – eine Verminderung ergeben, die bis 1834 nachwirkte, so daß die Bevölkerung von 1834 um 0,56% geringer erscheint als die von 1831. Im Ganzen beträgt der Zuwachs von 1812–1852 30,44% der Bevölkerungszahl von 1812. Die Zahl der Ortsangehörigen von 1852 dagegen hat sich bis 1858 um 2,6% vermindert. Von 1858 an bis 1865 vermehrte sich die Bevölkerung wieder, aber nur um 4,26% der Zahl von 1858, so daß der ganze Zuwachs von 1812–1865 in 53 Jahren beträgt 32,53%.

Es ist also in der Ziffernreihe der ortsangehörigen Bevölkerung die Wirkung der in den 50er Jahren eingetretenen Krisis weniger bemerkbar. Anders verhält es sich bei der Zahl der Ortsanwesenden, denn diese vermehrte sich von 1834–1849 um 11%, von da an bis 1858 trat eine Verminderung um 8% ein, von 1854–1864 wieder eine Vermehrung um 2% und die ganze Zunahme von 1834 bis 1864 beträgt nur 5%. Da die Zahl der Ortsangehörigen auch alle diejenigen Personen umfaßt, die, ohne förmlich ausgewandert zu sein, oder auch ohne Heimathschein sich im Ausland aufhalten, sowie diejenigen, die in anderen Bezirken sich befinden, während sie selbst oder ihre Eltern ihren Wohnsitz im Bezirk haben; so übersteigt in den meisten Bezirken die Zahl der Ortsangehörigen die der Ortsanwesenden und nur in solchen, wo sich eine große Zahl von Ausländern und Ortsfremden aufhält, tritt das umgekehrte Verhältniß ein. Im Oberamtsbezirk Tübingen nun war diese Differenz in früheren Jahren unerheblich, denn auf die im Jahr 1832 unter Berichtigung der Familienregister vorgenommene 10jährige Zählung ergab sich bei der nächsten Zählung am 15. Decbr. 1834, mit welcher zugleich die erste Zollvereinszählung vorgenommen wurde, ein Mehr von 17 Ortsanwesenden gegenüber der Zahl der Ortsangehörigen. Nach der Zählung von 1846 dagegen ergab sich gegenüber der Zahl der Ortsanwesenden ein Mehr von 120 Ortsangehörigen und zwar deßhalb, weil anstatt 3031 abwesender Angehöriger nur 2911 Fremde im Bezirk anwesend waren. Von 1849 an steigerte sich nun, vielleicht durch gleichzeitige Zunahme der Zahl abwesender Angehöriger und Abnahme der Zahl der anwesenden Fremden, das Mehr der Ortsangehörigen| fortwährend so zwar, daß dasselbe im Jahr 1852 schon 1506 Personen oder 5% der ganzen Zahl der Ortsangehörigen von 1834 betrug, im Jahr 1864 aber 2963 Personen oder 10% dieser Anzahl. Da nun die ganze Zahl der Ortsangehörigen von 1864 überhaupt nur um 15% größer ist als die von 1834, so ist augenscheinlich, daß wenn die Wirkungen jener wirthschaftlichen Krisis, die in der ersten Tabelle hervortreten und die sich gerade anfangs der 1850er Jahre äußern mußten, hier bei der Zahlenreihe der Ortsangehörigen weniger bemerklich sind, – der Grund hievon nur in der Art der Zählung liegt, welche den in Folge der Ausbildung der Verkehrsmittel neuerer Zeit immer größer werdenden Theil der fluctuirenden Bevölkerung nicht vollständig zu erfassen vermag.

In früheren Jahren wurde nun der Bevölkerungszuwachs stets mit Zugrundlegung der Zahl der Ortsangehörigen berechnet, und wenn das Oberamt Tübingen in dieser Beziehung mit anderen Bezirken verglichen wird, so ergibt sich Folgendes:[2]

Es betrug der durchschnittliche jährliche Bevölkerungszuwachs auf je 1000 Personen:

in der Periode im ganzen Land im Schwarzwkr. im OA.Bez. Tübingen OZ.
1812/22 5,50 6,71 5,48 38
1822/32 9,16 11,26 9,45 25
1832/42 8,58 10,00 10,98 14
1842/52 5,59 4,74 5,47 33

Nach dieser Berechnung würde die mittlere jährliche Zunahme in den 40 Jahren 1812–1852 7,85, die Zunahme im Ganzen 314 Personen auf je 1000 betragen oder 31,4%, was so ziemlich mit obiger Berechnung übereinstimmt.

Der geringen Zunahme von 1812/22 von jährl. 5,48 auf Tausend, in welcher man die Wirkung der Kriegsjahre, der Hungersnoth von 1817 und starker Auswanderungen erkennen kann, folgte eine zunehmend starke Vermehrung in den beiden folgenden Decennien von jährl. 9–11 auf Tausend, worauf denn der Zuwachs in den zehn Jahren 1842/52 auf das frühere niedere Verhältniß von 1812/22 zurückgieng, von 1852/62 aber nur 75 auf 34.290 im ganzen Jahrzehnt beträgt, was einem Stillstand, ja sogar einer Abnahme der| Bevölkerung gleichzuachten ist, wenn in Betracht gezogen wird, daß die Zahl der abwesenden Ortsangehörigen neuerer Zeit beträchtlich größer ist als früher, denn die Zahl der vom Oberamt als im Ausland befindlich gezählten Angehörigen war 1852 616, 1862 dagegen 1040.
2. Natürlicher Zuwachs durch den Überschuß der Geburten über die Todesfälle und Abgang durch Auswanderung.

Der Überschuß der Geburten über die Todesfalle blieb im Bezirk Tübingen, wie nachstehende Tabelle zeigt, verglichen mit dem Durchschnitt des ganzen Landes, stets etwas stärker als dieser, blieb dagegen hinter dem Durchschnitt des Schwarzwaldkreises stets zurück. Auf je 1000 Personen betrug nämlich der durchschnittliche jährliche Überschuß der Geburten über die Todesfälle:

in der Periode im ganzen Land im Schwarzwkr. im OA.Bez. Tübingen OZ.
1812/22 6,14 8,34 6,75 34
1822/32 9,54 12,12 9,83 34
1832/42 8,92 11,22 9,19 35
1842/52 9,05 9,21 9,09 33

und Tübingen hat somit in diesem 40jährigen Zeitraum unter sämtlichen Bezirken des Landes mit den O.Z. 33. 34. 35. fast immer die gleiche mittlere Stellung eingenommen.[3] Die Zahl der Geburten selbst nun verhält sich folgendermaßen zur Zahl der Einwohner, nämlich in der Periode:

1812/22 1822/32 1832/42 1842/52 1846/56
(zur Zahl der Ortsanwes.)
im ganz. Land wie 1:26,25 1:26,10 1:23,12 1:24,68 1:26,30
Schwarzwkr. wie 1:26,32 1:25,10 1:22,50 1:25,22 1:26,58[4]
Bezirk Tübing. wie 1:27,80 1:27,50 1:22,60 1:26,56 1:29,42[4]
      O.-Z. 48. 46. 28. 48.
| es steht also der Oberamtsbez. Tübingen, was die 40jährige Periode 1812/52 anbelangt, nur in den 10 Jahren 1832/42 gegenüber dem Landesmittel etwas voran, sonst aber überall zurück und namentlich auch gegenüber dem Durchschnitt des Schwarzwaldkreises in der ganzen 40jährigen Periode. – Die der Seltenheit der Geburten entsprechende hohe Ordnungszahl von 48 und 46 für die Perioden 1812/22 1822/32 und 1842/52 zeigt ferner, daß im Bezirk Tübingen damals auch gegenüber von den meisten andern Oberämtern die Zahl der Geburten eine verhältnißmäßig niedere war, denn nur in der Periode 1832/42, wo die Zahl derselben im ganzen Land beträchtlich zunahm, macht auch der Bezirk Tübingen eine Ausnahme, weßhalb er hier die O.-Z. 28 trägt.

Vergleicht man mit obiger Übersicht über das Verhältniß der Geborenen zur Bevölkerung die hienach zu 4) gegebene über das Verhältniß der Gestorbenen, so macht sich das Jahrzehnt 1832/42 wie durch die größte Häufigkeit der Geburten, so durch die der Todesfälle bemerklich, so daß das Zuwachsverhältniß durch den Überschuß der Geburten über die Todesfälle nicht viel differirt, von dem der Decennien 1822/32 und 1842/52, welche bei geringerer Geburtenzahl zugleich eine erheblich geringere Sterblichkeit aufweisen. Den geringsten natürlichen Zuwachs hat das Jahrzehnt 1812/22, und wenn daher das Decennium 1842/52, welches ihm hierin weit vorangeht, dennoch in Beziehung auf den Bevölkerungszuwachs im Ganzen noch gegen dasselbe zurücksteht, so liegt der Grund hievon nur in der starken Auswanderung.

