Berliner Straßenbilder/3
Wenn ein Fremder bei seinen Wanderungen durch die Straßen Berlins eines schönen Nachmittags einen stattlichen alten Militär in weißem Rocke mit blauen Aufschlägen daher kommen sieht, der, umgeben von einer Schaar munterer Jungen, freundlich nach allen Seiten hin grüßt und, wenn er eine hübsche, junge Maid erblickt, auch wohl ein zierliches Kußhändchen wirft, so mag er wissen, daß ihm „Papa Wrangel“ begegnet ist. Das ehrfurchtsvolle Zurückweichen der Passanten und die Zurufe der keckeren Jugend, welche sich als freiwillige Suite an die Fersen des alten Reitergenerals heftet, sobald er sich auf der Straße blicken läßt, würden ihn auch Demjenigen kenntlich machen, der sein Antlitz niemals gesehen hätte. Trotz seiner neunzig Jahre schreitet er rüstig und gemächlich dahin, und sein munter blickendes Auge zeigt den regen Antheil, den Geist und Gemüth an Allem nimmt, was seine Aufmerksamkeit erweckt.
Es ist ein vielbewegtes, inhaltvolles und an höchsten Ehren reiches Leben, auf welches der greise Veteran zurückblickt, der sich rühmen kann, seit Jahrzehnten die originellste und populärste Gestalt Berlins zu sein. Der aus der alten Pommernstadt Stettin gebürtige Generalfeldmarschall Graf von Wrangel war zwölf und ein halbes Jahr alt, als er am 15. August 1796 in die preußische Armee eintrat. Aus dem Tertianer des Gymnasiums zu Neu-Stettin wurde ein Fahnenjunker des in Königsberg garnisonirenden Dragonerregiments von Werther. Zwei Jahre nach seinem Eintritte in das Regiment wurde der inzwischen zum Fähnrich avancirte Junker zum Lieutenant befördert, Beweis genug, daß er sich „gut auf den Dienst applicirt“ hatte.
Als die Trauerbotschaft von Jena und Auerstädt eintraf, wurde auch sein Regiment, eines der stärksten in der damaligen preußischen Armee, auf den Kriegsfuß gesetzt. Es war das einzige Regiment, welches bei Beginn des Winters von 1806 noch vollzählig beisammen war und nun mit der Aufgabe, die letzte Provinz des Staates zu vertheidigen, in Activität trat.
Am 23. December des genannten Jahres vollzog Lieutenant von Wrangel die erste Waffenthat. Ein von ihm geführtes, aus sechszig Mann bestehendes Detachement gerieth bei der Stadt Gurczno in's Gefecht mit einer Abtheilung des unter Commando des Marschalls Ney gegen Soldau vorrückenden französischen Corps. Hier that sich der junge Officier derart hervor, daß er die Aufmerksamkeit des Generals von Lestocq erregte. Als sich Letzterer nach einem Officiere von sicherem Blicke und scharfem Urtheile umsah, welchem er den schwierigen Auftrag ertheilen könnte, ihm Nachrichten über die Stellung der auf Preußisch-Eylau vorrückenden französischen und russischen Armee zu bringen, fiel seine Wahl auf den Lieutenant von Wrangel, welcher dem Befehle zur größten Zufriedenheit seines Generals nachkam. In der Nacht vom 7. zum 8. Februar 1807, bei schneidiger Kälte, machte er sich mit fünfzehn Dragonern und einem berittenen Förster von Rossitten aus auf den Weg. Das vom Feinde besetzte Dorf Storchnest wurde im schärfsten Trabe passirt; mehrere feindliche Bivouaks wurden umritten, und um ein Uhr Nachts war das Thor von Preußisch-Eylau erreicht. Hier erfuhr er von Bürgern, die der Feind aus den Häusern getrieben hatte, daß die Stadt stark besetzt und ein Durchreiten nicht rathsam sei. So ritt denn Wrangel mit seinen Dragonern östlich um die Stadt herum und wagte sich so weit vor, daß er aus den Bivouakfeuern die Stellung der feindlichen Armeen erkennen konnte. Sodann wurde der Rückweg angetreten. Es war ein Ritt von starken drei Meilen, welche aber so schnell zurückgelegt wurden, daß die kühnen Reiter Punkt fünf Uhr Morgens in dem preußischen Hauptquartier wieder eintrafen.
In der Schlacht bei Heilsberg am 10. Juni 1807 trug Wrangel die erste Wunde davon. Der Orden pour le mérite war der Lohn seiner Tapferkeit. Nach dem Tilsiter Frieden, welcher alsbald der Heilsberger Schlacht folgte, wurden auf Grund der neuen Armeeorganisation die vier ersten der acht Escadrons jenes Dragonerregiments zu Kürassieren umgeformt. Die hellblauen Röcke wurden weiß, die weißen Kragen und Aufschläge aber hellblau. So gehörte Wrangel von Anfang an demselben Regimente an, dessen Chef er später wurde und dessen Uniform er zu tragen pflegt, so oft die Wahl derselben in seinem Belieben steht.
