Beschreibung des Oberamts Balingen/Kapitel B 20
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Ostdorf liegt frei über einer tief eingeschnittenen Schlucht des zur Eyach eilenden, von Geislingen herabkommenden Ried-, nun Thalbachs, auf der Ebene des unteren Lias, im Angesicht der Alb und ihres Vorlandes.
Gar behaglich, reizende Baumgärten und Waldbäume namentlich Birken einschließend, breitet sich der ansehnliche, Wohlhabenheit verrathende, zum Theil mit städtischen Gebäuden gezierte Ort aus. Am Ostende liegt die mit stattlichem, spätgothischem, zeltdachbedecktem Thurm in der nordöstlichen Chorecke und mit spätgothischem Chor geschmückte, sonst 1832 mit spitzbogigen | Fenstern erbaute Kirche; davor das wohnliche Pfarrhaus mit Seitengebäuden. Der Gottesacker liegt außerhalb des Dorfs; die Kirche ist von der Stiftung, das Pfarrhaus vom Staat zu unterhalten. Das Innere der Kirche hell, frei, im Langhaus etwas nüchtern. Ein Rundbogen führt in den wohl erhaltenen Chor mit schönem, der Balinger Kirchhofkirche verwandten Rippengewölbe, das auf zum Theil ganz, zum Theil bis auf Konsolen in Kopfhöhe herablaufenden Wanddiensten ruht; im vorderen Schlußstein das Späth’sche (3 Schlüssel), im hintern das Wirtembergische Wappen. Im Chorbogen ein Grabstein mit „lapis angularis“, worauf Kelch und Mosesschlange: A. D. 1592 d. 13. Dez. starb der wirdig wolgelehrt Herr Magister Samuel Mann von Blabairen Pfarrer zu Ostdorf aetatis 32 dem Gott gnedig sei. Im Chor hing früher eine Tafel mit dem Wappen des Georg Heinrich Freiherrn zu Heydenburg, Obervogts der 4 Ämter Balingen, Tuttlingen, Rosenfeld und Ebingen, und des Julius Simon Nördlinger, Untervogts zu Balingen; 1681. Die Kirche besitzt einen alten silbernen und vergoldeten Nachtmahlskelch mit den Symbolen der Evangelisten und der Kreuzigung Christi am Fuß, und mit den Worten: I. H. S. HILF H. MARIA.Der Thurm zeigt sich innen trefflich gebaut; er enthält drei stattliche Glocken: die größte mit der Jahreszahl 1474 und den Namen der 4 Evangelisten in gothischen Minuskeln; die mittlere von Kurtz und S. in Reutlingen 1837; die kleinste von Engel in Ebingen.
Das Schulhaus wurde 1874 erbaut und enthält 2 große Lehrzimmer, sowie die Wohnungen der beiden Lehrer.
Das Rathhaus ist alt. Auch ein schönes Backhaus, ein Armen- und ein Schafhaus besitzt die Gemeinde.
Vizinalstraßen führen nach Balingen, Geislingen, Engstlatt, Owingen; die Staatsstraße Engstlatt–Owingen berührt die Markung; die Gemeinde hat 3 steinerne Brücken, der Staat 2 solche zu unterhalten.
Wasser ist reichlich und gut, es wird von 7 laufenden Brunnen mit vier größeren und einer kleineren Leitung theils aus Eisen, theils aus Thon und Holz, 22 Pump- und 8 Schöpfbrunnen gespendet. Auch 5 Wetten sind im Ort.
Die kräftigen Einwohner, von denen 7 über 80 Jahre, sind fleißig, sparsam, kirchlich gesinnt. Ein Mittelstand herrscht | vor. Der Grundbesitz des vermöglichsten Einwohners besteht in 1416 a Äcker, 660 a Wiesen, 74 a Länder, 893 a Waldung, dazu 5 Wohnhäusern, 5 Scheuern, 3 Nebengebäuden; der des Mittelmanns in 5 ha Äcker, 3 ha Wiesen, 2 ha Wald, Haus und Scheuer; der des Armen in etwa 24 a Allmandtheilen und einem Häuslein. Auf Balinger Markung hat man 32 ha.Von Gewerben bestehen 1 Ziegelei, 3 Mühlen (2 mit 3 Mahlgängen und 1 Gerbgang, 1 mit 2 Mahlgängen und 1 Gerbgang); 2 Hanfreiben, 1 Ölmühle mit Göppel, 1 Gipsmühle, 2 Sägmühlen. Ferner 5 Schildwirthschaften, wovon 3 mit Brauerei, 3 Krämer. Viele Schuhmacher arbeiten nach außen. Winterabend- und Industrieschule wird gehalten.
