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BLKÖ:Trauttmannsdorff, Karl (bis 1627)

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Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Band: 47 (1883), ab Seite: 74. (Quelle)
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34. Karl (ermordet 19. December 1627), ein Sohn des Freiherrn Karl von der tirolischen Linie. In Zedler’s „Universal-Lexikon“, Bd. XLV, Sp. 259, wird ebenso kurz als falsch wörtlich berichtet: „Karl, der erschossen worden und sich mit Anna Elisabeth Gräfin von Thurn vermält gehabt u. s. w.“. Freiherr Karl wurde meuchlings ermordet, und seine Gemalin Anna Elisabeth war keine Gräfin Thurn, sondern eine Gräfin Thun, und zwar eine Tochter des Reichsgrafen Johann Cyprian Thun [Bd. XLV, S. 27, Nr. 43] aus dessen Ehe mit Anna Maria von Preysing. Die Ermordung ihres Gatten Karl Freiherrn von Trauttmannsdorff ist eine jener entsetzlichen Gewaltthaten, die um so grauenvoller wirken, wenn sie, obgleich der Mörder bekannt und leicht faßbar ist, doch ungesühnt bleiben. Dies der Vorgang der Ermordung: Im Sommer 1627 entzweite sich Freiherr von Trauttmannsdorff mit den beiden Sardagna, Jacob Anton und dessen Sohne Albert, und es kam zwischen ihm und dem Letzteren zu einem Wortwechsel, der beinahe blutig geendet hätte. Schon legte Albert die Büchse mit gespanntem Hahn auf Trauttmannsdorff an und dieser machte sich mit einem „Tercer“ zur Vertheidigung bereit, als das Dazwischentreten „guter Leute“ ein Blutvergießen verhinderte. Das geschah zu Matarell, ungefähr eine Stunde außerhalb Trients. Zur Verhütung weiteren Unglücks legten sich Albrecht von Wolkenstein, Stadthauptmann von Trient, und Georg Freiherr von Thun ins Mittel und brachten auch richtig die beiden Parteien dahin, daß sich dieselben mit Siegel und Unterschrift verbindlich machten, bis zum Austrage ihrer Streitigkeiten und bis zum Zustandekommen eines Vergleiches sich gegenseitig nicht mehr zu beleidigen. Der Streitpunkt aber, um den es sich handelte, war die Fischerei im Bache Stelcan und ein Graben, der in die Etsch mündete. Trauttmannsdorff berief sich auf das Fischereirecht, welches seine Voreltern vor etwa 130 Jahren mit dem Schlosse Matarell erworben hätten, und welches vom Kaiser, von den Tiroler Landesfürsten und den Bischöfen von Trient bestätigt worden sei; Sardagna dagegen auf das von Herzog Sigmund herrührende Privilegium der Fischerei- und Jagdfreiheit der Stadt Trient und andere Actenstücke. Den Ausgang des Rechtsstreites, welcher von den Rechtsgelehrten sehr lange hinausgezogen worden war, wollte jedoch Sardagna nicht abwarten. Sonntag den 19. December 1627 sollten beide Parteien nach Trient kommen, um sich daselbst vor einem von ihnen hiezu bestimmten Herrn zu vergleichen. Trauttmannsdorff, nichts Gutes ahnend, hatte Bedenken, dahin zu gehen, „sich auch gegen Sardagna der Nothdurft noch wohl vorgesehen“, nachdem ihm aber von ansehnlichen Herren und namentlich auch von zwei Geistlichen in dessen Namen das Wort gegeben worden war, daß er „keine Widerwärtigkeit“ zu befürchten habe, ging er doch nach Trient, in der guten Absicht, den Vergleich zu schließen. Nachdem er zuvor mit dem Bürgermeister einige Geschäfte abgewickelt hatte, verfügte er sich mit seinem Diener Ludwig Janet, aus dem bischöflichen Palaste weggehend, zu seinem Vetter Georg Sigmund von Thun [Bd. XLV, S. 24, Nr. 32]. Als er auf dem Wege dahin zum Hause Ludwig Porticelle’s kam, sah er [75] vor demselben „etliche dem Herrn von Sardagna anhängende und von diesem bestelltes Banditen“ stehen. Es waren dies: Simon Contzi oder Curton von Trient, Olivier Gios von Asiago bei Vicenza, Christoph Choller von Pergine, Diener des Julius Alessandrini von Trient, Hieronymus Vaicelli aus Sardagna, Diener des Herrn von Sardagna. Als er nun an ihnen vorüberging, grüßten sie ihn ehrfurchtsvoll und mit entblößtem Haupte, und er dankte mit abgezogenem Hute. Kaum war er jedoch an ihnen vorübergeschritten, als Sardagna, welcher ebenfalls vor dem Hause sich postirt hatte, zwei Pistolen auf ihn abschoß, und zwar im selben Moment, als Trauttmannsdorff den Hut wiederaufzusetzen im Begriffe war. Eine der beiden Kugeln drang ihm von rückwärts durch den rechten Arm oberhalb des Ellbogens. Beinahe gleichzeitig fielen noch andere Schüsse, von denen sein Diener niedergestreckt wurde. Als dieser wieder aufstehen wollte, erhielt er von einem der Banditen, Hieronymus Vaicelli, mit der Büchse zwei Streiche an den Kopf und ward „so wie ein Ochs niedergeschlagen“. Nun brachte man den verwundeten