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Beschreibung des Oberamts Gaildorf/Kapitel B 1

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B.


Ortsbeschreibung, [1]


in alphabetischer Reihe der den Oberamtsbezirk bildenden 23 politischen Gemeinden oder Schultheißereien, jedoch unter Vorausstellung der Oberamtsstadt. Die am Schluß beigefügten Tabellen gewähren übersichtliche Zusammenstellungen
I. der Bevölkerung, der Gebäude und des Viehstandes, II. des Flächenmaßes nach den verschiedenen Bestandtheilen und III. des Steuer-Catasters, des Gemeinde- und Stiftungs-Haushaltes.

Die Oberamtskarte zeigt die geographische Lage der Orte.




Gaildorf,
Gemeinde II. Kl. mit 1804 Einwohnern, worunter 53 Katholiken. – Ev. Pfarrei; die Katholiken sind nach Hausen eingepfarrt.

Die Oberamtsstadt Gaildorf liegt unter 27° 25′ 58,28″ östlicher Länge und 49° 0′ 4,17″ nördlicher Breite, 16 geometrische Stunden nordöstlich von Stuttgart. Die Erhebung über das Mittelmeer beträgt am Kirchthurm 1016,8 und am Thurmknopf 1146,5 Par. Fuß.

Gaildorf ist der Sitz sämmtlicher Bezirksstellen, das Forstamt ausgenommen, sowie eines Postamtes und folgender standesherrlichen Verwaltungen: des Fürstlich Solms-Braunfels’schen Rentamtes, des Gräflich Pückler’schen Ober-Rentamtes und des Gräflich Waldeck’schen Ober-Rentamtes, der Fürstlich Solms-Braunfels’schen Forstverwaltung und der Gräflich Pückler’schen Forstverwaltung. Die Schreibart war in älteren Zeiten Geiledorf und Geilendorf; der Name scheint von dem Frauennamen Geilena abzustammen.

Die Zehenten und grundherrlichen Rechte stehen zu 1/4 dem Staat, zu 2/4 der Standesherrschaft Limpurg-Gaildorf und zu 1/4 der Standesherrschaft Limpurg-Waldeck zu. In das Burggut theilen sich die gedachten | Grundherren und die Standesherrschaft Limpurg-Gschwend. Eine Umgelds-Entschädigung genießen dieselben nicht, wohl aber die Stadt. In den Gräflich Pückler’schen und Waldeck’schen Familien bestehen Familien-Fideicommisse.

Das Städtchen liegt frei im Kocherthal, das hier 1/4 St. breit und von beiden Seiten mit hohen, meist bewaldeten Bergen umgeben ist. Die Thalsohle ist etwas wellenförmig und bietet mit den vielen und schönen Wiesen ein angenehmes Bild dar. In südwestlicher Richtung trennt der Kirgel, ein sehr schmaler Gebirgsausläufer, worauf sich eine schöne Aussicht eröffnet, das Kocher-Thal von dem Roth-Thal, da sich hier die Roth in den Kocher ergießt. Der eben erwähnte Fluß fließt, nachdem er den Hagersbach aufgenommen, unmittelbar an der Stadt, wo er eine Krümmung von Osten nach Nordwesten macht, vorüber. Sein Niveau unter der steinernen Brücke, welche am nördlichen Ende Gaildorfs über den Kocher führt, ist 999,2 Par. Fuß über dem Meere. Der Charakter der Gegend könnte mild genannt werden, wenn sie nicht die Vegetation aufhaltenden und oft verderblichen Nachtfrösten ausgesetzt wäre, welche sich aus den vielen Wiesengründen und Waldungen entwickeln. In den hier und da einander entgegenstehenden, mit vielfachen Einschnitten versehenen, Thälern herrscht immer ein Luftzug, der aber auch selten eine epidemische Krankheit aufkommen läßt. Das Wasser führt so viele Schwefeltheile mit sich, daß nur wenige Brunnen für den Genuß und die Küche brauchbar sind. Vortreffliches Trinkwasser liefert die 1839 von Winzenweiler herabgeleitete Quelle, welche der verstorbene Oberamtsarzt Dr. Mößner zu seiner Wasserheilanstalt bestimmt hatte.