In den 10 Jahren 1822/32 betrug nämlich die Zahl der Ausgewanderten 389, der Überschuß der Ausgewanderten über die Eingewanderten 262 (OZ. 20); von 1832/42 war die Zahl 271, der Überschuß der Auswanderer nur 161; von 1842/52 dagegen betrug die Zahl der Auswanderer 1177, die der Einwanderer aber nur 106 und es kam auf je 283 Einwohner 1 Auswanderer, wobei der Bezirk mit der OZ. 27 der Mehrzahl der Bezirke des Landes vorangieng, während sich die Zahl der in andere Bezirke Hinausgezogenen mit derjenigen der aus solchen Hereingezogenen nahezu ausgleicht, denn es kam in fraglicher Periode

1 Hinausgezogenes auf 120,79, OZ. 53,
1 Hereingezogenes auf 124,15, OZ. 52.|
3) Geburten insbesondere.

Das Verhältniß der unehelich Geborenen zu den Geborenen überhaupt war

von 1812/22 1822/32 1832/42 1842/52
im ganzen Land 1:9,08 1:8,1 1:8,68 1:8,35
im Schwarzwalde 1:10,4 1:9,7 1:10,5 1:9,11
im OA.-Bezirk Tübingen 1:12,9 1:12,6 1:13 1:10,83
(OZ. 58) (OZ. 60) (OZ. 60) (OZ. 56)

und es gehört der Bezirk Tübingen, wie die beigesetzten Ordnungszahlen zeigen, zu denjenigen des Landes, die in dieser ganzen 40jährigen Periode verhältnißmäßig sehr wenig unehelich Geborene aufweisen, wobei zu bemerken ist, daß sich in dem letzten Jahrzehnte der Landstrich zwischen Rottenburg, Urach und Heilbronn, also der weinbautreibende Theil des Landes durch seine verhältnißmäßig große Anzahl ehelich Geborener (meistens 90%) bemerklich machte. In diese Periode kommen nun

im ganzen Land im Schwarzwaldkreis im Bezirk Tübingen
1) auf 100 ehelich weiblich Geborene ehelich männlich Geborene 106,51 106,16 103,27 (OZ. 59)
2) auf 100 unehelich weiblich Geborene unehelich männl. Geborene 104,57 107,38 109,19 (OZ. 15)
3) auf 100 weiblich Geborene männlich Geborene 106,28 106,29 103,80 (OZ. 56)

Während also im ganzen Land die Zahl der in der Ehe erzeugten männlich Geborenen gegenüber den unehelich erzeugten männlich Geborenen vorherrschte, fand im Schwarzwaldkreis und namentlich im Oberamt Tübingen gerade das umgekehrte Verhältniß statt.

Ein hievon ganz auffallend verschiedenes Resultat ergibt sich, was den Bezirk Tübingen anbelangt, nach den Aufnahmen des Kgl. Medicinal-Collegiums für die 10 Jahre 1. Juli 1846/56, denn hienach kommen auf je 100 weiblich Geborene

männlich Geborene
im ganzen Land 106,31
im Schwarzwaldkreis 106,16
im Oberamtsbezirk Tübingen incl. Gebäranstalt 106,28
in dieser 105,08
im Oberamtsbezirk ohne Gebäranstalt 106,46.
| Wenn man aber die Anzahl der Geborenen überhaupt in den einzelnen Jahrgängen vergleicht, so fällt sogleich in die Augen, daß die Zahl der Geborenen wie im ganzen Land überhaupt, so namentlich im Oberamt Tübingen in den letzten Jahren obiger Periode von 1852 an einen bedeutenden Rückschlag zeigt. Die Zahl der Geborenen betrug von 1842 bis 1852 nie unter 1000, von
weibl. männl. Personen.
1852/53 aber wurden geboren excl. Gebäranstalt. 440 517 zus. 957
1853/54 521 553 zus. 1074
1854/55 364 418 zus. 782
1855/56 455 483 zus. 938
zus. 1780 1971 zus. 3751
von 1846/52 dagegen 3606 3763 zus. 7369
zus. 5386 5734 zus. 11120

Wäre die Zahl der Geborenen auf die beiden Abschnitte 46/52 und 52/56 gleichmäßig vertheilt, so müßten auf den ersteren 60 anstatt 66%, auf letzteren 40 anstatt 34% kommen. Gerade bei letzterem Zeit-Abschnitt mit geringerer Anzahl von Geborenen von 1852/56 herrscht aber die Zahl der männlich Geborenen in auffallender Weise vor, denn es kommen auf 100 weiblich Geborene 111 männlich Geborene, während sich das Verhältniß für 1846/52 auf 100 : 104 stellt.

Dieß Verhältniß bestätigt sich aber auch durch die Zählung der ortsangehörigen Bevölkerung pro 3. Decbr. 1846–56, denn nach dieser beträgt die Anzahl der

ehelich unehelich zus.
weibl. männl. weibl. männl. weibl. männl.
Geborenen: Geborenen:
von 1847–52 3281 3451 331 351 3612 3802
7414
von 1853–56 1670 1852 223 204 1893 2056
3949
zus. weibl. 5505, männl. 5858, zus. 11.363 Geborene[5]
| es kommen somit auf ersteren Zeitabschnitt statt 60 – bei gleichmäßiger Vertheilung 65%, auf letzteren – anstatt 40 – 35% Geborene; und das Verhältniß der weiblich Geborenen zu den männlich Geborenen ist von 1847/52 wie 100:105, von 1853/56 wie 100:109, wobei aber noch weiter zu bemerken ist, daß bei den unehlich Geborenen in den ersteren 6 Jahren auf 100 Mädchen 106 Knaben, in den letzteren 4 nur 91 Knaben kommen; bei den ehlich Geborenen aber von 47 bis 52 auf 100 Mädchen nur 105 Knaben, von 53–56 dagegen 111. – Hienach könnte es scheinen, daß das Vorherrschen der männlich Geborenen in irgend einer Beziehung stehe zu der für diesen Zeitraum verhältnißmäßig geringen Zahl der Geborenen überhaupt.

Von mehreren Statistikern ist der Satz aufgestellt und durch mühevolle Untersuchungen unterstützt worden, daß das Vorherrschen der männlich Geborenen von dem höheren Alter des Vaters herrühre. Hierüber liegen aber für Württemberg, wie überhaupt, so auch über gedachten Zeitraum und für das Oberamt Tübingen keine statistischen Angaben vor. Wäre dieser Umstand von einigem Einfluß gewesen, so müßten also gerade in der Periode 1852/56 gegenüber von früheren Jahren weniger Kinder in solchen Ehen erzeugt worden seyn, bei denen der Vater gleichen Alters war mit der Mutter oder jünger als dieselbe. Es läßt sich aber nur soviel sagen, daß in dieser Zeit ohne Zweifel in Folge der ungünstigen Erwerbsverhältnisse überhaupt weniger Ehen geschlossen worden sind, denn von 1889 in den 10 Jahren 1847/56 eingegangenen Ehen kommen auf die 6 Jahre 1847/52 anstatt der durchschnittlichen Zahl von 1133 oder 60% 1272 oder 67% auf die 4 Jahre 1853/56 anstatt 756 oder 40% 617 oder 33%.

Nach den Aufnahmen des Medicinalkollegiums ergaben sich ferner für die 10 Jahre 1. Juli 1846/56 folgende Verhältnißzahlen:

Was die Fruchtbarkeit des weiblichen Geschlechts anbelangt, so kam in fraglicher Periode

in Württemberg auf 1 Geburt über 14 Jahr alte weibl. Pers. 9,39,
im Schwarzwldkr. auf 1 Geburt über 14 Jahr alte weibl. Pers. 9,27,
im OA. Tübingen auf 1 Geburt über 14 Jahr alte weibl. Pers. 9,01, (OZ. 24.),

in der Stadt Tübingen ist das Verhältniß noch günstiger bei 7,90, wobei übrigens zu bemerken ist, daß hiezu die Gebäranstalt mit 1707 Geburten in 10 Jahren beiträgt. –

