BLKÖ:Vivenot, Alfred Ritter von
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich | |||
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Vivenot, die Ritter und Edlen von, Genealogie | ||
Band: 51 (1885), ab Seite: 85. (Quelle) | |||
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Edlen von Vivenot geben die Stammtafel S. 89 und die Genealogie S. 88 nähere Auskunft. Alfred ist der zweitgeborene Sohn des Wiener Arztes Rudolph von Vivenot sen., aus dessen erster Ehe mit Josephine geborenen Freiin von Metzburg. Nach sorgfältiger, im Elternhause genossener Erziehung widmete er sich der militärischen Laufbahn, und 1859, erst 23 Jahre alt, diente er schon als jüngster Hauptmann bei Benedek-Infanterie Nr. 28, worauf er als Professor an der Militärakademie zu Wiener-Neustadt in Verwendung kam. Zur Zeit des Ausbruches des österreichisch-preußischen Krieges 1866 stand er im Infanterie-Regimente Graf Khevenhüller-Metsch Nr. 35. Nach der unglücklichen Schlacht bei Königgrätz (3. Juli 1866) und dem Rückzuge des österreichischen Hauptheeres gegen Olmütz befand sich das Corps, zu welchem er gehörte, in der Festung Josephstadt. Dieser Platz aber war im Augenblicke abgeschnitten und cernirt. Am 11. Juli wurde Vivenot von dem Festungscommandanten Generalmajor von Gaißler mit wichtigen Depeschen an den in Olmütz stehenden Benedek geschickt, um eine Correspondenz mit dem Hauptquartier herzustellen. Von drei Unterofficieren nach seiner Wahl begleitet, passirte er die ganze preußische Armee, überall sich glücklich durchwindend oder durchschlagend. In Olmütz angekommen, entwarf er eine Denkschrift über Organisation des Landsturms, freilich zu spät, denn wäre derselbe zur rechten Zeit organisirt worden, so würden die Dinge sich wohl anders gestaltet haben, als es leider der Fall gewesen. Der Organisationsplan lag nun fertig vor, bedurfte aber, um ihn ins Leben treten zu lassen, der kaiserlichen Genehmigung. Vivenot mußte indessen nach Josephstadt zurück. Als er sich unterwegs mit seinen drei Corporalen in Gabel befand, rückten eben die Preußen im Orte ein. Der größten Gefahr ausgesetzt, stürmte er mit seinen Begleitern entschlossen die Stiege des Hauses, in welchem sie einquartiert lagen, hinab und mitten durch die Feinde zur Stadt hinaus, insurgirte die Förster der Gegend und traf am 13. Juli in Josephstadt wieder ein. Daselbst legte er dem versammelten Kriegsrath – während er der kaiserlichen Genehmigung des Landsturms harrte – einen Entwurf vor zur Errichtung eines freiwilligen[WS 1] Jägercorps in den böhmisch-mährisch-schlesischen Gebirgen. Dabei soll er, wie eine Quelle berichtet, sich anerboten haben, das Corps auf eigene Kosten zu erhalten. Der Entwurf wurde angenommen. Zunächst meldeten sich ein Officier, 5 Unterofficiere, 34 Gemeine und der Münchener Maler Pollinger, der auf diesem Streifzuge leicht verwundet wurde, und diese Truppe machte am 20. Juli unter Vivenot’s Führung sich auf den Weg. Da die ganze Strecke gegen Olmütz von den Preußen bereits besetzt war, so mußte dieses Streifcommando zumeist beschwerliche Seitenwege und Fußsteige, und zwar letztere größtentheils nur bei Nacht einschlagen, um dem Feinde nicht in die Hände zu gerathen. Nun war es seine nächste Aufgabe, mit seiner Truppe dem Feinde größtmöglichen Schaden zuzufügen. Zuerst wurde in [86] Senftenberg der preußische Feldtelegraph an mehreren Stellen zerstört; eine preußische Patrouille aufgehoben und ein österreichischer Officier aus der Gefangenschaft befreit; bei dem Orte Pretau erbeutete er zwölf und bei Gabel zehn preußische mit Fourage beladene Wagen. Bei Rothwasser ward ein Convoi, der aus 180 Wagen mit 80 Mann Bedeckung bestand und die malitiöse Aufschrift: „Hauptquartier Wien“ führte, Nachts überfallen und genommen. Ein Theil der Bedeckung rettete sich durch die Flucht, die Uebrigen erlagen im Kampfe. Ein anderer Ueberfall gelang Vivenot in Niklasdorf auf eine 15 Mann starke preußische Patrouille, von welcher nur zwei ihr Heil in der Flucht fanden, während vier gefangen genommen und die anderen niedergemacht wurden. Am 25. Juli traf Vivenot mit seiner Schaar in Olmütz ein, wo er die mittlerweile angelangte kaiserliche Genehmigung des Landsturms und seine