Bei Ausbruch der Freiheitskriege rückte Wrangel als Rittmeister und Escadronchef jenes neugebildeten ostpreußischen Kürassierregimentes in’s Feld. In der Schlacht bei Groß-Görschen hatte er mit seiner Escadron eine russische Batterie zu decken. Bei der Entwickelung des Gefechts nahm er einen Moment wahr, wo ein weiteres Vorrücken der Batterie ihre Wirkung erhöhen mußte. Der Commandeur schloß sich der Meinung Wrangel’s an, machte ihn aber auf eine Stelle aufmerksam, wo französische Tirailleurs standen, welche der Batterie gefährlich werden konnten, wenn dieselbe bis zu dem vom Rittmeister angegebenen Platze avancirte. „Ich werde hinreiten und selbst sehen,“ meinte Wrangel, „ob die feindlichen Tirailleurs den Platz beschießen können. Schießen sie mich todt, so ist es dort gefährlich, reichen die Kugeln aber nicht bis dorthin, so werde ich vom Pferde steigen und Ihnen dadurch das Zeichen zum Avanciren geben.“ Gesagt, gethan. Er ritt bis zur betreffenden Stelle vor und gab sich selbst als Zielscheibe den französischen Kugeln preis. Als er sich überzeugt hatte, daß dieselben nicht zu ihm heranreichten, stieg er ab, und in demselben Augenblicke setzte sich die Batterie in Bewegung. Wrangel selbst spielte den Kanonier und richtete das erste Geschütz. Die Granate sauste dahin und drüben ging ein Pulverkarren in die Luft.
Am Abend der Schlacht kamen die ostpreußischen Kürassiere bei der bekannten Blücher’schen Cavallerieattaque noch einmal in’s Feuer. Wrangel’s Escadron attaquirte ein französisches Infanteriequarré und sprengte es vollständig. Es entstand ein wirrer Knäuel, und die Dunkelheit ließ Freund und Feind kaum unterscheiden. Wrangel selbst war beim Einhauen gestürzt, als sein Pferd, von einem feindlichen Schusse tödtlich getroffen, unter ihm zusammenbrach. Stundenlang blieb er auf dem verödeten Schlachtfelde in finsterer Nacht unter dem erschossenen Pferde liegen. Erst nach vielen Fährlichkeiten und von einer schmerzhaften Fußquetschung geplagt, gelang es ihm, gegen Morgen zu den Seinen zurück zu gelangen, die ihn bereits todt geglaubt hatten. Es ist bezeichnend, daß der junge Rittmeister damals auf die Frage des Majors von Grolmann, seines treuen Freundes und Gönners, ob das Avancement zum Major oder aber das kurz zuvor gestiftete Eiserne Kreuz seinen Wünschen besser entspräche, nach kurzer Ueberlegung erwiderte, „der Majorsrang wäre ihm vor der Hand lieber, denn das Kreuz gedächte er sich bei nächster Gelegenheit doch noch zu holen.“
Am 3. August, dem Geburtstage Friedrich Wilhelm’s des Dritten, erfolgte dann Wrangel’s Ernennung zum Major. Inzwischen aber hatte der Regimentskommandeur, Oberst von Twardowski, seinerseits den nunmehrigen, noch nicht dreißigjährigen Major zum Eisernen Kreuz in Vorschlag gebracht. Als er nun zwar selbst, nicht aber Wrangel das Kreuz erhielt, erklärte er vor dem versammelten Officierscorps, daß er es nicht früher tragen werde, bis auch sein Camerad damit geschmückt wäre, und so lange wiederholte er seinen Vorschlag, bis der König dem jungen Major das Ehrenzeichen verlieh.
Wrangel’s hervorragendste Waffenthat in den Befreiungskriegen war das ruhmvolle Rückzugsgefecht bei Etoges am 13. Februar 1814. Der damalige Führer des Regiments,
[185]Major von Manstein war bei den wiederholten Attaquen auf die scharf versorgende französische Vorhut in persönlichem Kampfe mit dem Kommandeur der feindlichen Kavallerie verwundet worden, und so übernahm der Major von Wrangel das Kommando. Im Verein mit dem russischen 7. Jägerregiment wußte er durch geschicktes Eingreifen mit seinen preußischen Reitern die dreimaligen Angriffe der französischen Gardecavallerie erfolglos zu machen und so den Russen den Abzug zu ermöglichen. Da erschien gegen Abend General von Zieten, lobte die Haltung des Regiments und befahl dem Major von Wrangel nöthigenfalls mit eigener Aufopferung so lange vor einem naheliegenden Walde dem Feinde Stand zu halten, bis die russische Infanterie unter Karpzewitsch das Walddefilé passirt hätte.