| Von 100 Gebärenden wurden künstlich entbunden in Württemberg 5,26, im Schwarzwaldkreis 4,65, im Oberamt Tübingen 6,53 (OZ. 12), in der Stadt Tübingen mit Gebäranstalt 12,10, ohne dieselbe 11,75. Es trägt also zu der hohen OZ., welche dem Bezirk in Beziehung auf künstliche Entbindungen zukommt, nicht sowohl die Gebäranstalt, sondern der Umstand bei, daß die künstlichen Geburten in größeren Städten häufiger sind als auf dem Land, denn es waren von 1846/56 in 16 Städten von mehr als 5000 Einwohnern unter 100 Gebärenden 7,67 künstlich entbundene, in den übrigen Gemeinden des Landes nur 5,01. Ebenso verhält es sich mit den geburtshilflichen Operationen, denn auf 100 Geburten kommen im ganzen Land 6,23, im Schwarzwaldkreis 5,53, im Oberamt Tübingen 7,57, in 16 größeren Städten des Landes 9,03, in der Stadt Tübingen excl. Gebäranstalt 15,34 und einschließlich derselben 14,22, und Tübingen war mit Gmünd, Tuttlingen und Kirchheim eine derjenigen Städte, wo solche am häufigsten vorkamen. Hierunter sind:|
in Würt-
temberg.
im
Schwarz-
waldkreis.
O.-Zahl. im Oberamt
Tübingen.
in 16
größeren
Städten
d. Landes.
in Tübingen
a) mit
b) ohne
Gebäranstalt.
in den
übrigen
Gemeinden
des Landes.
Kaiserschnitte 0,02 0,01 33 0,01 0,02 a) 0,02
b) – 
0,02
Zerstückelungen 0,04 0,05 1 0,10 0,04 a) 0,15
b) 0,08
0,04
Zangengeburten 2,09 1,53 17 2,44 3,05 a) 5,33
b) 5,03
1,99
Manuelle Operationen zur Entwicklung des Kindes 2,09 2,01 19 2,25 2,64 a) 3,61
b) 3,68
2,04
Nachgeburtslösungen 1,99 1,93 7 2,77 3,28 a) 5,11
b) 6,55
1,84
6,23 5,53 13 7,57 9,03 a) 14,22
b) 15,34
5,93
      Ferner sind noch folgende Zahlenverhältnisse anzumerken:
Auf 100 natürl. Geburten kamen todte Mütter 0,15 0,13 3 0,45 0,24 a) 1,15
b) 0,29
0,14
Auf 100 künstl. Geburten kamen todte Mütter 4,19 4,64 27 4,58 3,95 a) 4,06
b) 4,67
4,23
Von 100 Gebärenden starben a) unentbunden 0,03 0,03 30 0,03 0,03 a) 0,05
b) 0,04
0,04
  b) bei natürl. Geburten 0,14 0,13 3 0,42 0,22 a) 1,01
b) 0,25
0,13
  c) bei künstlichen 0,22 0,22 6 0,30 0,30 a) 0,49
b) 0,55
0,21
  d) überherhaupt 0,39 0,38 3 0,75 0,55 a) 1,55
b) 0,84
0,38
Auf eine Geburt kommen Geborene 1,01 1,01 28 1,01 1,01 a) 1,01
b) 1,01
1,01
|
Auf 100 Geborene kommen in Würt-
temberg.
im
Schwarz-
waldkreis.
O.-Zahl. im O.-Amts-
bezirk
Tübingen.
in 16
größeren
Städten
d. Landes.
in der Stadt
Tübingen
a) mit
b) ohne
Gebäranstalt.
in den
übrigen
Gemeinden
des Landes.
Lebendgeborene 95,93 95,73 51 95,22 95,34 a) 95,70
b) 95,84
95,98
Todtgeborene 4,07 4,27 51 4,78 4,66 a) 4,30
b) 4,16
4,02
Es kommen Todtgeborene
      a) auf 100 natürliche Geburten 2,90 3,08 3 3,87 3,30 a) 3,24
b) 2,73
2,86
      b) auf 100 künstliche Geburten 26,25 29,88 51 18,84 21,86 a) 12,57
b) 15,47
26,94
Auf 100 Gestorbene incl. Todtgeborene kommen Todtgeborene 4,82 4,98 54 6,24 –   –   –  
Ein Lebendgeborenes kommt auf Einwohner 27,41 27,49 19 26,73 30,82 a) 22,64 27,06
Todtgeborenes kommt auf Einwohner 645,17 615,51 11 532,02 630,20 a) 503,77 646,95
Unter 100 Geborenen sind unreif überhaupt 3,43 3,28 62 4,60 4,90 a) 8,48
b) 4,32
3,28
Unter 100 männlich Geborenen sind unreif 3,70 3,48 49 4,14 5,16 a) 7,06
b) 3,92
3,55
Unter 100 weiblich Geborenen sind unreif 3,16 3,05 63 5,09 4,61 a) 10,00
b) 4,78
3,01
Auf 100 weiblich unreif Geborene kommen
     männlich unreif Geborene
124,62 121,19 –   86,43 mit
100 ohne
Gebäranstalt.
120,02 a) 75,50
b) 89,09
125,34
Unter 100 Geburten sind einfache 98,71 98,79 35 98,69 98,80 a) 98,46
b) 98,44
98,70
  Zwillingsgeburten 1,28 1,20 33 1,29 1,18 a) 1,52
b) 1,52
1,29
  Drillingsgeburten 0,01 0,01 21 0,02 0,02 a) 0,00
b) 0,00
0,01
  Vierlingsgeburten 0,00 0,00 7 0,01 0,00 a) 0,02
b) 0,04
0,00
| Hiebei ist hervorzuheben, daß der Oberamtsbezirk und namentlich die Stadt Tübingen zu denjenigen gehören, welche von 1846/56 die meisten unglücklichen Geburten hatten, wozu übrigens die Zahl der in der Gebäranstalt verstorbenen Wöchnerinnen namhaft beitrug. Sodann macht sich der Bezirk auch durch die verhältnißmäßig große Zahl von Todtgeborenen bemerklich, die zwar durch die Gebäranstalt etwas gesteigert wird, aber auch ohne dieselbe bedeutender ist als das Landesmittel, wie denn auch in denjenigen (theilweise weinbauenden) Bezirken, welche westlich und nördlich einer Linie liegen, die von Gerabronn auf die südliche Spitze des Oberamts Münsingen und von hier auf Oberndorf gezogen wird, weit mehr Todtgeborene treffen, als auf den großen fruchtbauenden und dünnbevölkerten Landstrich von Crailsheim bis zum Bodensee und zur Adelegg[6]; endlich übertrifft auch die Zahl der unreif Geborenen des Bezirks und auch der Stadt Tübingen das Landesmittel erheblich, in welcher Beziehung zu bemerken ist, daß Frühgeburten in Städten überhaupt viel häufiger sind, als in kleineren Gemeinden, und für Tübingen steigert sich die Zahl der unreifen Geburten noch insbesondere durch die Gebäranstalt, die nebenbei namentlich auch dazu beiträgt, daß der Oberamtsbezirk in Beziehung auf das Verhältniß der weiblich und männlich unreif Geborenen eine auffallende Ausnahme macht, denn während sonst überall weit mehr männliche Kinder unreif zur Welt kamen, als weibliche, war das Verhältniß hier umgekehrt wie obige Tabelle zeigt. Aber auch ohne die Gebäranstalt nimmt der Bezirk in letzterer Hinsicht zugleich mit den Oberämtern Canstatt und Göppingen eine abnorme Stellung ein.
4. Todesfälle.

Das Verhältniß der Gestorbenen (incl. Todtgeborenen) zur Bevölkerung nach den jährlichen Durchschnitten der Gestorbenen und der Bevölkerung war folgendes: Es kam je 1 Todesfall auf die hienach beigesetzte Anzahl Lebender und zwar war das Verhältniß

in d. Periode von 1812/22 1822/32 1832/42 1842/52 1846/56
in Württemberg 1:31,30 1:34,20 1:28,81 1:31,78 1:31,64
im Schwarzwkr. 1:33,59 1:35,1 1:29,6 1:32,85 1:31,13
im OA. Tübing. 1:34,3 1:37,2 1:28,7 1:35,01 1:33,18
(OZ. 61) (OZ. 46) (OZ. 29) (OZ. 56) (OZ. 42)
wobei zu bemerken ist, daß in der letzteren Periode von 1846/56| das Verhältniß der Todesfälle (incl. Todtgeborener) zur Anzahl der ortsanwesenden Einwohner berechnet ist.

Es war somit, wie oben zu 2) schon hervorgehoben worden ist, die Sterblichkeit entsprechend einer beträchtlich höheren Geburtenzahl wie für das ganze Land so auch für den O.-A.-Bezirk Tübingen in dem Jahrzehnt 1832/42 gegenüber den Decennien 1812/22, 1822/32, 1832/42 und 1846/56 die größte, allein zugleich übertraf sie im O.A.-Bezirk Tübingen damals sowohl den Durchschnitt des Schwarzwaldkreises als den des Landesmittels, während sie sonst stets hinter diesen zurückblieb, und der Bezirk mit seiner günstigen Sterblichkeitsziffer, wie die beigesetzten Ordnungszahlen andeuten, die meisten Bezirke übertraf.

Was das Geschlecht der Gestorbenen anbelangt, so ergeben sich folgende Verhältnißzahlen:

Es kommen 1) in Württemberg 2) im Schwarzwkr. 3) im OA-Bez. Tüb.
v.1842/52 v.1846/56 v.1842/52 v.1846/56 v.1842/52 OZ. v.1846/56
1) auf 100 weibl. Gestorbene männl. Gestorbene 104,66 103,08 105,17 101,ll 102,22 46 100,26
2) auf 100 weibl. Gestorb. kommen weibl. Einw. 33,15 33,16 34,10 32,58 35,83 43 33,90
3) auf 100 männl. Gestorb. kommen männl. Einw. 30,46 30,18 31,66 29,70 34,22 59 32,48

Wie in Württemberg überhaupt, so ist also auch im Oberamtsbezirk Tübingen das weibliche Geschlecht, zudem daß es in der Zahl der Lebenden das männliche überwiegt, auch bei den Todesfällen weniger betheiligt, und die Sterblichkeit ist bei ihm nicht nur im Vergleich mit der des männlichen, sondern im Verhältniß zu den weiblich Lebenden geringer, jedoch steht der O.A.-Bezirk in Beziehung auf die größere Sterblichkeit unter dem männlichen Geschlechte, wie die beigesetzten Ordnungszahlen andeuten, hinter den meisten übrigen Bezirken zurück.

Über das Alter der Gestorbenen sodann geben nachstehende Zahlen Aufschluß:

Es starben in der Periode 1846–56 unter 100 Lebendgeborenen im 1. Lebensjahr

in
Württemberg
im
Schwarzwald-
kreis
im
O.A.-Bezirk
Tübingen
O.-Z.
34,78 33,15 27,15 58.
Die Kindersterblichkeit war somit verhältnißmäßig unbedeutend, so daß nur die 6 Bezirke Mergentheim 23,14, Stuttgart Stadt 24,39, Gerabronn 25,88, Freudenstadt 25,65, Brackenheim 26,95 und Maulbronn 27,14 eine noch günstigere Ziffer aufweisen. Es standen ferner unter 100 Gestorbenen (excl. Todtgeborenen)|
in
Württemberg
im Schwarz-
waldkreis
im O.A.-Bezirk
Tübingen
im   1. Lebensjahr 42,18 39,51 35,95
 "    2.–7.   " 9,99 11,62 11,37
 "    8.–14. " 2,39 3,02 2,56
 "  15.–20. " 1,91 2,21 1,92
 "  21.–45. " 10,83 11,27 13,58
 "  46.–70. " 20,69 21,01 21,66
über dem 70. " 12,01 11,36 12,96
100     100     100    

und es zeigt also auch hier übereinstimmend mit obigen Verhältnißzahlen, daß das Oberamt Tübingen gegenüber dem Landesmittel und dem Durchschnitt des Schwarzwaldkreises in der ersten Altersklasse auffallend weniger Gestorbene zählt, wogegen die Zahl derselben im Vergleich mit dem ganzen Land in allen übrigen, gegenüber dem Schwarzwaldkreis aber nur in den 3 letzten Altersklassen höher ist.

