BLKÖ:Wolf, Adolf
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich | |||
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Band: 57 (1889), ab Seite: 260. (Quelle) | |||
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Wolf, Adolf (Literarhistoriker, geb. in Wien 10. Juni 1826, gest. daselbst 16. October 1875). Ein Sohn des gelehrten Romanisten Ferdinand Wolf [siehe diesen S. 273], der an der kaiserlichen Hofbibliothek bedienstet war. genoß er eine sorgfältige Erziehung, besuchte das Gymnasium und trat, nachdem er die philosophischen Studien an der Hochschule in Wien beendet hatte, unter der Aegide seines Vaters in den Dienst der kaiserlichen Hofbibliothek ein, an welcher er stufenweise vom Amanuensis zum Custos vorrückte und in letztere Stellung sein Leben beschloß. Er zählte in der Schriftstellerwelt zu jenen „Stillen im Lande“, die, aller Reclame abhold, abseits von den gewöhnlichen Wegen des großen Haufens ihren Pfad dahin wandeln, und nichts weniger als um den Beifall der Welt buhlend, fleißig im dunklen und tiefen Schachte der Wissenschaft graben und schaufeln und manches kostbare Gebilde ans Licht fördern. Er gehörte keiner Coterie an, daher auch die sogenannten Schriftsteller nur wenig Notiz von ihm nahmen. Sein Lebensgang war ein sehr einfacher und schlichter. Als er in seinem Dienste zu einer Gehaltsstufe vorrückte, die es ihm ermöglichte, sich seinen eigenen Herd zu gründen, heiratete er, und zwar – der k. k. Hofbeamte – eine Protestantin. Die Zeit seines ehelichen Glückes – ein solches war es in des Wortes vollster Bedeutung – dauerte nicht ein ganzes Jahr. Der Augenblick, der ihm die Seligkeit des Vatergefühls gab, entriß ihm die geliebte Gattin, die wenige Stunden nach der Geburt eines Töchterleins an den Folgen der überstandenen Entbindung starb. Die nächste Zeit war für den jungen Gelehrten eine trostlose, und es währte lange, bis er sich in seine Verlassenheit hineinfand, in der er sich nun ganz der Erziehung seiner Tochter und dem Dienste widmete; nur der Verkehr mit ein paar Freunden, dem Archivsbeamten im Ministerium des Innern Reuterer und mit seinem Collegen in der Hofbibliothek Dr. Faust Pachler, verschönte mit dem sanften Lichte der Freundschaft sein einsames Dasein. Diesen seinen Freunden verdanke ich das Wesentliche über das Leben und Schaffen Wolfs. In seinem Dienste an der Hofbibliothek war er nach dem einmüthigen Urtheile seiner Collegen die personificirte Gewissenhaftigkeit. Die Muße, welche ihm sein Amt ließ, widmete er in erster Linie der Erziehung seines Kindes, in zweiter der literarischen Thätigkeit, die aber nicht in blendenden Büchern, welche etwa seinen Namen trugen; sondern meist in kleineren Essais, die oft nicht einmal mit einer Chiffre; sondern, um ja nicht auf die Spur des Autors zu führen, mit einem beliebigen Buchstaben bezeichnet waren, zum Ausdrucke kam. Gleich seinem Vater wendete er sich mit Vorliebe der romanischen Literatur zu, über welche er vornehmlich in der „Wiener (amtlichen) Zeitung“, im Abendblatt derselben, in der „Katholischen Literatur-Zeitung“, in der „Germania“ und in den (Berliner) „Jahrbüchern für romanische und englische Literatur“ bald kleinere, bald größere essaiartige Aufsätze veröffentlichte. Wir lassen von seinen ziemlich zahlreichen und zerstreut gedruckten Arbeiten eine Auswahl