Das Aussehen des Ortes ist vermöge seiner Lage, der nicht zu eng gebauten, meistens größeren und verblendeten Häuser und der herrschenden Reinlichkeit, freundlich. Durch denselben zieht die vereinigte Straße von Heilbronn, Stuttgart, Schorndorf, Gmünd und Aalen, welche sich jenseits der Kocherbrücke alsbald in die Haller Route einerseits und in die Crailsheimer und Ellwanger Route andererseits abtheilt. Das eigentliche Städtchen besteht aus einem, dem Kocher entlang gebauten, länglichen Vierecke und hat eine Hauptstraße und vier Gassen. Das Portal desselben bilden, von Norden betrachtet, die zu beiden Seiten der Brücke stehenden zwei Schlösser. Die massiven Stadtmauern stehen größtentheils noch; die zwei Thore mit ihren Thürmen aber sind längst abgetragen. Außer dem offenen Marktplatze, welchen vor den Häusern stehende Akazien umgeben, ist noch ein öffentlicher Platz vor der Kirche vorhanden. Die in südlicher Richtung anstoßende Vorstadt ist beinahe ebenso groß, als das Städtchen selbst.

Gaildorf zählt 237 Haupt- und 59 Neben-Gebäude, mit einem Brandversicherungs-Anschlage | von 496.875 fl.; hievon sind Eigenthum des Staats 11, der Grundherren 9 und der Körperschaften 4. Fast alle haben wo nicht 3, doch 2 Stockwerke.

Die Kirche, bei dem ehemaligen untern Thore, 88′ lang und 50′ breit, ist ein massives und helles Gebäude mit Chor. Über dem südlichen Kirchen-Eingang befindet sich ein in Stein gehauenes Limpurg’sches Wappen mit der Jahreszahl 1518, im Chor ist die Jahreszahl 1521 befindlich, zu welcher Zeit die schon 1417 vorhanden gewesene Capelle in die jetzige Kirche umgebaut worden zu seyn scheint. Im Schiff und Chor stehen die in Stein gehauenen zum Theil großartigen Monumente der Schenken Albrecht, † 1506, Wilhelm, † 1552, Christoph, † 1574, Albrecht, † 1619, Heinrich, † 1585 u. A.; in der Gruft unter dem Chor ruhen viele Personen des Gaildorf’schen Haupt-Stammes. Der Thurm hat eine blecherne Bedeckung und seit 1827 eine Altane. Von den drei Glocken sind zwei von B. Lachmann vom Jahr 1493, deren eine mit der Umschrift „jhesus nazarenus rex judeorum“, die dritte wurde 1815 umgegossen und wiegt 2263 Pfd. Die Kirchengebäude sind Eigenthum des Heiligen, dem auch die Baulast obliegt. – Dasselbe ist der Fall mit dem bei der Kirche gelegenen Stadtpfarrhaus; der Helfer hat keine Amtswohnung.

Das Oberamtsgerichts-Gebäude liegt in der Vorstadt, wurde 1825 von der Amtskörperschaft erbaut und 1840 an den Staat käuflich überlassen. – Das Oberamts-Gebäude auf dem Marktplatze diente früher der Regierung zum Sitze. – Das Cameralamts-Gebäude an der Hauptstraße diente gleichfalls früher zu öffentlichen Zwecken.

Das der Amtskörperschaft gehörige, 1813 erkaufte Rathhaus auf dem Marktplatze ist ein altes, hölzernes, ziemlich geräumiges Gebäude. – Das nahe gelegene Schulhaus ließ die Stadt 1835 mit einem Aufwand von 7000 fl. neu herstellen; in demselben ist auch die Realschule untergebracht. – Das Armenhaus oder Lazareth steht auf dem sog. Siechenfelde.

