Beschreibung des Oberamts Besigheim/Kapitel A 3
« Kapitel A 2 | Beschreibung des Oberamts Besigheim | Kapitel A 4 » | |||
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
| |||||
Für eine seitenweise Ansicht und den Vergleich mit den zugrundegelegten Scans, klicke bitte auf die entsprechende Seitenzahl (in eckigen Klammern).
|
a) Die Zahl der Angehörigen des Oberamts betrug am 3. Dez. 1852 29.080 und zwar 14.457 männliche, 14.623 weibliche. Nach früheren Aufnahmen war dieselbe:
1812, Nov. 1. | 12.314 männl. | 12.792 weibl. | zus. 25.106 |
1822, Nov. 1. | 13.003 männl. | 13.530 weibl. | zus. 26.533 |
1832, Nov. 1. | 13.831 männl. | 14.461 weibl. | zus. 28.292[1] |
1842, Nov. 1. | 13.682 männl. | 13.981 weibl. | zus. 27.663 |
1846, Dez. 3. | 14.048 männl. | 14.178 weibl. | zus. 28.226 |
1849, Dez. 3. | 14.267 männl. | 14.352 weibl. | zus. 28.619 |
Die ortsanwesende Bevölkerung zählte im Jahr 1822 25.891 und waren damals Angehörige abwesend 1807, dagegen Fremde anwesend 1165; im Jahr 1846 zählte man 27.519, im Jahr 1849 26.774 Ortsanwesende.
Was die Dichtheit der Bevölkerung, oder den relativen Stand derselben betrifft, so kamen auf 1 geogr. Quadratmeile im Jahr 1849, Dez. 3., 9480 Angehörige oder 8869 Ortsanwesende; da nun die| relative Bevölkerung im ganzen Lande zu gleicher Zeit 5034 und 4924 betrug, so ist dieselbe hier um resp. 88 und 80 Proc. stärker, und es gehört der Bezirk zu den am dichtest bevölkerten des Landes, worin ihm nur die Oberämter Canstatt, Eßlingen, Waiblingen und Ludwigsburg voranstehen. Auf 1 Angehör. kommt 16/8 Morg. 36 Ruth. der ganzen Fläche.b) Die weibliche Bevölkerung übertraf die männliche im Jahr 1849 um 85, oder auf 1000 männliche kamen 1006 weibliche; während im Landes-Durchschnitt auf 1000 männliche 1035 weibliche kamen. Im Jahr 1842 hatte dieser Überschuß hier betragen 299, im J. 1846 130.
c) Die Angehörigen des Oberamts theilten sich 1846 in die nachstehenden Altersklassen:
davon kommen auf 10.000 | ||||
männl. | weibl. | männl. | weibl. | |
unter 6 Jahren | 2196 | 2112 | 1563 | 1490 |
von | 6 bis 14 Jahren2467 | 2418 | 1756 | 1705 |
von 14 bis 20 Jahren | 1500 | 1514 | 1068 | 1068 |
von 20 bis 25 Jahren | 1242 | 1259 | 884 | 888 |
von 25 bis 40 Jahren | 2993 | 3119 | 2131 | 2200 |
von 40 bis 60 Jahren | 2581 | 2716 | 1837 | 1916 |
von 60 bis 70 Jahren | 704 | 744 | 501 | 525 |
von 70 bis 80 Jahren | 333 | 257 | 237 | 181 |
von 80 bis 90 Jahren | 31 | 39 | 22,3 | 27 |
von 90 bis 100 Jahren | 1 | – | 0,7 | 0 |
14.048 | 14.178 | 10.000 | 10.000 | |
28.226. |
Es fallen hienach auf die Altersklassen unter 14 Jahren 33 Proc. oder 1/3 der Bevölkerung; nahe die Hälfte, 52 Proc. derselben, war in dem Alter unter 25 Jahren, während die über 60 Jahre Zählenden nur noch 7 Proc. der Bevölkerung betrugen; die schulpflichtige Jugend von 6–14 Jahren zählte 4885, d. i. 17 Proc.; die wehrfähige Mannschaft von 20–40 Jahren 4235, d. i. 15 Proc. der Bevölkerung. Von der angehörigen Bevölkerung des Jahrs 1822 kommen auf
10.000 | |||
männl. | weibl. | ||
unter 14 Jahren | 3309 | 3262 | |
von 14 bis 18 Jahren | 848 | über 14 Jahren. | |
von 18 bis 25 Jahren | 1221 | ||
von 25 bis 40 Jahren | 1996 | 6738 | |
von 40 bis 60 Jahren | 1865 | ||
über 60 Jahren | 761 | ||
10.000 | 10.000 |
Verehelichte zählte man 1846 | 8774 |
Wittwer | 569 |
Wittwen | 849 |
Geschiedene | 41 |
Unverehelichte | 17.993 |
28.226 |
Es kamen hienach auf 1 Familie 4,7; auf 1 Ehepaar 6,4 Angehörige.