Ernennung zum Commandanten desselben für Böhmen, Mähren und Oesterreichisch-Schlesien vorfand. Zu diesem Zwecke wurden ihm 170 Mann von den Infanterie-Regimentern Kaiser und Gruber und ein Zug Uhlanen zugetheilt. Der Marsch ging anfänglich per Wagencolonne, die aus sämmtlichen Olmützer Fiakern und zehn Bauernwagen bestand. Man hatte sie in der Stille des Abends plötzlich aufgeboten, und der Generalstabschef der Festung führte sie aus derselben in dunkler Nacht über Mährisch-Neustadt, Friedrichsdorf, Hohenhaide, Peterstein, Altvater nach Karlsbrunn. Daselbst blieb das Streifcommando ungefähr 6–7 Tage, unternahm Streifungen nach allen Seiten, bis nach Troppau, wo ihm preußische Quartiermacher nebst einem Officier und einem Landrathe in die Hände fielen. Der Truppe, die mittlerweile bis auf 500 Mann angewachsen war, gelang es, den Feind zur Räumung ganz Nordmährens und des oberen Theiles von Schlesien zu zwingen. Aber mitten in der besten Thätigkeit und als Vivenot, seines Erfolges sicher, im Begriffe stand, in Preußisch-Schlesien einzufallen, kam die Nachricht vom Waffenstillstande und den Friedenspräliminarien mit dem gemessenen Befehle, alle militärischen Maßregeln einzustellen. Wie sehr der Feind die Organisation des Landsturms zu würdigen wußte, beweist die Thatsache, daß er einen Preis auf Vivenot’s Kopf setzte und das Corps wie den Landsturm nach Abschluß des Waffenstillstandes verfolgte. Aber glücklich brachte der Führer die Mannschaft seines Corps über die Demarcationslinie. Hauptmann Vivenot, welcher noch vor Uebernahme des Landsturmcommandos mit ah. Entschließung vom 14. Juli durch das Militär-Verdienstkreuz ausgezeichnet worden war, widmete sich in der diesem Kriege folgenden Zeit wissenschaftlichen Arbeiten, welche weiter unten angeführt werden sollen; er wurde auch aus dem Regimente zuerst dem Generalstabe zugetheilt, auf seine Bitte aber aus letzterem im Juni 1871 in die Reserve versetzt. Es geschah dies, um ihm den Uebertritt in die diplomatische Sphäre zu erleichtern. Thatsächlich erfolgte auch derselbe in nur wenigen Tagen, und zwar in der Stellung eines Legationsrathes im Ministerium des Aeußern, in welcher er dann auch, erst 38 Jahre alt, ein vorschnelles Ende fand. Im Gebäude des Ackerbauministeriums, wo er in dienstlichen Angelegenheiten um Mittagszeit verweilte, befiel ihn ein Schwindel; während er die ihm zu Hilfe Eilenden, [87] welche ihn in ein Fauteuil setzten, mit den Worten, es habe ihn nur ein leichtes vorübergehendes Unwohlsein ergriffen, noch beruhigte, sank er auch schon mit einem tiefen Seufzer zurück und war todt. Ein Herzschlag hatte dem jungen so hoffnungsvollen Leben ein jähes Ende gemacht. Wir erwähnten bereits, daß sich Vivenot in den Tagen des Friedens mit geschichtlichen Arbeiten beschäftigte, und in der That erregt es unser Staunen, welche große Anzahl er in verhältnißmäßig kurzer Zeit – sein erstes historisches Werk erschien 1864 – veröffentlichte. Die Titel seiner Schriften sind in chronologischer Folge: „Herzog Albrecht von Sachsen-Teschen als Reichs-Feldmarschall. Ein Beitrag zur Geschichte des Reichsverfalls und des Baseler Friedens. Nach Originalquellen bearbeitet“ 1. Band: Jänner bis October 1794; 2. Band, 1. und 2. Abtheilung: November 1794 bis December 1795 (Wien 1864–1866, Braumüller, Band I, XXIV und 438 S. und ein lithographirtes Portr.; Bd. II, 1. Abtheilung, XIX und 650 S. und ein Portr.; 2. Abtheilung: VII und 635 S., gr. 8°. und eine Karte, 4°.); – „Thugut, Clerfayt and Wurmser. Originaldocumente aus dem k. k. Haus-, Hof- und Staatsarchiv und dem Kriegsarchiv in Wien von Juli 1794 bis Februar 1797. Mit einer historischen Einleitung“ (Wien 1869, Braumüller, CXXXI und 633 S., gr. 8°.); – „Franz Graf Khevenhüller-Metsch, k. k. Feldzeugmeister. Eine biographische Skizze“ (Wien 1870, Braumüller, gr. 8°., 24 S.); – „v. Korssakoff und die Beteiligung der Russen an der Schlacht bei Zürich 25. und 26. September 1799“ (Wien 1870, Braumüller, Lex.