BLKÖ:Theben, Koppel R.
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich | |||
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Band: 44 (1882), ab Seite: 189. (Quelle) | |||
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Ignaz Reich, dem wir die Mittheilungen über [190] Koppel Theben verdanken, nicht an, auszurufen: „daß dieser an das blutige Inquisitionsgespenst der Glaubenseinheit mahnende Schlag nicht so sehr den unschuldigen Juden als vielmehr dem imponirenden Judenthume galt“. In der Folge aber mehrten sich die Anzeichen, daß auch an die ungarische Judenheit die Gefahr herantrete. Schon im Jahre 1741 wurde Griechen, Armeniern und Juden zumal Oberungarns unter Androhung der Strafe „behördlicher Confiscation“ der Weinhandel verboten. Nach einem Decret vom 2. Jänner 1744 sollte künftighin wie in Böhmen so auch in Mähren kein Jude mehr geduldet werden. Viele Israeliten dieser beiden Kronländer wanderten damals nach Ungarn, zunächst nach Preßburg aus, wo sie, um mit Ignaz Reich zu reden, am Pessach genannten Jahres die Gassen Preßburgs mit Jammergeschrei erfüllten. Mit Decret vom 15. Mai 1745 wurde ihnen vorderhand ein Aufenthalt von zehn Jahren gegen Entrichtung einer Toleranztaxe gestattet. So standen die Verhältnisse, als Koppel Theben an die Spitze der Preßburger Juden gelangte. Um das eigenste Wesen dieses einsichtsvollen, die Interessen seines Volksstammes rastlos und energisch vertretenden Vorstehers seiner Gemeinde zu beleuchten, möchten wenige Beispiele genügen. Als es einst in Preßburg brannte, rief er der rathlos und erschreckt nach der Brandstätte eilenden Menge, um sie zu beschwichtigen, mit voller Kaltblütigkeit zu: „Es brennt ja blos mein Haus“. Ob diese Worte nur eine Beruhigungsphrase waren oder auf trauriger Wahrheit beruhten, berichtet sein Biograph nicht, und doch wäre es wichtig gewesen zur Beurtheilung des Mannes, der im ersteren Falle als ein leichtsinniger Schwätzer, in letzterem dagegen als seelisch groß erschiene. Jeden Freitag speiste und beschenkte Theben viele jüdische Arme, welche vor der Thüre seines Hauses der Spende harrten, und mußte er für den leergebliebenen Tisch seines eigenen Hauses nicht selten um Speisen ins Gasthaus schicken. Als bei Ausbruch des Türkenkrieges im Jahre 1788 über hundertzwanzig halbverhungerte jüdische Flüchtlinge aus dem südlichen Ungarn in Preßburg eintrafen und vor der Synagoge sich aufstellten, brachte er sie unter Obdach, für die meisten aus eigenen Mitteln sorgend. Nie gerieth er in Verlegenheit, sich und seiner Gemeinde aus der verwickeltsten Sachlage herauszuhelfen. Als die Preßburger Fischerzunft beschlossen hatte, den Juden der Stadt das Fischessen an Sabbaten und Festtagen so theuer als möglich zu machen, erließ er an seine Gemeinde die Mahnung, alle Fischeinkäufe einzustellen, bis die Zunft sich eines Besseren besänne. Ein anderes Mal, als die Preßburger Stadtcommune sich mit der Absicht trug, die Donaubrücke unter der Bedingung in Pacht zu geben, daß von den Juden ein doppelter Brückenzoll zu entrichten sei, brachte er unter bedeutender Preiserhöhung den Pacht an sich, und seine Glaubensgenossen zahlten wie bisher den üblichen Brückenkreuzer. Als im März 1783 das Verbot des Barttragens an die Juden erging, bewirkte er wenige Wochen danach die Aufhebung desselben. Die wichtigste Mission aber, deren Ausführung er auf sich genommen, bestand in der Abwehr der Militärpflicht, zu welcher die Juden herangezogen werden sollten. Es war dies eine Maßregel, welche dieselben am schwersten traf. Da sie aber denn doch der übrigen Bevölkerung gegenüber in einem Ausnahmszustande [191] sich befanden, der unter allen Umständen drückend für sie selbst war, so argumentirten sie folgendermaßen: entweder sind wir ebenbürtige Söhne unserer Heimat, und