e) Kirchliches Verhältniß im Jahr 1846, Dez. 3.
a) Christen: | |
evangelisch-lutherischer Confession | 27.732 |
römisch-katholischer Confession | 96 |
andere christliche Partheien | 30 |
b) Juden | 368 |
28.226 |
f) Im Jahr 1822 stellte sich das Gewerbs- und Nahrungs-Verhältniß im Bezirk folgendermaßen dar:
Bedienstete: | ||
in Königl. Militärdiensten | 308 | |
in Königl. Civildiensten | 117 | |
in gutsherrlichen Diensten | 11 | |
in Commundiensten | 410 | |
Gewerbetreibende | 1787 | |
ohne Gewerbe, von eigenem Vermögen lebend | 63 | |
Bauern und Weingärtner | 2541 | |
Taglöhner | 361 | |
in Almosen stehend | 240 | |
5838 | [2] |
Nach zehnjährigen Durchschnitten von 1812/22 und von 1836/46 betragen die jährlichen
a) Geburten, und zwar
1812/22 | 1836/46 | |
männliche | 511,1 | 571,6 |
weibliche | 478,0 | 530,9 |
zusammen | 989,1 | 1102,5 |
1812/22 | 1836/46 | |
Darunter sind uneheliche | 94,3 | 102,6 |
Todt kamen zur Welt von 1812/22: | ||
männliche | 27,6 | – |
weibliche | 21,8 | – |
zusammen | 49,4 | – |
b) Sterbefälle:
männliche | 394,6 | 406,0 |
weibliche | 380,3 | 409,7 |
zusammen | 774,9 | 815,7 |
c) Wanderungen:
Eingewandert sind: von | 1812/22 | 1836/46 | ||
männl. | weibl. | männl. | weibl. | |
aus fremden Staaten | 2,2 | 3,6 | 2,4 | 3,9 |
aus andern Orten des Königreichs | 60,1 | 89,9 | 99,5 | 150,1 |
62,3 | 93,5 | 101,9 | 154,0 | |
Ausgewandert sind: | ||||
nach fremden Staaten | 33,5 | 28,1 | 33,7 | 30,5 |
nach andern Orten des Königreichs | 62,6 | 91,2 | 133,4 | 185,6 |
96,1 | 119,3 | 167,1 | 216,1 | |
Es sind also mehr aus- als eingewandert | 33,8 | 25,8 | 65,2 | 62,1 |
Demnach haben sich die Auswanderungen neuerlich bedeutend vermehrt; diese Vermehrung rührt jedoch größtentheils von Übersiedlungen in andere Theile des Landes her, und die Wanderungen nach fremden Ländern sind in beiden Perioden sich ziemlich gleich geblieben.
d) Veränderungen im Stand der Ehen.
In dem Jahrzehend von 1812/22 sind im Durchschnitt jährlich | |
neue Ehen geschlossen worden | 175,5 |
Zuwachs durch Hereingezogene | 19,5 |
195,0 | |
Dagegen sind Ehen aufgelöst worden: | |
durch Tod | 165,8 |
durch Scheidung | 1,9 |
Abgang durch Hinausgezogene | 27,4 |
195,1 |
e) Wachsthum der Bevölkerung und Verhältnisse derselben.
Die Volksmenge des Oberamts nahm zu von 1812/22 um 689 männl., 738 weibl., zusammen um 1427 (0,568 Prc. jährl.); von 1836/46 um 891 männl., 556 weibl., zusammen um 1447 (0,540 Proc. jährlich).
| Der natürliche Zuwachs, d. i. der Überschuß der Geborenen über die Gestorbenen, betrug in erster Periode 2142, in zweiter 2868 Seelen.Unter 1000 Seelen dieses Überschusses befanden sich im ersten Zeitraum 544 männliche, 456 weibliche; im zweiten Zeitraum 577 männliche, 423 weibliche.
Unter 1000 Seelen des gesammten Zuwachses waren von 1812/22 483 männliche, 517 weibliche und von 1836/46 616 männliche, 384 weibliche.