Dieser Auftrag war nichts minder ehrenvoll, als gefährlich. Das Terrain um Etoges war mit kleineren und größeren Waldungen bedeckt, durch welche sich die Landstraße zog, die mit Infanterie und Artillerie so angefüllt war, daß ein Durchgehen der Cavallerie vor der Infanterie der Nachhut nicht möglich gewesen wäre. In großer Ueberzahl drängte der Feind auf der Chaussee nach und seine Kavallerie schickte sich an, den Wald [186] zu umgehen. Zudem wurde es immer dunkler und dunkler, so daß die Bewegungen der Gegner fast nicht mehr zu unterscheiden waren. Schon hatte der Feind in bedeutender Stärke die auf ihren schwierigen Posten ausharrenden ostpreußischen Kürassiere umgangen, als ein französischer Parlamentär vor der Front des Regiments erschien und zur Uebergabe aufforderte. Der Wald sei bereits durch Umgehung besetzt, ein Durchkommen durch denselben nicht mehr möglich. Da indessen die Kürassiere sich so tapfer geschlagen hätten, solle die Capitulation eine durchaus ehrenvolle sein und namentlich jeder Officier im Besitze seines Eigenthums bleiben. Wrangel dankte dem Parlamentär für die gute Meinung von dem Regimente, wies sein Ansinnen aber energisch zurück. „So lange ich den Pallasch in der Hand habe,“ sagte er, „und noch im Sattel sitze, so lange capitulire ich nicht.“ Da versuchte es der Officier, durch Versprechungen die Mannschaft zum Niederlegen der Waffen zu bewegen. Die unmittelbare Folge dieses Versuchs, das Regiment zu einer pflichtwidrigen Handlung zu bestimmen, war die, daß der Officier, tödtlich getroffen, zu Boden stürzte. Gestützt auf die preußischen Kriegsartikel, hatte Wrangel dem ihm zunächst befindlichen Kürassier sofort Befehl gegeben, den Verräther vom Pferde zu schießen, und diese energische Maßregel verfehlte nicht, den tiefsten Eindruck unter der Mannschaft hervorzurufen.
Die Lage war eine verzweifelte. Nicht allein auf der Chaussee, sondern auch schon im Walde war feindliche Infanterie gesehen worden. Von den äußersten Strapazen ermüdet, harrten die braven Kürassiere der Entscheidung. Seit Tagesanbruch waren sie nicht einen Augenblick aus dem Sattel gekommen, hatten sie ihre Pferde weder füttern noch tränken können. Die Capitulation war zurückgewiesen, und so blieb kein anderer Ausweg, als sich, so gut es ging, in dunkler Nacht durch den vom siegreichen Feinde besetzten Wald durchzuschlagen und so das Hauptcorps wieder zu erreichen. Da rief Wrangel todesmuthig den Seinigen zu: „Wir sind auf allen Seiten von feindlichen Massen umzingelt, müssen uns also durchschlagen. Ich werde Euch voran reiten und die Bahn brechen. Folgt mir! Reiter, die entschlossen sind, eher zu sterben, als sich zu ergeben, können durch keine irdische Macht aufgehalten werden. Ihrem Entschluß folgt der Sieg so gewiß, wie der Tag der Sonne. So denn mit Gott! D’rauf!“
Und d’rauf ging es, erst im Schritt, dann im Trabe, endlich im sausenden Galopp, unter schallendem Hurrah gerade auf den Wald los, wo die Chaussee in denselben einmündete und eben feindliche Infanterie einmarschirte. Es war inzwischen so finster geworden, daß der Feind nichts von der Annäherung der Kürassiere gemerkt hatte und höchlichst erschrocken war über die Pallaschhiebe, mit welchen ihm die flotten Ostpreußen im Vorbeijagen auf den Kopf kamen. Kaum aber hatte man die vorübereilenden Kürassiere als Preußen erkannt, so machte die französische Infanterie Front gegen sie und feuerte auf gut Glück. Aber die Kürassiere ließen sich nicht beirren. Wie Windsbrausen stürmten sie dahin, vorbei an den feindlichen Colonnen, voran ihren kühnen Führer, der ihnen den Weg zeigte. Nicht die mannigfachen Hindernisse des gefahrvollen Weges, nicht Gräben und Hohlstämme hielten sie zurück. Weiter und weiter ging der Ritt über Männerleichen und verwundete Pferde, bis die in den Wald eingedrungenen feindlichen Colonnen überholt waren. Endlich erreichte man das Freie und stieß weit hinter Etoges auf das preußisch-russische Hauptquartier, wo das tapfere Regiment schon verloren geglaubt war. Der Triumph der ostpreußischen Kürassiere am Tage von Etoges aber verbreitete sich windesschnell in der ganzen Armee und mit ihm der Name ihres Führers, der bald genug für seinen Heldenmuth außergewöhnlich belohnt werden sollte.
Noch im Jahre 1814 wurde Wrangel Commandeur des westpreußischen 2. Dragonerregiments, nachmaligen 5. Kürassierregiments, sieben Jahre später Commandeur der 10. Cavalleriebrigade in Posen und schon im Jahre 1823 zum General befördert. Als späterer Commandeur der 13. Division in Münster hatte er die Genugthuung, die im Jahre 1837 daselbst in Folge der bekannten Differenzen zwischen der Regierung und dem Erzbischof von Köln ausgebrochenen Unruhen im Keime und ohne Blutvergießen zu ersticken.
