Beschreibung des Oberamts Schorndorf/Kapitel B 27
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Diese Gemeinde ist nächst Schorndorf die größte des Oberamtes. Der Bezirk derselben ist aus, der natürlichen Beschaffenheit nach, sehr ungleichartigen Bestandtheilen zusammengesetzt, da er sich von dem milden Remsthale bis in den Schurwald hinauf erstreckt. Nördlich ist er durch die Berglen, die bis gegen Schorndorf „der Sonnenschein“ genannt werden, südlich durch den Schurwald, aus welchem der „Goldboden“ und der „Sterrenberg“ hervorragen, begrenzt. Hier ist das Remsthal, das sich aufwärts erweitert, wohl am schönsten. In dasselbe münden von beiden Seiten einige Einschnitte ein, aus deren bedeutendstem vom Schurwalde her der nie vertrocknende Lehnenbach durch Winterbach fließt und diesem gegenüber mit dem Bosenbach und Weilerbach in die Rems fällt. Überhaupt ist die Schurwaldseite reich an immer fließenden Quellen. Die Rems tritt auch hier häufig aus, daher die Ufer öftere Unterhaltungskosten erfordern. In beiden Gebirgen, von denen aus schöne Aussichten bis zu den Spitzen der Alp sich eröffnen, sind Brüche angelegt, aus welchen Keuperwerkstein und grobkörniger Keupersandstein gewonnen wird.
Alle Zehenten stehen dem Staate zu. Demselben gebühren auch, ausschließlich von 6–7 fl., die noch der Hospital und Armenkasten zu Schorndorf erheben, die übrigen Grundgefälle, woran 1 fl. 55 kr. Laudemien, 276 fl. 2 kr. Geld-, 103 Sch. 3 S. 21/2 V. Frucht- und 2 E. 11 I. Wein-Gefälle, 64 fl. 30 kr. steuerartige Abgaben und 4 fl. Frohnrechte für 15.633 fl. 37 kr. abgelöst wurden, so daß noch 1828 fl. 6 kr. und 178 Sch. 1 S. 2 V. Frucht für den Zehenten zu erheben sind.
a) Das Pfarrdorf Winterbach, früher Sitz eines Stabsamtes, jetzt eines Amts-Notars, 3/4 Stunden westlich von Schorndorf, gegen Süden etwas durch das Wald-Gebirge geschützt, ist ein großer, stattlicher Ort mit mehreren ansehnlichen Gebäuden, der frei und freundlich im Remsthal liegt, und mehr in die Länge als in die Breite gebaut, von dem Lehnenbach, der hier einen kleinen Feuersee bildet, bewässert wird. Von der Hauptstraße aus führt eine gute Vicinalstraße, einer Seits über diesen Ort nach Weiler und Schorndorf, anderer Seits über Engelberg nach Göppingen. Fünf steinerne Brücken gehen über die Rems, den Mühlkanal und den Lehnenbach. Winterbach hat das beste Quellwasser im Remsthal; besonders gut ist der Etscheter und Weiherbrunnen. Der Boden, halb sandig, halb lehmig, ist im Allgemeinen| fruchtbar und für jede Culturart geeignet. Die Luft ist viel neblig und feucht, aber mild; Frühlingsfröste sind weniger selten, als Hagelschaden. Der Schönbühl bildet eine Wetterscheide. Die Gemeinde zählt 335 Haupt- und 77 Neben-Gebäude (im J. 1400 gegen 100; 1500 137 Gebäude). Die Kirche zu St. Michael auf einer kleinen Anhöhe ist ein ziemlich gut erhaltenes, 1309 errichtetes, bis unter das Dach massives Gebäude von schönen Verhältnissen. (In einer Ecke ist eingehauen: Anno ab incarnatione Domini MCCCVIIII con.) Der Chor ist leider durch die Orgel verstellt; die Sacristei, gothischen Styls, war ursprünglich ohne Zweifel eine Kapelle, und enthält einige hübsche Grabmäler aus neueren Zeiten. Der starke massive Thurm, der im dreißigjährigen Kriege theilweise abbrannte, wobei die drei Glocken schmolzen, hat 1656 ein hölzernes Stockwerk erhalten. Neben der Kirche stehen die Wohnungen des Pfarrers und des Helfers, welche beide letzteren die Stiftungspflege mit dem Staat