Das Geburtsverhältniß berechnet sich für den ersten Zeitraum wie 1:25,9 oder es kommen auf 10.000 Einwohner 385,0 Geborene; für den zweiten Zeitraum wie 1:24,9 oder es kommen auf 10.000 Einwohner 401,4 Geborene.
Unterscheidung nach Geschlechtern: auf 1000 geborene Mädchen, kommen, von 1812/22 1069 und von 1836/46 1077 geborene Knaben.
Das Verhältniß der unehelichen Geburten zu den ehelichen ist für 1812/22 wie 1:10,5 und für 1836/46 wie 1:10,7; unter 100 Geborenen waren nämlich uneheliche von 1812/22 9,5, von 1836/46 9,3; da der Landesdurchschnitt für beide Perioden 1:9,1 und 1:8,8 beträgt, so gehören obige Verhältnisse zu den günstigeren im Lande.
Das Verhältniß der Todtgeborenen zu sämmtlichen Geborenen stellt sich von 1812/22 wie 1:20,0, während sich dasselbe für das ganze Land wie 1:26,0, also günstiger stellt.
Das Verhältniß der Gestorbenen zu den Lebenden ist von 1812/22 wie 1:33,2; von 1836/46 wie 1:33,7, oder auf 10.000 Einwohner kamen im ersten Zeitraum 301,6, im zweiten 297,0 Sterbefälle vor. Die Sterblichkeit hat sich also hier nicht nur vermindert, sondern zeigt sich dem Durchschnitt des Landes gegenüber, (1:31,5 und 1:29,9) auch günstiger als dieser.
Mit Unterscheidung der Geschlechter kommen von 1812/22 auf 1000 weibliche Gestorbene 1038 männliche Gestorbene und von 1836/46 auf 1000 männliche Gestorbene 1009 weibliche Gestorbene.
Nach den verschiedenen Altersklassen starben von 1812/22 in dem Bezirk
von 10.000 Gestorbenen | ||
männl. | weibl. | |
vor der Geburt | 699 | 573 |
unter 1 Jahr alt | 3576 | 2974 |
vom | 1 bis 7 Jahre1384 | 1562 |
vom | 7 bis 14 Jahre319 | 297 |
vom 14 bis 25 Jahre | 456 | 400 |
vom 25 bis 45 Jahre | 811 | 1054 |
vom 45 bis 60 Jahre | 831 | 1052 |
über 60 Jahre alt | 1924 | 2088 |
10.000 | 10.000 |
Trauungen fanden statt von 1812/22 im Durchschnitt jährlich 175,5, wonach 1 Trauung auf 146,4 Einwohner kam, während im ganzen Lande eine auf 143,3 Einwohner fiel.
Für einzelne Gemeinden des Oberamts ergeben sich aus den 10jährigen Durchschnittsberechnungen von 1836/46 folgende bemerkenswerthe Verhältnisse:
Die Geburten waren im Allgemeinen am zahlreichsten zu Metterzimmern; es kamen hier auf 1000 Einwohner deren 49,7; im Löchgau 43,4; in Klein-Ingersheim 43,0; in Ilsfeld und Kaltenwesten 42,3; Hessigheim 41,9; Bietigheim 41,6.
Die wenigsten Geburten zählten Freudenthal und Hohenstein, auf 1000 Einw. 33,3; Gemmrigheim 33,7; Hofen 34,3; Wahlheim 35,9; Schotzach 38,3.
Die meisten unehelichen Geburten kamen vor: zu Hohenstein unter 100 Geburten überhaupt 14,5; Ilsfeld 11,8; Kaltenwesten 13,4; Bietigheim 10,8; Metterzimmern 10,4; Löchgau 10,3.
Die wenigsten unehelichen Geburten hatten: Schotzach unter 100 Geburten 5,0; Klein-Ingersheim 5,9; Bönnigheim 6,7 Gemmrigheim 6,8; Hessigheim 7,1; Besigheim 7,3.
Die Sterblichkeit war am größten zu Metterzimmern, wo von 1000 Einwohnern jährlich 38,9 starben; zu Bietigheim 34,2; Löchgau 33,0; Groß-Ingersheim 32,3; Klein-Ingersheim 32,1; Bönnigheim und Ilsfeld 31,0.
Am geringsten war die Sterblichkeit in Schotzach, wo von 1000 Einwohnern 16,5 starben; zu Hohenstein 22,5; Hofen 23,3; Freudenthal 24,4; Erligheim 25,1; Kirchheim a. N. 25,7.