Von 100 Gestorbenen (incl. Todtgeborenen) starben ferner in den Monaten

Juli bis Sept. Okt. bis Dez. Jan. bis März April bis Juni
in Württemb. 24,16 24,76 27,45 23,63
im Schwarzwaldkreis 24,70 24,92 27,67 22,71
im OA.-Bezirk Tübingen 24,22 23,62 29,25 22,91

Wie im ganzen Land, so war hienach die Sterblichkeit auch im O.A.-Bezirk Tübingen in den Monaten Oktober bis März weit stärker als in der Zeit vom April bis September, jedoch hiebei in den Monaten Oktober bis Dezember, April bis Juni unter dem Landesmittel, im Januar bis März und Juli bis Sept. dagegen stärker als dieses.

Von je 100 Gestorbenen excl. Todtgeborenen haben

in Württemberg im Schwarzwaldkreis im Oberamt Tübingen O.-Z.
ärztliche Hilfe genossen 45,36 44,35 53,06 13
keine solche genossen 54,64 55,65 46,94

Der Bezirk Tübingen hat also in Beziehung auf den Gebrauch ärztlichen Beistands eine sehr günstige Ziffer und nur 12 weitere Bezirke sind es, welche ihm hierin noch vorangehen.

Der Einfluß von Unglücksfällen auf die Zahl der Gestorbenen ist aus folgenden Zahlen ersichtlich. Es sind|
in Württem-
berg
im Schwarz-
waldkreis
im Oberamt
Tübingen
unter 100 Gestorbenen excl. Todtgeborenen Verunglückte 0,85 0,84 1,03
und kommt 1 Unglücksfall auf Einwohner 3972 3875 3744.

Unter 100 Gestorbenen exl. Todtgeborenen waren in der fragl. Periode 1. Juli 1846/56 Selbstmörder

in Württem-
berg
im Schwarz-
waldkreis
im O.A.-Bezirk
Tübingen
0,36 0,35 0,41
und kommt 1 Selbstmord auf
  a) Einwohner überhaupt 9270 9134 8610
  b) über 14 Jahr alte Einwohner 6291 6022 5849,

wornach also die Zahl der Selbstmorde im Oberamt Tübingen das Landesmittel ziemlich übertrifft.

5. Trauungen.

Nach der im Jahr 1858 veranstalteten Aufnahme über die Zahl der Trauungen in den 20 Jahren 1838/57 wurden im O.A.-Bezirk Tübingen in diesem Zeitraum im Ganzen 4140 Paare getraut und zwar waren hierunter 4089 protestantische, 40 katholische und 11 israelitische Trauungen. Unter jenen 4089 protestantischen Trauungen waren 35, und unter 40 katholischen Trauungen 30 gemischte Ehen; von diesen 65 gemischten Ehen waren es ferner 23, bei denen der Bräutigam evangelisch, und 42, bei denen derselbe katholisch war.

Hinsichtlich des Alters der Brautpaare ist Folgendes zu bemerken:

Unter den 4140 Paaren oder 8280 getrauten Personen waren

Überschuß der
Bräutigame,
die alt waren
weniger als
Summe der
Bräutigame,
die alt waren
weniger als
1. a) Bräutigame von weniger als 25 J. 404.
    b) Bräute von weniger als 20 J. 264. 25 J. 140.
2. a) Bräutigame von 25-30 J. 2159. 30 J. 2299.
    b) Bräute von 20–25 J. 1669. 30 J. 630.
3. a) Bräutigame von 30–40 J. 1074. 40 J. 1704.
    b) Bräute von 25–30 J. 1247. 40 J. 457.
4. a) Bräutigame von 40–50 J. 333. 50 J. 790.
    b) Bräute von 30–40 J. 768. 50 J. 22.
5. a) Bräutigame über 50 J. 170. üb. 50 J. 192.
    b) Bräute 40 J. 192. üb. 50 J. 0.
8280.
| Nach dem Civilstand klassificiren sich diese Trauungen folgendermaßen. Es waren
a) mit Jung-
frauen
b) mit
Wittwen
c) mit geschie-
denen Frauen
zus.
1) Trauungen von Junggesellen 3225 125 12 3362
2) Trauungen von Wittwern 620 118 9 747
3) Trauungen von geschiedenen Männern 27 2 2 31
      somit Trauungen von Jungfrauen 3872 Ww. 245 gesch. Fr. 23 zus. 4140.

Es hatten somit mehr als 3mal soviel Wittwer wieder geheirathet, als Wittwen, die Zahl der getrauten Junggesellen dagegen verhielt sich zu der der Jungfrauen wie 100:117, die der wieder getrennten geschiedenen Männer zu der der wieder getrennten geschiedenen Frauen wie 100:70.

Nach der im Jahr 1865 vorgenommenen Zählung der ortsanwesenden Bevölkerung Württembergs pro 3. Dez. 1864 nach Altersklassen und den hiernach gefertigten Berechnungen beträgt das Lebensalter der mittleren Verheirathungswahrscheinlichkeit

in Württemberg im Schwarzwaldkreis im Oberamt Tübingen
bei bei bei
männl. weibl. männl. weibl. männl. weibl.
Pers. Pers. Pers.
31 29 29 28 29 30.
Über die Häufigkeit der Ehen im Verhältniß zur Bevölkerung gibt folgende Tabelle Aufschluß. Es war nämlich|
I. in der 8jährigen Periode
von 1838–1845

die durchschnittliche Zahl
der jährlichen
II. in der 5jährigen Periode
von 1846–1850

die durchschnittliche Zahl
der jährlichen
III. in der 4jährigen Periode
von 1851–1854

die durchschnittliche Zahl
der jährlichen
IV. in der 3jährigen Periode
von 1855–1857

die durchschnittliche Zahl
der jährlichen
V.
i. d.
ganzen
Zeitraum
von
1838–1857

die Summe
der
Trauungen.
Trau-
ungen.
ortsan-
gehörigen
Einwohner.
das
Verhältniß
beider.
Trau-
ungen.
ortsan-
gehörigen
Einwohner.
das
Verhältniß
beider.
Trau-
ungen.
ortsan-
gehörigen
Einwohner.
das
Verhältniß
beider.
Trau-
ungen.
ortsan-
gehörigen
Einwohner.
das
Verhältniß
beider.
im
Oberamt
Tübingen
231 31.608 1:137 224 33.754 1:151 161 33.954 1:211 176 33.765 1:192 4140
im
Schwarz-
waldkreis
3361 460.523 1:137 2973 479.621 1:161 2170 482.965 1:223 2600 474.347 1:182 58.237
in
Württem-
berg
12.737 1.705.431 1:134 11.921 1.776.671 1:149 9077 1.803.066 1:199 9660 1.788.170 1:185 226.787
|
6) Vertheilung der Bevölkerung nach Religion, Familienverhältniß, Alter, Geschlecht u. s. w.

Der Stand der Bevölkerung hinsichtlich des Glaubensbekenntnisses war folgender. Es waren nach der Zählung der ortsanwesenden Bevölkerung

im Jahre Evangelische Katholiken Übrige Christen Israeliten
1858 30.121 748 39 90
1861 30.881 789 41 94
1864 30.675 857 50 63

Von den Israeliten des Bezirks kamen auf das Ort Wankheim 1858: 75, 1861: 78, 1864: 43. Von den Katholiken dagegen auf die Stadt Tübingen 1858: 587, 1861: 600, 1864: 693.

Was die Familienverhältnisse anbelangt, so vertheilte sich die ortsanwesende Bevölkerung in den Jahren 1858, 1861, 1864 folgendermaßen: Es waren

Unverheirathete Verheirathete Verwittwete Geschiedene Zusammen
männl. weibl. männl. weibl. männl. weibl. männl. weibl. männl. weibl.
1858: 9433 9803 4833 4855 719 1295 22 38 15.007 15.991
1861: 9754 10.026 4956 4957 726 1327 19 40 15.455 16.350
1864: 9496 9721 5150 5193 717 1316 21 31 15.384 16.261

Die Zahl der Wittwen ist im Bezirk Tübingen eine verhältnißmäßig sehr große, und nach der Zählung von 1861 übertraf der Oberamts-Bezirk Tübingen mit 42 auf 1000 hierin alle anderen Bezirke des Landes.

Die Zahl der männlichen Personen verhält sich zu der der weiblichen nach der Zählung von 1861:

im ganzen Land im Schwarzwaldkreis im Bezirk Tübingen
wie 100:107,3 100:110,5 100:105,8

Ausländer waren unter der Summe der ortsanwesenden Einwohner

im Jahre männl. weibl. zusammen hievon in der
Personen Stadt Tübingen
1858 207 36 243 205
1861 265 62 327 290
1864 282 45 327 298.
Nach der im Jahre 1862 angeordneten Zählung der ortsanwesenden Bevölkerung pro 3. Dez. 1861 nach Altersklassen war die Zahl der|
ledigen verheirath. od. verh. gewes.
männl. weibl. Pers. männl. weibl. Pers.
Von   0— 5 Jahren 1889 2008
Von   5—10 Jahren 1399 1412
Von 10—15 Jahren 1650 1643
Von 15—20 Jahren 1832 1880 20
Von 20—25 Jahren 1629 1196 40 266
Von 25—30 Jahren 610 590 390 533
Von 30—35 Jahren 240 328 606 746
Von 35—40 Jahren 152 273 722 842
Von 40—45 Jahren 78 149 742 778
Von 45—50 Jahren 72 127 732 739
Von 50—55 Jahren 54 117 701 759
Von 55—60 Jahren 55 106 602 572
Von 60—65 Jahren 26 78 467 416
Von 65—70 Jahren 18 49 349 315
Von 70—75 Jahren 8 39 200 197
Von 75—80 Jahren 5 17 109 117
Von 80—85 Jahren 3 4 48 25
Von 85—90 Jahren 3 14 11
über 90 Jahren 1
9720 10.019 5723 6336
31.798.

