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Beschreibung des Oberamts Neuenbürg/Kapitel B 1

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B.


Ortsbeschreibung,


in alphabetischer Reihe der den Oberamtsbezirk bildenden 35 politischen Gemeinden oder Schultheißereien; jedoch unter Vorausstellung der Oberamtsstadt.

Die am Schluß beigefügten Tabellen gewähren übersichtliche Zusammenstellungen: I. der Bevölkerung, der Gebäude und des Viehstandes; II. des Flächenmaßes nach den verschiedenen Bestandtheilen, und III. des Steuer-Katasters, des Gemeinde- und Stiftungshaushaltes.

Die Oberamtskarte zeigt die geographische Lage der Orte.

Neuenbürg im Jahr 1643.
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Neuenbürg,
Gemeinde II. Klasse, bestehend aus Stadt Neuenbürg mit Schloß; Eisenfuhrt, Sägmühle, Haus; Schleifmühle, Haus. Einw. 1836, worunter 24 Kath. Evang. Pfarrei; die hier sowie bei andern Bezirksorten angezeigten Katholiken sind nach Weil d. Stadt, Oberamts Leonberg, eingepfarrt.


Die Oberamtsstadt Neuenbürg (Kirchthurm) liegt unterm 26° 15′ 7,44″ östlicher Länge und 48° 50′ 47,44″ nördlicher Breite, 111/2 geom. Stunden (in gerader horizontaler Entfernung), und 191/2 geom. Stunden (auf der Straße über Calw und Böblingen nicht horizontal gemessen) nordwestlich von Stuttgart. Die Erhebung über dem Mittelmeer (Niveau der Enz unter der Brücke) beträgt 1111 Württ. F. = 979,8 Par. F. und die am Schloßthor (Erdfläche) 1406,3 Württ. F. = 1240,2 Par. F. Die Stadt ist der Sitz des Oberamtsgerichts mit dem Gerichtsnotariat, des Oberamts mit dem Oberamtsphysikat, des Decanatamts, des Cameralamts, des Forstamts und eines Postamts. Überdieß wohnen in Neuenbürg ein prakticirender Arzt, der Oberamts-Wundarzt und der Oberamts-Thierarzt; auch besteht daselbst eine Apotheke.

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Wappen der Stadt Neuenbürg.
Wappen der Stadt Neuenbürg.
Als Wappen führt die Stadt im blauen Schilde einen rothen Thurm.

1

In dem engen, tief und schroff eingefurchten Enzthale, das sich hier in einem wohlgerundeten Bogen um den steil ansteigenden Schloßberg wendet und demselben gegenüber eine amphitheatralische bewaldete Steilwand bildet, liegt die nicht große Stadt, von der die Vorstädte durch die rasch fließende Enz getrennt sind. Die eigentliche, auf der rechten Seite des Flusses gelegene Stadt lagert sich theils in der Thalebene am Fuß des Schloßbergs, theils steigt sie an den unteren Ausläufern desselben etwas aufwärts, während die obere Vorstadt, Vorstädtle genannt, in die Thalebene, die untere Vorstadt aber an der gepflasterten Hafnersteige hingebaut ist. Die Stadt brannte im Jahr 1783, in der Nacht vom 23. auf den 24. Mai, von dem Gasthaus zum Bären bis in die Nähe der oberen Brücke ab, so daß über 70 Gebäude, worunter die Kirche, das Rathhaus, die lateinische und deutsche Schule, ein Raub der Flammen wurden. Der Schaden ist auf 85.000 fl. geschätzt worden. Bei dem Wiederaufbau der Stadt verlor sie ihre Ringmauren und Thore, deren 3 vorhanden waren und zwar das obere Thor in der Nähe der oberen Brücke, das untere Thor an der untern Brücke und das Burgthor hinter der Kirche. Die Stadtgräben sind eingefüllt und theilweise überbaut worden. Dagegen hat die Stadt durch die nach dem Brande erbauten, häufig mit Walmdächern versehenen, zum größten Theil verblendeten Gebäude und die regelmäßige Führung der meist breiten, durchgängig gepflasterten Ortsstraßen, von denen die Marktstraße die bedeutendste ist, ein freundlicheres Aussehen erhalten. Die obere Vorstadt, welche bei dem Brande verschont blieb, besteht meist aus alten, minder ansehnlichen Wohnungen, während die untere Vorstadt, um mehr Raum zu gewinnen, zum größten Theil erst nach dem Brande entstand. Die Verbindung und der Verkehr der beiden Enzufer ist durch folgende 4 hölzerne Brücken hergestellt: 1) die südlich der Stadt bestehende Schlößlesbrücke, welche von der Stadt und einzelnen Amtsorten unterhalten wird, 2) die obere Brücke, welche die Stadt mit der oberen Vorstadt verbindet, 3) die untere Brücke stellt die Verbindung zwischen der Stadt und der unteren Vorstadt her; beide letztere müssen von der Stadt unterhalten werden. 4) Die sogenannte Reitbrücke zwischen der oberen und untern Sensenfabrik, deren Unterhaltung neben einem Beitrag von der Stadt und der Gemeinde Gräfenhausen, den Besitzern der sogenannten Reitwiesen und der Sensenfabrik zusteht. Von| freien, öffentlichen Plätzen der Stadt sind zu nennen: der geräumige, gut gepflasterte Marktplatz und der hinter der Kirche und dem Decanathaus gelegene Kirchplatz; außerhalb der Stadt, etwa 1/8 Stunde an der linken Seite der Enz thalaufwärts liegt der mit Tannen bepflanzte Maienplatz.