Alte Leute, die das 70ste Jahr zurückgelegt hatten, waren bei der Volkszählung von 1846 am zahlreichsten vorhanden: in Freudenthal unter 1000 Angehörige 34,3; in Besigheim 33,9; Bönnigheim 29,6; Löchgau 26,6; Kirchheim 25,9; Groß-Ingersheim 25,8.
Die wenigsten alten Leute von mehr als 70 Jahren hatten: auf 1000 Angehörige Metterzimmern 6,7; Schotzach 8,7; Hohenstein 10,8 Klein-Ingersheim 13,1; Hofen 16,7; Ilsfeld 19,9.
|Die Einwohner unseres Bezirks gehören, mit Ausnahme einiger Eingewanderten, dem schwäbischen und fränkischen Volksstamm an, indem die ehemalige Grenze zwischen Schwaben und Franken durch den Oberamtsbezirk führte. Der Menschenschlag ist im Allgemeinen, besonders in den Orten, wo der Weinbau vorherrschend getrieben wird, ziemlich gedrungen,[3] jedoch wohlgebildet, kräftig und in Folge der von früher Jugend an gewohnten, strengen Arbeit, ausdauernd und abgehärtet. Die mittlere Größe der Conscriptionspflichtigen im Bezirk beträgt nach einer 5jährigen Durchschnittsberechnung (württ. Jahrbücher 1833, S. 384 ff.) 57,80″, was dem Oberamt Wangen, wo durchschnittlich die meisten großen Männer vorkommen, nur 1,7″ nachsteht und das Oberamt Maulbronn, welches in dieser Beziehung die ungünstigsten Ergebnisse lieferte, um 0,3″ übertrifft. Unter 1000 Conscriptionspflichtigen hatten 183 eine Größe von 6′ und darüber. Untüchtig wegen Gebrechlichkeit erscheinen nach der durchschnittlichen Berechnung unter 1000 Pflichtigen 426, was gegen das Minimum 250 (Oberamt Mergentheim) ein ungünstiges Resultat liefert; günstiger ist die Zahl der wegen allgemeiner Körperschwäche und Kränklichkeit Untüchtigen, indem der Bezirk unter 1000 nur 57 zählte (das Maximum Ulm mit 157, das Minimum Saulgau mit 26).
Die Gesundheitsverhältnisse des Bezirks gehören bei der günstigen Lage der meisten Ortschaften, der fleißigen, einfachen und mäßigen, von bitterer Armuth und üppigem Überfluß gleichweit entfernten Lebensweise der meisten Bewohner und dem Mangel störender äußerer Einflüsse zu den günstigsten des Landes, wie dies die Seltenheit von Epidemien und das hohe Alter mancher Personen beweist. Im Jahr 1848–49 starb ein Mann von 92 und einer von 95 Jahren; 108 Personen waren älter als 70 Jahre. In dem Jahr 1850–51 allein starben 7 Männer und 2 Frauen, welche das 80ste Jahr überschritten hatten. Als herrschende Krankheiten können katarrhalische, rheumatische, bisweilen auch nach Umständen entzündliche und gastrische Krankheiten bezeichnet werden.
Im Sommer 1845 waren Brechdurchfälle bei Kindern, gastrisch-typhose Fieber bei Erwachsenen häufig; von Oct. bis Dec. traten Krampfhusten bei Kindern – woran im Ganzen 34 starben – katarrhalische Affektionen bei Erwachsenen auf. In den ersten Monaten des Jahrs| 1846 waren Luftröhren- und Lungen-Entzündungen häufig; an jenen starben 22 Kinder, an diesen 48 Personen. Außerdem waren in dem heißen Sommer Gichter bei Kindern, Nervenfieber, Stick- und Schlagfluß bei älteren Personen häufig. An Gichtern starben 130 Kinder, an Schwindsucht 54, am Stick- und Schlagfluß 33 Personen; am Nervenfieber in Lauffen allein 32. Epidemisch war der Typhus in Gemmrigheim und Groß-Ingersheim; gastrisch-nervöse Fieber dauerten bis zum Herbst, und in Besigheim kamen bis zum Dec. allein 193 Nervenfieber zur Anzeige. Vom Jan. bis März 1847 herrschten Katarrhe und Grippe, vom April an gastrisch-katarrhalische Krankheiten, dann brachen die Masern in Ilsfeld, Hofen, Hohenstein und Bönnigheim epidemisch aus, welchen entzündliche katarrhalische Fieber folgten. Hierauf erschienen die Masern im Juli in Freudenthal, im September in Wahlheim, im Oktober in Kirchheim und Klein-Ingersheim; in ihrem Gefolge waren Luftröhren-Entzündungen und vereinzelte Pockenfälle. Die Jahre 1848, 49 und 50 zeigten theils katarrhalisch-rheumatische, theils entzündliche und nervöse Krankheiten. Vom April bis Juli 1849 herrschten Masern und Keuchhusten epidemisch, vom Juli bis September Brechruhr und Keuchhusten, sodann die Masern. Die Pocken nahmen fast allgemein überhand und von 128 Kranken starben 22. Am meisten Kranke hatte Bietigheim (35) und Ilsfeld (18), weniger Kaltenwesten (13), Erligheim (12) und Bönnigheim (8). 1850 begann hitziges Gliederweh und Flußfieber den Reigen, woran sich von April bis Juli katarrhalisch-gastrische Krankheiten und Parotiden-Entzündungen der Kinder anreihten. Das Jahr 1851 zeichnete sich durch häufigen Krampfhusten und Wassersuchten aus.Bei allen diesen Krankheiten zeigt sich der Einfluß anstrengender Beschäftigung im Freien und der herrschenden Witterungsverhältnisse auffallend, wogegen Syphilis und Geistesstörungen sehr selten sind.