Die große und abgerundete Markung wird auf der Nordseite von den Keuperthälern des Mildersbachs und der zuweilen austretenden Eyach umfaßt; ihr Haupttheil liegt auf dem unteren Lias mit großen, diluvialen Lehmauflagerungen bis zum mittleren. Keuper- und Liassandsteine werden gebrochen, zum Theil als Schleifsteine; auch nach außen abgesetzt. Auch Lehm-, Töpferthon- und Sandgruben sind vorhanden. Der Boden, soweit der Lehm geht, kalt, sonst schwer, zum Theil hitzig, auch steinig; im ganzen mittelfruchtbar. Einige nasse Wiesen kommen vor.
Das Klima ist etwas rauh, doch kommen feinere Gewächse noch fort.
Die Landwirthschaft wird fleißig und eifrig betrieben; Gips, Asche und die sorgfältig gesammelte Jauche dem Boden zugesetzt. Die häufigsten Pflüge sind der Suppinger und amerikanische Wendepflug; eiserne Eggen und Walzen sind vorhanden, auch einige Repssäemaschinen und 3 Dreschmaschinen mit Göppel. Von der Brache werden stark 3/4 mit Klee, Kartoffeln, Wicken, Reps, Rüben angebaut. Auch Flachs, Hanf, Hopfen, etwas Mohn werden gebaut. Hauptfutterkräuter Klee und Luzerne. Die gewöhnlichen Getreidearten gedeihen alle gut, besonders aber der Dinkel. Von 8–10 Sri. Dinkel auf den Morgen erntet man ebensoviele Schffl., von 3–4 Sri. Gerste ebenso, von 4 Sri. Haber 5 Schffl., von 3 Sri. Waizen 4 Schffl. Zum Verkauf kommen etwa 4–500 Schffl. Dinkel, 300 Schffl. Gerste, 200 Schffl. Weizen, Haber wenig. Der Wiesenbau ist ausgedehnt, das Erzeugnis meist gut; die Wiesen zweimähdig, 20 Morgen Wässerwiesen dreimähdig. Der Morgen trägt 40 Ctr. Heu, 25 Ctr. Öhmd. Gemüsebau für den eigenen Bedarf.
| Die Obstzucht ist ausgedehnt, nimmt zu. Man hat etwa 13.000 tragbare Bäume mit vielen auch edlen Sorten. Es bestehen eine Gemeinde- und zwei Privatbaumschulen; auch von auswärts werden Jungstämme bezogen. 2 Baumwarte sind angestellt. Das Obst, welches gerne geräth, dient größtentheils zum Mosten und Dörren; einige 100 Säcke kommen zum Verkauf.Die Gemeinde besitzt 500 Morg. Nadelwald (dazu 732 Morg. Privatwaldungen), welcher 800 Raummeter und 10.000 Wellen erträgt. Vom Erlös erhält der Bürger 8 M. 60 Pf., 2000 M. fließen in die Gemeindekasse. Die Weiden sind ziemlich gut, werden mit fremden Schafen befahren und ertragen der Gemeinde 1128 M. Pacht, 600 M. für Pferchnutzung. Die Allmanden sind umsonst an Bürger verliehen, einige Wiesen dienen der Farrenhaltung. Pferdezucht und -haltung unbedeutend, dagegen die Rindviehzucht in gutem Stand.
Die Gemeinde hält 2 Original-Simmenthaler Farren, 2 nachgezogene. Stallfütterung ist allgemein; die Viehmastung zur Ausfuhr in die Schweiz, nach Rottweil, Tuttlingen, Stuttgart bildet einen wichtigen Erwerbszweig. Schafe laufen im Sommer 300 Stück. Schweinezucht mit etwa 15 Mutterschweinen: Landrace. Zum Verkauf kommen etwa 70 St. Mastschweine. Ziegen-, Geflügel- und Bienenzucht gering. Die Fischerei auf Weißfische in der Eyach ist von der Gemeinde um 3 M. verpachtet.
Armenstiftungen ertragen jährlich etwa 120 M.
Parzellen:
- a. Böllatmühle, an der Eyach, 1/2 Stunde nordöstlich vom Ort.
- b. Gießmühle, nahe dabei an dem aus Hohenzollern zufließenden Klingenbach.