Von Pforzheim her zieht eine Staatsstraße mitten durch die Stadt nach Calmbach, wo sie sich theilt und einerseits nach Wildbad anderseits nach Calw fortsetzt; auf der Höhe nördlich von Neuenbürg, ehe diese Straße die Stadt erreicht, lenkt von ihr, übrigens noch auf Gräfenhauser Markung, eine zweite Hauptstraße nach Herrenalb ab, durch welche die Verbindung der Stadt mit Schwann, Herrenalb, Loffenau und dem Murgthal hergestellt wird. Überdieß sind Vicinalstraßen nach Gräfenhausen, Arnbach und Waldrennach angelegt; von letzterer lenkt hinter dem Schloßberg eine erst in neuester Zeit hergestellte Vicinalstraße nach Engelsbrand, Grunbach etc. ab.

Gutes, stets frisches Trinkwasser liefern 5 laufende Brunnen, welche aus 2 Quellen gespeist werden, von denen eine sehr reichhaltige, oberhalb der Stadt im Enzthale gefaßt, mittelst einer 1/4 Stunde langen Wasserleitung der Stadt zugeführt wird, während die andere in dem der Stadt zunächst gelegenen hinteren Berg das bessere, etwas weichere Wasser liefert, das jedoch in ganz trockenen Jahren versiegt. Die Enz trägt, vermittelst der Flößerei, nicht nur Vieles zu der Lebhaftigkeit der Stadt bei, sondern bietet auch mancherlei Gewerben hilfreich die Hand. Sie tritt aber auch öfters aus und beschädigt zuweilen Güter, Gebäude und Brücken; im Jahr 1824 wurden von ihr alle Brücken, Stege, mehrere Häuser etc. weggerissen; die schwersten Sägblöcke schwammen durch die Straßen der Stadt, so daß der verursachte Schaden gegen 12.000 fl. betrug. Durch die Überschwemmung im J. 1851 wurde die untere Brücke so beschädigt, daß sie im Winter 1852/53 neu hergestellt werden mußte.

Von öffentlichen der Gemeinde gehörigen Gebäuden sind zu nennen:

1) die beinahe in der Mitte der Stadt stehende Pfarrkirche, (einst der h. Maria geweiht), deren Unterhaltung der Stadt und zu 1/10 der Filialgemeinde Waldrennach obliegt, wurde nach dem Brande neu erbaut und 1789 vollendet (die frühere Kirche war erst im Jahr 1776–1781 erbaut worden). Das Innere der im modernen Rundbogenstyl erbauten Kirche, welcher der Chor fehlt, ist weiß getüncht, freundlich, geräumig und hell; die im Rococcogeschmack gehaltene, weiße mit Gold verzierte Kanzel enthält den Namenszug des Herzogs Carl. Der Thurm, welcher mit seinen unteren Stockwerken in| die Kirche herein steht, ragt nur mit seinen obern Theilen, einem sogenannten Dachreiter ähnlich, über die westliche Seite der Kirche hervor; derselbe ist unten viereckig und geht gegen oben in ein Achteck über, das mit einem Umlauf versehen ist und ein mit Blech beschlagenes Bohlendach trägt.

2) Die Schloßkirche (zum h. Georg) liegt erhöht, etwa in der Mitte des Schloßbergabhanges und ist von dem Begräbnißplatz umgeben, der im Jahr 1824 in der Richtung gegen Norden namhaft vergrößert wurde; derselbe ist größtentheils mit Mauren umgeben, an denen äußerst malerisch üppiges Epheu rankt. Die ursprünglich sehr alte Kirche ist in einem gewöhnlichen Styl geändert und den 4eckigen, unten massiven, gegen oben aus Holz erbauten Thurm deckt ein einfaches Zeltdach; an einem Anbau der Kirche steht 1557. Das Innere der nicht mehr besuchten Kirche ist gänzlich vernachläßigt und verdorben; viele alte, adeligen Geschlechtern angehörige Grabdenkmale liegen auf dem Boden und der sehr alte, hohle Taufstein scheint noch aus der romanischen Periode zu stammen. An der nördlichen Außenwand der Kirche liegen alte Grabdenkmale, worunter eines mit dem Wappen der Herren von Gültlingen und der Umschrift „Anno domini 1415 obiit ...“ ein weiteres enthält das Wappen der Herrn von Sachsenheim.

3) Das nach dem Brand erbaute, sehr ansehnliche Rathhaus, zugleich Kaufhaus, bildet ein Eckgebäude an der Hauptstraße und einer Seitenstraße derselben; es hat an der der Hauptstraße zugekehrten Seite einen Balkon und auf dem First ein Thürmchen mit Glocke und Uhr.

4) Das erneuerte Schulgebäude, in der Burggasse stehend, enthält ein Lehrzimmer der Realschule, 4 Lehrzimmer der Volksschule und zwei Wohnzimmer für die Unterlehrer.

5) Ein Gemeindebackhaus, welches übrigens nicht benützt wird, wurde im Jahr 1848 von der Gemeinde angekauft.

6) Das Armenhaus liegt außerhalb der Stadt.

Folgende Gebäude sind Eigenthum des Staats, welchem auch die Unterhaltung derselben obliegt:

1) Das Oberamtsgericht, ein ansehnliches, wohlerhaltenes Gebäude, welches eine Ecke an der Hauptstraße und einer freundlichen Seitenstraße bildet.

2) Das geräumige Oberamteigebäude steht an der Hauptstraße gegenüber der Pfarrkirche.