Das Jahr 1839 sah ihn in Königsberg als commandirenden General des ersten Armeecorps, welches er bald darauf in vollkommenster Ausbildung und Schlagfertigkeit dem Könige vorzuführen Gelegenheit hatte. Es war dies die erste sogenannte Königsrevue, welche Friedrich Wilhelm der Vierte nach seiner im Juni 1840 erfolgten Thronbesteigung abhielt. Nicht lange nachher wurde Wrangel mit dem Commando des zweiten Armeecorps betraut. In dieser seiner hohen militärischen Stellung hat er sich in verdienstlichster Weise der Reorganisation der Cavallerie gewidmet und das Wiederaufleben des preußischen Reitergeistes bewirkt, welcher dem Anscheine nach in der langen Friedenszeit verloren gegangen war. Der König berief ihn nach Berlin zu Leitung der bedeutenden Cavallerieübungen, welche damals von den sämmtlichen Cavallerieregimentern und reitenden Batterien des Garde- und dritten Armeecorps, gesondert von den großen Herbstübungen beider Corps, ausgeführt werden sollten. Der Versuch gelang so glücklich, daß der König nach Beendigung der Uebungen seine unverhohlene Freude über den „tüchtigen und frischen Reitergeist“ äußerte, der sich in den Bewegungen so großer Cavalleriemassen kundgegeben habe.
So kam Wrangel, mit Ehren überhäuft, nach Stettin in den stillen Kreis seiner Familie zurück, welche damals aus seiner Gattin, geborenen von Below, und drei Söhnen bestand, von denen der Aelteste beim Civil, die beiden Jüngeren schon als Cavallerie-Officiere dienten. Mit sämmtlichen Angehörigen unternahm er darauf eine lange Reise durch die Schweiz nach Italien, wo er Genua, Rom, Neapel und auch, um den großen österreichischen Manövern beizuwohnen, Verona besuchte. Alsbald nach seiner Rückkehr, im Jahre 1846, beging er im Alter von nur zweiundsechszig Jahren sein fünfzigjähriges Dienstjubiläum, in dessen Anlaß ihm die Freude zu Theil wurde, zum Chef des ostpreußischen Kürassierregiments Nr. 3 ernannt zu werden, in welchem er vor fünfzig Jahren seine militärische Laufbahn begonnen hatte. Das Jubiläum des „Papa Wrangel“ erregte in der ganzen Armee die freudigste Theilnahme. Von seiner Vaterstadt Stettin erhielt er das Ehrenbürgerdiplom, von dem dritten Kürassierregimente einen kostbaren Pallasch mit den Wappen aller Officiere und reichen, auf die ehrenvollen Dienste ihres Chefs bezüglichen Verzierungen, von dem zweiten Armeecorps eine prachtvolle Vase, auf welcher die Dragonerattaque bei Heilsberg abgebildet war, der König aber ehrte ihn durch den Stern des rothen Adlerordens in Brillanten.
So nahte das Jahr 1848, in welchem Wrangel berufen war, eine hervorragende Rolle zu spielen. Wie er die gegen Dänemark kämpfende deutsche Bundesarmee befehligte und bei Schleswig zum Siege führte, ist noch frisch in Aller Gedächtniß. Als diesem Kriege durch den Waffenstillstand zu Malmö ein vorläufiges Ziel gesetzt war, bedurfte es eines für die Regelung außerordentlicher Vorfälle geeigneten Feldherrn im Herzen der Monarchie. Am 15. September wurde Wrangel zum Oberbefehlshaber sämmtlicher Truppen in den Marken ernannt und am 10. November fand der Einmarsch in Berlin statt.
Während des Octobers bis in den Anfang Novembers hatte der Oberbefehlshaber sein Hauptquartier im Schlosse von Charlottenburg. Es war eine schwierige Aufgabe, die seiner harrte, in der innerlich durch und durch aufgewühlten Hauptstadt der Monarchie die Ruhe und Ordnung wieder herzustellen. Die halben Maßregeln der Regierung, das Schwanken zwischen Nachgiebigkeit und Strenge hatten die Straßendemagogie zur vollsten Blüthe gebracht; so z. B. hielten unter dem Vorwande, die im Schauspielhause tagende Nationalversammlung zu beschützen, helle Volks-Haufen den Gensdarmenmarkt besetzt. Wrangel befand sich in Charlottenburg, war aber noch nicht nach Berlin gekommen. Die Berliner Arbeitermassen hatten ihm auch gedroht, sie würden ihm, wenn er Berlin betrete, dasselbe Schicksal bereiten, wie die Wiener dem Grafen Latour, den sie bekanntlich an einem Laternenpfahle aufgeknüpft hatten. Eines Tages war er nach Sanssouci zum Könige befohlen und sagte am Morgen zu seinem Leibjäger:
„Mein Sohn, der Zug nach Potsdam geht um zwei Uhr. Bestelle den Hofwagen so, daß ich um halb zwei Uhr in Berlin sein kann!“
„In Berlin, Ew. Excellenz?“ fragte erstaunt der Beauftragte.