Als endemische Krankheiten können Skropheln und Kropf bezeichnet werden. Letzterer, nicht selten von kretinischer Entartung begleitet, ist besonders häufig in Bietigheim, seltener in Lauffen, am seltensten in der Oberamtsstadt. Von kretinischen Subjekten hat Dr. Rösch bei 34 Familien 36 Individuen in Bietigheim allein beobachtet, worunter jedoch nur 2 eigentliche Kretinen. Im ganzen Bezirk sollen sich nach den amtlichen Berichten an 54 befunden haben. Da nach derselben Angabe im ganzen Neckarkreis auf 269 Einwohner 1 kretinisches Individuum kommt, so stellt sich das Verhältniß bei der dermaligen Bevölkerung von 29.261 Einwohnern = 0,180 Prozent heraus, was immerhin ein günstiges genannt werden kann. Überdieß ist das Übel sichtlich im Abnehmen begriffen.
| Der Volkscharakter ist im Allgemeinen gut und spricht sich durch Rechtlichkeit, Fleiß, Sparsamkeit, Wohlthätigkeitssinn und Religiosität, welche häufig die Formen des Pietismus liebt, vortheilhaft aus; neben dem Pietismus findet neuerer Zeit auch die Sekte der Wiedertäufer, deren Gesammtzahl gegenwärtig 90 beträgt, immer mehr Anhang in Besigheim, Hessigheim, Bietigheim, Groß-Ingersheim, Hofen, Ilsfeld, Kaltenwesten, Kirchheim, Klein-Ingersheim und Löchgau. Die Charaktervorzüge des Schwaben und des Franken sind bei den Bewohnern des Bezirks günstig vereinigt, indem dieselben mit einer gewissen Biederkeit ein gefälliges, ungezwungenes Betragen verbinden, was mitunter auch in dem durch verschiedene frequente Straßenzüge vermittelten Verkehr bedingt sein mag. In dessen Folge weicht auch die ländliche Kleidertracht in den verschiedensten Übergängen immer mehr der städtischen Mode, von welcher sie sowohl in den Städten als den meisten Dörfern beinahe schon gänzlich verdrängt ist. Nur einzelne Orte, wie Metterzimmern, Gemmrigheim, Hofen etc. sind der solideren Tracht ihrer Väter noch ziemlich treu geblieben, indem man hier als Manneskleidung den Dreispitzhut, den blauen Tuchrock, rothe oder schwarze Brusttücher mit Rollknöpfen und gelbe, kurze Lederhosen noch häufig trifft. Bei dem weiblichen Geschlecht ist die moderne Tracht noch allgemeiner, wozu viel beiträgt, daß Mädchen, welche in den nahe gelegenen Hauptstädten dienen und nach Jahren modernisirt in ihre Heimath zurückkehren, von den im Ort Zurückgebliebenen nachgeahmt werden. Das anständige deutsche Häubchen wird immer seltener und den stärkern vielgefälteten Wilfling-Rock, so wie den aus eigenem Gespinnst gewobenen Barchent-Anzug verdrängen immer mehr die leichten zitzenen oder bunten Zeugleskleider.Eigenthümliche Gebräuche und allgemeinere Volksbelustigungen werden immer seltener, und das früher übliche Eierlesen am Ostermontag kommt nur noch in einzelnen Orten, wie in Groß-Ingersheim, Kirchheim, Hessigheim etc., jedoch nicht jedes Jahr vor. Die auf dem Seehaus bei Lauffen während des von 3 zu 3 Jahren wiederholten Fischens abgehaltenen Tanzbelustigungen, welche einige Wochen dauerten und sowohl von Lauffen als der Nachbarschaft zahlreich besucht waren, haben seit der Trockenlegung des Sees aufgehört; das früher vielbesuchte Maienfest zu Lauffen hat schon seit 1797 nicht mehr stattgefunden. Tanz