3) Das sehr freundlich hergestellte Decanathaus steht frei und angenehm zunächst der Kirche.

| 4) Das Cameralamt und das Forstamt befinden sich in den Schloßgebäuden und zwar bewohnt der Cameralverwalter das obere – der Oberförster das mittlere Stockwerk des südlichen Schloßflügels, während in dem untern Stockwerke desselben Stallungen etc. eingerichtet sind. Die Kanzleien der beiden Beamtungen befinden sich in dem oberen Stockwerk des nördlichen Schloßflügels und die unteren Räume desselben dienen als Heumagazin (über das Schloß s. unten).

5) Das in der Grabenstraße stehende Oberamtsgerichtsgefängniß.

6) Das forstamtliche Gefängniß wurde im Jahr 1855 auf dem Schloß erbaut.

Eigenthum der Amtscorporation sind folgende Gebäude:

1) Das Polizeigefängniß hinter der Grabenstraße.

2) Das im Jahr 1854 mit einem Aufwand von 1400 fl. erbaute Irrenhaus.

3) Die außerhalb der Stadt gelegene Kleemeisterei.

Der an der Hauptstraße, gegenüber dem Postgebäude gelegene herrschaftliche Fruchtkasten, ist im Jahr 1854 an einen Privatmann verkauft worden.

Das schon erwähnte Schloß liegt auf dem wohlgerundeten, östlich der Stadt sich erhebenden Schloßberg, der nur durch einen tief eingesattelten schmalen Rücken mit den rechten Enzthalgehängen verbunden ist, während er auf drei Seiten von dem raschen Gebirgsfluß (Enz) bespült wird. Diese schon von Natur schön gebildete Bergform hat durch das auf der Kuppe stehende, großartige Schloß, in dessen Rücken eine malerische Ruine sich erhebt, wie durch das in der Mitte des Schloßbergabhanges hingebaute Kirchlein noch weitere Reize erhalten, welche zur freundlichen und sehr malerischen Lage der Stadt wesentlich beitragen. Von den verschiedensten Seiten gesehen bietet die Stadt mit dem Schloßberg die reizendsten Ansichten, so daß man nicht weiß, welchem Standpunkt die erste Stelle eingeräumt werden soll. Das Schloß selbst, zu dem von der Stadt eine gepflasterte, steile Steige führt, besteht aus zwei großartigen, dreistockigen Flügeln, die übrigens nicht parallel stehen, sondern sich gegen Westen einander nähern und dort durch einen schmalen Querbau verbunden sind, während an der Ostseite kleinere Gebäude und eine Mauer die Verbindung der beiden Flügel herstellen und den geräumigen, übrigens ziemlich düstern inneren Hofraum abschließen. Die Schloßgebäude sind ohne architektonischen Schmuck, in einem einfachen Styl erbaut und nur der im Rococcogeschmack gehaltene Eingang| zu dem inneren Schloßhof unterhalb des Querbaues, zeigt großartige, wiewohl geschmacklose Verzierungen. Über demselben ist die Jahrszahl 1658 angebracht, welche ohne Zweifel die Zeit der Erneuerung des Schlosses angibt. Von dem inneren Schloßhof führt ein mit einigen Ornamenten versehener spitzbogiger Eingang in den nördlichen Schloßflügel, ebenso ist der Eingang des Thürmchens, welches die Wendeltreppe zu dem südlichen Schloßflügel enthält, mit schönem Stabwerk verziert und verräth die spät germanische Periode; über einer weiteren Thüre steht renovirt 1738. Die unteren, zu Stallungen etc. benützten Räume des Schlosses enthalten schön construirte Kreuzgewölbe, so daß sich das höhere Alter der unteren Theile des Schlosses nach diesen noch vorhandenen architektonischen Zeugen leicht wahrnehmen läßt. Im Schloßhof befindet sich ein laufender Brunnen, der reichlich gutes Wasser liefert, das bei Waldrennach gefaßt und zum Schloß geleitet wird; neben demselben ist ein im Renaissancestyl gefaßter Zugbrunnen vorhanden. Die Schloßgebäude sind mit Mauren und Zwinger umgeben, gegen Osten aber, an der einzigen von Natur zugänglichen Seite ist ein tiefer Graben angebracht, der den freien Zugang hinderte. An der Westseite führt der Eingang unter einem Gebäude durch zu dem äußeren Hofraum; die unteren Theile dieses Gebäudes scheinen die Reste eines uralten Thorthurms zu sein, und bestehen aus sehr massigen, aus Buckelsteinen erbauten Grundmauren, denen, nachdem der Thurm abgetragen war, ein hölzernes Stockwerk aufgesetzt wurde; von diesem Thorthurm führte ein rundbogiger Ausgang auf die ehemals mit Umlauf versehenen, nun auch erniedrigten Ringmauren. Die Zwinger sind in freundliche Gärtchen umgewandelt worden, und auf einem der Halbrondelen an der äußeren Mauer prangt ein üppiger Kastanienbaum mit reicher Krone, eine Zierde der ganzen Gegend bildend. Östlich vom Schloß, jenseits des tiefen Grabens lehnt sich der mit einer Mauer umgebene, sehr namhafte, schön und zweckmäßig angelegte Schloßgarten an; nicht nur die Gartenmauren, sondern auch die des Zwingers, wie die an dem Wege zum Schloß sind mit üppigem Epheu dicht umrankt, der als Schmuck von seltener Schönheit erhalten zu werden verdient. Östlich von dem Schloßgarten steht als dachlose Ruine der sogenannte Fruchtspeicher, ein massives Gebäude, das nach der angebrachten Jahrszahl 1572 dem Unterstock eines ältern Bauwerkes aufgebaut wurde. Für das hohe Alter des unteren Stockwerkes sprechen die 9′ dicken aus Buckelsteinen erbauten Mauren und der ehemalige an der Südseite 10′ über der Erdfläche angebrachte, nun aber zugemauerte, rundbogige Eingang, welcher| auf die Erbauung in der romanischen Periode zurückweist. Auch ist an der Westseite ein uralter Thierkopf (vermuthlich Löwenkopf) eingemauert. Ohne Zweifel stand hier das ursprüngliche alte Schloß, wofür auch der noch vorhandene, großartige Keller zeugt; auf den Resten dieses Schlosses wurde später ein Gebäude aufgeführt, das übrigens nach seiner Architektur ursprünglich eine andere Bestimmung als die eines Fruchtspeichers gehabt zu haben scheint. Von diesem Gebäude haben sich nur die 4 Wände noch erhalten, während der Einbau und die Bedachung gänzlich verschwunden sind, dagegen liefern die noch vorhandenen Überreste ein vollendet malerisches Bild einer großartigen Ruine. Die alten Mauerwände mit ihren Fensteröffnungen sind bis zu den Giebeln mit dem üppigsten Epheu umrankt und in den Mauerritzen haben sich verschiedene Holzarten angesiedelt, die den Vegetationsschmuck dieser Ruine vortheilhaft vermehren. In dem inneren Raum der Ruine sprossen schöne Waldbäume, wie Ahorn, Ulmen etc. mit ihren frischen Kronen über die Giebeln, und einzelne Äste zu den Fensteröffnungen hinausragend. Die Ruine ist mit einer starken, Epheu umrankten Mauer umgeben, an der sich drei Halbrondele befinden, und außerhalb dieser Mauer lauft an der Ostseite ein tiefer Burggraben, der die von Natur zugängliche Seite befestigte. Nördlich der Ringmauer, an die Außenleite der Gartenmauer sich anlehnend, steht der Rest eines Thurms, der mit frischem Epheu dermaßen überrankt ist, daß er bei flüchtiger Betrachtung einem dichten Baume gleicht, und dessen im spät germanischen Styl gehaltener Eingang durch diese Maurenliebende Pflanze beinahe zugedeckt wird. Der Burggraben und das an der Ost- und Nordseite sich anlehnende sogenannte Schloßwäldchen ließ ein früherer Bewohner des Schlosses (Oberförster von Moltke) mit schattigen Wegen durchziehen und daselbst Ruhebänke errichten, so daß hier die Natur mittelst künstlicher Nachhilfe sinnig verschönert ist[1].