„In Berlin, mein Sohn. Ich will meinem Schwager, dem [187] General von Below, einen Besuch machen und zur rechten Zeit am Potsdamer Bahnhof sein.“
„Aber Excellenz!“ suchte der Leibjäger einzuwenden.
„Bestelle den Wagen, mein Sohn!“
Der General fuhr durch das Brandenburger Thor in einem königlichen Hofwagen, der mit feurigen Trakehnern bespannt war, ein, von da nach der Französischen Straße, wo in der Nähe des Gensdarmenmarktes der General von Below wohnte. Der General stieg mit seiner Gemahlin aus und begab sich in die Wohnung seines Schwagers. Der Leibjäger folgte und schloß die Hausthürflügel hinter sich; der königliche Wagen blieb vor dem Hause halten. Der Leibjäger hatte Befehl, seinen Herrn kurz nach drei Viertel unten zu erwarten, und als er diesen mit der Generalin oben aus den Zimmern kommen hörte, öffnete er unten den einen Thorflügel, schlug ihn aber im nächsten Momente wieder zu, als er draußen vor der Thür und weithin nach der Straße dichte Massen jener unheimlichen Bassermann’schen Gestalten versammelt sah, die der Anblick des königlichen Wagens, einer damals in Berlin ungewohnten Erscheinung, vom Gensdarmenmarkte herangezogen hatte und die nun beim Oeffnen der Thür in lautes drohendes Gejohle ausbrachen, aus denen nur die Worte vernehmbar waren: „Nun kommt er.“
Der Jäger meldete oben, was unten drohte. Die Generalin erblaßte vor Schreck. Ihr Gemahl sagte ihr einige Worte in Französisch und schickte sich dann an, die Treppe hinabzugehen. Auf ihr Bitten, sich nicht der Wuth der Menge auszusetzen, deren wilde Ausbrüche jetzt laut zu ihnen heraufschallten, entgegnete er kalt und ruhig:
„Bleib’ nur ruhig! Muß doch sehen, was die närrischen Leute wollen.“
Er ging hinab. Der Jäger öffnete ihm die Thür. Er trat hinaus auf die Straße, wo sein Erscheinen ein lautes Johlen unter der versammelten Masse hervorrief.
„An die Laterne mit ihm! Schnell! Packt ihn!“ erscholl das Geschrei von allen Seiten, und schon streckten sich Arme nach ihm aus, um ihm das Schicksal Latour’s zu bereiten.
Kalt, unbeweglich stand er in Mitte der ihn umgebenden Menge. Sein Wort dämpfte für einen Moment den wüsten Lärm:
„Was wollen Sie von mir?“ war seine Frage.
„Sie sind ein Verräther,“ ließen sich einzelne Stimmen vernehmen. „Sie wollen das Volk niederkartätschen. Sagen Sie augenblicklich, ob es wahr ist, daß Sie Berlin bombardiren wollen, oder Ihr letzter Augenblick ist gekommen.“
„Ob ich Berlin bombardiren werde,“ war die Antwort des Generals, „das brauche ich Ihnen nicht zu sagen. Aber wenn Sie es durchaus wissen wollen: Ja! Ich werde es bombardiren lassen, und recht tüchtig, wenn diese Excesse fortdauern und nicht bald Ruhe und Ordnung wiederkehrt.“
Diese Drohung des kaltblütig der Menge in’s Angesicht schauenden Generals versetzte dieselbe in einen solchen Anfall von Wuth, daß aus tausend Kehlen der Ruf erscholl: „An die Laterne!“
Wer kann ermessen, was in diesem Momente geschehen wäre, wenn hier nicht einer jener Zwischenfälle eingetreten wäre, die man als ein Ungefähr oder als eine höhere Fügung ansehen mag, die aber oft den drohendsten Gefahren und folgereichsten Begebenheiten eine unerwartete Wendung geben. Hier war es ein etwa zwölfjähriger Knabe, der sich durch die Menge drängte und dem General, ihm ein Körbchen mit Veilchen entgegenhaltend, zurief:
„Veilchen, frische Veilchen! Ach, Herr Jeneral, koofen Sie mich den paar Sträußken ab! Eens nur eenen eenzigen Jroschen!“
Wie von einer plötzlichen Eingebung erfaßt, ergreift Wrangel den Korb, und ein Sträußchen nehmend, wendet er sich an den Vordersten der Schreier mit der Frage:
„Wollen Sie vielleicht ein Sträußchen für Ihre liebe Frau?“ und dann dem Nächsten eins bietend:
„Sie auch?“ und so die Reihe durch, bis denn überall aus der Masse Arme und Hände emporkamen, mit dem Rufe: „Mir auch, Herr General! Mir auch!“
Er hätte in diesem Augenblicke hundert haben können, er hätte fünffache Verwendung dafür gefunden, aber es waren verhältnismäßig nur wenig Sträußer gewesen. Das letzte emporhaltend, rief er:
„Dieses einzige und letzte will ich für mich behalten, zum Andenken an Sie und an diese Stunde. – Aber nun machen Sie Platz, meine Herren! Ich habe keine Zeit mehr; ich muß nach Sanssouci. Der König hat befohlen.“
Dieses Wort entfesselte die schon halb gebändigte Volksleidenschaft auf’s Neue. „Nein – nein! – Er soll nicht fort – Er darf nicht fort. Nieder mit ihm!“
In diesem entscheidenden Momente traten aus dem Haufen einige Männer, jedenfalls die ruhigeren Elemente, hervor und wandten sich zu den Uebrigen mit den drastischen Worten:
„Schafdämels Ihr, wat wollt Ihr denn noch? Habt Ihr’s doch jehört: der Mann hat keene Zeit.“
So suchten sie ihm den Weg zum Wagen frei zu machen. Der Jäger war unterdeß bei der Generalin im Hausflur geblieben, um mit ihr schnell seinem Herrn zu folgen, wenn er glücklich zum Wagen gekommen wäre. Fünf Schritte war der General noch von demselben entfernt, da stürzten sich Einige in neuaufschäumender Wuth mit dem Ausrufe „Latour!“ auf die Pferde, um diese im Zügel zu fassen, aber schneller und geschickter als sie nahm der Kutscher dieselben schnell zurück. Der General sprang in den Wagen; der Jäger drängte die Generalin hinein, sprang auf den Bock und fort ging’s in sausendem Galopp.