Das alte Schloß beim vormaligen untern Thore, ursprünglich eine Burg, hat in seiner weitläufigen, unregelmäßigen Anlage, mit seinen Thürmen, Brücken und Gräben, noch das Aussehen einer kleinen Festung. Nach einer Mittheilung des Ober-Rentamtmanns Mauch bildet das Schloß ein aus vier Flügeln zusammengesetztes Ganzes, ein unregelmäßiges, längliches Viereck, das einen Hofraum begrenzt und nach außen mit Graben und Mauer umgeben ist, über welche früher zwei Brücken geführt haben. Das unterste, ziemlich hohe Stockwerk ist ringsum massiv, d. h. von Brockengemäuer, das aber jeder Zerstörung zu trotzen scheint; die übrigen Stockwerke sind in Riegeln aufgemauert. – Der nördlich, nach | dem Kocher hin gelegene Flügel, 4 Stockwerke hoch, scheint von Anfang an zur herrschaftlichen Wohnung eingerichtet gewesen zu seyn, denn in ihm, obgleich er aus zwei bis drei zu verschiedenen Zeiten aufgeführten Theilen besteht und in seinem Zusammenhange unterbrochen ist, befinden sich die vorzüglichsten Wohnzimmer, so wie die ehemaligen Gesellschafts-, Tanz- und Speise-Säle, während die übrigen mehr für die Dienerschaft und Ökonomie eingerichtet gewesen sind. Der nach Osten gelegene Theil des Schlosses besteht offenbar seiner ganzen Länge und Höhe nach aus einem erst in späterer Zeit errichteten, schmalen Anbau, und bildet, da er sich bis zur nordöstlichen Ecke des Schlosses ausdehnt, den Übergang von da in den an dieser Ecke stehenden, ungefähr 100′ hohen, in sechs Stockwerke abgetheilten, massiven, runden Thurm, dessen unterer Durchmesser nahe an 30′ beträgt. Dieser Thurm ist aber unzweifelhaft älter, als der eben berührte Anbau, woraus, da er seiner innern Einrichtung nach für sich allein nie bestehen konnte, mit Zuverlässigkeit geschlossen werden darf, daß er ursprünglich auf andere Weise mit den Hauptgebäulichkeiten in Verbindung stand. Vorzugsweise sind es die beiden untersten Stockwerke dieses Thurms, welche aus einer frühern Zeit herzustammen scheinen, sofern sich nicht nur die Farbe der Steine, sondern auch die Arbeit (es ist an denselben Bossage wahrzunehmen) von den übrigen unterscheidet. Der mittägliche Flügel, drei Stockwerke hoch, mochte von jeher für ökonomische Zwecke eingerichtet gewesen seyn und einigen Offizianten zur Wohnung gedient haben. Der westliche Flügel, gegenüber der Kirche, besteht wiederum aus zwei verschiedenen Anbäuen, der eine drei, der andere zwei Stockwerke hoch. Zwischen diesem und dem mittäglichen Flügel ist das Thorgebäude, die Ecke des Ganzen dort stumpf abschneidend. – Von dem Thor aus führt eine (ehemals Fall-) Brücke über den Schloßgraben gerade in die Stadt hinein, auf den Marktplatz zu. Dieses Thorgebäude besteht aus zwei, dem Äußern nach gleichen, vier Stockwerke hohen, zur untern Hälfte massiven, nach oben aber in Fachwerk aufgeführten Thürmen und einem Zwischenbau, unter welchem das aus einem einfachen Bogen bestehende Hauptportal befindlich, und neben welchem ein kleineres, für die Fußgänger bestimmtes Pförtchen angebracht ist. In der nordöstlichen Ecke des innern Schloßhofes ist ein weiterer massiver Thurm, sechseckig, in dem eine Wendeltreppe hinaufführt, von welcher aus sämmtliche Stockwerke, bis unter’s Dach, betreten werden können. – In dem Schloßgarten steht, der Glasfabrik gegenüber, ein 1846 erbauter massiver und sehr geschmackvoll ausgeführter Pavillon.

1

Über das Alter des Schlosses ließen sich noch keine zuverlässigen Notizen erheben. Jedoch gedenkt schon der Vertrag Limpurgs mit Hall | über die Kocherzölle von 1399 der „Veste Gaildorf.“ Bei der Theilung von 1441 erhielten die drei ersten Söhne des Schenken Friedrich „der Vorgenannten Schloß und Statt zu Gaildorff.“ Es mögen aber von den ursprünglichen Theilen dieses Schlosses wenige oder vielleicht gar keine mehr vorhanden seyn. Die älteste bis jetzt aufgefundene Jahreszahl 1482 findet sich auf einer steinernen, über dem Hauptportal angebrachten, mit den Wappen von Limpurg und Oettingen geschmückten Tafel, auf welcher folgende Inschrift zu lesen ist: „Wir Albrecht herr zu limpurg des romischen reichs erbschenk u. semperfrei habend angefangen und vollbracht diesen bau uf sant michels tag nach christus geburt vierzehnhundert und in dem LXXXII jar.“ Erst dieser Schenk Albrecht (ein Enkel obengedachten Schenk Friedrich’s) scheint den Plan, das vorhandene Schloß zur neuen Residenz einzurichten, ausgeführt zu haben. [2] Jedenfalls läßt sich erst von ihm nachweisen, daß er dahier gewohnt habe und eben daselbst begraben liegt.

Die oberen Stockwerke des zuvorangeführten großen Thurms sind, einer über der Thüre im vierten Stock angebrachten, in Stein gehauenen Jahrszahl zufolge, von 1570.

