Zum Inhalt springen

BLKÖ:Tesi, Vittoria

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
korrigiert
Nächster>>>
Tešlak, Paul
Band: 44 (1882), ab Seite: 24. (Quelle)
[[| bei Wikisource]]
Vittoria Tesi in der Wikipedia
Vittoria Tesi in Wikidata
GND-Eintrag: 138110352, SeeAlso
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal Korrektur gelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
Linkvorlage für Wikipedia 
* {{BLKÖ|Tesi, Vittoria|44|24|}}

Tesi, Vittoria (Sängerin, geb. zu Florenz am 12. Februar 1690, gest. in Wien am 10. Mai 1775). Armer Eltern Kind, das in zarter Jugend nach Venedig kam, wo es sich auf den Straßen mit Singen das tägliche Brot verdiente. Auf einem dieser Gänge hörte es der berühmte Capellmeister Antonio Caldara [Bd. II, S. 236]; die Stimme erschien ihm so viel versprechend, daß er sich sofort des Kindes annahm und es in der Musik unterrichtete. Zu einer ausgezeichneten Sängerin herangebildet, sang Vittoria viele Jahre an der kaiserlichen Hofoper in Wien, wo sie allgemein in so hoher Achtung stand, daß selbst die tugendstrenge Kaiserin Maria Theresia ihr ihre volle Huld zuwandte. Sie erreichte das Alter von 85 Jahren und hinterließ ein Vermögen von etwa 300.000 fl. [25] Nach der unten angegebenen Quelle wäre sie die erste Sängerin, die mit einem Orden ausgezeichnet wurde. Die Königin von Dänemark Sophie Magdalena, Gemalin des Königs Christian VI., eine geborene Prinzessin von Brandenburg-Culmbach, hatte am 11. Jahrestage ihrer Vermälung, am 7. August 1732 zur Erinnerung an ihre eheliche Verbindung den Orden der Treue gestiftet und als Großmeisterin des Ordens verlieh sie denselben im Jahre 1739 der Sängerin. Dieser Orden, der im Jahre 1811 noch acht männliche und fünfundzwanzig weibliche Mitglieder zählte, ist seither erloschen. Wie sehr aber die Sängerin dieser fürstlichen Auszeichnung würdig war, beweist das Folgende, was wir von ihr erzählen und was sie uns besonders denkwürdig erscheinen läßt. Obgleich sie bereits das 30. Lebensjahr erreicht hatte, war sie doch noch immer von so außerordentlicher Schönheit, daß ihr die gesammte vornehme Männerwelt Wiens huldigte, aber Johann Ferdinand Graf Lamberg, der Director der k. k. Hof- und Kammermusik (sogenannter Musikgraf), schien der von der Sängerin bevorzugte Cavalier zu sein, wenigstens zählte er zu den ständigen Besuchern derselben, und da er selbst ein vortrefflicher Violinspieler war, als welcher er in den Privatopern des Kaisers mitwirkte, brachte er sehr oft die Abende bei der Künstlerin zu, wo sie sich an Musik und Gesang ergötzten. Aber das Verhalten der Sängerin konnte nicht den geringsten Anstoß erregen, und der Graf, von ihrer Anmuth, Liebenswürdigkeit und Tugend immer mehr und mehr gefesselt, trug ihr zuletzt seine Hand an. Vittoria, so sehr sie dem edlen Cavalier von ganzem Herzen zugethan war, wollte ihn durch eine Heirat mit ihr weder aus dem glänzenden Kreise reißen, in dem er regelmäßig verkehrte, noch ihn mit seiner Familie entzweien, die abgesehen von aller Ehrbarkeit und Bravheit des Mädchens, doch die Ehe mit einer Comödiantin nie gebilligt haben würde. Sie stellte also dem Grafen vor, was er dadurch, daß er sie zu seiner Gemalin erhebe, alles aufs