„Na, diesmal wären wir noch einmal glücklich durchgekommen,“ sagte darauf der General zu seinem Jäger. Derselbe lebt noch, heißt Boek, ist gegenwärtig Haushofmeister des Prinzen Friedrich Karl und gehört zu den Wenigen, die außer dem General und der Generalin von diesem Vorfalle noch wissen. Oft nachher, wenn der Oberbefehlshaber beim Prinzen Friedrich Karl zu Tische war, pflegte er, auf Boek zeigend, zu sagen: „Braver Kerl das – hat immer zwei Pistolen in der Tasche gehabt.“
Das war sehr nöthig, als Wrangel am 10. November Mittags zwölf Uhr durch das Halle’sche Thor mit den Truppen einzog und sein Hauptquartier im Schlosse von Berlin in den Zimmern der ersten Etage nahm, die der Schloßfreiheit und speciell dem Hause von Humbert gegenüber liegen; denn auch hier war er dem allgemeinen Volkshasse und der Gefahr für sein Leben täglich und stündlich ausgesetzt. Die Drohbriefe kamen in Haufen. Da, wo die Säule mit dem Adler steht, sammelten sich in jeder Stunde neue Volksmassen an, welche sehr deutlich mimische Geberden für den Begriff des Hängens nach den Fenstern hinauf machten. Um den General zu verhindern, an das Fenster zu treten und so die Gefahr herauszufordern, ließ man die Rouleaux herunter und brannte während des ganzen Tages Licht. Eines Tages verlangte Wrangel, nach dem Köpenikerfelde zu fahren. Dorthin hatte sich die Straßendemagogie verzogen, und dort fanden täglich stürmische Volksversammlungen statt; denn der Canal wurde damals gebaut, und alle unsauberen Elemente der Gesellschaft fanden sich mit den Arbeitern zusammen, um dieselben aufzureizen.
„Nach dem Köpenikerfelde wollen Excellenz fahren?“ fragte der damalige, nun auch schon verstorbene Adjutant von Kirchfeld den General.
„Ja – und Sie werden mich begleiten.“
Zur festgesetzten Stunde fuhr der königliche Wagen mit dem Generale und dem Adjutanten als Insassen – Boek mit den zwei Pistolen in der Tasche saß auf dem Sitze neben dem Kutscher – durch das Schloßportal dem Köpenikerfelde zu.
„Wrangel kommt. – Nieder mit ihm!“ tönte es im lärmenden Chore, als die Menge seiner ansichtig wurde. Aber er fuhr mitten in dieselbe hinein. Auf Einen aus der Masse deutend, der ihm der Vernünftigste schien, sagte er:
„Mit Sie will ich sprechen.“
Als nun der Sprecher hervortrat und im Verlaufe seiner kurzen Rede darlegte, daß die Zustände, so wie sie seien, auf die Dauer unmöglich bleiben könnten, daß etwas geschehen müsse, um das öffentliche Vertrauen zu befestigen, um Arbeit zu schaffen etc., antwortete ihm der General:
„Dann sind wir ja ganz einer und derselben Meinung: Es muß was geschehen, wenn alle bürgerliche Ordnung nicht zu Grunde gehen soll. Nur, glaube ich, sind wir über die Wege verschiedener Ansicht. Ich meine, der Ihrige führt zur Anarchie, der meinige aber zur Rückkehr gesellschaftlicher Ordnung.“
In dieser Weise sprach er in seiner drastischen Art weiter, und das Ende war, daß Boek den Hahn an seinen Pistolen in Ruhe lassen konnte und der gehaßte Mann von den Volksmassen [188] buchstäblich in seinen Wagen getragen und von ihrem Jubelgeschrei begleitet wurde.