Es findet sich ferner auch über dem Eingang zur Wendeltreppe in den nördlichen, hohen Flügel im Innern des Schloßhofes eine tönerne Tafel mit zwei limpurgischen Wappen und der Schrift: C. H. Z. L.   E. F. Z. L.   G. F. V. L. 1573. Das heißt: Christoph, Herr zu Limpurg, Eva, Frau zu Limpurg, geborne Frau v. Limpurg. – Sodann findet sich auch über dem freien Bogengang, der vom innern in den äußern Schloßhof oder Schloßgraben führt, eine eingemauerte bemalte Steinplatte, auf welcher das limpurgische und das hohenlohe’sche Wappen zu sehen sind, mit folgender Inschrift: „Maria Juliana Frau zu Limpurg, geb. Gräfin von Hohenlohe und Gleichen, Frau zu Langenburg und Granichsfeld, Wittibin. Im Jahr 1660.“ Endlich findet sich die Jahrszahl 1610 an einer Wand, oben unter dem Dach im hohen Flügel.

Nach der im Jahr 1707 unter den Limpurg-Gaildorf’schen Herrschaften erfolgten Theilung fiel die eine Hälfte dieses Schlosses an Limpurg-Wurmbrand, die andere an Limpurg-Solms-Assenheim; gegenwärtig besitzt 1/4 davon, nämlich den westlich gelegenen Theil, der Fürst von Solms-Braunfels, die übrigen 3/4 aber gehören der Gräflich Waldeck’schen Standesherrschaft, welche 1819 den Antheil des Staats erworben. Es ist dermalen von der Gräfin Amalie von Waldeck bewohnt, in deren | Händen sich auch als unveräußerliches Eigenthum der Standesherrschaft der von Prescher I, 113 beschriebene schön gearbeitete Schenkenbecher befindet. Ferner enthalten diese Schloßgebäude Wohnungen für Beamte und das Limpurg-Gaildorf’sche Archiv.

Gegenüber dem alten Schlosse, jenseits der Straße, sieht das neue Schloß. Es wurde 1778 in dem damals üblichen Style von dem Architekten Fischer in Stuttgart an der Stelle der beiden alten Widdumshäuser erbaut, hat einen schönen Saal und viele Gemächer und dient dem Grafen von Pückler zur Wohnung.

Was die Einwohner betrifft, so hatte die Stadtgemeinde Gaildorf nach der neuesten Zählung vom 3. Dez. 1851 eine ortsangehörige Bevölkerung von 890 männlichen, 889 weiblichen, zusammen 1779 Seelen. Unter der Zahl der Angehörigen des Jahres 1846, welche 882 männliche, 882 weibliche, zusammen 1764 Seelen betrug, waren 56 der römisch-katholischen, alle übrigen aber der evangelischen Confession zugethan. Im Jahr 1832, Nov. 1, war die Zahl der Angehörigen 725 männliche, 731 weibliche, zusammen 1456. Von den Angehörigen des Jahres 1846 waren abwesend 157; dagegen Fremde anwesend 241; es belief sich daher die Ziffer der Ortsanwesenden auf 1848. Im Jahr 1832 war dieselbe 1495.

Nach Altersstufen vertheilt sich die angehörige Bevölkerung des Jahres 1846 folgendermaßen:

männl. weibl.
unter 6 Jahren 129 121
von vollendetem 6.–14. Jahre 149 153
14.–20. 82 65
20.–25. 72 64
25.–40. 181 197
40.–60. 186 192
60.–70. 48 73
70.–80. 28 15
80.–90. 7 2
90.–100.
über 100 Jahren
zusammen      882 882
1764.

Die Zahl der Ehen war im Jahr 1846 305; die der Familien 443. Auf 1 Ehe kommen daher 5,8; auf 1 Familie 4,0 Angehörige.

Geboren wurden im Durchschnitt von 1836/46 jährlich 62,2, darunter unehelich 6,1. Auf 1000 Einwohner kommen hienach 39,2 Geborene, oder 1 Geburt auf 25,4 Einwohner, und unter 100 Geborenen sind 9,8 unehelich, oder die unehelichen Geburten verhalten sich zu den | ehelichen wie 1 : 9,26. Dieses Verhältniß ist nicht nur weit besser, als das vom ganzen Oberamt (1 : 4,5), sondern sogar noch günstiger, als das vom ganzen Lande (1 : 7,8).

Gestorben sind nach dem erwähnten Durchschnitt jährlich 52,5. Auf 1000 Einwohner kommen daher 33,1 Gestorbene, d. h. es kam ein Todesfall auf 30,9 Einwohner, und zwar treffen auf 1000 Personen männlichen Geschlechts 32,9, auf 1000 Personen weiblichen Geschlechts 33,3 Gestorbene. Auf 100 Sterbefälle kommen 118,5 Geburten, und der natürliche Zuwachs zur Bevölkerung betrug in der Periode von 1836/46 97 Seelen (59 männliche und 38 weibliche); der gesammte Zuwachs 251 Seelen (125 männliche, 126 weibliche).