- c. Kaunter Gipsmühle, einige 100 Schritte südlich vom Ort, da wo der Klingenbach den Namen Kauntenbach annimmt.
- d. Obere Mühle, unterhalb davon, gegen Engstlatt.
Der Name des Orts, welcher stets so ziemlich gleichmäßig: Osdorf, Ostorf, Ostdorf, geschrieben wurde, ist von dem Stamme aust, althochdeutsch ôst, neuhochdeutsch osten, abzuleiten (Förstemann, a. a. O. 2, 157 ff.).
Mag es auch etwas zweifelhaft erscheinen, ob der Albero miles de Osdorf, welcher um das Jahr 1200 als Lehensmann | des Grafen Mangold von Rohrdorf vorkommt (Zeitschr. f. Gesch. d. Oberrheins 31, 73), auf unser Ostdorf zu beziehen ist, so gehört jedenfalls hierher der frater Bertoldus de Ostorf den 1. April 1246 Zeuge des Hugo von Werstein (Monum. Hohenb. 16).Die frühesten Besitzer dahier sind als die Nachkommen des bertholdischen Geschlechts die Herzoge von Teck. Den 27. März 1287 verpfändete Herzog Konrad von Teck dem Kloster Wald für 37 Pfd. Hllr. seine Gülten zu Osdorf im Jahresbetrag von 15 Pfd. Hllr. und 10 Mltr. Spelts und 2 Mltr. Haber jährlich von dem Kelnhof daselbst (Archiv des Klosters Wald). Allein bereits den 24. März 1302 verkauften seine Söhne, die Gebrüder Herzoge Simon und Konrad, mit Einwilligung ihres Bruders Herzogs Ludwig von Teck, Kirchherrn zu Owen, ihre eigenen Leute und Güter, sowie alle ihre Rechte zu Ostorffe, ausgenommen allein den Kirchensatz, zugleich mit 15 Mltr. Kernen Vogtrechts von der Kirche und Vogtrechten zu Leidringen, Bickelsberg und Isingen (OA. Sulz) u. s. w. um 560 Pfd. Hllr. an ihren Dienstmann Ritter Reinher von Rüti auf Wiederlösung innerhalb 4 Jahren. Die letztere erfolgte wohl nicht und ohne Zweifel zum Theil wenigstens als mittelbare Rechtsnachfolger der Rüti erscheinen die Gebrüder Burkhard und Renhard von Ehingen zu Entringen, welche den 27. August 1347 an die Grafen Eberhard und Ulrich von Württemberg den ihnen von Walther dem Schenken (von Andeck) sel. zu Erbe angefallenen Hof mit 8 Mltr. Vesen, 60 Eiern und 3 Hühnern jährlicher Gült, sowie ihre Leute und Güter mit allen Rechten und Zugehörden in dem Dorfe Ostdorf, Leute und Güter zu Rosenfeld, Leidringen, Böhringen, Gößlingen, gleichfalls von Walther herrührenden Besitz, um 120 Pfd. Hllr. verkauften (St.A.). Wie Württemberg die weiteren Theile des Orts erwarb, ist nicht bekannt, doch mag dieses auch bald geschehen sein. Im J. 1461 war das Dorf jedenfalls württembergisch, denn in diesem Jahre wurde es mit Balingen und anderen Orten der Gegend von Graf Ulrich dem Vielgeliebten an Wolf von Bubenhofen verpfändet, kam jedoch nach einigen Jahren an den Grafen zurück (S. 283).