„Man darf sich nur nicht fürchten,“ war seine Aeußerung. „Die Leutchen sind lange nicht so schlimm, wie sie aussehen.“
Die anfangs geübte militärische Strenge milderte sich binnen Kurzem und verschwand bald ganz. Berlin erhielt wieder seine frühere Physiognomie. Wrangel wurde in der edlen Bedeutung des Wortes populär, und alle Stimmen vereinigten sich zur Anerkennung der Festigkeit und Consequenz, des Taktes und der Schonung, welche er unter den schwierigsten Verhältnissen gezeigt hatte. Zudem fällt es schwer in’s Gewicht, daß jene erfolgreiche militärische Schlußhandlung des Jahres 1848 eine unblutige war. Die Geschichte der Revolutionen bestätigt die Seltenheit eines derartigen Erfolges ohne Blutvergießen, welches bei einer unzweckmäßigeren Handhabung der Waffengewalt wahrscheinlich nicht erreicht worden wäre.
Im Jahre 1849 übernahm Wrangel das dritte Armeecorps; am 15. August 1856, bei Gelegenheit seines sechszigjährigen Dienstjubiläums, erhielt er die höchste militärische Charge, indem er zum Generalfeldmarschall ernannt wurde, und im nächstfolgenden Jahre ward ihm das Gouvernement von Berlin zu Theil. In seinem achtzigsten Lebensjahre wurde der greise General von seinem Könige berufen, die alliirte preußisch-österreichische Armee gegen Dänemark zu führen, und leitete, ohne der Kälte und Strapazen zu achten, in vollster Rüstigkeit den beschwerlichen Winterfeldzug. Nach seiner Rückkehr wurde er von den Geschäften des Gouverneurs von Berlin in Anbetracht seines hohen Alters entbunden. Der König erhob ihn in den erblichen Grafenstand und machte ihn zum Chef eines Regimentes, welches sich in dem dänischen Feldzuge ganz besonders auszuzeichnen Gelegenheit gehabt hatte, des in Brandenberg a. H. garnisonirenden Füsilierregiments Nr. 35.
Der Krieg von 1866 sah den Feldmarschall inmitten seiner getreuen Kürassiere. Mit des Königs Erlaubniß begab er sich zu seinem Regimente, bei welchem er am 15. August jenes Jahres während des Waffenstillstandes in dem Städtchen Bistritz in Mähren sein siebenzigjähriges Dienstjubiläum feierte, bei welcher Gelegenheit sein Regiment den Beinamen „Graf Wrangel“ erhielt.
Ein noch selteneres Fest, das seiner fünfzigjährigen Generalscharge, hatte im Frühjahre 1873 unterbleiben müssen, da der Feldmarschall schwer erkrankt war. Im Herbste jedoch hatte er die Genugthuung, der Einweihung des Siegesdenkmals beiwohnen zu können, auf welchem er selbst als Feldherr des Jahres 1864 einen ehrenden Platz gefunden hat. Hier erhielten die Düppeler Schanzen den Namen „Wrangel-Schanzen“. Noch in diesem Jahre hat der Feldmarschall trotz seiner neunzig Jahre den sämmtlichen Cavalleriebesichtigungen zu Pferde beigewohnt.
Jetzt lebt der alte Wrangel still und zurückgezogen in seinem Palais auf dem Pariser Platze. Es ist ihm beschieden, seine sämmtlichen Söhne zu überleben. Der jüngste, den er im dänischen Kriege anno 1864 als persönlichen Adiutanten an seiner Seite gehabt hatte, zog sich in Folge der Strapazen eine Fußlähmung zu, mußte den Abschied nehmen und starb im Jahre 1867. Wrangel’s hochbejahrte, treue Lebensgefährtin, mit welcher er schon vor vier Jahren das nur Wenigen beschiedene Fest der Brillanthochzeit feierte, steht ihm noch heute zur Seite. Einer seiner Enkel lebt in seinem Hause.
Jedes Jahr, jeder Tag, dessen der Neunzigjährige genießt, ist ein Gnadengeschenk der Vorsehung. Wiederholte Schlaganfälle haben an der Gesundheit des alten Herrn gerüttelt. Seine Harthörigkeit erschwert ihm den Verkehr.
Mit frohem und zufriedenem Blicke kann er am Abende seines Lebens auf seine bewegte Vergangenheit zurückblicken. Sie war reich an Thaten und an äußeren Ehren. Mit kaum zwölf Jahren der Armee angehörig, wurde Wrangel mit noch nicht dreißig Jahren Oberstlieutenant und Regimentscommandeur, mit einunddreißig Jahren Oberst, mit neununddreißig Jahren General. In sieben Feldzugsjahren war er bei einer Belagerung, in zehn Schlachten und zweiundzwanzig Gefechten betheiligt. Mit den höchsten Orden ist seine Brust geschmückt; er wurde Kanzler des schwarzen Adlerordens.
