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Bei der Kartenlegerin

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
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Autor: B. S.-S.
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Titel: Bei der Kartenlegerin
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 45, S. 765, 771–772
Herausgeber: Adolf Kröner
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1895
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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[765]

Bei der Kartenlegerin.
Nach dem Gemälde von J. B. Huysmans.

[771] Bei der Kartenlegerin. (Zu dem Bilde S. 765.) Wohl niemand hat triftigeren Grund, über den trägen Gleichlauf der Tage sich zu beschweren, als die vornehme Orientalin nach der alten Mode. Wie so ganz ist ihr Tagesleben im Harem von den großen Interessen der Welt losgelöst, vom Verkehr mit klugen Männern und von den brennenden Tagesfragen! Ihr tiefster Konflikt nennt sich Eifersucht, ihr größter Wetteifer ist der um äußeren Glanz, ihre schönste Tugend, die im Grunde des Rühmens nicht wert ist, weil sie dem Weibe zur Natur gehört, ist die treue Mutterliebe. Aber freilich: wenn drei oder vier Frauen nebeneinander einem Mann angehören, wenn die Kinder eines Vaters sehr verschiedenen Müttern angehören, findet da nicht die Eifersucht einen ganz anderen Keimboden als in einer nach europäisch-christlichen Begriffen regelrechten Ehe? Und wie schutzlos ist sie vor dem Ansturm solcher Leidenschaft. In sich selbst und ihrer Bildung findet die Orientalin keine Lösung für die quälenden Rätsel, welche die Eifersucht in ihrer Seele aufwirft, und so sucht sie dann gern Rat bei den dunklen Mächten des Aberglaubens.

Wenn die Frauen sich den lieben langen Tag hindurch genug gethan haben mit Plaudern, Naschen, Brettspiel, Lautenklimpern und Rauchen, trippeln sie auf ihren hackenlosen Pantöffelchen, wohlverhüllt von Jaschmak und Feredjé, dem Schleier und Mantel, durch die bunten, lärmenden Straßen des Bazarviertels und verschwinden, von der verschwiegenen Dienerin begleitet, in eines der stillen Seitensträßchen hinter der großen Moschee. Dort verbergen verfallene Hausfronten mit engvergitterten Fenstern reiche Höfe aus Jahrhunderten der Pracht. Farbige Rundbogengänge, Wände, mit herrlichen Fayenceplatten belegt, umgeben plätschernde Brunnen und auf alten Teppichen stehen niedrige Tischchen mit dem Kaffeegerät. Wie gut duftet der starke Trank aus Yemen mit dem breiigen Bodensatze in den „Findschans“, den im becherförmigen „Sarf“ ruhenden Emailschälchen, von denen eines auch auf der flachen Silberschale am Boden steht, und wie aufmerksam lauschen die kauernden und lagernden Gestalten der vier lieblichen Frauen den Weisheitssprüchen der schlauen runzligen Kartenschlägerin. Sie weiß besser nach dem Munde zu reden als Lalé, die junge Zigeunerin, die aus Fall und Lage ihrer trocknen Bohnen wahrsagt, deshalb hat das Schicksal ihr auch Reichtum in den Schoß geworfen. Jeden Abend streicht sie die goldne „Lira“ und den silbernen „Ghurusch“ in ihren Säckel. Heute weiß sie viel Aufregendes zu sagen; die dunklen Augen ihrer Zuhörerinnen funkeln unter den gemalten Brauen, die feinen Händchen mit den rotgefärbten Fingerspitzen [772] pressen sich leidenschaftlich gegeneinander. Die dienende Mulattin jedoch, die mit im Kreise hockt, lacht; denn dort drüben in der Eingangsthür erscheint die, um derentwillen die vier eifersüchtigen Herzen brennen: Eminé-Hanum, die Schöne, Böse, die Allahs Zorn verderben möge, zusamt ihrer tückischen Schwarzen im Gefolge! B. S.-S.