dann beanspruchen wir gleiche Rechte, oder wir sind es nicht, und dann müssen uns doch unsere Kinder bleiben, um uns beizustehen in unserem kümmerlichen Broterwerbe und in den Leiden, welche wir unter dem Hasse der übrigen uns feindseligen Volksstämme erdulden. Der Militärdienst war für die Juden eine harte Pflicht; nicht so sehr die Trennung von der Familie, welcher auch der christliche Soldat entzogen wird, war, was sie peinlich berührte, aber, um mit den Worten eines Juden zu sprechen: „sie müssen verbotene Speisen genießen, müssen das altehrwürdige Pessachfest entweihen, die Sabbatfeier vernachlässigen und indem die Unglücklichen das Psalmbuch mit sich führen, geschah es denn nicht selten, daß die Schaufäden des Schwertes blanke Scheide berührten“. Grund genug, daß die Israeliten Alles daran setzten, die Aufhebung jener Maßregel zu erwirken. Bereits wurde dieselbe im Februar 1788 im Brünner Kreise, im März desselben Jahres in ganz Böhmen und Mähren mit schonungsloser Strenge durchgeführt. Eine Audienz, welche eine Deputation Rabbiner, mit Koppel Theben an der Spitze, in Wien bei Kaiser Joseph nahm, blieb erfolglos, ein im ersten Augenblicke genehmigter Ausweg: Ersatzmänner zu stellen, wurde abgelehnt und endlich die ganze Maßregel auch auf die Juden in Ungarn ausgedehnt. Indessen stand daselbst an der Spitze einer Partei Naftali Rosenthal aus Mór in der Stuhlweißenburger Gespanschaft, welcher der Uebernahme der Militärpflicht mit aller Wärme das Wort redete, weit er in richtiger Voraussicht auf eine bessere und ehrenvollere Existenz der Juden hoffte. Als Haupt der Gegner desselben aber arbeitete Koppel Theben mit allem Aufgebot seines Geistes gegen die Militärpflicht. Dabei ereignete sich ein komischer Zwischenfall. Der Vorstand der Rechnitzer Juden, Ahron, machte sich dafür anheischig, daß der ungarische Reichstag keine jüdischen Recruten verlangen werde. Das Verhältniß, in welchem er zu seinem Grundherrn dem Cardinal Primas Batthyány stand, ermöglichte es ihm, bei demselben die Bitte vorzubringen, gegen die Recrutirungsmaßregel auf dem Landtage zu opponiren. Der Prälat, welcher gegen die Begünstigung der Protestanten im Namen des gesammten Clerus Protest einlegte (5. Februar 1791), hörte seinen jüdischen Arendator freundlich an und um ihm gefällig zu sein, bemühte er sich, als die Militärpflichtigkeit der Juden auf dem Landtage zur Sprache kam, zu beweisen: „daß die Juden gar nicht würdig seien, unter der ungarischen Fahne zu dienen“! Der gelehrte Oberrabbiner zu Szegedin Leopold Löw [Bd. XV, S. 413] bemerkt hierüber zutreffend: „Man könnte fragen, wer den ungarischen Israeliten größeren Schaden zugefügt: Erzbischof Robert (1225) unter dem zweiten Andreas oder Cardinal Batthyány unter dem zweiten Leopold (1791)?“ Als Kaiser Leopold II. in Preßburg erschien, um sich zum Könige von Ungarn krönen zu lassen, stand am Fuße des Krönungshügels auch die Preßburger Judengemeinde, geführt von Koppel Theben, um nach altem Brauch die Huldigung zu leisten. Und der Kaiser überreichte ihm bei dieser Gelegenheit zur ewigen Erinnerung an die Feier eine sechzehn Ducaten schwere goldene Denkmünze. Im Jahre 1791, bei Beginn des [192] ersten französischen Feldzuges, mußten die von der Conscription bis dahin noch gänzlich befreiten Juden, weil sie ihr Recht nicht verbrieft hatten, ein Ablösungsgeld von 140 fl. für jeden Ersatzmann entrichten, und als dann die Abwehr des Feindes sämmtliche Kräfte des Reiches in Anspruch nahm, wurden auch die Ersatzmänner zurückgewiesen. Als nun Kaiser Franz I. auf dem Preßburger Reichstage 1796 in zuversichtlicher Ueberzeugung die Worte sprach, daß die Ungarn, wie sie weiland seiner Großmutter in bedrängten Tagen beigestanden, auch jetzt, da Oesterreich von gleicher Gefahr durch die hereinbrechenden