solcher folgen, welche noch einem späteren Forscher auf diesem Gebiete ersprießliche Dienste leisten können. Wir benützen dazu eine mit peinlicher Genauigkeit und mit der Liebe eines Freundes von Dr. Faust Pachler ausgeführte Zusammenstellung, welche uns derselbe [261] freundlich zur Benützung überließ. Dabei bemerkt Dr. Pachler, daß seine Uebersicht lange nicht vollständig sei, weil es ihm nicht möglich war, alle Zeitschrift für welche sein verblichener Freund thätig gewesen, zu durchblättern; außerdem copirte Wolf viel für auswärtige Gelehrte, wozu sich ihm bei seiner Stellung an einer an Schätzen der Literatur aller Art überreichen Anstalt sattsam Gelegenheit bot, er übersetzte für sie aus Handschrift und Büchern, wenn ihnen die betreffende Sprache nicht geläufig war; er arbeitete für das Brockhaus’sche „Conversations-Lexikon“, in welchem viele biographische Artikel über englische; spanische und portugiesische Berühmtheiten der Literatur aus seiner Feder stammen: er übersetzte auch, jedoch ohne sich zu nennen, da die Gegenstände seinen Studien, zu fern lagen, für ein und das andere Fachjournal aus dem Englischen. Seine Neigung richtete sich am meisten nach der englischen Seite hin; er war ein gründlicher Kenner der Sagen-, Märchen- und Balladenliteratur; verstand sich aber nie dazu, ein Werk zu schreiben, theils weil er nicht aus 20 Büchern das 21. machen wollte, theils weil er überhaupt keine schöpferische Natur war. Aber was er so meist aus zweiter Hand brachte, war gediegen, zuverlässig und meist für länger als den Augenblick berechnet. Von seinen Arbeiten verzeichnen wir nachstehende, in der Wiener Zeitung: „Ueber Sagen- und Märchenliteratur des österreichischen Kaiserstaates“ [1858, Nr. 89 und 90]; – „Ueber italienische Volkslieder“ [ebd., Nr. 209]; – „Die Romane Fernan Caballero’s in Deutschland“ [1859, Nr. 300]; – „Ueber schottische Volksballaden“ [Abendblatt der „Wiener Zeitung“ 1859, Nr. 60 und 61]; – „Im Leben schweigen und im Tode verzeihen. Nach dem Spanischen von Fernan Caballero“ (unter diesem Namen verbirgt sich eine Dame, deren wirklicher Name ist: Cäcilie Böhl de Fabes, vermälte von Arrom) [ebd. 1859, Nr. 67–69, 71, 72]; – „Ueber Fernan Caballero und ihre Sittenromane“ [ebd. 1859, Nr. 161]; – „Die Aemtersucht in Spanien; der Amtsbewerber, nach D. Ramon da Mesoniro Romanos; der Staatsbeamte, nach D. Ant. Gil de Zarate. Sitten- und Charakterzüge aus Spanien“ [ebd. 1859, Nr. 151 bis 154]; – „Martin Alfonso de Haro 1088, nach dem Spanischen des D. José Munoz Maldonado Grafen von Fabraquer“ [ebd. 1859, Nr. 37, 38]; – „Ueber die Basken und ihre Volkslieder“ [1860, Nr. 26 und 27], überdies enthält dieser Jahrgang des Abendblattes in den Nummern 57, 98, 115, 124 und der Jahrgang 1861 in den Nummern 42, 67, 68 Correspondenzen nach spanischen Journalen über politische Zustände und Personen in Spanien; in den Sitzungsberichten philosophisch-historischer Classe der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften: „Volkslieder aus Venetien. Gesammelt von G. Widter, herausgegeben von Adolf Wolf [46. Bd. (1864), S. 257-379, auch im Sonderabdruck]; in der Germania, Vierteljahrsschrift für deutsche Alterthumskunde, herausgegeben von Franz Pfeiffer: „Raparius“, Abschrift eines lateinischen Gedichtes dieses Namens aus einer Handschrift der Wiener