zu bauen hat, und die beiden Schulhäuser, ihr gegenüber das ansehnliche, vor etwa 20 Jahren erneuerte Rathhaus, vor welchem ein großer Brunnen mit 4 Röhren. Die Nahrungsquellen sind Ackerbau mit Viehzucht, hauptsächlich aber Weinbau. Die Markung von Winterbach begreift an Baufeld 85 M. Gärten, 8522/8 M. Äcker, worunter 3042/8 M. Wechselfelder, 7251/8 M. meist zweimähdiger Wiesen und 3712/8 M. Weinberge; also etwa 9/10 M. auf den Kopf. An der Markung sind überdieß die Einwohner der umliegenden Orte mehr oder weniger betheiligt. Von 1805–1824 sind 741/2 M. Allmanden angebaut worden (1702 – 500, 1774 – 1132, 1815 – 1812 Einwohner.) Gegen manche andere Orte steht das Dorf noch gut, und die Mittelbegüterten sind überwiegend. Die Landwirthschaft wird gut betrieben, die Mistjauche außerordentlich benützt und die Dungstätten sind wohl eingerichtet. Der Besserung mit Gyps und Compost ist o. S. 37 gedacht. Der Hohenheimer und Brabanter Pflug ist im Gebrauche. Die ganze Brache wird eingebaut. Dinkel, der gut geräth ist die Hauptfrucht, außer diesem Weizenmischling, Roggen und Gerste. Auf den M. kommen als Aussaat 1 Sch. Dinkel oder 4 S. Weizen und 7 beziehungsweise 3 Sch. Ertrag. Auf einen M. Weinbergs kommen etwa 3600 Stöcke, in der Regel Sylvaner und Elblinge. Die besseren Halden liegen jenseits der Rems und sind: Wanne, Altenberg, Pfaffenbronn, Rohrbronner und Burgklinge, und liefern einen Wein, der dem bessern des Thales gleichkommt. Der M. erträgt bis 12 E., und der E. wurde 1846 mit 55 fl. bezahlt. Ein M. Ackers kostet hier 120–650 fl., Wiesen 120–700 fl., Weinbergs 400–1000 fl. Die Obstzucht ist namhaft und das Obst, theilweise auch in Tafelsorten bestehend, geräth. Auch die Rindviehzucht ist gut; Mehrere zeichnen sich durch schönen Viehstand| aus. Zu einem eigentlichen Erwerbszweig sie zu vergrößern, fehlt es an Wiesen und Äckern. Einige Schäfer, die sich mit der Schafzucht besonders befassen, halten seit 20 Jahren auch spanische Schafe, und überwintern im Orte. Außerdem Ziegenhaltung von Armen und Schweinezucht. Von Gewerben sind eine sehr bedeutende Mahl- und Gyps-Mühle an einem Remskanal, eine weitere Mahl-Mühle, eine Öl-Mühle, besonders viele Weber und Schuhmacher, ein namentlich im mechanischen Fach ausgezeichneter Schlosser, zwei Steinhauer und die bei Hebsack erwähnte Blousenfabrikation, womit sich mehrere arme Frauen beschäftigen, sowie einige Victualienhändler und 6–8 Holzhändler zu nennen.Das Gemeinde-Vermögen beträgt 260 M. Grund-Eigenthum und 11.952 fl. Kapitalien, die Gemeinde-Umlage 280 fl. Der Pförch-Ertrag beläuft sich noch auf etwa 1000 fl. Der unbedeutende Gemeindewald ist in mittelmäßigem Zustand. Das Stiftungs-Vermögen, nächst Schorndorf und Steinenberg das größte, beträgt 20.008 fl. Die Kranken-, Brod- und Bücher-Stiftungen betragen 2600 fl., worunter 2000 fl. von den Kindern des hiesigen Amtmanns Heuchelin 1837 gestiftet. An der Kirche stehen ein Pfarrer und – wahrscheinlich schon seit der Reformation – ein Helfer, welcher zugleich Pfarrer von Weiler ist. Das Patronat war von jeher landesherrlich. Filialien sind Hebsack, Schlichten, Rohrbronn und die Parcellen. An der Schule stehen 1 Schulmeister, 2 Unterlehrer und 1 Gehilfe. Die Schulstiftungen betragen 616 fl., der Schulfond 477 fl. Auch eine Kleinkinder-Bewahranstalt und eine Industrie-Schule ist vorhanden. Die Schule in Manolzweiler wird an Nachmittagen von den hiesigen Lehrern versehen. Sie hat 31 fl. Schulfond, aber kein Schulhaus.