Franzosen bedroht sei, zur Abwehr des Feindes mitzuwirken bereit sein würden, brachten neben den Magnaten, die mit Geld und Mannschaft Hilfe boten, auch die Preßburger Juden ihr Schärflein, und zwar auf einer vergoldeten Silberschüssel eine Summe von 21.000 fl. in Ducaten, welche Theben in einer Privataudienz dem Kaiser überreichte, und in Folge dessen es auch den Magnaten Ungarns gelang, die Israeliten vom Militärdienste zu befreien. Diese Audienz, Theben’s letzte Anstrengung in einer Angelegenheit, in der er zeitlebens zu Gunsten seines Volksstammes thätig gewesen, wird nun von unserem Gewährsmann, dem wir die Verantwortung für diese Darstellung – die dem Herausgeber ganz und gar erfunden erscheint – überlassen, in folgender Weise zum Besten gegeben. Koppel Theben, begleitet von Naftali Rosenthal und Wolf Theben, erschien zwischen 9–10 Uhr im Primatialgebäude zu Preßburg zur Audienz, welche in Gegenwart des ungarischen Hofkanzlers Karl Grafen Pálffy, des Grafen Karl Zichy und des Cardinals Fürsten Batthyány stattfand. Daselbst hätte er so gesprochen: „Geld geben wir, opfern gern Alles, ja auch unser Blut; aber was haben wir zu hoffen? Wir bitten Euere Majestät um gleiche Rechte. Als dreiundsechzigjähriger Greis, als Vater von neun Kindern, trete ich dann selbst mit allen meinen Söhnen in den heiligen Dienst fürs Vaterland – in den Militärdienst. Ja, ich wiederhole es, Betteljuden wollen wir sein, wollen bereitwilligst Alles hergeben: aber unsere Kinder nur dann, wenn wir gleiche Rechte mit den übrigen ungarischen Insassen genießen oder einst zu genießen hoffen dürfen“. Der Kaiser faßte diese in der That kühne Sprache in dem Sinne auf, als ob der Vertreter der Preßburger Juden ihm Bedingnisse in seinen Apartements vorschreiben wolle... und gab ausweichende Antwort... Die Stimmung Koppel Theben’s wurde immer gereizter... er trug auf Ablösegelder oder Ersatzmänner an... Bei dieser Zumuthung gerieth der Kaiser in Zorn: „Soll ich Christenblut für Geld verkaufen?“ nachdruckvoll ausrufend... Doch in gleichem Maße steigerte sich auch der Eifer des unerschrockenen Stimmführers für Israels Ehre und Recht, der nun drohend aufschrie: „Das Eine sage ich Euerer Majestät in aller Unterthänigkeit, daß bisher noch kein Judenbedränger ein gutes Ende genommen: so Pharaoh, Nebochadnezar, Haman, Titus...“ Herausgeber ist in der Darstellung wörtlich der unten bezeichneten Quelle gefolgt. Ist dieselbe wahr, so ist sie unerhört, ist sie erfunden, so ist sie frech. Als Judenfeind, schreibt unser Gewährsmann[WS 1] weiter, wollte und konnte Seine Majestät der Kaiser durchaus nicht gelten, und der edle ohnmächtig hinstürzende Theben hätte wahrlich sein Wagniß gar schwer büßen müssen, so die umstehenden Minister ihn [193] nicht schleunigst aus dem Audienzsaale zu führen und das aufgeregte Gemüth des Monarchen zu besänftigen aus allen Kräften bestrebt gewesen wären. Nach gereichter Labung wurde dem todesblassen Theben von Seite des Grafen K. Pálffy in aller Freundlichkeit bedeutet: er möge sich nur ruhig nach Hause begeben, in einer Stunde werde der Bescheid erfolgen... Daselbst angelangt, ertheilte Theben in scheinbarer Gelassenheit einigen Männern den Auftrag, von seinem Hause an in je zwanzig Schritte Entfernung bis zum Primatialgebäude sich derart zu postiren, daß Einer dem Anderen beim Herausfahren einer Equipage aus letzterem sogleich: „Man kommt“ zurufe... Nach einer Stunde erdröhnte das „Man kommt“ in lautem Tenor durch die Vorsteherwohnung, wo die ganze „Deputation“ noch versammelt geblieben war, und einige Minuten darauf flog schon der Galawagen des k. k. Hofkämmerers heran! Der Auftrag Seiner Majestät lautete ausschließlich an Theben. Dieser führte den vornehmen Boten in ein stilles Gemach... woraus auf einmal ein bitterer Schmerzensruf