Die Stadtgemeinde Neuenbürg zählte am 3. December 1846 1763 Ortsangehörige, darunter 1748 Evangelische und 11 Katholiken, die in 377 Familien lebten. Verehelichte befanden sich darunter 574, Wittwer 24, Wittwen 61, Geschiedene 5. Nach den einzelnen Altersklassen zählte man Personen:

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männl. weibl.
unter 6 Jahre alt 290 (144 146)
von 06 bis 14 Jahren 275 (146 129)
14–20 173 (086 087)
20–25 157 (079 078)
25–40 391 (195 196)
40–60 356 (176 180)
60–70 085 (036 049)
70–80 031 (014 017)
80–90 004 (002 002)
90–100 001 (00 001)
zusammen
1763 (878 885

1763

Die am 3. Dec. 1858 vorgenommene Zählung der Ortsangehörigen dagegen ergab, daß die Zahl derselben sich auf 1836 Personen belief, worunter 24 Katholiken, welche in 387 Familien lebten. Hierunter befanden sich 527 (263 männl. und 264 weibl.) Verheirathete, 109 (38 männl. u. 71 weibl.) Verwittwete und 1200 unverheirathete Personen.

männl. weibl.
Unter 1 Jahr alt
054 (030 024)
von 01–06 Jahren 197 (090 107)
07–13 286 (139 147)
14–24 390 (191 199)
25–39 416 (210 206)
40–59 355 (185 170)
60–79 131 (055 076)
80 und darüber
007 (003 004)
zusammen
1836 (903 933)

1836

Nach der neuesten Zählung am 3. Dec. 1859 befanden sich in Neuenbürg 1890 Ortsangehörige und zwar:

männl. weibl.
930 960
Zusammen: 1890

Darunter 1858 Evangelische und 32 Katholiken, so daß sich im letzten Jahre ein Überschuß von 54 Seelen ergeben hat.

Die im Allgemeinen minder bemittelten, theilweise armen Einwohner sind sehr rührig und nähren sich theils vom Feldbau, theils vom Gewerbebetrieb; namentlich suchen viele Ärmeren ihren Unterhalt durch Holzmachen und Taglohnarbeiten sich zu verschaffen.

| Ausgezeichnete Neuenbürger sind: Joh. Ulrich Schwindrazheim, geb. den 11. Nov. 1736, in den württembergischen theologischen Lehranstalten gebildet, 1768 Professor in Ludwigsburg, 1775 Pfarrer in Gomaringen, wo er den 18. Aug. 1813 starb. Er machte sich als Gelegenheitsdichter bekannt.

Carl Aug. (v.) Eschenmayer, Sohn des Oberamtspflegers, geb. 4. Jul. 1768, Oberamtsarzt in Kirchheim 1800–1811, Professor der Philosophie in Tübingen 1811–1836, gestorben zu Kirchheim den 17. Nov. 1852, Verfasser vieler geistreicher Schriften über Philosophie. (Nekr. ebendas. 1852 Dec. 19.)