-8°., 23 S.), früher in der „Oesterreichischen militärischen Zeitschrift“; – „Thugut und sein politisches System. Urkundliche Beiträge zur Geschichte der deutschen Politik des österreichischen Kaiserhauses während der Kriege gegen die französische Revolution, I und II“ (Wien 1870, Gerold’s Sohn, I: 130 S.; II: 97 S., gr. 8°.), II ist auch im „Archiv für Kunde österreichischer Geschichtsquellen“ abgedruckt; – „Zur Geschichte des Rastadter Congresses. Urkundliche Beiträge zur Geschichte der deutschen Politik Oesterreichs während der Kriege gegen die französische Revolution. October 1797 bis Juli 1799“ (Wien 1871, Braumüller, XII und 391 S., gr. 8°.); – „Vertrauliche Briete des Freiherrn von Thugut, österreichischen Ministers des Aeussern. Beiträge zur Beurtheilung der politischen Verhältnisse Europas in den Jahren 1792–1801 ausgewählt und herausgegeben nach den Quellen der k. k. österreichischen Staats- und mehrerer Privat-Archive“ 2 Bände (Wien 1871, Braumüller, XX, 434 und 536 S., gr. 8°.); – „Quellen zur Geschichte der deutschen Kaiserpolitik Oesterreichs während der französischen Revolutionskriege 1790–1801. Urkunden, Staatsschriften, diplomatische und militärische Actenstücke, ausgewählt und herausgegeben nach bisher ungedruckten Originaldocumenten der k. k. österreichischen Archive“ 2 Bände (Wien 1873 und 1874, Braumüller, gr. 8°.) Bd. I: „Die Politik des österreichischen Staatskanzlers Fürsten Kaunitz-Rietberg unter Kaiser Leopold II. bis zur französischen Kriegserklärung. Jänner 1790 bis April 1792“ (XVII und 618 S.); Bd. II: „Die Politik des österreichischen Vicestaatskanzlers Grafen Philipp von Cobenzl unter Kaiser Franz II. Von der französischen Kriegserklärung und dem Rücktritte des Fürsten Kaunitz bis zur zweiten Theilung Polens. April 1792 bis März 1793“ (VII und 608 S.); – „Zur Genesis der zweiten Theilung [88] Polens 1792–1793“ (Wien 1874, Braumüller, 47 S., gr. 8°.). Was nun Vivenot’s schriftstellerische Thätigkeit auf geschichtlichem Gebiete betrifft, so besteht der Werth derselben nach dem Urtheil der competenten Fachkritik in der Aufdeckung reichen und bis dahin nahezu ganz unbekannten Materials; aber in seinem patriotischen Streben, durch actenmäßige Darstellung der deutschen Geschichte zur Zeit der ersten französischen Revolution einer bis dahin von den Berliner und anderen preußischen Historikern beliebten einseitigen Auffassung der Politik Oesterreichs entgegen zu treten, verfällt er gerade in den Fehler seiner Gegner; wie diese die Geschichte specifisch preußisch darstellen, so faßt sie Vivenot specifisch österreichisch auf und ist daher ebenso einseitig wie jene. Aber ohne Zweifel haben seine Arbeiten viel zu einer richtigeren Auffassung der Verhältnisse beigetragen und der vielgeschmähten, absichtlich verlästerten österreichischen Politik zu ihrem Rechte verholfen. Höchsten Ortes wurde seine verdienstliche Thätigkeit durch Verleihung des Ordens der eisernen Krone dritter Classe gewürdigt; durch eine andere Auszeichnung aber sah er sich geehrt aus wissenschaftlichen -Kreisen, als ihm 1867 die philosophische Facultät der Universität Leipzig auf Grund seines Werkes „Herzog Albrecht von Sachsen-Teschen als Reichs-Feldmarschall“, und zwar nach der neuen Promotionsordnung, deren Bedingungen schwieriger waren, als die früheren, die philosophische Doctorwürde verlieh. Alfred von Vivenot hatte sich am 29. November 1860 mit Mathilde Englerth, einer Mannheimerin und Schwester der Frau seines Bruders Rudolph vermält. Ueber die Kinder dieser Ehe vergleiche die Stammtafel.
Vivenot, Alfred Ritter von (Geschichtschreiber, geb. in Wien am 6. August 1836, gest. ebenda 9. Juli 1874). Ueber die Familie der- Fremden-Blatt. Von Gust. Heine (Wien, 4°.) 1867, Nr. 111, in den Tagesnotizen. – Der Wanderer (Wiener polit. Blatt) 1869, Nr. 150, im Feuilleton: „Verdummung aus Patriotismus“. – Neue Freie Presse (Wiener polit. Blatt) 1865, Nr. 446: „Welfen und Ghibelinen“; 1871, Nr. 2440; 1874, Nr. 3545: „Legationsrath Ritter von Vivenot“. – Hoffinger (J. v.). Lorbern und Cypressen von 1866. Nordarmee (Wien 1868, Aug Prandel, kl. 8°.) S. 202 u. f. – Allgemeine Zeitung (Augsburg, Cotta, 4°.) 1869, Nr. 101–107, Beilage. – Zarncke (Friedrich). Literarisches Centralblatt (Leipzig, Avenarius, 4°.) 1866, Sp. 411; 1869, Sp. 817. – Magazin für Literatur des Auslandes (Leipzig, 4°.) 1864, S. 270: „Oesterreichische Geschichtschreiber“.
Anmerkungen (Wikisource)
- ↑ Vorlage: freiwillgen.