Bei der Zählung von 1846 fanden sich hier 173 Personen im Alter von mehr als 60 Jahren, wonach davon auf 1000 Einwohner 98,1 kommen. (Im ganzen Bezirk kommen auf 1000 Einwohner 67,15; im ganzen Lande 75,7 Leute dieses Alters.)

In Gaildorf ist am 19. November 1749 Heinrich Prescher geboren, der Verfasser der oben erwähnten Geschichte und Beschreibung der Reichsgrafschaft Limpurg, welcher 1775 und 1781 einige historische Versuche über den Ursprung der Schenken von Limpurg vorangegangen waren, und der zwei geschichtlichen Magazine: „Altgermanien“, 1804 und 1805, 2 Hefte, und „Historische Blätter“, 1818, eine Lieferung. Im Jahr 1777 zum Pfarrer in Gschwend ernannt, blieb er 50 Jahre auf dieser Stelle und starb daselbst am 26. Mai 1827. (Württemb. Jahrb. 1827, I, 38 u. f.)

Der Nahrungsstand ist als mittelmäßig zu bezeichnen und beruht hauptsächlich auf der Landwirthschaft. Die Markung begreift 16724/8 M., worunter 110 M. Gärten und Länder, 5087/8 M. Äcker, 4/8 M. erst 1838 angelegte Weinberge und 6653/8 M. Wiesen, wovon 2022/8 M. einmähdig sind. An Baufeld kommen daher etwa 7/10 Morgen auf den Kopf. Unter einem „ganzen Bürgersgut“ begreift man herkömmlich ein Haus nebst Scheuer, 3 M. Ackers, 1 Tagwerk Wiesen und 1/2 M. Garten oder öden Weinbergs. Die Äcker sind fruchtbar an trefflichem Roggen, an Dinkel, Weizen und Haber, erzeugen aber das örtliche Bedürfniß nicht. Die Wiesen gewähren reichen Ertrag. Von den Gärten sind nur jene der Grafen von Pückler und von Waldeck zu erwähnen. Für die Obstzucht geschieht in neueren Zeiten viel; es ist eine größere Baumschule vorhanden (s. S. 60). Nach der Aufnahme am 1. Januar 1850 waren 66 Pferde, 17 Ochsen und Stiere, 181 Kühe, 138 Stücke Schmalvieh, 22 Schafe, 145 Schweine, 79 Ziegen und 25 Bienenstöcke vorhanden. Das Rindvieh zeichnet sich durch Schönheit besonders aus, die Anzahl aber ist, mit der Größe der Markung verglichen, klein.

| Die Handwerks-Industrie ist nicht von Belang, was schon daraus erhellt, daß auf 4 Meister kaum 1 Gehilfe trifft; daher die meisten Gewerbsleute zugleich Landwirthschaft treiben. Auch kann keines der hier betriebenen Handwerke als besonders blühend bezeichnet werden. Einige Fabrik-Anlagen sind in neuerer Zeit entstanden, nämlich: die Glasfabrik von Pfähler und Schindler, 1843 jenseits des Kochers, anstatt der zuvorgedachten im Jahr 1843 eingegangenen Kaltwasser-Heilanstalt errichtet, wo alle Arten Hohlglas, mit und ohne Feinschliff und Vergoldung, gefertigt werden. Die Produktion kann, da zwei Schmelzöfen vorhanden sind, noch ausgedehnt werden. Dermalen sind im Ganzen 60 Arbeiter beschäftigt; der Absatz ist lebhaft auch in das Ausland, und die Nachfrage kann bei den gegebenen Umtriebsmitteln nicht immer befriedigt werden. – Die Beinwaaren-Fabrik von Ed. Kieser, 1848 errichtet, verfertigt guillochirte Elfenbein-, Bein- und Holz-Waaren, auch Tabletterie-Gegenstände verschiedenster Art, welche bei der Leipziger Gewerbe-Ausstellung 1850 besondere Anerkennung gefunden haben. Sie beschäftigt 6–8 Arbeiter innerhalb und ebenso viele außerhalb der Fabrik und setzt die Waaren auch in das nicht vereinte Ausland ab. – Die Soda-Fabrik von C. Mändlen (das Gebäude steht auf der Markung von Groß-Altdorf), 1844 errichtet, verfertigt Salzsäure, krystallisirtes und wasserfreies Glauber-Salz, rohe, calcinirte und krystallisirte Soda. Sie beschäftigt 20 Familienväter und versendet die Waare in das Inland, nach Bayern und Baden. – Das schon seit 1763 betriebene Vitriolbergwerk von Dieterich gewinnt aus dem S. 21 erwähnten Flötze Vitriol und Alaun, welche im Zollvereinsgebiet verkauft werden, und beschäftigt 7–8 Arbeiter. – Der Handel ist, abgesehen von der Ausfuhr der gedachten Fabrikate, nicht erwähnenswerth.