Heinr. Ernst Ferd. (v.) Bolley, Sohn des Stadt- und Amtsschreibers, geb. den 18. April 1770, gestorben den 1. April 1847 als Präsident des Obertribunals in Stuttgart, vieljähriger Landstand und Verfasser werthvoller Schriften (Nekr. im Schwäb. Merkur 1847 Apr. 20 f.).

Die verhältnißmäßig nicht große, in die Länge gezogene Markung ist größtentheils sehr uneben und besteht hauptsächlich aus den steilen Gehängen des Enzthales, daher auch dieselbe mit Ausnahme der Thalebene und der an sie zunächst anliegenden Gehängeausläufern nur für den Waldbetrieb benützt wird. Der aus den Verwitterungen des bunten Sandsteins bestehende Boden erscheint als ein leichter, nur wenige Fuß tiefer, ziemlich fruchtbarer Sandboden, in welchem besonders Kartoffeln gut gedeihen.

Die Luft ist rein und gesund, übrigens bei dem Ostwind einem heftigen Zug ausgesetzt, welcher öfters zur Nachtzeit orkanartig auftritt, wo alsdann das Volk sagt, daß der wilde Jäger seinen Durchzug halte. Die hohen Berggehänge werfen je nach den Tages- und Jahreszeiten ihre starke Schatten über die Stadt und ihre nächste Umgebung, so daß z. B. die Bewohner der auf der Abendseite gelegenen Häuser vom 11. November bis 1. Februar die Sonne nicht am Himmel sehen. Frühlingsfröste sind nicht selten, dagegen kommt Hagelschlag nur wenig vor. Die Ernte tritt um 14 Tage bis 3 Wochen später als in dem Rheinthale und um 8 Tage später als in den mittleren Neckargegenden – dagegen um 8 Tage früher als in den nahe gelegenen sogenannten Waldbezirken ein.

Der landwirthschaftliche Betrieb ist bei der kleinen für den Feldbau benützten Fläche ganz unbedeutend und beschränkt sich auf einen willkürlichen Anbau von etwas Dinkel, mehr Roggen, Hafer und ziemlich viel Kartoffeln. Der durchschnittliche Ertrag eines Morgens beträgt 10 Scheffel Dinkel, 2–21/2 Scheffel Roggen, 3–31/2 Scheffel Hafer und 140 Sri. Kartoffeln; die Preise eines Morgens| Baufeld bewegen sich von 130–600 fl. Die im Allgemeinen gut angelegten Gärten liefern die gewöhnlichen Gemüse für den eigenen Bedarf. Der nicht unbeträchtliche Wiesenbau wird auf der zum Theil mit fruchtbaren Alluvionen überlagerten Thalebene getrieben und liefert durchschnittlich 46–50 Centner gutes Futter pr. Morgen. Die zwei-, zuweilen dreimähdigen Wiesen werden stark bewässert und die Preise eines Morgens betragen 300–800 fl.

Die Obstzucht, welche sich meist mit Mostsorten, wie Luiken, Fleiner, Blattbirnen, Knausbirnen, von Steinobst mit Zwetschgen und etwas Kirschen beschäftigt, ist verhältnißmäßig nicht unbedeutend; das Obst geräth gerne und wird im Ort selbst theils vermostet, theils verspeist. Einige Privatbaumschulen sind vorhanden, die im Verein mit denen der Nachbarorte den örtlichen Bedarf befriedigen.

Die ziemlich ausgedehnte Rindviehzucht befindet sich in gutem Zustande und beschäftigt sich vorherrschend mit der Allgaier und Landrace; seit dem Jahr 1853 ist durch die Bemühungen des landwirthschaftlichen Bezirksvereins auch die Montafoner Race eingeführt worden. Zur Nachzucht dienen 2 Farren, welche die Gemeinde anschafft und gegen jährlich 62 fl. und die Nutznießung von 6 Morgen Feld einem Bürger in Verpflegung gibt. Der Handel mit Vieh ist unbeträchtlich, dagegen wird von den Viehhaltern viel Milch in der Stadt abgesetzt. Die Stallfütterung ist eingeführt.

Schweine werden meist jung auswärts aufgekauft und in ziemlicher Menge gemästet, besonders in Jahrgängen, in welchen die Kartoffeln und Bucheln reichlich gerathen. Austrieb findet statt.

Ziegen werden wenig gehalten; auch ist die Zucht der Bienen von keinem Belang.

Die Fischerei in der Enz, welche Forellen, Aschen, Schuppfische und Aale liefert, gehört dem Staat und ist von demselben um ein jährliches Pachtgeld von 36 fl. verliehen.

Was den Betrieb von Gewerben betrifft, ist hauptsächlich zu nennen:

1) Die Sensen-, Sichel- und Strohmesser-Fabrik (Firma Haueisen u. Sohn), welche etwa 200 Personen beschäftigt und ihre sehr gesuchten Fabrikate in das In- und Ausland absetzt (s. hierüber den allgemeinen Theil).

2) Der Bergbau auf Eisenerz, welcher etwa 16 Personen beschäftigt, ist oben im allg. Theil näher beschrieben.

3) Die sehr beträchtliche Langholzflößerei, welche viele Hände beschäftigt und für die Einwohner eine besondere Erwerbsquelle bildet.

Überdies befinden sich in der Stadt 7 Handlungen, worunter| 2 Conditoreien, 6 Schildwirthschaften und 4 Brauereien. An Wasserwerken bestehen innerhalb der Stadt eine Mühle mit 6 Mahlgängen und einem Gerbgang, und außerhalb 4 Sägmühlen, eine Fournirschneidmühle, 2 Lohmühlen, eine Ölmühle, eine Hanfreibe und ein kleines Schmiedhammerwerk mit Schleiferei. Unter den gewöhnlichen Handwerkern sind die Nagelschmiede und Hafner am zahlreichsten vertreten; auch die Lederfabrikation ist nicht unbedeutend.
Mechanische Künstler und Handwerker.

