Beschreibung des Oberamts Rottweil/Kapitel B 2
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Der ziemlich große Ort hat am Fuß der Keuperterrasse eine freundliche Lage und ist theils in die Thalebene der Schlichem, theils an einem leicht geneigten südlichen Abhange gegen dieselbe weitläufig hingebaut. Mit Ausnahme einiger größeren Bauernhäuser sind die durchgängig ziegelbedachten Gebäude meist von mittelmäßigem Aussehen und machen mit den minder gut gehaltenen Ortsstraßen gerade keinen besonders günstigen Eindruck.
Beinahe in der Mitte des Dorfs steht die im Jahre 1842 in modernem Rundbogenstil (aus Bruchsteinen mit Verputz) erbaute, dem h. Sylvester geweihte Kirche; sie schließt gegen Osten mit einer halbrunden Abside und trägt einen Dachreiter mit drei neuen Glocken über dem Chor. Das weite lichte Innere hat im Schiff eine flache Decke; von da führt ein zum Tonnengewölbe verbreiterter Triumphbogen in die halbrunde Chornische, die mit goldenen Sternen auf blauem Grunde besetzt ist. Hinter dem Hauptaltar sieht man ein schönes großes Gemälde, Christus mit Maria und Johannes, und der Unterschrift: J. Fuchs, 1846, darüber im Rundfenster Gott Vater. Außerdem besitzt die Kirche vier sehr gute spätgothische Holzbilder, Johannes Ev., Paulus, Petrus und Katharina, zwei schöne lichtertragende Engelchen desselben Stils, und zwei sehr hübsche Traglaternen im Spätrenaissancegeschmack, aus dem Kloster Rottenmünster. Im Westen steht auf einer Empore das vortreffliche von Klingler in Haigerloch gefertigte Orgelwerk. Die Unterhaltung der Kirche ruht auf der Gemeinde.
In dem ummauerten Friedhofe stand das frühere Kirchlein, und in der Nähe, zunächst bei der Kirche, steht bei einer schönwüchsigen Linde das zweistockige, im Jahre 1820 gut erbaute Pfarrhaus, für dessen Unterhaltung ein besonderer Baufonds vorhanden ist. Das einfache, im Jahre 1810 erbaute Schulhaus enthält zwei Lehrzimmer und die Wohnung des Schulmeisters. Ein 2stockiges, freundliches Rathhaus, wie auch ein Armenhaus, besteht.
Gutes Trinkwasser liefern hinreichend 5 laufende, 12 Pump-und 2 Schöpfbrunnen, von diesen stehen im Eigenthum der Gemeinde die laufenden Brunnen und ein Pumpbrunnen. Die Markung ist nicht besonders quellenreich und wird überdies nur von| der mitten durch den Ort fließenden Schlichem berührt; der vielgekrümmte Bach tritt nicht selten aus und verursacht Schaden an Häusern und Feldern.Vicinalstraßen nach Rottweil, Rosenfeld, Sulz und Oberndorf sichern dem Ort seinen Verkehr mit der Umgegend. Eine hölzerne Brücke und 3 Stege sind über die Schlichem angelegt und von der Gemeinde zu unterhalten. Die sehr fleißigen und meist geordneten Einwohner finden ihre Haupterwerbsquellen in Feldbau und Viehzucht; die Gewerbe beschränken sich auf die gewöhnlichen Handwerke, und den Winter über beschäftigen sich 30–40 jüngere weibliche Personen mit Holz- und Strohflechterei. Eine Sägmühle, 2 Schildwirthschaften, worunter eine mit Bierbrauerei, und 2 Kramläden sind vorhanden. Eine Mühle mit 2 Mahlgängen und einem Gerbgang liegt an der Schlichem, 3/8 Stunden südwestlich vom Ort. Die Vermögensverhältnisse sind nicht besonders günstig; der vermöglichste Bürger besitzt 80 Morgen Feld und 15 Morgen Wald, der Mittelbegüterte 25 Morgen Feld und 2 Morgen Wald, und die ärmere Klasse 2/8 Morgen Grundeigenthum; 10–12 Personen erhalten gegenwärtig Unterstützung von Seiten der Gemeinde.
Die ziemlich große Markung besteht aus einem hügeligen Vorland der Keuperterrasse und theilweise aus der Keuperterrasse selbst, welch’ letztere jedoch meist nur für den Waldbau benützt wird, während das Vorland durchgängig dem Feldbau dient. Den Boden bilden theils ein fruchtbarer Lehm, größtentheils aber ein mittelfruchtbarer etwas schwerer Thon (Zersetzung des Gipsmergels), und an der Terrasse die thonigen und sandigen Verwitterungen der übrigen Keuperschichten. Die klimatischen Verhältnisse sind mehr rauh als mild zu nennen; Frühlingsfröste und Hagelschlag kommen nicht selten vor.