Spiel setze, doch ließ sich derselbe sein Vorhaben nicht ausreden und warb nur um so dringender um die schöne brave Künstlerin. Da faßte die Sängerin einen heroischen Gedanken. Der Graf hatte eines Abends neuerdings seine Werbung angebracht und der Sängerin trotz aller Vorstellungen seinen Entschluß, sie zu ehelichen, bestimmt erklärt. Als sie am folgenden Morgen wie gewöhnlich aus der Josephstadt, wo sie wohnte, in die Stadt zur Opernprobe ging und an dem Platz vorüberschritt, auf welchem heute die herrliche Votivkirche sich erhebt, trat sie zu einer Gruppe der dort an den Sandgruben beschäftigten Arbeiter. Sie fragte, ob ein Italiener sich unter ihnen befinde. Auf diese Frage trat ein schlichter ehrlich aussehender Bursche an sie heran und erklärte, er sei Italiener und heiße Jacob Tramontini. „Willst Du heiraten?“, fragte ihn die Tesi. Der junge Bursche war über die sonderbare Frag anfänglich überrascht, antwortete aber ebenso fragend wie die Sängerin: „Warum sollte ich nicht heiraten wollen?“ „Willst Du mich heiraten?“, fragte nun die Sängerin, auf ihr Ziel lossteuernd. Kurz, die Unterredung endete damit, daß der Italiener der Sängerin in die Wohnung folgte, wo er die Erklärung gab, sie zu heiraten, zugleich aber den Revers unterschreiben mußte, daß er nie ihr Gatte in Wirklichkeit sein wolle und eine weitere Bekanntschaft mit ihr nicht unterhalten werde, dagegen wolle sie ihm eine sorgenlose [26] Zukunft gestalten, ihm ein Haus kaufen, in welchem er als Eigenthümer und Nutznießer anständig leben könne. Und so geschah es. Nach vollzogener Trauung übergab ihm Frau Vittoria Tesi-Tramontini, wie sich die Sängerin von nun ab nannte, die Schenkungsurkunde über ein Haus in der Leopoldstadt (heute Circusgasse Nr. 3, alt 482), wo er auch bis an seinen am 29. Juli 1785 im achtzigsten Lebensjahre erfolgten Tod im Wohlstande lebte. Als am Abend nach der Trauung Graf Lamberg wie gewöhnlich die Sängerin besuchte, erzählte ihm diese, was sie gethan, um ihn von einem Schritte abzuhalten, wogegen sie. kein anderes Mittel wußte als eben ihre Heirat mit einem Anderen. Der Graf war über diese Mittheilung der Sängerin aufs tiefste erschüttert. Nachdem er aber die Fassung gewonnen und die Angelegenheit, die nun nicht mehr zu ändern war, mit Ueberlegung geprüft hatte, bewunderte er nur noch mehr den Hochsinn der braven Sängerin und widmete ihr nun im gesteigerten Maße seine Verehrung. Das edle Freundschaftsverhältniß zwischen Graf und Bürgerin blieb auch bestehen, als jener ein Jahr danach mit Constanze Gräfin Gilleis sich vermälte, welche vordem zweimal Witwe war, zu erst nach Christoph Leopold Grafen Schallenberg, dann nach Johann Adam Grafen Grundemann. Als Graf Lamberg, welcher der Sängerin bis an seinen Tod seine Freundschaft treu bewahrte, im Jahre 1764 starb, betrauerte ihn die Sängerin tief. Elf Jahre danach starb sie in Wien in ihrem Hause (Josephstadt, Auersperggasse Nr. 1).

Bermann (Moriz). Maria Theresia und Kaiser Joseph (Wien 1880, gr. 8°.) S. 53 u. f. – Neuigkeiten (Brünner polit. Blatt) 1862, Nr. 90: „Ein musikalisch denkwürdiges Haus in der Rofranogasse in Wien“.
Porträt. Im Holzschnitt ohne Angabe des Zeichners und Xylographen im vorgenannten Werke, S. 48.