Nach der neuesten Aufnahme sind in der Stadt vorhanden:

Meister Gehilf.   Meister Gehilf.
Bäcker 12 10 Metzger 9 4
Barbiere 2 Messerschmiede 1
Bortenwirker 1 Musikanten 3
Buchbinder 1 2 Nätherinnen und
Bürstenbinder 1      Büglerinnen 3 1
Dreher 1 1 Pflästerer 1 1
Färber 1 Roth- und Weißgerber 8 4
Flaschner 1 1 Sattler 4 3
Fischer 3 Schlosser 4 2
Flößer 21 6 Schmiede 3 3
Gärtner 1 Schneider 10 10
Gypser und Zimmermaler 2 1 Schreiner 6 5
Glaser 3 1 Schuhmacher 17 18
Hafner 8 6 Seckler 2 1
Hutmacher 1 Seifensieder 5 1
Instrumentenmacher 1 Seiler 3 1
Kaminfeger 1 1 Steinhauer s. Maurer.
Kammmacher 1 1 Tuchmacher 2 2
Köche und Köchinnen 2 1 Uhrmacher 2
Kornmesser 1 Wagner 1 3
Küfer und Kübler 9 7 Weber 6 1
Kupferschmiede 2 2 Zimmerleute 5 1
Maurer und Steinhauer 4 5 Zuckerbäcker 2 2
 
Handels-Gewerbe.
Kaufleute 14 6 Buchdruckerei 1
Krämer u. Kleinhändler 10 Bijouteriewaaren-Fabriken 3
Mehlhändler 1
Apotheken 1
Schildwirthschaften 7
Speise- und Gassenwirthschaften  15
Fuhrleute 19
| Als Aktivhandel verdient der namhafte Handel mit Langholz und Schnittwaaren angeführt zu werden. Eingeführt wird Frucht und Wein. Auch tragen die Durchreisenden nach dem benachbarten Wildbad zur Lebhaftigkeit des Verkehrs viel bei.

Im J. 1431 hatte Kaiser Sigmund auf Bitten des Grafen Ludwig von Württemberg der Stadt das Recht ertheilt, an jedem Samstag einen Wochenmarkt und an Himmelfahrt und Andreä Jahrmärkte zu halten. (Crusius, Ann. Suev. 3, 357). Dermalen hat die Stadt das Recht jährlich 4 Krämermärkte und 4 Schwein-, Roß- und Viehmärkte abzuhalten, erstere nehmen in neuerer Zeit an Frequenz ab, während letztere von jeher ganz unbedeutend waren. Der Wochenmarkt wird als belebter Frucht- und Victualienmarkt noch jeden Samstag gehalten[2].

Der Gemeindehaushalt ist geordnet und die Gemeindepflege besitzt ein Kapitalvermögen von etwa 12.000 fl.; überdieß sind 1184 Morgen meist mit Nadelhölzern bestockte Gemeindewaldungen vorhanden, die von einem besonders angestellten Stadtförster bewirthschaftet werden. Von dem Ertrag der Waldungen erhält jeder Bürger jährlich 3/4 Klafter Buchen- oder 11/2 Klafter Tannenscheiter und 50–100 Stück Wellen, während die Gemeinde noch für etwa 6000 fl. Nutzholz jährlich verkauft. Aus 44 Morgen Gemeindewiesen bezieht die Gemeindepflege ein jährliches Pachtgeld von etwa 500 fl. Ältere Bürger erhalten sog. Gemeindestücke, wofür je einer 20–30 kr. Allmandzinse entrichtet.

Die Stiftungspflege besitzt einen Capitalgrundstock von 9000 fl.; unter diesen befindet sich ein Legat des verstorbenen Apothekers Heinrich Salomon Behr, von 1000 fl., dessen jährl. Zinse für Hausarme und kranke Dienstboten bestimmt sind.

Die jährliche Gemeindeschadensumlage beträgt 8–900 fl., da gegenwärtig etwa 30 arme Personen öffentliche Unterstützung beziehen.

| An der Stadtpfarrkirche ist ein Stadtpfarrer, der zugleich das Decanatamt bekleidet, angestellt. Zu der Kirchengemeinde gehört außer der Stadt, Waldrennach, Eisenfuhrt (Sägmühle), die Schleifmühle und die obere Sensenfabrik. Der erste evangelische Pfarrer war vor dem Interim Ivo Heinzelmann von 1536–1538.

Von Schulanstalten befinden sich in Neuenbürg:

1) Eine Realschule, im J. 1844 statt der früheren lateinischen Schule errichtet; der erste Präceptor war Joh. Frank von 15..–1560.

2) Als Volksschulen, eine Knaben-, eine Mädchen- und eine Elementarschule, an welchen ein Schulmeister, 2 Unterlehrer und ein Lehrgehilfe angestellt sind.

3) An der Industrieschule unterrichten zwei Lehrerinnen.

Außerhalb der Stadt nördlich an der Höfner Steige befindet sich ein, Privaten gehöriger, Steinbruch im bunten Sandstein, aus dem gute Werk- und Bausteine gewonnen werden; überdieß werden die allenthalben vorkommenden Felstrümmer zu Bau- und theilweise Straßenmaterial verwendet. Eine namhafte Töpfererdegrube besteht in der Nähe der Ziegelhütte und eine Lehmgrube ist oberhalb der Stadt im Enzthal angelegt.