Die Popularität, deren er sich namentlich seit dem Jahre 1848 erfreute, hat an seine Person allerhand curiose Anekdoten geknüpft, mit deren Wahrheit man es nicht allzu genau nehmen muß, die aber im Volksbewußtsein nicht mehr von ihm zu trennen sind.
Noch fünfzig Jahre, und um Vater Wrangel wird sich derselbe Volksmythus bilden, wie um Friedrich den Großen, den alten Zieten, Blücher und Andere. Wenn er z. B. nie einem Adjutanten erlaubte, anders als in vorschriftsmäßiger Weise, also mit dem Degen, vor ihm zu erscheinen, so ist das weniger als Anzeichen eines kleinlichen Gamaschenthums aufzufassen, als ein Gebot der militärischen Disciplin, das er, wie in großen Dingen, so auch bis in die geringsten Einzelheiten erfüllt haben will. Bekannt ist von ihm die Frage an einen jungen Officier, der vor ihm am Morgen in etwas nachlässiger Toilette erschien: „Was sind Sie?“ Der Gefragte, erstaunt über eine solche Anrede, gerieth in einige Verlegenheit, aus der ihn der General jedoch durch die Antwort erlöste: „Nicht rasirt sind Sie.“ Er duldet darum an Andern keine Nachlässigkeiten, weil er gegen sich selbst am strengsten ist.
Im General von Wrangel vereinigen sich alle jene Eigenschaften, welche zu einem tüchtigen Commandeur befähigen: Ernst, Strenge, Klarheit des Verstandes und jene Consequenz des Denkens, welche auch ohne Kant die richtigen Wege findet. Er ist leidenschaftslos bis zur Kälte und nüchtern in der Auffassung; wie ein Quäker ja er von einer Mäßigkeit im körperlichen Genießen, welche ihm eine Nervenkraft bewahrt hat, die ihn immer Herr seiner selbst und demgemäß auch Herr über andere sein läßt. Bekannt ist seine Sparsamkeit, aber wo der Soldat in ihm gerührt wird, ist diese wohl fähig, sich in Großmuth zu verwandeln. Vor einigen Jahren, nach dem Kriege und nach einem Badeaufenthalte in Wildbad, besuchte er Straßburg und nahm natürlich auch die Befestigungen in Augenschein. Dabei wurde ihm von der Heldenthat eines deutschen Ingenieurofficiers, Hauptmann Freiherr von Ledebur, erzählt. Derselbe hatte sich bei der Belagerung von Straßburg Nachts entkleidet, im Angesichte der französischen Wachen in den gefüllten Festungsgraben niedergelassen, war mit Gefahr seines Lebens in die Minengänge gedrungen und hatte daraus mit fast übermenschlicher Kraft ganze Ladungen von Pulver geholt und so die Minen für unsere Soldaten unschädlich gemacht. Bei einer solchen Excursion war er aber doch von den Franzosen bemerkt worden, hatte einen Schuß bekommen und starb an seiner Wunde im Lazareth in Karlsruhe. Das Erste bei Wrangel’s Ankunft in Karlsruhe war, daß er sofort den berühmten General von Werder nach dem Grabe des heldenmüthigen Officiers fragte. Als er jedoch erfahren mußte, daß dasselbe noch kein Denkmal zierte, daß nur ein Holzkreuz die Stelle bezeichnete, wo einer der Bravsten seinen Todesschlaf schläft, da händigte er dem General von Werder eine Banknote mit dem Bemerken ein:
„Hier, mein Sohn, hast Du hundert Thaler, und wenn das Ingenieurcorps es nicht für seine Pflicht achtet, einem so braven Cameraden ein schönes Denkmal zu setzen, so schreib’ mir, so werde ich das Uebrige auch noch bezahlen. Braver Kerl, der Ledebur!“
Nun erhebt sich auf dem Grabe des Helden ein prächtiges Denkmal, das ihm seine Cameraden mit Hinzunahme der Wrangel’schen Ehrengabe haben setzen lassen. –
Eine historische Thatsache ist es, daß die preußische Cavallerie ohne Wrangel niemals zu der Leistungsfähigkeit gelangt wäre, die wir an ihr bewundern müssen. „Wir haben große Generäle, aber über Allen steht doch Wrangel; der preußische Staat weiß gar nicht, was er diesem Manne zu verdanken hat,“ ist das Urtheil eines competenten Mannes über ihn, nämlich des Prinzen Friedrich Karl.
Was Wrangel jedoch mehr als die allerlei ihm meist angedichteten kleinen Eigenheiten in so seltenem Grade volksthümlich werden ließ, war nicht sowohl die soldatische Kernhaftigkeit, als die gewinnende Gutherzigkeit seines Wesens. In seinem langen, dem Dienste des Königs und dem Wohle des Vaterlandes gewidmeten Kriegerleben bewahrheitete Papa Wrangel den Sinn jener Worte, welche er am 14. Mai 1850 in das Album für die Denksäule im königlichen Invalidenparke zu Berlin schrieb:
„Man kann im Herzen Milde tragen
und doch mit Schwertern drunter schlagen.“