Trauttmannsdorff, während der Diener todt auf dem Platze blieb, in den Thun’schen Palast, in dessen nächster Nähe der mörderische Ueberfall stattgefunden hatte. Anfangs hielt man die Wunde nicht für gefährlich. Sie verschlimmerte sich jedoch so schnell und unter so ausfallenden Umständen, daß die Aerzte erklärten, es müßte die Kugel, welche Trauttmannsdorff getroffen hatte, vergiftet gewesen sein. Dieser starb nach vierzig qualvollen[WS 1] Stunden. Das ist der Hergang der Sache. Unter der Bevölkerung von Trient erregte der Vorfall begreiflicher Weise großes Aufsehen. In den Kreisen der bischöflichen Justiz schien man aber nichts weniger als geneigt, im Ernst gegen die Thäter vorzugehen. Stadthauptmann Freiherr von Wolkenstein berichtete hierüber unter Anderem: Er habe sich, nachdem er von dem blutigen Vorfalle Kenntniß erhalten, zum hochwürdigen Herrn Coadjutor verfügt – Bischof war damals Cardinal Karl von Madruz – ihm die Sache erzählt, ihn um gute Justiz gebeten und ermahnt, seine Räthe zusammenzuberufen. Letzteres geschah, und nachdem sich der Coadjutor zuerst mit denselben besprochen, nahm er sie mit zum Stadthauptmann, den er inzwischen in seinem Zimmer zurückgelassen hatte. „Als man beisammen gewest, hat einer den andern eine gute Weil angeschaut“. Da der Stadthauptmann sah, daß der Coadjutor Mittheilungen zu machen sich weigere, that er es und bat schließlich, Gerechtigkeit zu handhaben und die Thäter zu ergreifen. Es war aber unter diesen Räthen nur ein einziger, der überhaupt einen Rath gab, und zwar den, mit einigen Mann in Sardagna’s Häuser einzufallen. Und als Wolkenstein fragte, wozu das geschehen solle, da doch die Mörder .sich in die Propstei – damals eine Freistätte – geflüchtet hätten, antwortete der „weise“ Rath: es sei kein Fall, welcher zuließe, die Thäter aus der Freiung zu holen, man solle aber in ihre Hauser einfallen, „zu einem Schein und um den Leuten zu verstehen zu geben, daß die Justitia invigiliere!!“ Wolkenstein lehnte dies ab und erklärte, er könne sich dazu nicht hergeben, „zur Verblendung der Leute ihnen einen Stauchen vor die Augen zu binden“. Schließlich bewilligten ihm die Räthe vierzig Mann, die Mörder zu verfolgen, gaben ihm aber thatsächlich nur fünf, und zwar am ersten Tage „zween unbewehrte Buben“, am anderen aber drei, darunter nur einer mit einer Wehre versehen war. Nach der Meinung des Stadthauptmanns waren aber auf der Seite der Mörderpartei „über 70 wohlbewehrte Personen“. Die Mörder blieben denn auch ruhig drei Tage in Trient und machten sich dann unbelästigt aus dem Staube, indem sie Nachts auf einem Kahne über die Etsch fuhren und sich an verschiedenen Orten zerstreuten. Später wurde zwar durch den bischöflichen Prätor Poverello (nomen omen) von Trient der Inquisitionsproceß eingeleitet, 27 Zeugen, „darunter vier Doctoren und Palwirer“, eidlich vernommen, schließlich ward jedoch „der angefangene Proceß unvollkommenlich ersitzen gelassen“, und selbst als der Kaiser, welcher wie der Tiroler Landesfürst von der Verwandtschaft des Ermordeten um Intervention angegangen worden war, durch einen Commissionsbefehl die Fortführung des Processes von der bischöflichen Regierung verlangte, ging man nicht weiter mehr in der Sache vor. Erst als Erzherzog Leopold sich der Sache annahm und eine eigene Commission ernannte, welche in der landesfürstlichen Stadt Bozen tagte, wurde der Proceß im April 1629 weitergeführt und, insofern er die unmittelbaren Thäter betraf, im April 1631 zu Ende gebracht, auch sogar ein Urtheil gesprochen, welches jedoch am 21. Juni 1640 – dreizehn Jahre [76] nach dem Morde – noch nicht vollzogen war. Also trotz Proceß, trotz Urtheil noch nach dreizehn Jahren kein Endresultat. Doch ja. Die unglückliche Gemalin des ermordeten Trauttmannsdorff Anna Elisabeth geborene Gräfin Thun und ihre Kinder hatten durch den Proceß, in welchem schon 1631, namentlich in Folge der nothwendigen Uebersetzungen aus der lateinischen Gerichtssprache ins Deutsche, zehn- bis zwölftausend Blätter überschrieben waren, einen guten Theil ihres Vermögens eingebüßt, so daß die Witwe sich gezwungen sah, schon im genannten Jahre um Einstellung des Processes zu bitten. Wie lange er trotz alledem noch gedauert, ist nicht bekannt, doch reichen die Actenstücke darüber bis zum Jahre 1645! Das Vorstehende ist gewiß ein wichtiger Beitrag zur Geschichte der Justiz in der ersten Hälfte des siebzehnten Jahrhunderts und überdies in einem von einem kirchlichen Oberhaupte regierten Staate. –

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: quallvollen.