Das schöne, sehr freundlich gegen Schorndorf hin gelegene Bad mit guter und bequemer Einrichtung, dessen S. 6 des Näheren gedacht ist, kam neuerdings in Abnahme und hatte z. B. 1850 gar keinen Kurgast.
Es sind zwei Begräbniß-Plätze vorhanden: der untere um die Kirche her, wo nur gegen ein Leichlege-Geld in den Heiligen die Bestattung geschieht, und der obere vor dem Dorfe.
In Winterbach war altes Reichsgut, welches mit dem in Waiblingen zusammenhing. Im J. 1046 Aug. 28 und 1048 Dez. 3 hielt K. Heinrich III. hier Pfalz. Heinrich IV., dessen Sohn, beschenkte aus den hiesigen Kammerbesitzungen den 14. Oct. 1080, am Vorabend der Schlacht, in welcher sein Gegenkönig Rudolf fiel, ferner i. J. 1086 das dem salischen Hause so nahe stehende Hochstift Speier; indessen scheinen diese remsthalischen Güter von genanntem Bisthum bald wieder abgekommen zu seyn. Güter und Rechte besaßen die Herren von Urbach; von Agatha von Baldeck, Walthers von Urbach Wittwe, erkaufte dgl. i. J. 1467 Graf| Ulrich von Württemberg. Auch das Kloster Adelberg hatte Besitzungen, welchem solche von Graf Eberhard von Württemberg den 25. April 1304 gefreit wurden, ebenso das Kloster Kirchheim, welches die seinigen von Friedrich von Hohenheim, Schultheiß von Eßlingen, den 26. Oct. 1298 erkaufte. Im J. 1500 besaß die Kellerei die Remsmühle, 3 Höfe, welche verbunden waren, die herrschaftlichen Zehent- und Gefäll-Weine nach Schorndorf zu führen, 13 ganze und 2 halbe Lehen; die Klöster Adelberg und Lorch einige Geld-Zinse und Wein-Gefälle, und die Pfarrei Schorndorf ein Wittumgut.Zur Kirche Winterbach, welche i. J. 1359 selbst noch der Schorndorfer Pfarrkirche einverleibt gewesen, gehörte bis 1496 auch die Kapelle zu Geradstetten (s. dort). Neben dem Pfarrer stand ein Frühmesser. Der große Zehente gehörte größten Theils der Kellerei, kleinern Theils den Pfarreien Winterbach und Schorndorf, die auch den kleinen und Heu-Zehenten erhoben, der Wein-Zehente der Kellerei und später theilweise dem Kloster Engelberg.
Beim Austritte der Rems im März 1684 gingen gegen 40 Häuser fast ganz zu Grund, daher Winterbach einen Steuer-Nachlaß und einjährige Freiheit von allen Frohnen erhielt.
Auf eine längst verschwundene Burg jenseits der Rems bei Rohrbronn weist der Name „Burgklinge“, wo noch Gemäuer sich findet. Am 21. Juni 1276 urkundete Graf Ulrich von Württemberg in Winterbach; wohl auf dieser Burg.
b. Engelberg, Weiler liegt auf einer Anhöhe 1/2 Stunde südwestlich von Winterbach, am Abhange des Schurwaldes, und besteht aus dem sogenannten Schloßgut mit dem Unterhof und aus dem Oberhof, welch letzterer wieder aus dem Klopferhof und Clemenshof zusammengesetzt ist. Die 2435/8 M. große Markung hat 234/8 M. Gärten, 877/8 M. Äcker und 534/8 M. Wiesen. Besondere Erwähnung verdient das malerisch gelegene Schloßgut, ein schönes, mit einer Mauer umfangenes, massives Wohngebäude mit einer Bierbrauerei und mehreren Wirthschaftsgebäuden. Die dazu gehörigen 61 M. Güter werden neuerdings durch einen praktischen Landwirth bewirthschaftet; auch verdient der Viehstand in neuerer Zeit Anerkennung. Vom Schlößchen aus, das von einem schönen, mit den edelsten Obstsorten besetzten Garten umgeben ist, genießt man eine vortreffliche Aussicht in das obere Remsthal.