widerhallte... Alles lief zur Hilfeleistung herbei... Theben lag ohnmächtig auf einem Sopha hingestreckt... „Die Juden sind vom Militärdienste befreit“ lautete die überraschende Botschaft; der edle Vorkämpfer der Juden aber hatte das Gegentheil zu vernehmen und hiermit auf die Erlangung gleicher Rechte gehofft. Indessen sah er sich bei seinem leiblichen Zustande, der durch die vorbeschriebenen Vorgänge kaum eine Besserung erfahren haben mochte, genöthigt, Erholung und Linderung in den Heilquellen von Karlsbad zu suchen. Er kam aber nur bis Prag, wo er seinem verschlimmerten Leiden bald erliegen sollte. Als die Kunde von seinem Tode nach Preßburg drang, fielen seine Feinde, die, so lange er lebte, es nicht gewagt hatten, offen gegen ihn aufzutreten, in seine Wohnung ein und nahmen seine Schriften in Beschlag. Aber nach Durchsicht derselben fand es sich, daß er nicht blos die Casse der Gemeinde, deren Vorsteher er über ein Vierteljahrhundert gewesen, gewissenhaft verwaltet, sondern auch alle jene Ausgaben, die sein Takifus gekostet, stets aus eigenen Mitteln bestritten hatte. Mit Theben, schreibt dessen mehrerwähnter Biograph, fiel die Sache, für die derselbe gefallen: er wollte seine Kinder nur dann dem Tode fürs Vaterland weihen, wenn es ihnen gegönnt wäre, auch in Frieden für dasselbe leben zu können. Doch in dem Gesetz des ungarischen Reichstages vom Jahre 1807 heißt es Artikel I, Paragraph 1: daß die auszurüstenden Mannschaften nicht allmälig, sondern so viel thunlich in einer und derselben Zeit, und zwar im Laufe des Winters zu stellen seien, und sollen in diese Zahl auch die Juden mit eingerechnet und abgeliefert werden. Anläßlich der Grabschrift Theben’s stößt dessen Biograph Ignaz[WS 2] Reich den Schmerzensschrei aus: daß das jüdische Volk noch immer in schwerem Kampfe begriffen, aus zahllosen Wunden blute: die jüdische Wissenschaft in Trauer gehüllt; ihre geweihten Träger und Pfleger brot- und aussichtslos; die allehrwürdigen Talmud-Thora-Institute verwaist und verwildert, die wackersten Rabbiner verkannt und verbannt; die gewissenhaftesten Jugendbildner darbend; unsere Künstler unaufgemuntert; unsere strebsamen Jünglinge dem Hunger preisgegeben, unsere Zeitschriften aus Mangel an pflegender Theilnahme hinsiechend seien! Mit dieser Auffassung [194] will jene des Dr. Stöcker und auch die des Herausgebers nicht ganz stimmen.
Theben, Koppel R. (jüdischer Humanist, geb. zu Preßburg 1732, gest. in Prag 1799). Der alte Abraham Theben betrieb in Preßburg einen Tuchhandel, dem auch seine Söhne sich widmeten. Unter diesen that sich der Erstgeborene, Koppel Theben, im Geschäfte bald so hervor, daß er unter der Firma des Vaters stiller Compagnon des später weithin bekannten Hauses Abraham, Koppel, Mandel wurde. Sein Gebaren gewann ihm bald das Vertrauen Aller, die mit ihm verkehrten, und bahnte ihm den Weg zu den Palästen des ungarischen Magnatenthums, mit dem er öfter und natürlich sehr vortheilhafte Geschäfte machte. Nach dem Ableben des Vaters, der vierzig Jahre hindurch alleiniger Abnehmer der k. k. Linzer Zeugfabrik gewesen war, übernahm er selbstständig die Vertretung des in weite Fernen arbeitenden Handlungshauses, und als erfahrener und scharfsichtiger Mann wurde er im Jahre 1773 von seiner Gemeinde zum Vorstande gewählt. Die Verhältnisse der Juden in Ungarn standen zu jener Zeit an einem Wendepunkte. Durch Artikel 19 des ungarischen Reichstagsbeschlusses vom Jahre 1792 waren die Juden bereits aus den Königreichen Dalmatien, Croatien und Slavonien gänzlich verbannt. Im Gegensatze zu den ungarischen Ständen, welche sich für diese Gnade Seiner Majestät zu ewigem Danke verpflichteten, steht- Reich (Ignaz). Beth-El. Ehrentempel verdienter ungarischer Israeliten (Pesth 1865, Al. Becserszky, 4°.) Heft 5, S. 1 u. f.