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Barnard-Castle in der Grafschaft Durham in England

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
CLXXXXVIII. Cypern Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Fünfter Band (1838) von Joseph Meyer
CLXXXXIX. Barnard-Castle in der Grafschaft Durham in England
CC. Die Gräber der Patriarchen
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BERNARD-CASTLE

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CLXXXXIX. Barnard-Castle
in der Grafschaft Durham in England.




Die Schlacht von Hastings war geschlagen, und was einst den Angelsachsen erst nach 150jährigem Kampfe gelungen war, gewann dem Normannen Herzoge Wilhelm ein einziger Tag. England, nach Kriegsrecht dem Eroberer eigen, erlitt eine traurige Umwälzung. An die Stelle des freien Eigenthums trat die Belehnung, und die Güter der angelsächsischen Großen dienten, um Diejenigen königlich zu belohnen, welche dem Fürsten auf seinem Zuge gefolgt waren. Vergebliche Versuche, das harte, ungewohnte Fremdenjoch abzuschütteln, reizten den beleidigten Herrn und verschlimmerten das Uebel. – Unter Wilhelms Nachfolger, Rufus, fühlte die unterdrückte Nation die Zuchtruthe eines mißtrauischen Tyrannen. Rufus beraubte auch diejenigen angelsächsischen Grundbesitzer ihres Eigenthums, welche Wilhelm, aus Rücksicht gegen ihm erwiesene Dienste, oder weil sie sich bereitwillig unterworfen, geschont hatte, und er verschenkte ihre Güter an normännische Kriegsleute, nach seines Vorfahrers Beispiel. Zur Zwingherrschaft berufen, ergriffen diese die dienlichsten Mittel, sich in derselben zu befestigen. Jeder Baron umgab sich mit einer Schaar gemietheter Reisige, und Zwingburgen erhoben sich auf allen Höhen des unterworfenen Englands.

Auch diese dunklen Mauermassen, welche auf senkrechten Felsen am Ufer der Tee über uralte Linden und Kastanien schatten, und eine der malerischesten Ruinen Altenglands ausmachen, sind in dieser Zeit entstanden. 1093 belehnte Rufus den normännischen Ritter Guido Beliol, einen alten Kampfgenossen des Eroberers, mit den Waldungen von Teesdale und Maywood, und mit der Herrschaft über Middleton und Gainsford, „auf daß er streng Regiment einrichte, und die störrigen Sachsen übe in Gehorsam und Unterwürfigkeit.“ Ein Enkel dieses Guido, Barnard, erbaute die Burg und nannte sie nach seinem Namen. Barnards Geschlecht wurde reich im Laufe zweier Jahrhunderte und zu einem der mächtigsten des Landes. Ein John Beliol trug den schottischen Purpur. Aber bald nach ihm erlosch sein Stamm; Barnard Castle fiel den Warwick’s zu Lehn, von welchen es auf die Cleveland’s kam, welchen es noch heute gehört.

Die Burgruinen, die bei einem gleichnamigen gewerbreichen Städtchen auf einem bewaldeten Berge liegen, umfassen einen Raum von mehr als einer halben Million Quadratfuß. Tief in die Felsen gehauene Gräben haben [34] ehemals die Veste in mehre Theile gesondert. Auf diese Weise wurde ihre Vertheidigung möglich auch dann, wenn ein Feind schon innerhalb der Mauern sich festgesetzt hatte. Das stärkste Werk bestand aus einem gewaltigen Thurme, von Barnard selbst auf einen Felsen erbaut, der 120 Fuß hoch senkrecht zur Tee hinabsteigt. Fest steht er da, wie aus Erz gegossen, und noch vollkommen erhalten.

Der Weg zur Burg geht durch einen tief in das Gestein gesprengten Hohlweg, an dessen Seitenwänden Schlingkraut mancherlei Art in der üppigsten Vegetation herabrankt. Tritt man aber durch das Burgthor, welche Ueberraschung! Der weite Hofplatz, rund umher mit uralten Bäumen und majestätischen Trümmern umgeben, ist in einen üppigen Garten umgeschaffen, an den verwitterten Wänden grünen und reifen Pfirsiche, bunte Blumenbeete prangen auf den breiten Stirnen der Mauern, und zwischen ihnen schlingen sich Kiespfade hin, welche mit jedem Schritte die Ueberreste des alten Riesenbaues in veränderten Lichtern und Formen zeigen. Der einstige Sitz räuberischer, hochfahrender Gewalt ist jetzt die friedliche Wohnung des Fleißes, und über dem Thurmthore verkündigen dir ellenlange Buchstaben die wunderlichste, unerwartetste Metamorphose. Du liesest: – PATENT-SHOT-MANUFACTORY. Wenn dich ein Rittertraum den Burgberg hinauf begleitete, durch diese Worte verschwindet er gewiß.

Das an schauerlichen Erinnerungen volle Gewölbe, in welchem zu Richard des Dritten Zeit der Tower-Lieutenant Brakenbury schmachtete, ist jetzt die freundliche Wohnstube eines Faktors, und in dem Rittersaale werden – Hasenschroten gegossen.