Bei dem fleißigen Betrieb der Landwirthschaft ist der Brabanter- und Wendepflug, wie auch die Walze, im Gebrauch und zur Besserung des Bodens verwendet man neben den in gut angelegten Düngerstätten fleißig gesammelten gewöhnlichen Düngungsmitteln und dem Pferch auch Gips, Kompost und Dungsalz. Zum Anbau kommen die gewöhnlichen Getreidearten, von denen der Dinkel am besten gedeiht, ferner Futterkräuter (dreibl. Klee, Luzerne, Esparsette, Futterwicken), Kartoffeln und in neuerer Zeit etwas Hopfen. Von den Getreideerzeugnissen können jährlich etwa 1000 Scheffel Dinkel, 200 Scheff. Gerste, 300 Scheff. Haber und 100 Scheff. Weizen nach außen abgesetzt werden. Der ausgedehnte Wiesenbau liefert sehr gutes Futter, das mit geringer Ausnahme im Ort verbraucht wird. Von wenig Bedeutung ist die Obstzucht, welche| sich mit späten Mostsorten (vorherrschend Luiken) beschäftigt und kaum das örtliche Bedürfniß an Obst liefert. Die Jungstämme werden meist aus der Gemeindebaumschule bezogen.Die Gemeinde besitzt 410 Morgen Nadelwaldungen, deren jährlicher in 90 Klaftern und 600 Stück Wellen bestehender Ertrag um etwa 1000 fl. verkauft wird und in die Gemeindekasse fließt. Außer dieser Einnahme bezieht die Gemeinde aus etwa 40 Morgen eigentlicher Weide nebst der Brach- und Stoppelweide eine Pachtsumme von 700 fl., dann 500 fl. aus der Pferchnutzung und aus Allmanden 846 fl.; auch erhält von den 140 Bürgern jeder 31/8 Morgen Allmanden zur Benützung.
Was die Viehzucht betrifft, so ist die der Pferde von keinem Belang, dagegen die des Rindviehs im guten Zustande; es wird die Simmenthaler Race gehalten und durch 3 Zuchtstiere von gleicher Rasse zu unterhalten und zu verbessern gesucht. Der Handel mit Rindvieh auf benachbarten Märkten ist sehr namhaft. Den Sommer über läßt ein fremder Schäfer etwa 200 St. Bastardschafe, (meist Hämmel) auf der Markung laufen. Schweine (halbenglische Rasse) werden sehr viele von außen eingeführt und theils für’s Haus, hauptsächlich aber zum Verkauf aufgemästet. Auch die Zucht des Geflügels, namentlich der Gänse, ist von Bedeutung.
Von Spuren aus früher Vorzeit nennen wir die zunächst (westlich) am Ort vorbeiführende Römerstraße, die „alte Straße“ geheißen, von Rottweil nach Sulz; an ihr stand etwa Stunde nördlich vom Ort an dem Übergang über das Füllbachthälchen ein römischer Wohnplatz, von dem man schon öfter sichtliche Spuren aufgefunden hat und immer noch findet. Auf dem 1/2 Stunde südöstlich gelegenen „Klosterbühl“, von dem man eine sehr schöne Aussicht an den Schwarzwald, an den Plettenberg und über die liebliche nächste Umgegend genießt, ist man auf die Grundmauern eines ansehnlichen römischen Gebäudes gestoßen und gegenwärtig finden sich auf dieser Stelle in seltener Menge römische Ziegel, Bruchstücke von römischen Gefäßen, namentlich Amphoren, Heizröhren (tubuli) etc., die ein hier gestandenes römisches Gebäude genügend nachweisen.
Ein alter Weg, der vom Ort nach Gößlingen führt, wird das „Todtenwegle“ genannt, weil früher die Verstorbenen nach Gößlingen beerdigt wurden, wohin Böhringen eingepfarrt war. Das Todtenwegle führt über eine kleine Einteichung, welche der „Schelmengraben“ genannt wird.
Zu der Gemeinde gehört eine Mühle (s. oben).