Die Gewerbesteuer-Rolle der Stadt zählte am 1. Juli 1851

Meister Gehilfen
und
Lehrlinge
Meister Gehilfen
und
Lehrlinge
Apotheker 1 1 Conditoren 6 1
Bäcker 120 4 Essigsieder 1
Barbiere 2 Färber 3 2
Baumwollenweber 3 1 Feldmesser 1 1
Beindrechsler 2 Flaschner 1
Beinwaarenfabrikanten 1 1 Frachtfahrer 3
Bergleute 3 Glaser 2
Bierbrauer 6 1 Gypser 1 1
Branntweinbrenner 9 Hafner 3
Buchbinder 2 1 Handlungen 120 2
Büchsenmacher 1 Holzdrechsler 2
Bürstenbinder 1 Holzhändler 2
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Hufschmiede 4 1 Sattler 5 1
Hutmacher 2 1 Seifensieder 3
Kaminfeger 1 1 Sailer 3
Kammmacher 1 Schlosser 7 1
Kleinhändler 4 Schneider 110 1
Kornmesser 2 Schreiner 5
Kübler 3 Schuhmacher 200 3
Küfer 3 Schenkwirthe 4
Kupferschmiede 2 Schildwirthe 9 1
Leineweber 9 Sesselmacher 1
Lohnfahrer 2 Silberarbeiter 2
Maurer 6 Steinhauer 4 4
Messerschmiede 1 Strumpfstricker 1
Metzger 8 3 Strumpfweber 1
Musiker 1 Tuchmacher 3
Nadler 1 Uhrmacher 2 1
Näherinnen 5 Wagner 3
Nagelschmiede 4 2 Weißgerber 1
Putzmacherinnen 3 Ziegler 2 2
Rothgerber 4 4 Zimmerleute 2 7
Sägmüller 2 Zinngießer 1

Gaildorf hat vier Jahrmärkte, womit die namhaften S. 69 erwähnten Viehmärkte und die Flachsmärkte (S. 57) verbunden sind. Von geringerer Bedeutung ist die seit 1830 in dem vormaligen Burghofgebäude errichtete Fruchtschranne. An Getreide aller Art wurden auf derselben umgesetzt:

1846      25613/8 Scheffel      47.814 fl. 44 kr. Erlös,
1847 19444/8
39.540 fl. 42 kr.
1848 3643
46.121 fl. 01 kr.
1849 2713
27.457 fl. 36 kr.
1850 25502/8
28.108 fl. 19 kr.
1851 4120
55.431 fl. 26 kr.
Was das Gemeinde-Wesen betrifft, so ist das Vermögen der Stadt nicht bedeutend. Der Werth ihres Besitzthums an Gebäuden und Grundeigenthum beträgt etwa 25.000 fl.; verzinsliche Activ-Capitalien besitzt sie nicht, vielmehr hat sie 3700 fl. Passiv-Capitalien zu verzinsen. Die Einnahmen der Stadtpflege sind 2234 fl., die Ausgaben 4189 fl.; es sind daher neben 962 fl. Amts-Umlagen 2000 fl. an Gemeindeschaden umzulegen. – Das auf die Flösserei deutende Stadtwappen besteht in einem sogenannten Fach mit Floßhaken und hat die Jahreszahl 1434. | – Es ist eine öffentliche Schießstätte vorhanden. – Straßenbeleuchtung findet nicht Statt.

Für den Kirchendienst sind ein Stadtpfarrer, zugleich Dekan, und ein Helfer, zugleich Pfarrer in Münster, angestellt. Der letztere, früher „Caplan“ genannt, hatte schon seit der Reformation zugleich die Pfarrei Münster zu versehen, bis 1710 die Helfersstelle mit dem Präceptorat verbunden wurde; am 10. Januar 1810 trat jedoch, unter Aufhebung des Präceptorats, die jetzige Verbindung wieder in’s Leben. Gaildorf hat keine eigentlichen Filialien. Das Patronat zur Stadtpfarrei, welches mit den Episcopatrechten bis 1806 der Landesherrschaft zustand, üben seit 5. Okt. 1831 die Krone zu 1/8 und die Standesherrschaften Limpurg-Gaildorf zu 4/8 und Limpurg-Waldeck zu 3/8 nach einem gewissen Turnus aus.