Auf je 10.000 Einwohner kamen ferner Personen

von Jahren männl. weibl. zus. im O.-A. Tübingen zus. in Württ.
0—5 594 632 1226 2110 2200
5—10 440 444 884
10—15 519 517 1036 2210 2118
15—20 576 598 1174
20—25 525 460 985 1652 1628
25—30 314 353 667
30—35 266 338 604 1230 1244
35—40 275 350 626
40—45 257 292 549 1074 1100
45—50 253 272 525
50—55 238 275 513 933 944
55—60 207 213 420
60—65 155 155 310 540 535
65—70 116 114 230
70—75 65 74 139 217 199
75—80 36 42 78
80—85 16 9 25 34 31
85—90 5 4 9
über 90 0,3 0,3 0,3 0,6
4857 5143 10.000 10.000
10.000.
| Es sind also hierin keine erheblichen Abweichungen vom Landesmittel bemerkbar.

Die Vertheilung der Bevölkerung über den Bezirk ist nach der Zählung der Ortsanwesenden vom 3. Dez. 1864 folgende. Es kamen

auf die Oberamtsstadt 8734 Personen
auf 2 Gemeinden von 2000 bis 2600 Einwohnern 4638 Personen
auf 6 Gemeinden mit 1000 bis 1400 Einwohnern 7419 Personen
auf 9 Gemeinden mit 500 bis 1000 Einwohnern 6141 Personen
auf 12 Gemeinden mit 200–500 Einwohnern 4703 Personen
      zusammen 31.645 Personen.

Die im Jahre 1865 angeordnete besondere Zählung der ortsanwesenden Bevölkerung pro 3. Dezember 1864 nach Familienstand lieferte ferner folgende Ergebnisse:

Während bei der Zollvereinszählung 7105 Familien gezählt wurden, erschienen hier in Summe nur 6874 Haushaltungen, was daher rührt, daß häufig auf Einem Zählzettel mehrere Familien mit einer Haushaltung vereinigt sind, die dann zwar in den Gemeindelisten von den Ortsbehörden als Familien besonders gezählt werden, bei der erwähnten besonderen Zählung aber als zu einer Haushaltung gehörig angesehen wurden.

Von den Ergebnissen jener Zählung ist nun hervorzuheben, daß hienach 70% aller Haushaltungsvorstände des Bezirks verheirathete Männer sind, daß 62% aller Haushaltungen nicht mehr als 5 Personen umfassen, daß 64% aller Haushaltungen, die Kinder unter 14 Jahren besitzen, deren nicht mehr als 2 haben, daß 67% aller Haushaltungen, zu denen (mit Ausnahme des Hausherrn und der Hausfrau) noch andere Personen über 14 Jahren gehören, deren nicht mehr als 2 zählen und endlich, daß von allen Haushaltungen mit Dienstboten 77% nicht mehr als einen besitzen.

Auf 100 Haushaltungen kamen im O.A.-Bez. Tübingen OZ.
Personen überhaupt 458 43
Vorstände nebst Ehefrauen 170
Kinder (Personen unter 14 Jahren) 128
Erwachsene Hausgenossen (Personen über 14 Jahren) 160.
Schließlich ist noch zu bemerken, daß unter jenen Eingangs erwähnten, im Jahre 1793 gezählten Simpel- und Krüppelhaften 15| auf Tübingen, 12 auf Kirchentellinsfurth mit Einsiedel und 14 auf Entringen kamen, das damals noch zu dem Bezirk gehörte, und sich auch nach der im Jahre 1852 aufgenommenen Statistik der Cretinen durch eine verhältnißmäßig große Anzahl solcher, 1 auf 48 Einwohner, bemerklich machte, wofür die Ursache in der Lage des Orts im Gebiet des gypshaltigen Keupermergels gesucht wird, der sich dem Trinkwasser mittheilen und hiedurch auf die Gesundheit nachtheilig einwirken soll. Im gegenwärtigen Oberamtsbezirk Tübingen aber wurden im Jahre 1852 86 (43 männl. und 43 weibl.) Cretinen gezählt und es kam nach jener Aufnahme
in Württemberg im Schwarzw.-Kreis im O.-A. Tübingen
1 auf 482 Einw. 482 399 OZ. 15,

so daß auf Tübingen nach der beigesetzten Ordnungszahl also schon eine verhältnißmäßig große Anzahl träfe.

Noch häufiger waren nach der zu gleicher Zeit erfolgten Aufnahme verhältnißmäßig die Irren. Es kam nämlich

in Württemberg im Schwarzw.-Kreis im Bezirk Tübingen
1 auf 943 Einw. 1 auf 976 1 auf 583 OZ. 2,

und Tübingen war nach Stuttgart Stadt derjenige Bezirk, der die meisten zählte. Günstiger war das Verhältniß der Taubstummen und Blinden zur Bevölkerung; dasselbe war nämlich:

in Württemberg im Schwarzwaldkreis im Bezirk Tübingen OZ.
bei den Taubstummen 1:962 1:814 1:1039 30
bei den Blinden 1:1194 1:1221 1:1428 48

Gezählt wurden im O.-A.-Bezirk Tübingen

Blödsinnige Irrsinnige Taubstumme Blinde
im Jahre 1854 86 62 33 24
im Jahre 1861 50 32 32 27.
2. Stamm und Eigenschaften der Einwohner.[7]


Dem allgemeinen Urtheil über den Menschenschlag eines so kleinen geographischen Raums tritt nicht allein die durch die Vielgestaltigkeit des Bodens bedingte mannigfaltige Gruppirung des Ganzen, sondern auch die starke Individualisirung der einzelnen Gemeinden um so erschwerender entgegen, je näher der Beobachter derselben steht. Ließ sich nun auch diese Darstellung nicht bis zu jenem individuellen Gepräge der einzelnen Gemeinden verfolgen, so mußten doch die Gruppen, in welche der Bezirk zerfällt, einigermaßen berücksichtigt werden. Es sind folgende:

| 1) Das obere Neckarthal (Derendingen, Weilheim, Kilchberg), welchem die im untern Ammerthal gelegene Stadt und Lustnau theilweise noch angehört; 2) die beiden zur Linken und Rechten des Neckars sich erhebenden Liasebenen, von denen die erstere unter dem Collektivnamen des Walddorfer Amts die Orte Pliezhausen, Gniebel, Dörnach, Rübgarten, Walddorf, Häslach, Schlaitdorf in sich begreift, die zweite unter dem Namen des Unteramts Kirchentellinsfurth, Degerschlacht, Sickenhausen, Rommelsbach, Altenburg, Oferdingen zusammenfaßt; 3) das Steinlachthal (Dußlingen und Nehren); 4) die Härdter (Härdtlen), ein zwischen dem Neckar, der Steinlach, der Echaz und der Linie des braunen Jura gelegenes Plattviereck (Wankheim, Mähringen, Immenhausen, Jettenburg, Kusterdingen); 5) der Schönbuch (Hagelloch,[8] Bebenhausen, Dettenhausen), während das auf luftiger Höhe stehende Pfrondorf nirgends unterzubringen ist und das in ein Albquerthal eingesenkte und an den Fuß des Roßbergs sich anlehnende Gönningen ein Enclave des Reutlinger Bezirks bildet.

Die Gesamtbevölkerung darf als ein kräftiger Mittelschlag zwischen dem Oberschwäbischen und dem Unterländer bezeichnet werden. Auf Schönheit hat er so wenig Anspruch zu machen als irgend ein schwäbischer Zweig, doch heben sich die Bewohner des Steinlachthals und der Härdter von der Masse vortheilhaft ab, da dieselben nicht allein durchschnittlich einen feineren, edleren Typus, sondern auch manche recht hübsche Gestalten aufweisen.

In mehreren durch den ganzen Bezirk zerstreuten Gemeinden findet sich beim männlichen Geschlechte ein auffallender Hochwuchs, wahre Enakskinder, so in Jettenburg, Sikenhausen, Degerschlacht, Hagelloch. Im Allgemeinen aber fällt das Größemaaß des Bezirks ziemlich in das Mittel des Landes, wie sich aus dem 24jährigen Durchschnittsmaß der Conscribirten (1835–1857)[9] ergibt. Hienach hat der Bezirk unter 100 Pflichtigen 7,75 wegen zu geringer Größe, 41,41 wegen sonstiger Gebrechen und 52,61 überhaupt Untüchtige, wornach derselbe in Betreff des ersten Moments die 27ste, in Betreff des zweiten die 40ste, in Betreff des dritten die 26ste Stelle unter den Bezirken des Landes einnimmt, also noch in die bessere Hälfte zu stehen kommt. Nach einer 20jährigen Durchschnittsberechnung der Gebrechen (1857–67) verhalten sich zur Gesamtzahl:|
Allgemeine Schwächlichkeit 1:5,29
Verunstaltung der Füße 1:19,73
Verunstaltung des Brustkastens und Rückgratsverkrümmung 1:30,57
Kropf 1:31,13
Hernie 1:33,27
Skropheln 1:47,82
Gebrechen der Zeugungsorgane 1:51,42

Hieraus gewinnt man insbesondere das erfreuliche Resultat, daß die Scrophulose im Bezirk eine sehr untergeordnete Rolle spielt und derselbe somit ein geringes Contingent zum „scrophulosen Gesindel der Gegenwart“ stellt.