ist noch üblich an Märkten und Kirchweihen, während die Hochzeiten meist in der Stille abgehalten werden. Bei letzteren, wie auch bei Taufen ist in einigen Orten das Schießen während des Zugs in die Kirche noch in Gebrauch. Bei Leichenbegängnissen werden von der Schuljugend vor dem Hause des Verstorbenen und während der Zug sich zum | Gottesacker bewegt, wie während der Einsenkung des Sargs, geistliche Lieder unter Anführung des Schulmeisters gesungen; Leichentrunk und Leichenmahl gehen täglich mehr ab. In den sogenannten Klöpflensnächten, je am Donnerstag der 4. Adventwoche, treiben Knaben und junge Leute häufig noch einen muthwilligen Schwank, das sogenannte „Klöpflen“, Anwerfen mit Erbsen an Fensterscheiben. An dem Unschuldigen-Kindleinstag (Pfeffertag) holen sich jüngere Kinder, mit der Wachholderruthe pfeffernd, eine kleine Gabe bei Großeltern und Anverwandten; die um diese Zeit wandernden Bauernknechte aber feiern nebst den Bauernsöhnen den Pfeffertag durch ziemlich ungebundene Belustigungen. Ein Jahresfest des landwirthschaftlichen Bezirksvereins wird neuerlich abwechslungsweise das eine Jahr zu Besigheim am Feiertag Petri und Pauli – das andere Jahr zu Lauffen am Margarethen-Markt gefeiert, womit sich am ersten Ort der sogenannte Kirschenpeter verbindet, ein jährliches Vergnügungsfest, das früher viele Bewohner der Umgegend nach Besigheim lockte.
Die Mundart bildet einen leichten Übergang von der schwäbischen in die fränkische und annähernd pfälzische. Schon bei Bietigheim, wo sich das Breite des schwäbischen Dialekts verliert, treten einzelne Spuren der feineren, singenden fränkischen Mundart hervor, z. B. das breite noi, noa (nein) wird hier schon ein gedehntes nai; weiter gegen Norden mischt sich, und zwar auf der rechten Seite des Neckars immer mehr die fränkische Sprechweise ein, während links desselben die pfälzische sich geltend zu machen sucht. Auffallend ist die kurze Aussprache sonst langer Silben, z. B. Gawwel statt Gabel, Wäggele statt Wägele, Stüwwle statt Stüble etc.; auch sind mehrere aus Französisch und Deutsch gemischte Wortbildungen üblich, wie Schenkage, Schmierale d. h. Geschenk, Rawangel d. h. Unruhe, Lärm. Das Wort „fein“ wird häufig für gut, angenehm etc. gebraucht.
- ↑ Bis hieher sind hierunter die Gemeinden Abstatt und Gruppenbach etc. mit 2433 Seelen begriffen, welche nach dem Gesetz v. 6. Juli 1842 vom Oberamt Besigheim getrennt und dem Bezirk Heilbronn zugetheilt worden, was bei allen Angaben über frühere Bevölkerungs-Verhältnisse zu berücksichtigen ist.
- ↑ Zu bemerken ist hier, daß die neueren Bevölkerungslisten seit dem Jahr 1822, sowohl über die Standes- und Nahrungsverhältnisse der Einwohner, als über die jährlichen Trauungen, Alter der Verstorbenen, Todtgeborene etc. durchaus keine Auskunft mehr geben.
- ↑ Eine Ausnahme machen die Einwohner von Gemmrigheim, welche meist großgewachsen sind und vorherrschend blonde Haare haben.
« Kapitel A 2 | Beschreibung des Oberamts Besigheim | Kapitel A 4 » | |||
Für eine seitenweise Ansicht und den Vergleich mit den zugrundegelegten Scans, klicke bitte auf die entsprechende Seitenzahl (in eckigen Klammern).
|