Außer dem schon S. 79 erwähnten Armenhaus, das früher ein Lazareth oder Siechenhaus war, sind keine besondere Armen- und Kranken-Anstalten vorhanden. Die Stiftungs-(Heiligen-)Pflege besitzt nur 12/8 M. Grundeigenthum und 3703 fl. Activ-Capitalien, worauf 3699 fl. Schulden haften. Da die Einnahmen 329 fl., die Ausgaben aber 389 fl. betragen, so muß die Gemeinde in’s Mittel treten. Außerdem ist eine Lazareth-Pflege und eine Almosen-Pflege vorhanden. Die erstere besitzt das Armenhaus, 1/4 M. Garten und 4800 fl. gestiftete Capitalien; die letztere 1828 fl. Capital-Vermögen, das durch regelmäßige Wochensammlungen und 1000 fl., welche der Stadtpfleger Chr. Sigm. Maurer 1848 stiftete, zusammenkam; der Zins aus diesen 1000 fl. wird nach Anordnung des Stifters je zur Erziehung eines armen Kindes der Stadt verwendet.

Die lateinische Schule, welche seit der Reformation bestand, ist, wie schon erwähnt, 1810 aufgehoben worden. Dagegen wurde 1839 eine am 4. Dezember in’s Leben getretene, niedere Realschule, wozu der Staat jährlich 250 fl. beiträgt, errichtet. An der deutschen Schule stehen ein Schulmeister und ein Unterlehrer. Die von der Stiftungspflege verwalteten Schulstiftungen betragen 200 fl., der Schulfond 90 fl. 24 kr. An der 1833 neuerrichteten Industrieschule für Knaben und Mädchen unterrichten ein Lehrer und eine Lehrerin.

Der 1710 angelegte Begräbniß-Platz liegt nahe bei der Vorstadt an dem Wege nach Münster; er hat eine kleine Capelle, wo die Leichenreden gehalten werden.

Auf der Stadtmarkung befinden sich:

a) die Rudolphsmühle, nahe am Kocher, an einem von der Höhe herabstürzenden namenlosen Bache. Zuerst eine Mahl-, dann eine Schleif- und Walk-Mühle, ist sie jetzt für die schon erwähnte Beinwaaren-Fabrik | eingerichtet. Ein Vertrag zwischen Limpurg und Kloster Comburg von 1555 bestimmt, daß „die neue Mühl bey dem Rudolfsbrunnen“, von Schenk Erasmus auf einem Comburg lehenbaren Grundstück erbaut, unter Limpurg’scher Vogtei stehen solle.

b) Die schon beschriebene Glasfabrik, das Vitriolbergwerk und einige Wohngebäude, sämmtlich jenseits der Kocherbrücke.


Geschichtliches.
Gaildorf, bis 1404 nur ein Dorf, hat ohne Zweifel der oben beschriebenen Burg sein Daseyn zu verdanken, da frühe schon ein Geschlecht von niederem Adel hier saß, das wir seit seinem urkundlichen Auftreten in Dienstverhältnissen zu den Schenken von Limpurg antreffen. Rabenoldus de Gailendorph ist 1255 Zeuge in einer Urkunde des Schenken Walther (Gabelkofer); ein Ruckerus de Geilndorff verbürgt sich 1280 für denselben; 1286 kommt wieder ein Rabenold vor. Vor und nach 1404 waren auch Haller Edle, wohl als Limpurg’sche Dienstleute, hier ansässig und begütert, namentlich bis 1599 die von Rinderbach; und es ist um so wahrscheinlicher, daß die Schenken seit der Mitte des dreizehnten Jahrhunderts hoheitliche Rechte hier hatten, als bei den alsbald zu erwähnenden Käufen derselben die ihnen wohl bereits zugestandene Vogtei nicht genannt wird. [3] Eberhard Philipp verkauft an Schenk Albrecht 1369 ein Gut; Heinrich Kuhn 1371 ebenso Alles, was er hier hatte; Walther Eberwein 1373 ein Gut; 1374 Kraft von Suntheim, Mönch in Comburg, 2 Güter an denselben. Die Schenken Conrad und Friedrich kauften 1387, 1399, 1405, 1410 von Ulrich von Geilenkirchen, Hans von Morstein, Claus Halberg und Conrad Berler mehrere Lehen und einzelne Güter. Wilhelm Kechler von Schwandorf verkauft 1621 an Limpurg das Rinderbach’sche Haus dahier mit allen Gütern und Rechten. Schenk Albrecht kauft 1369 von Rüdiger von Hohenstein seinen Zehentantheil um 72 Pfd. Heller. Urkundlich erwiesen ist, daß Schenk Albrecht das Dorf Gailndorff mit eigenen Leuten, Gerichten und Zehenten im Jahr 1374 besaß. Im Jahr 1403 wird das Halsgericht zu Gaildorf als ein Reichslehen bezeichnet. Am Dienstag nach St. Laurentius (12. Juli) 1404, ertheilte Kaiser Ruprecht dem Schenken Friedrich die Erlaubniß, das Dorf Gaildorf mit Mauern und Gräben zu umfassen und eine Stadt | daraus zu machen mit Wochenmarkt und zwei Jahrmärkten. Auch erhielt die Stadt kaiserliches Asylrecht für Todtschläger.[4]