Im J. 1312 kommt Hans der Vogt von B. als zimmerischer Vasall vor (Ruckgaber, Zimmern 56). Peter der Vogt von B.| verkaufte den 24. Febr. 1374 an seinen Vetter Wernher seinen Hof, sowie seinen Theil an der Vogtei allhier nebst einigen Nutzungen um 93 Pfd. Hllr. Im J. 1390 erscheint Wernher mit 1/2 Bösingen vom Grafen Rudolf von Sulz belehnt, ebenso im J. 1399 sein Sohn Hugo, im J. 1415 als auf dem Constanzer Concil anwesend genannt (Steinhofer 2, 633). Den 2. Febr. 1422 verglich sich Haug, der Vogt von B. (wohl dieselbe Person mit dem genannten Hugo), mit der Stadt Rottweil, deren erster Erwerb hier nicht näher bekannt ist, in Folge von verschiedenen Mißhelligkeiten dahin: die Stadt und Haug oder seine Erben sollen das Gericht gemeinsam besetzen, auch nach Rath und Willen der Bauerschaft einen Vogt einsetzen, von Freveln sollen Haug oder seine Erben 1/3, die Bauerschaft zu B. 2/3 erhalten, wegen der Dienste möge er oder seine Erben wie sein Vater sel. die armen Leute wohl bitten, daß Jeder ihm einen Tag des Jahrs in eine Zelg zu Acker gehe. Mit diesem Haug scheint das Geschlecht der Vögte von B. ausgestorben und die Stadt Rottweil sofort den Ort ganz erworben zu haben. Denn am 18. März 1452 verkaufte, d. h. eigentlich verpfändete die Stadt die Dörfer Böhringen und Irslingen auf drei Jahre um 30 Pfd. Hllr. Jahreszins, wofür sie in Irslingen 25 Mltr. Vesen Vogtrecht und 91/2 Pfd. Steuern einzunehmen hatte, an den Grafen Johann von Sulz mit Leuten, Gütern, Nutzungen, Rechten und Zugehörden. Der Graf versprach während dieser Zeit beide Dörfer nicht zu verpfänden, die eigenen Leute darin nicht zu versetzen oder zu verkaufen, die Einwohner mit Diensten und Frohnen nicht stärker zu halten, als es Rottweil gethan, sie im freien Handel und Wandel nicht zu stören, den Rottweiler Bürgern ihre hiesigen Einkünfte verabfolgen zu lassen. Doch war diese Besitzentäußerung von Seiten Rottweils nur vorübergehend. – Die Rechtsverhältnisse der Gemeinde wurden in umfassender Weise den 26. Aug. 1801 durch einen aus 50 Punkten bestehenden Receß geordnet.Sonstigen fremden Besitz betreffend ist folgendes zu erwähnen: Das Kl. Rottenmünster kommt hier schon im J. 1270 berechtigt vor; der Spital zu Rottweil erhielt im J. 1314 von Dorothea und Konrad von Balingen beträchtliche Güter allhier (Ruckgaber 2a, 356) und ertauschte im J. 1791 Gefälle allda von der kl. alpirsbachischen Pflege zu Rottweil. Das letztgenannte Kloster erwarb hier 1356 Gülten und erscheint seit der Mitte des 15. Jahrhunderts im Besitze eines hiesigen Hofes. Das Kl. Wittichen kaufte im J. 1339 ein hiesiges Gut von dem Rottweiler Bürger Bernhart Lütenbach. Die Grafen Eberhard und Ulrich von Württemberg | erkauften den 27. Aug. 1347 von Burkhard und Renhard von Ehingen zu Entringen hiesige Leute und Güter. Das Kl. St. Blasien hatte im 16. Jahrhundert hier einen Lehen-Maierhof. Den 20/30. Sept. 1649 vertauschte auch Herzog Eberhard III. von Württemberg die zur Alpirsbacher Pflege Rottweil gehörigen Gefälle auf dem hiesigen Hofe an das Kl. St. Blasien (Binder 2, 827).
Böhringen wird schon im liber decimationis u. s. w. vom J. 1275 genannt (s. oben S. 158), erscheint übrigens in der Folge als Filial von Gößlingen; im J. 1561 wird eines hiesigen Kooperators oder Vikars gedacht. Im J. 1718 wurde der Gemeinde bewilligt, einen Geistlichen auf ihre Kosten anzunehmen, welcher mit Ausnahme der 4 Hauptfeste an Sonn- und Feiertagen allhier den Gottesdienst mit Predigt, Amt, Christenlehre halten, Beichte hören, auch im Nothfall Kranke versehen, sonst aber ohne ausdrückliche Erlaubniß keine pfarrlichen Verrichtungen vornehmen sollte. Im J. 1761 stiftete der von hier gebürtige Pfarrer Augustin Schneider zu Sulgen mit einem Kapital von 3000 fl. und 200 fl. Baufonds allda eine Kaplanei, welche nach Vermehrung ihrer Einkünfte den 6. Febr. 1810 zu einer selbständigen Pfarrei erhoben wurde.
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