Der allgemeine Gesundheitszustand ist überhaupt kein ungünstiger. Dieß ergibt sich auf’s bestimmteste 1) aus der Lebensdauer, 2) aus dem Mangel oder schwachen Vertretensein endemischer Krankheiten, 3) aus dem verhältnißmäßig seltnen Auftreten größerer Epidemien, wovon nur wenige Gemeinden eine Ausnahme machen.

Über die Lebensdauer gibt folgendes Schema Aufschluß. Es waren:

alt 46–70 über 70
1849–50 von 982 Gestorb. 205 124
1850–51 von 956 Gestorb. 168 135
1851–52 von 894 Gestorb. 187 129
1852–53 von 932 Gestorb. 223 106
1853–54 von 818 Gestorb. 162 103
1854–55 von 899 Gestorb. 226 123
1855–56 von 816 Gestorb. 197 112
1856–57 von 893 Gestorb. 174 95
1857–58 von 1209 Gestorb. 241 140
1858–59 von 810 Gestorb. 159 85
1859–60 von 862 Gestorb. 174 112
1860–61 von 813 Gestorb. 166 103
1661–62 von 950 Gestorb. 167 130
1862–63 von 1116 Gestorb. 208 97
1863–64[10] von 1052 Gestorb. 195 132
v. 1. Juli 64 bis 31. Dez. 65[11] von 1432 Gestorb. 278 156
1866 von 1072 Gestorb. 234 126.
| Unter den endemischen Krankheiten ist der Cretinismus, welcher früher allerdings weit mehr in die Erscheinung getreten war, neuerdings, d. h. seit zwei Jahrzehenten, in erfreulicher, dem Verschwinden sich nähernder Rückbildung begriffen und macht sich nur noch in zwei Gemeinden, in der Oberamtsstadt und in Kusterdingen bemerklich, dort in rudimentären Formen, hier im äußeren Typus mehrerer Familien, ohne jedoch von ausgebildeteren Graden physischer Entartung begleitet zu sein.

Dagegen leiden vier Gemeinden, welche in Gestalt eines verschobenen Vierecks die Blaulache umstehen, am Wechselfieber: Pfrondorf im N., Kusterdingen im S., Lustnau im W., Kirchentellinsfurth im O., wovon drei zwischen 1300 und 1500′ Meereshöhe haben, während Lustnau in der Thalsohle der Ammer und des Neckars liegt. Der weitaus vorherrschende Fiebertypus ist der andertägige (tertiana) nur bei Kindern ist der Eintagstypus der häufigere. Die Quartana dagegen kommt nicht vor, wohl aber die Tertiana Duplex. Aber das epidemische Auftreten dieses Sumpffiebers ist großen Schwankungen, welche allem Anschein nach von größeren Witterungsphasen abhängen, unterworfen. Nachdem es 18–20 Jahre nicht mehr erschienen war, dann aber 5 Jahre lang sporadisirt hatte, trat es im Jahre 1836 epidemisch auf und dauerte bis zum Jahr 1844, von welchem Zeitpunkt an es nur noch sporadisch auftrat. Erst im Jahr 1854 zeigte es sich wieder in größerer Verbreitung, um im Jahr 1856 zu einer großen Epidemie anzuschwellen, welche bis zum Jahr 1860 anhielt. – Aber selbst als Epidemie ist das Fieber nur vier Monate lang (April bis Juli) activ, die übrige Jahreszeit hindurch latent. Ziemlich entsprechend ist das Verhalten beim individuellen Krankheitsprozeß, insbesondere bei der Tertiana, wo seine Dauer auf 12 Stunden, seine Intermission auf 36 Stunden anzuschlagen ist. Es zeigt sich also bei dieser Malaria unsres Bezirks ein dreifacher Cyklus, ein Jahrescyklus, welcher als ein durchschnittlich decennialer bezeichnet werden kann, ein Monatscyklus der einzelnen Epidemie und ein Stundencyklus im individuellen Krankheitsprozeß. Beim ersteren verhält sich Activität zur Latenz etwa = 1:2, beim zweiten = 1:3, beim dritten = 1:4.

Unmittelbar tödtlich ist dieses Sumpffieber wohl noch nie geworden. Daß es aber durch organische Folgeübel mittelbar auf Sterblichkeit steigernd einwirkt, ergibt sich mit arithmetischer Gewißheit daraus, daß das Sterblichkeitsverhältniß der beiden höchsten Altersklassen (46–70 und über 70) in den vier Fieberorten, dem der| vier gesündesten Orte (auf den Härdtern) Jettenburg, Immenhausen, Mähringen, Wankheim) geradezu entgegengesetzt ist, da bei den letzten in manchen Jahren die jüngere Altersstufe (46–70), in den vier Fieberorten dagegen die höchste Altersklasse entweder gar nicht oder nur ganz schwach vertreten ist. – Der Versuch, bei Gelegenheit des Eisenbahnbaus (1861) die Quelle der Malaria durch Ausfüllung und Canalisirung der Blaulache zu verstopfen, scheiterte an der Zähigkeit der beiden am stärksten heimgesuchten Orte, während gerade die am wenigsten betroffenen (Lustnau und Pfrondorf) die freigebigsten Offerte machten und der Staat seinen Beitrag von einer erklecklichen Anstrengung der Beschädigten abhängig gemacht hatte.

Das Verhalten der eigentlich epidemischen Krankheiten hat wohl nur wenig Eigenthümliches im Bezirk. In der kalten Jahreszeit herrschen durchaus die pneumatischen Affektionen (catarrhalischer und entzündlicher Natur) in der warmen die gastrischen, während die Übergänge von einem Extrem zum andern durch das Gleichgewicht beider bezeichnet sind.

Der Typhus zeigt als intercalare Erscheinung ein sehr beschränktes Vorkommen in zweierlei Typen: 1) als vorübergehende Epidemie eines oder mehrerer Orte, 2) als förmlich sich einwurzelnde Endemie in einer oder der andern Gemeinde.

Es sind durchaus eigenthümliche Terrainverhältnisse, welche diese typhöse Morbilität bedingen. Mit der Meereshöhe hat die Genesis innerhalb eines so engen Rahmens von 1100–1600′ entfernt nichts zu thun. Jene Eigenthümlichkeit besteht in einer die Zuströmung der herrschenden W.-Winde hemmenden Einsenkung, entweder in eine einfache Terrainmulde oder in ein Querthal von meridianer Richtung; gleichviel ob diese Depression auf ein Hochplateau oder in eine Thalsohle falle. Es fehlt hier die Luftpolizei der Winde, möge nun das Miasma dem Grundwasser oder dem Sumpfe der Oberfläche entkeimen. Unter den Orten, wo sich der Typhus eine längere Reihe von Jahren hindurch festwurzelte, sind zu nennen das hochgelegene Hagelloch und das im Steinlachthal immer noch hochliegende Dußlingen. Beide aber sind schon seit einem Jahrzehnt von ihrem Alp befreit. Von den übrigen Orten, welche sich durch einzelne größere Typhusepidemien auszeichneten, sind Kusterdingen und Walddorf hervorzuheben.

Die Masern erschienen in den letzten Jahrzehnten sehr häufig, waren aber mit weniger Ausnahme (1861) gutartig. Sehr selten dagegen ist Scharlach, abgesehen von der Pandemie des Jahres 1862, wo 225 Kinder dieser Seuche erlagen; etwas häufiger zeigten sich die| Pocken in kleinen Ortsepidemien. Die Pandemie der Jahre 1865 bis 1866 war jedoch verhältnißmäßig schwächer als in vielen andern Bezirken. Die Ruhr war 1857 allverbreitet, zeigte aber in den Jahren 1861–62 nur ein beschränktes Vorkommen. Von den letztgenannten Jahren ist noch erwähnenswerth, daß die kleine Gemeinde Hagelloch (577 Ortsanwesende) im November und December 1861 von den Masern vollständig durchseucht wurde, worauf im Sommer 1862 Scharlach und Ruhr gleichzeitig herrschten und zuletzt noch der Keuchhusten hinzukam. Durch größere epidemische Morbilität sind außerdem noch ausgezeichnet: Kusterdingen und Walddorf (Typhus, Ruhr, Scharlach, Pocken). Wird nun noch erwähnt, daß der sogenannte Zoster (eine blasige Rothlaufform, welche als Halbgürtel zwischen Hüften und Rippen erscheint) verhältnißmäßig häufig vorkommt und daß das hitzige Gliederweh durch Affizirung des Hirns von Zeit zu Zeit tödtlich wird, so ist das Bemerkenswertheste der epidemischen Erscheinungen des Bezirks nahezu erschöpft.

Unter den chronischen Krankheiten spielt die Hauptrolle der dem vorherrschenden Lebensberuf, dem Feldbau, entsprechende chronische Lungencatarrh, welcher so häufig Luftgeschwulst und Ödem zur Folge hat und mit Wassersucht endigt. Verhältnißmäßig selten ist dagegen die Lungentuberkulose, weit häufiger sind die organischen Herzfehler. Die Magencatarrhe mit ihrem Gefolge sind weniger verbreitet als in andern Bezirken, was vielleicht mit dem weniger allgemeinen Genuß des Branntweins zusammenhängt. Die Bleichsucht, schon in der Stadt selten, kommt auf dem Lande fast gar nicht vor. Die schweren Neurosen, Epilepsie und Irrsinn zeigen gleichfalls ein sehr mäßiges Vorkommen, wovon in Betreff des letztgenannten Übels nur Gönningen eine Ausnahme macht. – Kräze, im Laufe der letzten Jahre (etwa von 1857 an), fast ganz verschwunden, taucht erst seit dem vorigen Jahre, ohne Zweifel in Folge der weniger guten Nahrungsmittel (Cerealien) und der Verkehrsstockung etwas mehr wieder auf. Dagegen ist Syphilis äußerst selten. Der Blasenstein ist gleichfalls eine seltene Erscheinung und die Hernien zeigen eine nur mäßige Verbreitung.