Noch aber hatte die Stadt keine eigene Kirche und war nach Münster eingepfarrt. Eine Capelle sogar wurde erst 1417 von der Wittwe des Schenken Friedrich III. und ihrem Sohn Conrad gestiftet; es geschah in der Ehre der Mutter Gottes und mit den Einkünften der Klause unter der Burg Limpurg. Im Jahr 1433 wurde aber die Kirche zur Pfarrkirche erhoben, indem die Pfarrei Münster und die Frühmesse zu Bühlerzell in dieselbe versetzt wurde, von wo an bis 1694 die Kirche zu Münster Filial und Todtenkirche von Gaildorf wurde (s. auch Münster).

Die Stadt blieb bis 1441 in gemeinschaftlichem Besitze der Schenken. Welches Schicksal dieselbe bei den Theilungen von den Jahren 1441, 1557, 1690 und 1774 bei den neueren Abtheilungen hatte, ist oben S. 92 u. f. angegeben; sowie auch, daß Theile des Städtchens schon 1780 und 1785 an Württemberg gekommen, bevor dasselbe 1806 ganz dessen Hoheit unterworfen ward. Im Jahr 1741 waren 194 Bürger und zehn Hausgenossen in der Stadt. Prescher zählte 1785 gegen 240 Bürger und 1148 Einwohner, worunter 825 von der Bürgerschaft und, da hier drei Regierungen und mehrere Bezirksämter saßen, 323 Bedienstete aller Art mit ihren Angehörigen.

Die besonderen Ereignisse, welche Gaildorf mitbetrafen, sind schon S. 109 angegeben. Das Schloß wurde 1634 geplündert. In den vier Jahren, von 1634 bis 1637, starben 678 Menschen in der Pfarrgemeinde; 1645 starben ebenda 64, wohl 1/10 des Ganzen. Turenne hatte am 24. April 1648 ein Lager bei der Stadt.


  1. Hilfsmittel für den topographischen Theil: H. Prescher, Geschichte und Beschreibung der Reichsgrafschaft Limpurg, 2 Theile, Stuttgart 1789, und die S. 97 erwähnten Urkunden-Auszüge, auch andere am betreffenden Ort erwähnte Druckschriften. Außerdem wurden überall, so weit sie sich fanden, Archiv-Urkunden zu Grund gelegt.
  2. Hiemit würde auch die Sage übereinstimmen, wonach ein an einem Pfeiler des Portals eingehauenes Bild eines bärtigen Mannes mit Winkelmaß und der Überschrift: „1482 hans unker von Kelh’n“ das des Baumeisters seyn soll. (Württ. Jahrb. 1841, 54.)
  3. Auf einen frühern Herrn des Ortes, der aber nicht näher zu ermitteln ist, scheint die Stelle in einer Urkunde von 1410 zu deuten, worin von einem Hofe die Rede ist, „bey des Grafen Brunnen zu Geylndorf.“ Die Schenken nannten sich bekanntlich vor dem siebenzehnten Jahrhunderte nicht „Grafen.“
  4. „Wenn Jemand einem Andern tödtlichen Schaden am Leib zugefügt oder Einen gar entleibt hatte und derselbe sich in die Freiheit nach Gailndorff begeben wollte, hat er sich erst bei der Herrschaft anzumelden und da er aufgenommen, jeden Monat, so lang er sich im Städtlein aufhält, einen Gulden Schutzgeld zu geben, wogegen er vor Leibs und Lebens Gefahr gesichert. Will sein Gegentheil ihn rechtlich angreifen, so muß es vor dem Gericht zu Gailndorff geschehen.“ Während des Processes aber bleibt er auf freiem Fuß, und sollte das Urtheil auf Leib und Leben lauten, das in Gaildorf vollzogen werden müßte, „so mag er sich unaufgehalten von dannen machen auf seine Gefahr, denn sobald er vorm Städtlen und dessen beiden Thoren, ist er außerhalb der Freiheit; und wenn er nicht verkundschaftet wird, kann er sich an einen andern sichern Ort begeben.“ (Alte Handschrift in Ober-Sontheim.) Also gab das ganze Städtchen Asylrecht, von welchem noch 1698 Gebrauch gemacht wurde.
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