Hier stiftete i. J. 1466 zu einer Zeit, wo der Eifer für Klosterstiftungen schon ganz erkaltet war, und abweichend von seinen durch dergleichen Vergabungen nicht ausgezeichneten Vorfahren, Graf Ulrich von Württemberg eine Augustiner-Eremiten-Sammlung, welcher er eine Marien-Kapelle einverleibte und mit dem Berg bei Kickishart (s. unten)| und dortigem bisher zur Pfarrei Winterbach gehörenden Zehenten bewidemte. Vor Zeiten war hier ein besuchter Wallfahrtsort; die Opfer, welche allda fielen, kamen dem neuen Kloster zu gut und für den Antheil, welchen die Kirchherren von Schorndorf und Winterbach hieran hatten, sowie für abgetretenen kleinen Zehenten in Hohengehren, Kickishart, Manolzweiler, Schlichten, Bicklisweiler, entschädigte i. J. 1471 Graf Ulrich von Württemberg die beiden Pfarrherren. Die drei letztgenannten Orte wurden nach Engelberg eingepfarrt. Sonst gelangte das Kloster noch zum Besitz einiger Gefälle in Reichenbach, Groß-Heppach, Gundelsbach und Winterbach. Seinem Kirchenbau mußte indeß im Jahr 1479 Graf Ulrich von Württemberg durch Bettelbriefe zu Hilfe kommen. – Der erste von Gmünd hieher berufene Prior hieß Barthol. Schröter. – Im J. 1525 brachte der Bauernkrieg die Zerstörung über das Kloster und in deren Gefolge dessen gänzliche Aufhebung. Der letzte Prior, Johannes Bentz, übergab dasselbe am 22. Oct. 1538 dem Herzog Ulrich gegen Übernahme der Schulden und lebenslänglichen Unterhalt im Kloster Maulbronn, wo er ein eigen Stüblein und Kammer, Essen und Trinken, Kleider und Schuhe und 8 fl. zu Badgeld erhielt. Sofort wurden die Steine der hiesigen Kirche zum Festungsbau in Schorndorf verwendet. (Vergl. Besold Virg. 537.) Später und bis 1818 hatte der Oberforstmeister von Schorndorf hier seinen Sitz. Im genannten Jahre aber wurde das sog. Schloßgut an einen Privaten um 14.300 fl. verkauft und wechselte seit der Zeit mehrmals den Besitzer. Seit 1849 ist Kaufmann Frank im Besitze.In der Nähe von Engelberg lagen Kickishart oder Kilkenshart, ein schon vor 1500 abgegangener Weiler, der 1400 aus 9 Lehen bestand, und
Bicklinsweiler, oberhalb Engelbergs, wo die Kellerei noch 1500 einen Hof besaß.
c. Der Weiler Manolzweiler, 1400 und 1570 Manatzweiler genannt, liegt hoch oben auf dem Schurwald, auf dem sogenannten Goldboden, 1 Stunde südwestlich von Winterbach, an der von Beutelsbach nach Göppingen führenden Straße, mit herrlicher Fernsicht. Der Ort zählt nur 25 unscheinbare Häuser. In der Nähe entspringt der nach Baach hinabfließende Schlierbach und steht eine von dem Forst-Personal des Bezirkes am 24. Juni 1842 errichtete Denksäule an das Regierungs-Jubiläum S. Majestät des Königs Wilhelm. (s. o. S. 44.)
Die Markung umfaßt nur 81/8 M. Gärten, 94 M. Äcker und 893/8 M. Wiesen, also etwa 11/10 M. Baufeldes auf den Kopf. Die Einwohnerzahl (1774 – 75, 1815 – 131) hat sich in den letzten 70 Jahren verdoppelt, daher der größere Theil der Einwohner in bedrängten Vermögens-Verhältnissen lebt. Die Brache wird beinahe ganz angepflanzt und nur Dinkel, im Sommerfeld Roggen und Gerste gebaut.
| Der M. gibt bei 1 Sch. Aussaat 6 Sch. Dinkel. Die Wiesen sind in nassen Jahren ergiebig. Ein M. Ackers oder Wiesen wird mit 180–260 fl. bezahlt. Der Zustand der Rindviehzucht ist mittelmäßig; es findet noch zur Hälfte Waidefütterung Statt. Der Schule ist. S. 196 gedacht.Das Örtchen gehörte schon in früheren Zeiten zum Stabe Winterbach. Es bestand aus 5 Lehengütern, wovon 1 der Kellerei und 4 dem Klösterlein Engelberg, das sie mit Schlichten 1468 erkaufte, gehörten. Diesem Klösterlein standen auch die Zehenten zu. – An dem Weiler führte die S. 74 genannte Kaiserstraße vorbei.
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