Die Lebensweise der Bezirksbewohner, ist, wie fast überall in Schwaben, eine sehr frugale. Milch- und Mehlspeise (Knöpflen, Brod, saure Milch und Käse) in erster Reihe, Gemüse, namentlich Hülsenfrüchte und Sauerkraut in zweiter Reihe, bilden die Kost des Landmanns; Obstmost, in sehr verdünnter Form, sein Getränke. Fleisch, selbst Schweinefleisch, wird auf dem Lande wenig genossen, worauf schon das seltene Vorkommen des Bandwurms hindeutet, denn| der letztere kommt fast blos bei Wirthen und Metzgern vor. Das Bier verbreitet sich wie überall mehr und mehr, wofür 7 Bierbrauereien auf dem Lande zeugen, wird aber den Most nie verdrängen, so lange der Feldbau den vorherrschenden Beruf bildet. Eine größere Zukunft hat der Kaffee, freilich ein Getränke, in welchem weder Mokka noch Java merklich vertreten ist. In sehr vielen Familien gibt er den Stoff oder wenigstens den Namen zu zwei Mahlzeiten – Frühstück und Abendessen.

Ehe wir zur Schilderung der sittlichen Eigenschaften übergehen, müssen wir uns den vorherrschenden Beruf und die Vermögensverhältnisse vergegenwärtigen.

Von den 30 Gemeinden des Bezirks leben 22 fast ausschließlich vom Feldbau. Das kleine Gewerbe (Maurer, Zimmerleute) ist nur in sechs Gemeinden stark vertreten, in Pliezhausen, welches seine Söhne in größere Fernen sendet, in Rübgarten, Dettenhausen, Hagelloch, Lustnau, Derendingen, welch’ letztere 3 vorzugsweise in der nahen Stadt ihre Beschäftigung finden. – Den Handel vertritt fast ausschließlich das entlegene Gönningen.

Die Vermögensverhältnisse des Bezirks sind durchaus mittlere. Als eigentlich wohlhabende Gemeinden sind nur 3 zu nennen; Weilheim, Wankheim, Mähringen. Viele sehr wohlhabende Bauern zählen Kusterdingen, Jettenburg, Immenhausen, Kilchberg, Dußlingen, Nehren. Dagegen sind auch nur 3 unbemittelte Gemeinden vorhanden: Dettenhausen, Rübgarten, Hagelloch, welch’ letzteres sich in den verflossenen guten Jahren wacker emporgearbeitet hat.

Das Charakterbild des Bezirks kann sonach nur dem mäßig bemittelten Bauernstande, wie er sich nun einmal in Schwaben darbietet, entnommen werden.

Die Arbeitslust und Sparsamkeit, diese Grundzüge des schwäbischen Bauern, sind auch hier unbestritten, finden aber doch einiges Gegengewicht in einem mehr zur Heiterkeit und sinnlichen Genußsucht hinneigenden Temperament. Das düstre trockene Wesen, die ängstliche Kargheit des Unterländers ist hier zu Lande entschieden nicht zu Hause. Am nächsten kommen diesem noch die Bewohner der Liasebene zur Linken des Neckars, des sogenannten Walddorfer Amts, weit weniger die aufgeweckteren regsameren Bewohner des Unteramtes. Im allgemeinen findet wohl aus demselben Grunde der Pietismus einen minder günstigen Boden im Bezirk. Und selbst dieser, wo er sich eingenistet hat, wo er vielleicht gehegt und gepflegt wird, zeigt eine minder schroffe Außenseite, er bleibt, wie sich ein geistreicher| Berichterstatter glücklich ausgedrückt hat, nüchtern und practisch. Eigentliche Sectirerei findet sich entweder gar nicht oder bleibt doch auf einige wenige Exemplare beschränkt. Dagegen fehlt es in vielen Gemeinden nicht an reger Theilnahme für das Missionswesen, sowie für den Gustav-Adolphverein. Für letzteren besitzt Wankheim einen soliden Hilfsfond in Form eines Baumguts. An kirchlichem Sinn fehlt es überhaupt nirgends, wohl aber, und jetzt kommen wir zu den Schattenseiten, an politischem Gemeinsinn, an regem Interesse für den Fortschritt in jedem Zweige menschlicher Thätigkeit, an geistigem Interesse überhaupt, vor Allem aber am Schönheitssinn, welcher, wo er sich offenbart, nur durch äußern Anstoß, wie dieß zumal in Lustnau neuestens in so reichlichem Maße der Fall war, geweckt werden konnte. Besonders im Argen liegt allerwärts, mit weniger Ausnahme die Reinlichkeit des Hauses, gegen welche sogar wirkliche Vorurtheile bestehen, als wäre die auf ihren Cultus verwendete Zeit und Mühe eitel Verschwendung und Hoffart. Auch der Sinn für geistweckende und bildende Lektüre schlummert noch tief; obwohl es auch hier nicht an Ausnahmen fehlt. So erfreut sich Gönningen seit Jahren eines wohlorganisirten Lesevereins und Kusterdingen, Kirchentellinsfurth, Dußlingen besitzen wenigstens einen Anfang von Volksbibliothek, wobei freilich Alles auf die Wahl der Schriften ankommt. Einen Lichtpunkt bildet andrerseits wieder der Sinn für veredelten Gesang, welcher in 14 Gesangvereinen auf dem Lande, die vier Vereine der Stadt gar nicht gezählt, seinen Ausdruck findet.

Der Weingärtnerstand ist nur in der Stadt vertreten. Bekanntlich ist der Tübinger Weingärtner ein ens sui generis und als solcher nicht wohl definirbar. Von ausnehmend hartem, zähem Stoffe leistet er in der Arbeit Außergewöhnliches und repräsentirt nahezu eine mittlere Pferdskraft, ermangelt aber dafür aller jener Gefühle, welche man unter dem Begriff Pietät zufammenfaßt. Den Geist der Zeit hat er in seiner Weise glücklich aufgefaßt, denn er steigert seine Ansprüche an die Gesellschaft gleichen Schritts mit der Fortbewegung der Zeit, legt aber eine außerordentliche Empfindlichkeit und Abneigung gegen die Ansprüche an den Tag, welche andererseits an ihn gemacht werden wollen. Stoff und Form seines Daseins wußte er gegen den Schliff der Zeit mit solchem Erfolg zu wahren, daß man oft glauben möchte, es sei zwischen seinem Wohnsitz, der untern Stadt, und dem Musensitz in der obern, nicht etwa eine chinesische Mauer, sondern ein breites Hochgebirge herübergepflanzt.

Eine Welt für sich ist die Gemeinde Gönningen. Nicht allein| weil sie in einem Albkessel liegt und ein Enclave des benachbarten Bezirks bildet, sondern auch, weil sie ihre Kinder hinaus in die weite Welt schickt und das Fremdartige mit dem Einheimischen eine innige Verbindung eingeht, ohne letzteres jemals tilgen zu können. Diese erwerbsfreudigen Blumen- und Samenhändler ergießen sich alljährlich in allen Richtungen der Windrose fast über die ganze civilisiirte Welt. Deutschland und die Schweiz werden weit überschritten, auf der einen Seite Oberitalien, auf der andern Schweden und Norwegen bereist, am meisten aber gegen Osten und Westen ausgeschritten, in Rußland bis Petersburg und Odessa, bis an das caspische Meer und an den Fuß des Kaukasus vorgedrungen, jenseits des Ozeans aber sowohl der Süden als der Norden Amerikas besucht. – Die Wanderung wird, nachdem man sich aus Haarlem und Berlin mit Zwiebeln, aus Nürnberg, Ulm u. a. O. mit Sämereien versehen, jedes Jahr nach Ostern angetreten. Die in Europa Reisenden finden sich um Martini erstmals, um Weihnachten zum zweitenmal im Heimathorte ein, um hier bis Ostern zu verweilen. Die in Amerika Reisenden dagegen bleiben in der Regel 3–4 Jahre aus, kehren dann aber auch in der Regel mit größerem Gewinn zurück. Dieser Welthandel trägt Jedem seine Früchte. Wirft er auch nicht größere Reichthümer ab, so gewährt er doch den Meisten ein anständiges Auskommen, erweitert den Ideenkreis und gibt die äußere Politur, Redefertigkeit und Gewandtheit, auch ein höheres Selbstbewußtsein, welches sich durch das ganze Benehmen, durch eine gewählte, oft etwas geschraubte Ausdrucksweise und einen eigenthümlichen Mischdialect verräth. Die Schattenseite offenbart sich fast mehr noch in der körperlichen als in der sittlichen Sphäre. Die Lungenschwindsucht bei Erwachsenen, die Scropheln bei Kindern sind eine gar häufige Erscheinung. Auffallend groß ist die Sterblichkeit der Säuglinge und die Krankheit der Handelswelt, die Seelenstörung, ist gleichfalls reichlich vertreten.

In der Darstellung der Volksgebräuche können wir uns kurz fassen, da die rastlos nivellirende Zeit sie fast ganz aufgerieben hat.

Am wenigsten Volksthümliches bietet die Taufe dar. In einigen Gemeinden wird noch geschossen, aber nur den Knaben oder gar nur dem Erstgebornen, oder, wie in Kusterdingen, nur demjenigen neuen Weltbürger, welchen eine Jungfrau aus der Taufe hebt. In wenigen Gemeinden wird der Gevattersmann mit Kaffee, Wein, Brod und Käse tractirt.