Außer den schon angeführten Alterthümern sind noch zu nennen: die letzten Reste der, eine halbe Stunde südlich der Stadt auf einer hohen Bergspitze gelegenen Waldenburg, in dem ehemaligen Burggraben und einigen herumliegenden Mauersteinen bestehend.

Die zur Stadt gehörenden Wohnsitze sind:

Die 1/4 Stunde südlich der Stadt an der Enz gelegene Eisenfuhrt-Sägmühle mit großartiger und zweckmäßiger Einrichtung.

Die Schleifmühle, welche 1/2 Stunde unterhalb der Stadt liegt.

Neuenbürg verdankt seinen Ursprung einer Burg, welche nach Wahrscheinlichkeit im 12. oder Anfang des 13. Jahrh. ein Sprosse der Calwer Grafenfamilie erbaute und „neue Burg“ (Novum castrum) nannte. Ihr erster urkundlicher Besitzer in der Mitte des 13. Jahrh. ist ein Graf Konrad von Vaihingen, dessen Familie einen Nebenzweig obiger Grafen bildete (er nennt sich comes de Vaihingen sive de Nouo castro in einer auf frühere Zeiten sich beziehenden Herrenalber Urkunde von 1289, Mone, Zeitschr. 2, 248). Auch Berthold von Neuffen († vor Oct. 1285, Gemahl der calwisch-löwensteinischen Gräfin Richenza) erscheint im Besitz, jedenfalls im Mitbesitz, und veräußerte castrum Nuwenburch an den Grafen Albrecht von Hohenberg, welcher es an König Rudolf verkaufte (Hugo Mediatisirung 368. Im J. 1289 heißt es rex cui ex proprietate Novum castrum attinet. (Mone a. a. O.)

| Angesessen darauf gegen Ende des 13, Jahrh. waren alt-calwische Ministerialen, die Herren v. Waldeck, deren einige sich daher auch von Neuenbürg nannten (Diemo et Reinhardus de Novo castro fratres 1272, Mone 1, 478, Reinhardus et Diemo de Novo castro 1329, Crusius Ann. Suev. 3, 224; s. auch Sattler Grafen 1, 67 wegen des Waldeckschen Wappens, welches sie führen). Am 11. Nov. 1307 beurkundete König Albrecht, er schulde dem Grafen Rudolf von Hohenberg wegen seiner und des Reichs 200 Mark, da dieser dem Reinhard von der Neuenburg für dessen Ansprüche an die Neuenburg, welche jetzt gänzlich dem Reich gehöre, das Dorf Renningen abgetreten.

Der Ort Neuenbürg erscheint im Jahr 1272 in den Händen Otto’s des ältern Grafen von Eberstein, dessen Haus wohl mit den Calwer Grafen aus derselben Wurzel entsproßte. (Genannter Ebersteiner Graf befreite im Januar d. J. das Kloster Herrenalb vom Ungeld in opidis suis Genresbach, Nuwenburc etc. Mone 1, 378.) Späterhin, da Markgraf Rudolf von Baden († 1288) durch seine Heirath und durch Ankauf einen Theil des ebersteinischen Besitzes an sich brachte, gelangte er in markgräflich badischen Besitz (von Markgraf Hesso † 1295, Sohn obigen Rudolfs, heißt es wenigstens März 1289 dominium Novi castri in sua habet potestate. Mone 1, 249).

An Württemberg kamen Burg und Stadt – beides wohl durch Graf Eberhard den Erlauchten († 1325), vielleicht zum Theil als nicht wieder eingelöstes Pfand[3], wiewohl der nähere Ankunftstitel unbekannt bleibt. Von Eberhard ist unter dem 4. Apr. 1321 und dem 23. Febr. 1322 (Stälin, Wirt. Gesch. 3, 155. 787) die Ausstellung von Urkunden am hiesigen Orte bekannt, bestimmt aber nennt dessen Sohn Graf Ulrich am 2. Jan. 1332 das Novum castrum seine municio (Kausler 153).

Indeß schon unter dem Sohne dieses Ulrichs, dem Grafen Eberhard dem Greiner und Ulrich, trat eine kleine Änderung im Besitz ein, indem die beiden letztern dem Kaiser Karl IV., welcher überall nach Vergrößerung der Activlehen seiner böhmischen Krone angelte, Neuenbürg Burg und Stadt nebst 4 andern Orten am 3. Dec. 1361 zu Lehen auftrugen, wegen welcher sie der Krone Böhmen mit einer bestimmten Anzahl von Helmen zu dienen versprachen. Die Lehen sollten Mannlehen seyn; doch gestattete am 10. d. M. Kaiser Karl| in Ermangelung männlicher Lehenserben der Tochter Graf Eberhards, Sophie, Gemahlin Herzog Johanns von Lothringen, die Nachfolge. So schloß sich hier ein Lehensverband, welcher bis zur Auflösung des deutschen Reichs dauerte.

Im letzten Drittel des 14. Jahrhunderts war die Stadt Neuenbürg an Ernst von Gültlingen und dessen Nachkommen für 7000 Pf. Heller verpfändet, von dessen Nachfolgern sie erst im Anfang des 15. Jahrh. eingelöst wurde. Im J. 1417 war Hans von Sachsenheim württembergischer Vogt „zu der Nuwenburg.“ (v. Stillfried Mon. Zoll. 1 Nr. 579.)

Im Vertrag des Herzogs Ulrich v. Württemberg mit dem Markgrafen Philipp von Baden vom 4. August 1516 wurde festgesetzt, daß Württemberg von Neuenbürg nach Liebenzell und Baden von Liebenzell nach Neuenbürg zu „gleiten“ haben solle, auch wurden über den Zoll zu Salmbach, Grunbach und Engelsbrand, auch über Frohnen in Igelsloch Bestimmungen getroffen (Steinhofer 4, 389).