Unbedeutenden oder vorübergehenden Besitz am Orte betreffend kann folgendes bemerkt werden: Hiesige Gülten erscheinen seit den 1360er Jahren, der Schappelshof seit dem Anfange des 15. Jahrhunderts als von Württemberg herrührende Lehen verschiedener Familien, | der Schappel, Murer, Vetter, Suter u. a., sowie des Heiligen S. Medardi und Leonhardi dahier; sie wurden jedoch im J. 1605 geeignet (vergl. Sattler, Grafen 2. Aufl. 4, Beil. S. 271). – Einige Leute dahier, welche dem Grafen Eberhard von Württemberg zustunden, machte ihm Ulrich von Lichtenstein im J. 1402 streitig (Steinhofer 2, 581). – Gegen Ende des 14. Jahrhunderts war der hiesige sog. Schenkenzehnt getheilt zwischen Hensli und Wernli den Schenken von Stauffenberg und ihrem Vetter Wilhelm, letzterer verkaufte jedoch mit Einwilligung seiner, mit ihrer Morgengabe und Heimsteuer darauf verwiesenen Gattin Agathe Schwelherin laut Urkunden vom 23. Februar 1394 und 31. Oktober 1397 seine Hälfte an Eberlin den jungen Byter Schultheißen zu Balingen und Benz Remp genannt Kotzer Vogt zu Ostdorf (Monum. Zolleran. 1, 320. 336). – In der zweiten Hälfte des folgenden Jahrhunderts war die Familie Götz von Engstlatt im Besitz beträchtlicher Zehnten: Heinrich Götz genannt Hüpschlin verkaufte den 22. Dezember 1466 von seinem hiesigen sogenannten Heldzehnten und seinem Maierhof zu Engstlatt 1 fl. Rh. an Konrad Väsch von Zepfenhan um 20 fl., seine Söhne Hans der ältere und der jüngere, Heinrich und Konrad verkauften den 27. Februar 1481 5 fl. Rh. aus verschiedenen Zehnten dahier an Hans Arnold von Balingen um 100 fl., seine Wittwe Margarethe und drei ihrer Söhne den 10. Dezember d. J. 2 fl. Rh. aus dem Heldzehnten an denselben Arnold um 20 fl. Rh., Margarethe und ihre 4 Söhne 1 fl. Rh. aus dem sog. Rutmannszehnten an denselben um 20 fl. Von den Gebrüdern von Rosenfeld kaufte Herzog Ulrich im J. 1511 hiesigen Zehntantheil (S. 294). Über Besitz der Klausen zu Engstlatt und Geislingen dahier vergl. S. 368, sowie über einen Vergleich wegen Viehtriebs und Weidgangs S. 375.Den 30. Januar 1827 wurde hier als Sohn eines Bauern geboren Martin Haug, angesehener Orientalist, Professor des Sanskrit und der vergleichenden Sprachwissenschaft an der Universität München, † 3. Juni 1876 (vergl. z. B. die Nekrologe in der Beil. zur Allgem. Zeitung von 1876 Nr. 182, in Sitz.-Ber. der philos. histor. Klasse der k. b. Akademie der Wissenschaften zu München 1877 S. 32 ff. und in Beiträgen zur Kunde der indogermanischen Sprachen herausgegeben von Adalb. Bezzenberger Bd. 1 Göttingen 1877 S. 70–80, woselbst auch ein Verzeichnis seiner Schriften).
Nach Röders öfters genanntem Lexikon von Schwaben zählte der Ort 872 Seelen.
Was die kirchlichen Verhältnisse betrifft, so war die Pfarrei Ostdorf eine der verschiedenen, welche im J. 1275 der Straßburger Kanoniker Rudolf von Zimmern inne hatte, und wird die hiesige, dereinst dem h. Medardus geweihte Kirche auch im J. 1324, der Kirchherr dahier Pfaff Kun von Sulgen, Chorherr zu Ehingen, im J. 1341 genannt (Freib. Diöcesanarchiv | 1, 39. 4, 16. Mon. Hohenb. 2, 371). Der im J. 1302 in teckischem Besitz verbliebene Kirchensatz war gegen die Mitte des folgenden Jahrhunderts bereits württembergisch. Als Patron der Kirche bat Graf Ulrich der Vielgeliebte am 20. März 1447 den Constanzer Bischof um Bestätigung der Frühmeßpfründe, welche die hiesige Gemeinde in die Kirche stiftete, und im J. 1451 wurde die Pfarrei Geislingen von der hiesigen getrennt (S. 401). Im J. 1502 werden hier drei Priester genannt (vergl. S. 295). Das zur Frühmeßpfründe gehörige Haus mit Scheuer und Garten kaufte nach Einführung der Reformation im J. 1555 der Ostdorfer Pfarrer Johann Altenbuch (St.A.).Im 15. Jahrhundert kommt eine St. Nikolauskapelle zu Anhausen vor, bekannt durch verschiedene Guts- und Gülterwerbungen, welche sie in den Jahren 1430, 1432, 1434, 1435 in Ryeten, auf Ober-Anhausen, zu Ostdorf, machte (St.A.); der Name ist noch heutzutage erhalten in dem „Anhauser Berg“ bei der Gießmühle. Weiterhin wird in den Jahren 1492 und 1505 die Mühle zu Schlechtenfurt genannt.
Geschichtliches über die Ruine Hammerstall nordöstlich von Ostdorf ist nicht bekannt.
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