Die Hochzeiten theilen sich in gewöhnliche und solenne. Bei letztern, den Hochzeiten der Reichen, wird vor dem Kirchgang den| nächsten Verwandten im Wirthshaus ein Trunk gereicht. Hier findet sich nun in Gönningen ein ganz eigenthümlicher Gebrauch. Die Verwandten, welche zweimal geladen werden müssen, bleiben trotz dieser Doppelladung auf der Gasse in der Nähe des Brauthauses stehen, um sich hier zu Erfrischungen vor dem Kirchgang förmlich nöthigen zu lassen, wobei man es aber sehr übel nähme, wenn die Nöthigung allzu nachgiebig wäre. Im Übrigen sind die Hochzeiten sogenannte Zechhochzeiten, zu denen von Haus zu Haus geladen wird und wobei Jeder seine Zeche (30–36 kr.) selbst bezahlt.

Nur in Hagelloch werden die Hochzeitgäste von dem Brautpaar regalirt, dafür erwartet man aber Geldgeschenke. Dieses Wurst nach der Spekseite werfen wird in Dußlingen in noch größerem Maaßstabe betrieben. Hier werden Ringe, Laibchen, Kuchen nach allen Seiten ausgesendet, wofür man dann von jedem Hochzeitgast eine Spende von wenigstens 12–24 kr. empfängt. Jene Taiggebilde führen daher den Namen Hochzeitzwinger.

In Hagelloch und Pfrondorf werden am Abend vor der Hochzeit sogenannte Hochzeitsträuße zugerichtet. Die Kamerädinnen der Braut hängen an einem über den Tisch der Hochzeitleute gespannten Seil die hauptsächlichsten in Pfannen und andrem Küchengeräthe bestehenden Hochzeitgeschenke auf, womit in Pfrondorf ein Schmaus, genannt der Straußabend, verbunden ist. In dem letztgenannten Orte werden überdieß zwischen der Copulation und dem Hochzeitschmause gewisse Tänze aufgeführt: 1) der Brauttanz zwischen Braut und Brautführer; 2) der Gespielentanz zwischen zwei Brautjungfern und zwei Gesellen, sodann 3) ein Tänzchen zwischen Braut und Bräutigam.

Der alterthümliche Brautschmuck, die Schappel, eine von Goldflittern über leichten Drähten zusammengesetzte Krone kommt nur noch auf den Härdtern zum Vorschein und wird in Kusterdingen auch von Brautjungfern getragen.

In Degerschlacht hält der Schullehrer bei jeder Hochzeit vor dem Wirthshaus eine Rede.

Bei den Leichen findet jederzeit zahlreiche Begleitung, aber keine sonstige Feierlichkeit statt. Die Alten tragen hiebei noch die über die Schultern nach hinten hängenden schwarzen Kirchenmäntel. Die sogen. Abdankung, d. h. die Rede des Schullehrers vor dem Trauerhause oder auf dem Gottesacker, dürfte kaum in einer Gemeinde fehlen.

Noch mehr außerhalb als innerhalb der Kirche sind die alten Volksgebräuche eingegangen. Nur der Ostermontag hat noch seine| Eierlese, aber bloß in wenigen Gemeinden und selbst hier nicht jedes Jahr, und der Himmelfahrtstag hat noch da und dort seinen Frühgang, um die Sonne ihre 3 Sprünge vor dem Aufgang machen zu sehen und – Mausöhrchen zu pflücken. Bedeutungsvoller ist der Gebrauch dieses Tages in Gönningen. Hier wird der Roßberg bestiegen und die sich erhebende Göttin des Lichtes mit einem Choral begrüßt. Am Stephanstag wird da und dort mit Peitschen geknallt, wenn der Knecht wandert oder mit Kübelklopfen ein Höllenlärm verführt, wenn die Magd wandert.

Am 2ten Weihnachtsfeiertag (Johanni) führen in Gönningen die Väter ihre Söhne in’s Wirthshaus, um sie hier reichlich zu regaliren. Wer vermöchte in diesem Gebrauche, sowie in der Begrüßung der aufgehenden Sonne auf dem Roßberg den vorchristlichen Anklang zu verkennen?

Daß endlich den Winter hindurch auch hier die Lichtstuben, diese Spinnanstalt der Dorfintrike und der Geistergeschichten, im Flor stehen, braucht kaum erwähnt zu werden.

Die Volkstracht, überall im Schwinden begriffen oder in Mesalliance mit der Mode geschmacklose Bastarde erzeugend, hat sich nur auf den „Härdtern“ fest behauptet.

Während die älteren Frauen noch die schwarze Taffethaube mit den das Gesicht fast verhüllenden Spitzen tragen, gehen die Mädchen und jüngeren Frauen im kleidsamen, schnippischen Deckelhäubchen (Dächleshaube, auch Kugelhaube genannt), welches im Gegensatz zum lilafarbigen Bezinger Häubchen ausnahmslos schwarz ist und von breiten schwarzen Bändern flankirt wird. Allen gemein ist der kurze, kaum über das Knie reichende, königsblaue oder dunkelfarbige Rock, den ein schwarzes Sammtband oder eine breite Goldborte umsäumt, ebenso der schwarztaffente Oberleib, welcher über das rothe Mieder getragen wird. Den Fuß bekleiden schneeweiße Strümpfe mit rothen Strumpfbändern, welche in Mähringen Namen und Jahreszahl, also ein vollständiges Signalement enthalten, und kleine möglichst ausgeschnittene Schuhe. Diesen schmucken Anzug vollendet ein Noster mit vergoldetem Thaler.

Auch die männliche Tracht hat einiges Eigenthümliche. Sonntags trägt der Erwachsene seinen Dreispitz, einen blauen Tuchrock, Lederhosen mit langen Stiefeln, eine Manchester- oder Scharlachweste mit Kugelknöpfen. Außerhalb der Kirche trägt er einen schneeweißen Kittel und eine Pelzkappe, an deren Stelle Werktags der leinene Schmutzkittel und die Schmeerkappe tritt.

| Jede Gemeinde hat freilich wieder einzelne Besonderheiten, woran man in der Regel den Heimathort des Einzelnen erkennt, deren Aufzählung aber der Raum nicht gestattet.

Größere Gruppen hochgewachsener lediger Bursche in ihrer schneeweißen Toga und scharlachrothem Brusttuch bilden eine recht malerische Sonntagsstaffage, wenn sie sich in Gesellschaft ihrer Dorfschönen auf grüner Matte lagern, oder singend in gleichem Schritt und Tritt auf der Straße einherziehen.

In der Steinlach ist die noch gefälligere Volkstracht nahezu verschwunden, und im übrigen Bezirk begegnet dem Blick das keineswegs erfreuliche Gemisch einer der Mode nachhinkenden düstern Volkstracht.

Die Mundart ist durchgängig die schwäbische, deren Breite durch einige weniger der Grammatik als dem Ohr zusagenden Formen, wie z. B. durch das g’si’n oder g’sei’n statt des entsetzlichen gwä oder gwäa etwas corrigirt wird.

Die Auswanderung, welche in den letzten Jahrzehnten nie ganz pausirte, hat besonders im laufenden Jahr einen größeren Maßstab angenommen. Unter den besonders auswanderungslustigen Gemeinden zeichnet sich Kirchentellinsfurth aus, dessen aufgeweckte, strebsame Bevölkerung nicht allein durch ihre vielen in der neuen Welt glücklich angesiedelten Verwandten angelockt, sondern noch weit mehr durch ihre geistige Verwandtschaft mit dem spekulativen Yankee unwiderstehlich angezogen wird.



  1. Von Finanzassessor Cull.
  2. Bei dieser Berechnung konnte auf die durch das Gesetz vom 6. Juli 1842 eingetretene Veränderung der Bezirkseintheilung keine Rücksicht genommen werden, da in diesem Fall die früheren Berechnungen durchgängig hätten von Neuem gefertigt werden müssen.
  3. Dagegen erscheint dieß anders in der Periode 1. Juli 1846/56 nach den auf den Grund der Aufnahme des Medicinalcollegiums vorgenommenen Berechnungen über die Zahl der Geburten und Todesfälle im Verhältniß zur Summe der ortsanwesenden Einwohner, denn hienach beträgt auf je 1000 Einwohner der Überschuß der Geburten über die Todesfälle im ganzen Land 6,41, im Schwarzwaldkreis 5,88, im OA.Bez. Tüb. 9,15. was von der Einrechnung der in der Gebäranstalt Geborenen herrührt.
  4. a b Hiebei sind 1733 vom 1. Juli 1846/56 in der Gebäranstalt Geborene nicht mit eingerechnet. Einschließlich dieser würde das Verhältniß seyn: 1:26,31 und 1:25,45 für den Bezirk Tübingen.
  5. also mehr Geborene pr. 3. Dec. 1846–56 als pr. 1. Juli 1846 bis 1856 243, welche Differenz von der Art der Aufnahmen herrührt, die hinsichtlich des Termins sowohl als in Beziehung auf die Unterscheidung der Geburtsfälle verschieden sind.
  6. S. die württemb. Jahrbücher von 1856. II. Heft, S. 65, Zahl und Verlauf der Geburten von Finanzassessor v. Sick.
  7. Von Oberamtsarzt Dr. Krauß in Tübingen.
  8. Dem Typus und der Volkstracht nach schließt sich Hagelloch dem Ammerthale an.
  9. Württemb. Jahrb. 1857, S. 158.
  10. In diesem Etatsjahr wurden erstmals die Todten der akademischen Lehranstalten in das amtliche Register aufgenommen.
  11. Im Jahr 1864 wurde das Kalenderjahr an die Stelle des Etatsjahrs gesetzt.
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