Am 4. Mai 1553[ER 1] übergab Herzog Christoph, welcher auf den hiesigen Schloßbau 12.766 fl. verwendete (Pfister Christoph 2, 17), Stadt und Amt seinem Oheim, dem Grafen Georg von Württemberg zur Nutznießung, wobei er sich alle forst- und gleitliche Obrigkeit, Landsteuer, Reise und Folge, Schatzungen, Appellationen an das Hofgericht u. a. vorbehielt (Sattler, Herz. 4, 52); indeß schon den 29. Dec. 1554 trat Georg diesen Genuß für ein Leibgeding von 3000 fl. wieder an ihn ab.

Durch fürstbrüderlichen Vergleich vom 28. Mai 1617 wurde das Schloß dem Prinzen Magnus († 1622) zur Wohnung angewiesen (Reyscher Sammlung 2, 319). Während des 30jährigen Kriegs wurde es von Grund aus verderbt; Prinz Ulrich († 1671) aber, dem es sein Bruder, Herzog Eberhard III., durch den Vertrag vom 7. April 1651 überlassen hatte (Reyscher a. a. O. 374), ließ es, jedoch nicht so ganz stattlich, wieder herstellen.

Nachher wurde das Schloß der Sitz des Oberforstmeisters des Neuenbürger Forstes und ist gegenwärtig Amtswohnung des Oberförsters und Cameralverwalters (vergl. oben).

Dem Kloster Herrenalb ertheilte im J. 1400 für dessen kürzlich gekauftes Haus Graf Eberhard der Milde außer andern Freiheiten auch die von Steuer, Zoll, Ungeld, Bede, Frohndiensten und allerlei Schatzung (Steinhofer 2, 571). Dieses Kloster verkaufte Haus und Hof mit Garten und Scheune vor dem oberen Thor an Hermann von Sachsenheim, welcher all dieß im J. 1446 seiner Gattin Anna von Strubenhard verschrieb.

| In geschichtlicher Beziehung ist zu erwähnen, daß im Sommer 1395 die Schlegler in dieser Stadt, welche damals ihren Genossen den von Gültlingen verpfändet war, mit Macht lagen, vor der Übermacht Graf Eberhards des Milden aber bald wieder abziehen mußten. (Stälin, Wirt. Gesch. 3, 363).

Im Jahr 1530 wurde die Hälfte der Universität Tübingen wegen der dort herrschenden Seuche hieher verlegt.

An hiesiger Kirche wird im 15. Jahrh. eine Leutpriesterstelle und eine Frühmesserei erwähnt. Ein viceplebanus Hugo kommt 1290 vor (Mone, Zeitschr. 2, 357). Am 5. Febr. 1393 stiftete Reinhard von Schmalenstein Edelknecht für den Pfarrer zu Neuenbürg und den zu Gräfenhausen und für den Frühmesser zu St. Georgen (Schloßkirche) und zu St. Ägidien, für jeden 4 Viertel Weingült aus seinen Gütern in Niebelsbach, damit sie ihm jährlich auf Martini eine Jahrszeit halten; wenn er sterbe, sollen sie ihm folgen eine Meile Wegs zum Grab, bis er beerdigt sey (Kausler 159).

Die St. Georgenkapelle bewidemte den 16. Sept. 1399 die hiesige Bürgerschaft mit einer Pfründe unter Bewilligung Graf Eberhards von Württemberg, welchem sie auch für künftige Fälle die Präsentation übertrug (Kausler 161).

Außerhalb der Stadt im Thale stund die Ägidiuskapelle. Am 2. Jan. 1332 stiftete Graf Ulrich von Württemberg zu Ehren der hl. Dreieinigkeit und des hl. Ägidius in diese Kapelle, wo bisher kein Priester angestellt war, eine Pfründe für einen solchen (Kausler 153). Am 12. Febr. 1528 dagegen dotirte Kaiser Ferdinand die Pfarrei Neuenbürg mit der St. Ägidiuspfründe.

Die Besetzung der gegenwärtigen Stadtpfarrei hängt von königlicher Collatur ab.


  1. Von dem Schloß läßt die Sage nach der, über der Enz gegenüber liegenden Waldenburg einen unterirdischen Gang führen, dessen Thüren verschüttet seien, und in welchem ein schneeweißes Fräulein, die Enzjungfrau einen Schatz hüte. Baader Volkssagen aus Baden 251.
  2. Vor Zeiten hatte die Stadt eine Freiung: wer einen unbesonnenen Todschlag beging, durfte sich 6 Wochen und 3 Tage hier sicher aufhalten. Diese Freiheit wurde im J. 1454, nachdem die ursprüngliche Urkunde bei einem großen Brande verloren gegangen war, erneut. Ein Stein an der Mauer am Eingange der Stadt an der Straße von Pforzheim her, auf welchem eine Hand eingehauen war, bezeichnete den Anfang dieser Freiung; wer diesem Steine so nahe kam, daß er mit einem Handschuhe hinwerfen konnte, war frei. Myler ab Ehrenbach Tract. de jure asylorum 52 ed. 1686.
  3. Daß Graf Eberhard dem ebengenannten Markgrafen Hesso seinem Schwager Geld vorstreckte, erhellt aus dem Vertrag des erstern mit den Erben des letzteren vom 5. Sept. 1297. Sattler, Grafen 1. Beil. Nr. 22

Errata

  1. S. 112, L. 17 statt 1552 setze 1553. Siehe Berichtigungen, S. VI.


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