Hofbibliothek[WS 1], behufs eines Vergleiches mit der in der Straßburger Bibliothek befindlichen, und die Einleitung dazu [VII. Jahrg. (1862) S. 43]; – „Zwei deutsche Märchen in einem Schwankbuche des XVIII. Jahrhunderts“ [neue Reihe V. (XVII.) Jahrg., S. 322]. in der Katholischen [262] Literatur-Zeitung: „Sophie La Roche, die Freundin Wieland’s. Von Ludmilla Assing“ [1861, Nr. 19]; – „Menasse ben Israel. Sein Leben und Wirken. Von Dr.M. Kayserling“ [1861, ebd.]; – „Gotschee und die Gotschewer. Skizze von Th. Elze“ [1861, Nr. 50]; – „Sitten und Sagen aus der Oberpfalz. Von Fr. Schönwerth“ [ebd. 1861, Nr. 33]; – „Oesterreichische Kinder- und Hausmärchen. Von Vernaleken“ [ebenda 1864, Nr. 13]; – „Griechische und albanesische Märchen. Gesammelt und übersetzt von J. G. v. Hahn“ [ebd. 1865, Nr. 9]; in dem bei Duncker in Berlin erschienenen Jahrbuch für romanische und englische Literatur: „English and scottish Ballads. Selected by Francis James Child“ [1860, Bd. II, S. 105]; – „Beiträge zur Geschichte der spanisch-americanischen Literatur. Von D. Juan Maria Gutierrez“ [1861, Bd. III, S. 117 u. f., S. 245 u. f.]; – „The history of scottish poetry by David Irving“ [1863, Bd. V, S. 345]; – „Die Unechtheit des Fuero von Aviles“ [1866, Bd. VII, S. 290); – „Le Victorial. Chronique de D. Petro Niño, comte de Buelna etc.“ [1867, Bd. VIII, ‘ S. 324]; – „Das Rolandslied. Das älteste französische Epos, Uebersetzt von Dr. Wilh. Hertz“ [1862, S. 209]; – „Antonio degli Albizzi“. Von Orlandini“ [1862, S. 286]. Dann gab Wolf heraus den Supplementband mit Berichtigungen und Zusätzen zur dritten Auflage der von seinem Vater mit einem Vorworte versehenen, von Nic. Heinrich Julius übersetzten „Geschichte der schönen Literatur in Spanien. Von Georg Ticknor“ (Leipzig 1867, Brockhaus, 8°.). Seine vorletzte größere, ein Jahr vor seinem Tode erschienene Arbeit war die Herausgabe von „William Roye’s Dialogue between a Christian Father and his stubborn son. Nach dem einzigen auf der Wiener k. k. Hofbibliothek befindlichen Exemplar“ (Wien 1874, 8°.), das vorher im 76. Bande der „Sitzungsberichte philosophisch-historischer Classe der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften“ erschienen war, und zu welchem er eine ausführliche Einleitung geschrieben; diese zur Kenntniß der Geschichte der Reformation in England wichtige historische Skizze aus jener Zeit wurde von sämmtlichen Fachreferenten der englischen gelehrten Journale als ein Meisterstück ihrer Art bezeichnet, dessen sie vor Allem einen Ausländer kaum fähig gehalten haben. Seine letzte Arbeit war eine Auswahl von „Briefen von Hoffmann von Fallersleben und Moriz Haupt an Ferdinand Wolf (seinen Vater)“ (Wien 1874, 8°.), gleichfalls vorher im 77. Bande der „Sitzungsberichte philosophisch-historischer Classe“ abgedruckt. Wir haben im Vorstehenden nur eine Auslese der für den Culturhistoriker wichigeren Arbeiten Wolf’s zusammengestellt, mehrere derselben sind ohne seine Chiffre oder mit einer anderen Chiffre bezeichnet, doch in seinen eigenen Aufzeichnungen als Arbeiten seiner Feder angeführt. Nach seiner letztwilligen Anordnung wurde er, obgleich Katholik, auf dem protestantischen Friedhofe in Wien, auf welchem er an Seite seiner früh dahingeschiedenen Gattin ruhen wollte, bestattet.
Anmerkungen (Wikisource)
- ↑ Vorlage: Hofbibliothes.